Bundessozialgericht, Urteil vom 09.03.2022, Az. B 7/14 AS 91/20 R

7. Senat | REWIS RS 2022, 799

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - anderes Aufenthaltsrecht - Arbeitnehmerfreizügigkeit - ruhendes Arbeitsverhältnis während der Elternzeit - Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus


Leitsatz

Erziehende in Elternzeit, deren Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht ruht, sind als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des [X.] vom 22. September 2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Januar bis Mai 2019.

2

Die Klägerin zu 1 ist die Mutter der im März 2018 geborenen Klägerin zu 2. Beide sind [X.] Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 ist seit dem 11.5.2012 in der [X.] gemeldet, unterbrochen durch einen im Melderegister vermerkten Aufenthalt in [X.] vom 18.11.2013 bis 1.7.2014. In [X.] war sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt vom 1.7.2014 bis 30.6.2015, vom 1.8. bis 21.9.2015 und vom 1.2. bis 30.6.2016 jeweils als Optikerin in verschiedenen Unternehmen und vom 1.10. bis 30.12.2015 als Serviererin. Ab 1.3.2017 stand sie in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis wiederum als Optikerin. Die Mutterschutzfrist der Klägerin zu 1 begann am 26.1.2018 und endete am 4.5.2018; die zunächst bis 20.4.2019 befristete Elternzeit verlängerte die Klägerin zu 1 im März 2019 bis zum 1.3.2021. Das Beschäftigungsverhältnis ruhte während ihrer Elternzeit.

3

Die Klägerin zu 1 erhielt bis einschließlich 1.3.2019 Elterngeld (monatlich 606,37 Euro) und bis [X.] Wohngeld (341 Euro monatlich), außerdem Kindergeld für die Klägerin zu 2 (194 Euro monatlich); der Klägerin zu 2 wurde Unterhaltsvorschuss gezahlt (154 Euro monatlich). An Kosten der Unterkunft fielen insgesamt 570 Euro an.

4

Den im Januar 2019 gestellten Antrag auf [X.] II-Leistungen lehnte das beklagte Jobcenter mit der Begründung ab, die ruhende Beschäftigung sei nach Ende der Mutterschutzfrist nicht wieder aufgenommen worden, sodass nicht vom Fortbestehen des [X.] ausgegangen werden könne (Bescheid vom 16.4.2019; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Klägerin zu 1 habe zudem ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht seit mindestens fünf Jahren im [X.]. Daher bestehe ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] b [X.] II (Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche).

5

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des [X.]; Urteil des [X.] vom 22.9.2020). Zur Begründung hat das [X.], gestützt auf die Entscheidung des [X.] in der Rechtssache Saint-Prix ua ausgeführt, die Klägerin sei nicht im unionsrechtlichen Sinne Arbeitnehmerin, denn sie übe aufgrund des ruhenden Beschäftigungsverhältnisses keine tatsächliche und echte Tätigkeit aus. Der Erwerbstätigenstatus bestehe auch nicht fort, weil sie nicht unfreiwillig arbeitslos sei, sich nicht dem [X.] Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt und ihre Beschäftigung als Optikerin nicht binnen einer angemessenen Frist wieder aufgenommen habe. Diese Frist sei nicht um die Elternzeit zu verlängern. Der Bezug von Elterngeld sei ohne Auswirkungen auf die Arbeitnehmereigenschaft. Wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit habe sich die Klägerin zu 1 auch nicht zur Arbeitsuche in [X.] aufgehalten; sie habe zudem keinen Anspruch nach § 7 Abs 1 Satz 4 [X.] II und kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 [X.] iVm § 4a Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/[X.] - [X.]/[X.]) erworben, weil sie sich nach Maßgabe melderechtlicher Auskünfte keine fünf Jahre im [X.] aufgehalten habe. Der Leistungsausschluss erstrecke sich auch auf die Klägerin zu 2. Die Klägerinnen seien zudem von Leistungen der Sozialhilfe ausgeschlossen.

6

Mit ihren vom [X.] zugelassenen Revisionen rügen die Klägerinnen die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.] II, des Art 45 A[X.]V und des Art 7 Abs 2 VO 492/2011/[X.]. Die Klägerin zu 1 habe im streitbefangenen Zeitraum in einem ungekündigten sozialversicherungspflichtigen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis gestanden, lediglich die Hauptleistungspflichten seien während der Elternzeit suspendiert. Daher sei die Argumentation des [X.] verfehlt, sie sei keine Arbeitnehmerin. Das Arbeitsverhältnis sei nicht beendet, wovon auch § 15 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit ([X.] und [X.] - [X.]) ausgehe und was verstärkt werde durch den Kündigungsschutz nach § 18 [X.] während der Elternzeit. Daher komme es auf die weitere Argumentation des [X.] zu Fragen der Fortwirkung des [X.] nicht an.

7

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des [X.] vom 22. September 2020 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 2. April 2020 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2019 aufzuheben und ihn zu verurteilen, ihnen [X.] bzw Sozialgeld für die Zeit von Januar bis Mai 2019 zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 22. September 2020 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 2. April 2020 aufzuheben sowie den Beigeladenen zu verurteilen, Sozialhilfe für die Zeit von Januar bis Mai 2019 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revisionen der [X.] sind im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Wegen fehlender Feststellungen des [X.] zur Hilfebedürftigkeit der [X.] konnte der [X.] zwar nicht abschließend über ihren Anspruch auf [X.]/Sozialgeld entscheiden. [X.]en geltend gemachten Ansprüchen steht aber jedenfalls ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] nicht entgegen.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 16.4.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab Jan[X.]r 2019 abgelehnt hat. Streitig sind nach der zeitlichen Begrenzung des geltend gemachten Anspruchs im Berufungsverfahren nur noch die Monate Jan[X.]r bis Mai 2019.

2. [X.] stehen einer Sachentscheidung des [X.]s nicht entgegen. [X.] ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 SGG).

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf [X.]/Sozialgeld sind die Vorschriften der §§ 7 ff, 19 ff [X.] in der Fassung, die das [X.] zu Beginn der streitbefangenen Monate zuletzt durch das [X.] vom 18.12.2018 ([X.]) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f).

4. Ob die [X.] die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach dem [X.] (dazu 5.) erfüllten, kann nicht abschließend beurteilt werden. Sie sind aber nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen (dazu 6.), denn die Klägerin zu 1 ist auch während ihrer Elternzeit als Arbeitnehmerin freizügigkeitsberechtigt. Sie vermittelt daher auch der Klägerin zu 2 einen Anspruch auf Sozialgeld dem Grunde nach.

5. Nach § 7 Abs 1 [X.] erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

[X.]ie erwerbsfähige Klägerin zu 1 hat das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a [X.] noch nicht erreicht und nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]. [X.]ie Klägerin zu 2 kann als minderjähriges, dem Haushalt der Klägerin zu 1 angehörendes Kind einen Anspruch auf Sozialgeld haben (§ 7 Abs 3 [X.], §§ 19 Abs 1 Satz 2, 23 [X.]).

Hinreichende Feststellungen, die die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der [X.] erlauben, fehlen. [X.]as [X.] hat zwar Einkommen der [X.] aus Elterngeld und Wohngeld (bis Ende Febr[X.]r 2019) sowie Kindergeld und Unterhaltsvorschuss festgestellt; im Urteil des [X.] finden sich jedoch keine Feststellungen dazu, ob es sich dabei um das einzige Einkommen handelt und ob die [X.] ggf auch über Vermögen verfügen. Entsprechende Feststellungen drängen sich schon deshalb auf, weil die Klägerin zu 1 nach den (weiteren) Ausführungen des [X.] bei einer Vorsprache beim Beklagten im September 2016 über eine Eigentumswohnung berichtet hat, aus der sie Mieteinnahmen erziele, die sie aber verkaufen wolle. Wie die tatsächlichen Verhältnisse im streitbefangenen [X.]raum waren, teilt das [X.] hingegen nicht mit.

6. [X.]ie [X.] haben - vorbehaltlich weiterer Feststellungen zu ihrer Hilfebedürftigkeit - Anspruch auf [X.]/Sozialgeld, weil sich die Klägerin zu 1 jedenfalls auch während der Elternzeit auf ein Aufenthaltsrecht als freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmerin berufen kann (§ 2 Abs 1, Abs 2 [X.] [X.]/[X.]). [X.]ie Klägerin zu 1 ist daher nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen.

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] sind [X.] ausgenommen (dh haben keinen Anspruch) Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der [X.] Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 [X.]/[X.] freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts ([X.]), nach [X.] Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (a) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (b) und ihre Familienangehörigen. Keiner dieser (und der weiteren in § 7 Abs 2 Satz 2 [X.] noch genannten) Ausschlusstatbestände liegt vor.

Nach § 2 Abs 1 iVm Abs 2 [X.] [X.]/[X.] sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt [X.]sbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen. [X.]er Begriff des Arbeitnehmers im Freizügigkeitsrecht ist als autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts unionsrechtlich zu bestimmen ([X.] vom 23.3.1982 - [X.]/81 - [X.], [X.]:C:1982:105, Slg 1982, 1035 Rd[X.]1 = NJW 1983, 1249; zur Bedeutung dieses Begriffs und dem der Beschäftigung in anderen Regelungszusammenhängen vgl nur [X.] in [X.], Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl 2018, Teil 1, Art 45-48 A[X.]V Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2022, Art 45 A[X.]V Rd[X.]0 ff; zum Arbeitnehmerbegriff auch [X.], [X.] 2016, 188 ff; [X.], [X.] 2018, 327 ff; [X.], [X.] 2018, 3 ff) und nicht eng auszulegen ([X.] vom 21.2.2013 - [X.]/12, [X.]:[X.], Rd[X.]9 mwN); er muss mit dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Arbeitnehmerbegriff nicht übereinstimmen ([X.] aaO Rd[X.]0). In Abgrenzung zu Nichterwerbstätigen (dazu [X.], [X.] 2016, 188, 192) ist jeder als "Arbeitnehmer" iS von Art 45 A[X.]V anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. [X.]as wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten [X.] für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält ([X.] vom 23.3.2004 - [X.]/02 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2004, 490 Rd[X.]6; [X.] vom [X.] - [X.]/02 - [X.], [X.]:C:2004:488 = [X.] 2005, 757 Rd[X.]5; [X.] vom [X.] - [X.]/10 - [X.], [X.]:[X.] = NVwZ 2012, 668 Rd[X.]3; [X.] vom 19.6.2014 - [X.]/12 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2014, 765 Rd[X.]3 f; [X.] vom 1.10.2015 - [X.]/14 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2016, 222 Rd[X.]2). Zugleich bleibt das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs 1 [X.]/[X.] nach den Regelungen in Abs 3 Satz 1 für Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätige unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbstständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit oder Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht.

Im Umkehrschluss verliert eine Person freizügigkeitsrechtlich die Arbeitnehmereigenschaft also mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei jedoch - wie die in § 2 Abs 3 Satz 1 [X.]/[X.] aufgeführten Fallkonstellationen zeigen - diese Eigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben kann ([X.] vom 19.6.2014 - [X.]/12 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2014, 765 Rd[X.]5). [X.]amit hängen die Arbeitnehmereigenschaft iS des Art 45 A[X.]V und die sich aus ihr ergebenden Rechte nicht unbedingt vom tatsächlichen Bestehen oder Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses ab ([X.] vom 21.6.1988 - [X.]/86 - [X.], [X.]:C:1988:322 = NJW 1988, 2165 Rd[X.]1, 36).

Über die Fälle des tatsächlich beendeten Arbeitsverhältnisses hinaus hat der [X.] seine Rechtsprechung in [X.] weiterentwickelt, in denen - bei einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis - das Erfordernis der tatsächlichen Tätigkeit für die Erfüllung des Arbeitnehmerbegriffs ausnahmsweise entfallen kann. Für [X.] in Elternzeit, deren Arbeitsverhältnis nach nationalem Recht ruht (vgl zur gemeinschaftsrechtlichen Grundlage Art 153 Abs 1 Buchst c A[X.]V, § 5 [X.] der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub, Richtlinie 2010/18/[X.] des [X.] zur Aufhebung der [X.]/[X.]), hat er ausgeführt, dass der Arbeitnehmer im Elternurlaub während dieses Urlaubs ein Arbeitnehmer im Sinne des [X.]srechts bleibt ([X.] vom [X.] - [X.]/06 - [X.], [X.]:C:2007:536 = [X.] 2007, 1274 Rd[X.]2; [X.] vom 4.10.2018 - [X.]/17 - [X.], [X.]:C:2018:799 = [X.] 2018, 1323 Rd[X.]5; vgl insoweit auch § 5 [X.] der Rahmenvereinbarung, wonach im [X.] an den Elternurlaub der Arbeitnehmer das Recht hat, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, eine entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis gleichwertige oder ähnliche Arbeit zugewiesen zu bekommen). Zudem muss sichergestellt werden, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben (vgl § 5 [X.] der Rahmenvereinbarung) und sich der Arbeitnehmer im [X.] an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Sit[X.]tion befindet wie vor dem Elternurlaub (vgl [X.] vom 22.4.2010 - [X.]/08 - [X.] der [X.], [X.]:C:2010:215, RdNr 51 mwN; [X.] vom [X.] - [X.]/08 - [X.], [X.]:[X.], Rd[X.]8 f).

[X.]er [X.][X.] (vgl Art 288 Abs 3 A[X.]V; dazu [X.] [X.] in [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl 2018, Art 288 RdNr 62 f mwN) ist der [X.] Gesetzgeber [X.] mit dem BE[X.] (in der Bekanntmachung der Neufassung vom [X.], [X.]) nachgekommen. Nach § 18 Abs 1 Satz 1 und 3 BE[X.] darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem [X.]punkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist und während der Elternzeit grundsätzlich nicht kündigen. Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes; spätestens am dritten Geburtstag des Kindes leben die Hauptpflichten (Erbringung der Arbeitsleistung/Zahlung von Lohn bzw Gehalt) wieder auf, der Arbeitnehmer hat unaufgefordert zur Arbeit zu erscheinen (zum Ganzen vgl nur [X.] vom 12.1.2000 - 10 AZR 840/98 - AP [X.]23 zu § 611 BGB Gratifikation = [X.] 2000, 944; [X.] vom 19.4.2005 - 9 [X.] - [X.]E 114, 206 = AP [X.]4 zu § 15 BErzGG; [X.] vom 15.4.2008 - 9 [X.] - [X.]E 126, 276 = [X.] zu § 15 [X.], NJW 2008, 2937; zuletzt [X.] vom 19.3.2019 - 9 AZR 495/17 - [X.]E 166, 189 = [X.] zu § 17 BE[X.] Rd[X.]3 mwN). Nicht suspendiert sind die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, also alle arbeitsrechtlichen Treue- und Fürsorgepflichten, insbesondere Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten, Wettbewerbsverbote oder die Notwendigkeit einer Nebentätigkeitsgenehmigung ([X.] vom 10.5.1989 - 6 [X.] - [X.]E 62, 35 = AP [X.] zu § 15 BErzGG, [X.] 1989, 759; [X.] vom 12.1.2000 - 10 AZR 840/98 - AP [X.]23 zu § 611 BGB Gratifikation = [X.] 2000, 944).

Nichts anderes gilt nach Maßgabe der Richtlinie 2019/1158/[X.] vom [X.] zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/[X.] des Rates. [X.] hat dieser Richtlinie am [X.] zugestimmt und sie ist bis 2.8.2022 in nationales Recht umzusetzen (vgl dazu nur Graue, [X.] 2020, 62 ff). Nach Erwägungsgrund 39 sind die Mitgliedstaaten, wie bereits in der Richtlinie 2010/18/[X.] festgelegt, "verpflichtet, den Status des Arbeitsvertrags oder Beschäftigungsverhältnisses für den [X.]raum des Elternurlaubs zu bestimmen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] bleibt das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber während des Elternurlaubs aufrecht, weshalb die bzw. der Begünstigte eines solchen Urlaubs für die Zwecke des [X.]srechts während dieser [X.] Arbeitnehmer bleibt. [X.]aher sollten die Mitgliedstaaten bei der Statusfeststellung des Arbeitsvertrages oder Beschäftigungsverhältnisses während des Urlaubs gemäß dieser Richtlinie, auch im Hinblick auf Sozialleistungsansprüche, gewährleisten, dass das Beschäftigungsverhältnis aufrecht bleibt".

Anders als es das [X.], wenn auch in anderem Zusammenhang, verstanden wissen will, kann weder der Richtlinie noch der Rechtsprechung des [X.] entnommen werden, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerstatus nur während der [X.] oder für die in der Richtlinie vorgesehenen [X.] von vier Monaten (vgl § 2 [X.] der Rahmenvereinbarung, Richtlinie 2010/18/[X.]; Art 5 Abs 1 Richtlinie 2019/1158/[X.]) erhalten bleiben soll. [X.]ie auf Art 153 Abs 1 Buchst c A[X.]V gestützte Richtlinie, wonach die [X.] die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der [X.] Ziele des Art 151 A[X.]V auf dem Gebiet der [X.] Sicherheit und des [X.] Schutzes der Arbeitnehmer unterstützt und ergänzt, gibt den Mitgliedstaaten nur den Rechtsrahmen vor und normiert Mindeststandards; nach Art 153 Abs 4 2. Spiegelstrich A[X.]V hindern die aufgrund dieses Artikels erlassenen Bestimmungen die Mitgliedstaaten deshalb auch nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den Verträgen vereinbar sind (vgl dazu nur Eichenhofer in [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl 2018, Art 153 Rd[X.] mwN). Gehen nationale Regelungen über diesen Mindeststandard hinaus, zB was die [X.]auer des Elternurlaubs anbelangt (vgl § 15 Abs 2 BE[X.] - bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes), führt dies deshalb auch nicht zum Verlust des europarechtlich statuierten Schutzes des sich in Elternurlaub befindenden Arbeitnehmers in dieser [X.] (dazu auch [X.], [X.] 45/2018 [X.] 3 unter [X.] zu [X.] vom 4.10.2018 - [X.]/17). Ein solches Verständnis würde entgegen der Richtlinie 2010/18/[X.] zum Elternurlaub dazu führen, dass ausländische Arbeitnehmerinnen davon abgehalten würden, ein ihnen zustehendes Recht auf Elternzeit in Anspruch zu nehmen (VG [X.]armstadt vom 1.12.2016 - 5 K 475/15.[X.]A - juris mit [X.] in [X.] 2017, 350; [X.], [X.] 48/2017 [X.] 2).

[X.]ie vom [X.] herangezogenen Entscheidungen des [X.], insbesondere die Entscheidung [X.] ([X.] vom 19.6.2014 - [X.]/12 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2014, 765) sind auf den Fall der fortbestehenden Arbeitnehmereigenschaft nicht übertragbar. Sie ergingen vor dem Hintergrund eines tatsächlich beendeten Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses und befassten sich mit daran anschließenden Fragen der Fortwirkung der Arbeitnehmer- bzw Erwerbstätigeneigenschaft bis zur Wiederaufnahme einer anderen oder derselben Erwerbstätigkeit oder eines berufsbezogenen Studiums. Angesichts der im Streitzeitraum fortbestehenden Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1 erübrigen sich auch Ausführungen zur Frage ihrer (freiwilligen) Arbeitslosigkeit.

7. [X.]a die Klägerin zu 1 und von ihr abgeleitet die Klägerin zu 2 als "Familienangehörige" iS des § 3 Abs 1 Satz 1 [X.]/[X.] nicht von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen sind, kommen schon deshalb Leistungsansprüche nach § 23 SGB XII gegen den Beigeladenen nicht in Betracht.

[X.]as [X.] wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

                [X.]

Meta

B 7/14 AS 91/20 R

09.03.2022

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend SG Trier, 2. April 2020, Az: S 6 AS 75/19, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst b SGB 2, § 2 Abs 1 FreizügG/EU 2004, § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004, § 2 Abs 3 S 1 FreizügG/EU 2004, § 15 BEEG, § 18 Abs 1 S 1 BEEG, § 18 Abs 1 S 3 BEEG, Art 45 AEUV, Art 153 Abs 1 Buchst c AEUV, Art 153 Abs 4 AEUV, Art 7 Abs 2 EUV 492/2011, EURL 18/2010, EURL 2019/1158

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.03.2022, Az. B 7/14 AS 91/20 R (REWIS RS 2022, 799)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 799

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 7/14 AS 30/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - anderes …


B 4 AS 34/20 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - kein …


B 14 AS 42/19 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - anderes …


B 14 AS 25/20 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - anderes …


B 7/14 AS 27/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - kein …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

9 AZR 495/17

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.