Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.09.2021, Az. B 12 R 14/21 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 2457

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung - Revisibilität iS des § 162 SGG tarifvertraglicher Normen)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 17. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1810,08 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die aufgrund einer Betriebsprüfung für den [X.] vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2015 erhobene Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf regelmäßig gewährte Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit für Urlaubszeiten und Entgeltfortzahlung im Fall von Krankheit und an Feiertagen in Höhe von insgesamt 1810,08 Euro (Bescheid vom 13.4.2017, Widerspruchsbescheid vom 1.8.2018). Die Klage ist erfolglos geblieben (Urteil [X.]). Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. An die Beschäftigten der Klägerin seien unstreitig Sonn- und Feiertagszuschläge gezahlt worden, obwohl nach dem zugrunde liegenden Manteltarifvertrag zwischen dem Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband [X.] eV und der Industriegewerkschaft [X.] ([X.]) bei planmäßig verlagerter Arbeitszeit (Einsatz nach Schichtplan) keine Zuschläge zu zahlen gewesen wären. Diese regelmäßig bei tatsächlicher Arbeit angefallenen Zuschläge seien auch im Rahmen der Entgeltfortzahlung im Fall von Krankheit und an Feiertagen sowie im Urlaub zu beanspruchen und zu verbeitragen. Dieser grundsätzliche Anspruch könne nur durch eine tarifvertragliche Regelung auf Grundlage einer Tariföffnungsklausel nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) oder des Bundesurlaubsgesetzes ([X.]) ausgeschlossen werden. An einer solchen fehle es hier. Die Klarstellung der Tarifvertragsparteien sei hier nicht maßgebend, da sie außerhalb des Wortlauts der betreffenden Normen liege (Urteil vom [X.]). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

2

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) nicht hinreichend dargelegt.

3

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 [X.] stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ([X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.] 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

4

Die Klägerin macht folgende aus ihrer Sicht klärungsbedürftige Rechtsfragen geltend:

a)    

Sind die Regelung unter § 3 Punkt 2.3 und 2.4 des Manteltarifvertrages zwischen dem Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Thüringen e.V. und der Industriegewerkschaft Bauen-, Agrar, Umwelt in der Fassung vorn 16. Februar 2000 ggf. in Verbindung mit der Klarstellung der Tarifparteien vom 12.12.2017 dahingehend auszulegen, dass für die Entgeltfortzahlung bei Abwesenheitszeiten aufgrund von Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit, Unfall, entgeltzahlungspflichtiger Feiertage und bei Arbeitsbefreiung gemäß § 10 sowie bei Urlaub die ausgefallene Arbeitszeit ausschließlich auf der Basis von 8 Stunden ohne die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit die tariflichen Zuschläge zu berücksichtigen ist?

b)    

Ist die Regelung in § 3 Punkt 2.4 des Manteltarifvertrages zwischen dem Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Thüringen e.V. und der Industriegewerkschaft Bauen-, Agrar, Umwelt in der Fassung vom 16. Februar 2000 ggf. in Verbindung mit der Klarstellung der Tarifparteien vom 12.12.2017 dahingehend auszulegen, dass nur bei tatsächlicher Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit die tariflichen Zuschläge gezahlt werden sollen?

c)    

Enthält der Manteltarifvertrag zwischen dem Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Thüringen e.V. und der Industriegewerkschaft Bauen-, Agrar, Umwelt in der Fassung vom 16. Februar 2000 mit seiner Regelung in § 4 Punkt 3 (Mehrarbeit), ggf. in Verbindung mit der Klarstellung der Tarifparteien vom 12.12.2017 eine zulässige, von § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage für die Berechnung von SFN-Zuschlägen, sodass diese nicht zum regulären Arbeitsentgelt gehören?

5

Da es der Klägerin allein um die Auslegung tariflicher Regelungen geht, fehlt es an der erforderlichen Darlegung der Revisibilität des Tarifvertrags. Grundsätzliche Bedeutung für eine Zulassung der Revision kann nur solchen Fragen zukommen, zu deren Klärung das Revisionsgericht berufen ist. Die als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage muss daher eine der Entscheidung des Revisionsgerichts zugängliche Vorschrift betreffen. [X.] iS von § 162 [X.] sind tarifvertragliche Normen nur, soweit sie über den Bezirk des [X.] hinaus gelten, wenn also für andere Tarifgebiete gleiche Vorschriften existieren, die bewusst und gewollt inhaltlich übereinstimmend gestaltet sind (vgl [X.] Urteil vom 31.10.1996 - 11 [X.] - [X.], 197 = [X.] 3-4100 § 69 [X.] 3 = juris Rd[X.] 19; [X.] Urteil vom 5.2.1998 - B 11 [X.] 65/97 R - [X.] 3-4100 § 117 [X.] 15 = juris Rd[X.] 15; [X.] Urteil vom [X.] - B 11 [X.] 14/11 R - [X.], 277 = [X.] 4-4300 § 147a [X.] 11, Rd[X.] 27). Die Erstreckung des Geltungsbereichs über den Bezirk des [X.] hinaus bedarf der Darlegung in der Beschwerdebegründung (vgl [X.] Beschluss vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 B - juris Rd[X.] 8 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 162 Rd[X.]b und § 160a Rd[X.] 14i). Ausführungen dazu sind in der Beschwerdebegründung indes nicht enthalten. Vielmehr bezieht sich die Klägerin bei ihren Darlegungen zum Interesse der Allgemeinheit an der erstrebten Entscheidung allein auf den betroffenen Personenkreis der "Arbeitsvertragsparteien in der [X.] Landwirtschaft".

6

Dass die Klägerin den Klärungsbedarf durch das [X.] mit der Vielzahl anhängiger Gerichtsverfahren in der [X.] Sozialgerichtsbarkeit begründet, führt allein nicht zur Zulassung.

7

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.] iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.

9

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.] iVm § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und entspricht der Festsetzung des [X.].

Meta

B 12 R 14/21 B

22.09.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Gotha, 9. Dezember 2019, Az: S 19 R 2420/18, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 162 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.09.2021, Az. B 12 R 14/21 B (REWIS RS 2021, 2457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2457

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