Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.05.2018, Az. 1 B 13/18

1. Senat | REWIS RS 2018, 8490

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Gegenstand

Zur Frage, wann eine Verknüpfung von (möglicher) Verfolgungshandlung mit dem Verfolgungsgrund vorliegt


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

3

1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - [X.] 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

4

1.2 Gemessen daran ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der aufgeworfenen Frage, inwieweit Verfolgungsmaßnahmen eine [X.] haben, wenn es sich hierbei um sogenannte Ausforschungsmaßnahmen handelt, nicht dargelegt.

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Unter welchen Voraussetzungen Ausforschungsmaßnahmen unter Einsatz von Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a [X.] eine flüchtlingsrechtliche Relevanz zukommt, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Wie das [X.]undesverwaltungsgericht mit [X.]eschluss vom 24. April 2017 - 1 [X.] 22.17 - (NVwZ 2017, 1204 Rn. 11) bekräftigt hat, reicht für die nach § 3a Abs. 3 [X.] geforderte Verknüpfung von (möglicher) Verfolgungshandlung mit dem [X.] aus, dass das Regime einem Rückkehrer eine bestimmte politische Überzeugung bzw. Regimegegnerschaft lediglich zuschreibt (§ 3b Abs. 2 [X.]), wie auch sonst "unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist" (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 [X.]). § 3b [X.] stellt klar, dass es bei der [X.]ewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich ist, ob er tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen. Entscheidend ist die Kausalität im Sinne der erkennbaren Gerichtetheit der Verfolgung. Anspruch auf Flüchtlingsschutz hat daher auch derjenige Ausländer, der die verfolgungsbegründenden Merkmale tatsächlich nicht aufweist, wenn sie ihm von den in § 3c [X.] aufgeführten Verfolgungsakteuren zugeschrieben werden. Diese Regelung entspricht der bisherigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, wonach der (asylrelevante) Zugriff auf die vermutete politische Überzeugung ausreichend für den Nachweis der politischen Verfolgungsmotivation und eine daraus resultierende Verfolgungsgefahr ist ([X.]VerwG, Urteil vom 6. April 1992 - 9 [X.] 143.90 - [X.]VerwGE 90, 127 <134>).

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Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf hat die [X.]eschwerde nicht dargelegt. Ihr lassen sich insbesondere keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass die vom [X.]erufungsgericht gewürdigten Ausforschungsmaßnahmen auf einem [X.] (in Form der zugeschriebenen oppositionellen Haltung) beruhen, soweit sich diese - wie es das [X.]erufungsgericht für möglich gehalten hat - als ein "wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen" darstellten, "wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von [X.] erfolgen könnte" ([X.]). Der von der [X.]eschwerde zitierte Auszug aus dem [X.] des [X.]undesverfassungsgerichts vom 22. November 1996 - 2 [X.]vR 1753/96 - gibt einen so weitreichenden Schluss nicht her (vgl. auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 5. Dezember 2017 - 1 [X.] 131.17 - juris Rn. 11 f.). Einen allgemeinen Rechtssatz, wonach willkürlich angewandten Verfolgungsmaßnahmen eine asylrechtliche "Gerichtetheit" ohne Weiteres zukomme, hat das [X.]undesverfassungsgericht dort nicht aufgestellt. Es hat vielmehr sinngemäß hervorgehoben, dass Ausforschungsmaßnahmen [X.] zukommen kann, wenn diese nicht auf die Person der Auskunftsperson zielen, sondern als Mittel zur Verfolgung dritter Personen eingesetzt werden. Die [X.]eschwerde legt jedoch nicht dar, dass auch das [X.]erufungsgericht vorliegend von einem solchen Zweck drohender Ausforschungsmaßnahmen - Mittel zur Verfolgung Dritter - ausgegangen wäre. Dass das [X.]undesverfassungsgericht auch einen Fall hätte [X.] wollen, in dem eine [X.] [X.]efragung alle Rückkehrer betrifft und erst der Einschätzung dienen soll, ob Verdachtsmomente etwa für Kenntnisse über oppositionelle Aktivitäten Dritter bestehen, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen erging die genannte Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 22. November 1996 - 2 [X.]vR 1753/96 - ([X.] 1997, 6) zum [X.]egriff der politischen Verfolgung in Art. 16a Abs. 1 GG, während es vorliegend um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. [X.] geht.

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Inwieweit der [X.]eschluss des [X.] vom 19. Juni 2013 - [X.] S 927/13 - weitergehenden Klärungsbedarf begründen könnte, legt die [X.]eschwerde nicht näher dar.

8

Weitergehender abstrakter rechtlicher Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der [X.]eschwerde, dass das [X.] nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts darauf hingewiesen habe, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der [X.]ekämpfung der Opposition von dem [X.] Regime [X.]" erhalten hätten; jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum. Soweit die Kläger rügen, damit habe das Oberverwaltungsgericht selbst die Gerichtetheit des Verhaltens der Sicherheitskräfte (bzw. das [X.]eruhen auf einem [X.]) festgestellt, wenden sie sich in der Sache gegen die Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]erufungsgerichts.

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2. Damit ist auch kein - nicht ausdrücklich gerügter - Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet. Unabhängig davon ist die Würdigung des [X.]erufungsgerichts weder objektiv willkürlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Dass die Sicherheitskräfte im Zuge der [X.]ekämpfung der Opposition von dem [X.] Regime sinngemäß ermächtigt worden sind, ohne rechtliche [X.]egrenzungen zu agieren, zwingt nicht denklogisch zu der Annahme, dass [X.] von den Sicherheitskräften behelligten Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zugeschrieben wird.

3. Die Revision ist auch nicht wegen einer [X.]falls sinngemäß geltend gemachten Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

3.1 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 [X.] 38.10 - juris Rn. 15 und vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

3.2 Auch diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht. Sie führt aus, nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts dürfe Verfolgungsmaßnahmen die [X.] nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie nicht auf die Person des lediglich als Auskunftsperson in Anspruch genommenen [X.]eschwerdeführers zielten, sondern lediglich als Mittel zur Verfolgung dritter Personen eingesetzt worden seien ([X.]VerfG, [X.] vom 22. November 1996 - 2 [X.]vR 1753/96 - [X.] 1997, 6). Die [X.]eschwerde benennt aber keinen der angefochtenen Entscheidung des [X.] zu entnehmenden Rechtssatz, der zu dieser Aussage des [X.]undesverfassungsgerichts in Widerspruch steht. Insbesondere lässt sich den beiden zitierten Aussagen des [X.] zu Rückkehrern drohenden [X.]efragungen nicht entnehmen, dass diese - wie in dem angeführten Rechtssatz des [X.]undesverfassungsgerichts zugrunde gelegt - als Mittel zur Verfolgung dritter Personen dienen würden.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 13/18

30.05.2018

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 12. Januar 2018, Az: 2 LB 1620/17, Beschluss

§ 3b Abs 1 Nr 5 AsylVfG 1992, § 3b Abs 2 AsylVfG 1992, § 3c AsylVfG 1992, § 3a AsylVfG 1992

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.05.2018, Az. 1 B 13/18 (REWIS RS 2018, 8490)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8490

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