Bundessozialgericht, Urteil vom 27.01.2021, Az. B 14 AS 42/19 R

14. Senat | REWIS RS 2021, 9163

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche - Unionsbürger - anderes Aufenthaltsrecht - Arbeitnehmerstatus - sorgerechtsausübender Elternteil eines Schulkindes


Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2018 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 4. Oktober 2016 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit stehen existenzsichernde Leistungen von April bis Juli 2013.

2

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 sind verheiratet und die Eltern der 2006 geborenen Klägerin zu 3. Sie sind [X.] Staatsangehörige. Der Kläger zu 1 war ab 2010 mit Unterbrechungen als Helfer in einem Elektrobetrieb in Teilzeit beschäftigt, zuletzt von etwa Mitte Juli bis Mitte September 2012. Die Klägerin zu 3 besuchte seit August 2012 die Schule. Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern zuletzt Leistungen bis März 2013. Der Folgeantrag auf Leistungen ab April 2013 wurde zunächst nicht beschieden. Auf einen Eilantrag hin verpflichtete das [X.] den [X.]n, den Klägern vorläufig Leistungen ab April 2013 längstens bis September 2013 in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Beschluss vom [X.] AS 629/13 ER), was der [X.] auch umsetzte. Später lehnte der [X.] den Leistungsantrag unter Berufung auf den Leistungsausschluss für nur zur Arbeitsuche aufenthaltsberechtigte Unionsbürger ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 9.7.2013).

3

Das [X.] hat den [X.]n verurteilt, den Klägern Leistungen für den Streitzeitraum in gesetzlicher Höhe zu gewähren (Gerichtsbescheid vom 4.10.2016). Die Kläger seien wegen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung und dem Schulbesuch der Klägerin zu 3 nach Art 10 VO ([X.]) [X.]/2011 aufenthaltsberechtigt und nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.]B II von Leistungen ausgeschlossen. Auf die Berufung des [X.]n hat das L[X.] den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Die Kläger seien von Leistungen nach dem [X.]B II ausgeschlossen, weil sich ein Aufenthaltsrecht nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 VO ([X.]) [X.]/2011 bestehe nicht, weil die Kläger zu 1 und 2 seit Einschulung der Klägerin zu 3 bis zum Ende des streitigen Zeitraums keine Arbeitnehmer gewesen seien. Die zuletzt von Mitte Juli bis Mitte September 2012 ausgeübte Tätigkeit des [X.] zu 1 sei von vornherein nur für einen kurzen Zeitraum und für eine untergeordnete Helfertätigkeit geplant gewesen.

4

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung des Art 10 VO ([X.]) [X.]/2011. Der Kläger zu 1 sei von Mitte Juli bis Mitte September 2012 Arbeitnehmer gewesen. Das Aufenthaltsrecht aus Art 10 der Verordnung schließe die Anwendung von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.]B II aus.

5

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2018 aufzuheben und die Berufung des [X.]n gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 4. Oktober 2016 zurückzuweisen.

6

Der [X.] beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässigen Revisionen sind begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Die Kläger haben dem Grunde nach einen Anspruch auf [X.]/Sozialgeld, weil sie sich auf ein Aufenthaltsrecht nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 berufen können und deswegen nicht von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen sind.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], worin der Beklagte den Antrag auf [X.]/Sozialgeld ablehnte. Streitig ist der [X.]raum von April bis Juli 2013, für den das [X.] den Beklagten zur Leistung verurteilt hat und wogegen nur der Beklagte Berufung eingelegt hat.

9

2. [X.] stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. [X.] ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G).

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf [X.]/Sozialgeld sind die Vorschriften der §§ 7 ff, 19 ff [X.] in der Fassung, die das [X.] vor Beginn der jeweils streitbefangenen Monate zuletzt durch das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege vom [X.] ([X.]) erhalten hat (im Folgenden "[X.] aF"; [X.] - vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] RdNr 14 f). Insbesondere lässt sich dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] und in der Sozialhilfe nach dem [X.] ([X.] 3155, nachfolgend: [X.]) nicht entnehmen, dass es sich Geltung für die [X.] vor seinem Inkrafttreten am 29.12.2016 beimisst (letztens B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 14 mwN).

Die Kläger erfüllten die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach dem [X.] (dazu 4.). Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] aF lag nicht vor, insbesondere konnten sich die Kläger auf ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 (dazu 5.) berufen. Der Kläger zu 1 war nach europarechtlichen Maßstäben Arbeitnehmer (dazu 6.). Die weiteren Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 lagen ebenfalls vor (dazu 7.).

4. Die Kläger zu 1 und 2 sind nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] leistungsberechtigt. Sie hatten das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a [X.] noch nicht, waren hilfebedürftig und hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.]. Von ihrer Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 [X.] ist auszugehen (vgl zu § 8 Abs 2 [X.] B[X.] vom [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], RdNr 14 ff). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie ihre Bedarfe vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen (§§ 11 ff [X.]) decken konnten. Die Klägerin zu 3 hat als ihre minderjährige Tochter vor Vollendung des 15. Lebensjahres einen Anspruch auf Sozialgeld (§ 7 Abs 3 [X.], § 19 Abs 1 Satz 2, § 23 [X.]), da auch insoweit keine Anhaltspunkte für vollständig bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen bestehen.

5. Die Kläger sind nicht gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.] aF von Leistungen ausgeschlossen, weil sie sich auf ein Aufenthaltsrecht nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 berufen können.

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.] aF sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 7 Abs 2 [X.] und ohne Leistungsberechtigung nach dem [X.] - Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Von diesem Leistungsausschluss umfasst sind erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der [X.], die keine [X.] Staatsangehörigkeit besitzen ([X.]-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] oder ein Aufenthaltsrecht nach dem [X.] verfügen (vgl letztens B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 17 mwN). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein mögliches anderes bzw bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 [X.] aF bzw lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (stRspr; vgl letztens B[X.] vom [X.] AS 17/16 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] RdNr 17 mwN).

Ein Aufenthaltsrecht nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 steht in diesem Sinne einem Leistungsausschluss entgegen (B[X.] vom 3.12.2015 - B 4 [X.]/15 R - B[X.]E 120, 139 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, RdNr 27; vgl B[X.] vom 27.1.2021 - [X.] AS 25/20 R - und [X.] vom 6.10.2020 - [X.]/19 - [X.]:[X.] zu § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] c [X.] idF vom 22.12.2016, [X.] 3155). Nach Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 können Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats (hier aus [X.]), der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats (hier in der [X.]) beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht teilnehmen. Dieses Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur weiteren Teilnahme am Unterricht (vgl [X.] vom 6.10.2020 - [X.]/19 - [X.]:[X.] = [X.] 2021, 43, Rd[X.]5) vermittelt sowohl den Kindern als auch den sie betreuenden Elternteilen ein materielles Aufenthaltsrecht (vgl im Einzelnen B[X.] vom 3.12.2015 - B 4 [X.]/15 R - B[X.]E 120, 139 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, RdNr 27, 29 ff). Das Recht knüpft an den Arbeitnehmerstatus eines Elternteils an, reicht aber zeitlich über die Beschäftigung hinaus (B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 24; vgl im Einzelnen B[X.] vom 3.12.2015 - B 4 [X.]/15 R - B[X.]E 120, 139 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, Rd[X.]0 ff). Mit dem Erfordernis der (früheren) Beschäftigung verweist Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011 auf den Arbeitnehmerbegriff des Art 45 A[X.]V, wovon auch der [X.] ausgeht (letztens [X.] vom 6.10.2020 - [X.]/19 - [X.]:[X.] = [X.] 2021, 43, Rd[X.]5 ff) und was sich im Übrigen aus der zu Art 10 gehörenden [X.] und dem Sinn und Zweck der [X.] ([X.]) [X.]/2011 ergibt, das Ziel der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erreichen (Erwägungsgrund [X.] der [X.] <[X.]> [X.]/2011).

6. Der Kläger zu 1 war während seiner zuletzt von etwa Mitte Juli bis Mitte September 2012 ausgeübten Teilzeitbeschäftigung nach europarechtlichen Maßstäben Arbeitnehmer.

a) Der Begriff des Arbeitnehmers ist unionsrechtlich zu bestimmen ([X.] vom 23.3.1982 - [X.]/81 - [X.], [X.]:C:1982:105, Slg 1982, 1035 RdNr 11 = NJW 1983, 1249 zur Bedeutung dieses Begriffs und dem der Beschäftigung in anderen Regelungszusammenhängen vgl [X.] in [X.], Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl 2018, Teil 1, Art 45-48 A[X.]V RdNr 10; [X.], ebenda, Teil 2, vor Art 1 [X.] [X.]/2004 Rd[X.], Art 1 [X.] [X.]/2004 Rd[X.], 6 ff; [X.], ebenda, Teil 2, vor Art 11 [X.] [X.]/2004 RdNr 15 und Teil 3, Art 7 [X.] <[X.]> [X.]/2011 RdNr 14; [X.]/[X.]/[X.], Europäisches Arbeitsrecht, 6. Aufl 2020, [X.]). Arbeitnehmer iS von Art 45 A[X.]V ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen ([X.] vom 14.6.2012 - [X.]/09 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2013, 37, RdNr 68; vgl B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 19 mwN).

Der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden leistet, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit nur untergeordnet und unwesentlich ist. Unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit ist indes nicht auszuschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmerstatus begründen kann ([X.] vom [X.] - [X.]/09 - [X.], [X.]:[X.], Slg 2010, [X.]; vgl B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 19 mwN).

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist auch die Dauer der von dem Betroffenen verrichteten Tätigkeit ein Gesichtspunkt, den das innerstaatliche Gericht bei der Beurteilung der Frage berücksichtigen kann, ob es sich hierbei um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt oder ob sie vielmehr einen so geringen Umfang hat, dass sie nur unwesentlich und untergeordnet ist ([X.] vom [X.], [X.]:C:1992:87, Slg 1992, [X.] RdNr 14; [X.] vom [X.] - [X.]/09 - [X.], [X.]:[X.], Slg 2010, [X.]). Der bloße Umstand der kurzen Dauer der Beschäftigung führt als solcher nicht dazu, dass die Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen ist ([X.] vom 6.11.2003 - [X.] - [X.], [X.]:C:2003:600, Slg 2003, [X.] RdNr 25; [X.] vom 4.6.2009 - [X.]/08, [X.]/08 - [X.], [X.], [X.]:[X.], [X.] 4-6035 Art 39 [X.] RdNr 29; [X.] vom 1.10.2015 - [X.]/14 - [X.]:[X.] = [X.] 2016, 222, RdNr 23 f; [X.] vom [X.] - [X.]/17 - [X.], [X.]:[X.] = [X.] 2019, 232, RdNr 22 ff).

Weiterhin sind die Motive für den Abschluss von Arbeitsverträgen sowie der Suche von Arbeit in einem Mitgliedstaat unerheblich ([X.] vom 23.3.1982 - [X.]/81 - [X.], [X.]:C:1982:105, [X.] 1982, 1035 RdNr 22 = NJW 1983, 1249; [X.] vom 21.2.2013 - [X.]/12 - [X.]:[X.] Rd[X.]7). Die Arbeitnehmereigenschaft beurteilt sich allein nach objektiven Kriterien, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf Rechte und Pflichten kennzeichnen ([X.] vom 6.11.2003 - [X.]/01 - [X.], [X.]:C:2003:600, Slg 2003, [X.] RdNr 24; [X.] vom 21.2.2013 - [X.]/12 - [X.]:[X.] Rd[X.]0).

Für die Gesamtbewertung der Ausübung einer Tätigkeit als Beschäftigung und damit die Zuweisung des Arbeitnehmerstatus ist mithin Bezug zu nehmen insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer (vgl dazu mit zahlreichen Hinweisen auf Rspr des [X.] nur [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl 2016, § 2 [X.]/[X.] RdNr 8 ff; Dienelt in [X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl 2020, § 2 [X.]/[X.] Rd[X.]8 ff; [X.] in [X.], [X.]V/A[X.]V, 3. Aufl 2018, Art 45 A[X.]V RdNr 15 ff). Nicht alle einzelnen dieser Merkmale müssen schon je für sich die Arbeitnehmereigenschaft zu begründen genügen; maßgeblich ist ihre Bewertung in einer Gesamtschau. Der Gesamtbewertung ist mit Rücksicht auf einschlägige Rechtsprechung des [X.] ein weites Verständnis zugrunde zu legen (letztens B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 20; weitere Nachweise bei [X.]/[X.]/[X.], Europäisches Arbeitsrecht, 6. Aufl 2020, [X.] ff).

b) Hieran gemessen ist der Arbeitnehmerstatus des [X.] zu 1 während der zuletzt ausgeübten Beschäftigung bei einem Elektrobetrieb ab Juli 2012 zu bejahen.

Die Vergütung von 500 Euro für jeden vollen Monat überschreitet die nach der Rechtsprechung des Senats maßgeblichen Orientierungswerte (B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 21 mwN). Die Arbeitszeit ist zwar nicht festgestellt, für deren völlig untergeordneten Umfang spricht jedoch nichts. Dass der Kläger für eine Hilfstätigkeit eingestellt wurde, steht der Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls nicht entgegen (B[X.] vom 12.9.2018 - [X.] AS 18/17 R - RdNr 21). Zuletzt spricht die Dauer des Arbeitsverhältnisses von lediglich zwei Monaten nicht für eine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit, weil nach dem dargelegten Maßstab (vgl a) der bloße Umstand der kurzen Dauer einer Beschäftigung nicht dazu führt, dass sie vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen ist. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob die kurze Dauer von vornherein geplant gewesen war, zumal dies kein objektives Kriterium darstellt, um das Arbeitsverhältnis zu beurteilen und sich aus den Feststellungen des L[X.] ergibt, dass das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte [X.] geschlossen worden war.

7. Die Kläger erfüllten auch die weiteren Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus Art 10 [X.] ([X.]) [X.]/2011. Die Klägerin zu 3 besuchte während der zuletzt von ihrem Vater ausgeübten Beschäftigung die Schule und die Kläger zu 1 und 2 nahmen die elterliche Sorge für ihre Tochter tatsächlich wahr.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 42/19 R

27.01.2021

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Bremen, 4. Oktober 2016, Az: S 22 AS 1393/13, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, § 2 Abs 2 FreizügG/EU 2004, Art 45 AEUV, Art 10 EUV 492/2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.01.2021, Az. B 14 AS 42/19 R (REWIS RS 2021, 9163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9163

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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