Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.09.2018, Az. 9 B 29/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 3852

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Gründe

1

Die Bes[X.]hwerde, die si[X.]h auf die Zulassungsgründe der grundsätzli[X.]hen Bedeutung der Re[X.]htssa[X.]he und der Divergenz stützt, bleibt ohne Erfolg.

2

1. Grundsätzli[X.]h bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Re[X.]htssa[X.]he nur, wenn für die angefo[X.]htene Ents[X.]heidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Re[X.]htsfrage des revisiblen Re[X.]hts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitli[X.]hkeit der Re[X.]htspre[X.]hung oder zur Weiterentwi[X.]klung des Re[X.]hts geboten ers[X.]heint. Den Darlegungen der Bes[X.]hwerde lässt si[X.]h ni[X.]ht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

Die Fragen:

Ist von einer endgültigen Herstellung im Sinne des Ers[X.]hließungsre[X.]hts aus Ex-ante-Si[X.]ht eines Grundstü[X.]kseigentümers auszugehen, wenn die [X.] bereits über 40 Jahre über eine funktionierende Entwässerung, eine funktionierende und zwis[X.]henzeitli[X.]h modifizierte Beleu[X.]htung, einen festen Asphaltbelag, einen Ans[X.]hluss an das öffentli[X.]he Versorgungsnetz, eine frei zugängli[X.]he Zufahrt und einen [X.]nnamen verfügt?

Ist die Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] (Bes[X.]hluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08) au[X.]h auf das [X.] zu übertragen und anzuwenden, und kann vor dem Entstehen der sa[X.]hli[X.]hen Beitragspfli[X.]ht eine endgültige tatsä[X.]hli[X.]he [X.] entstehen, wenn eine [X.] nutzbar ist und 40 Jahre lang als sol[X.]he genutzt wird?

Beginnt der Vertrauenss[X.]hutz bei der Bemessung eines [X.] und ein mögli[X.]her Beginn der Verjährung mit der Herstellung einer [X.] aus Si[X.]ht des mögli[X.]hen Ers[X.]hließungsbeitragspfli[X.]htigen aus Ex-ante-Si[X.]ht bereits dann, wenn die [X.] für den öffentli[X.]hen Verkehr freigegeben und ohne weiteres nutzbar ist?

re[X.]htfertigen die Zulassung der Revision ni[X.]ht. Denn sie lassen si[X.]h, soweit sie einer verallgemeinernden Antwort überhaupt zugängli[X.]h sind, auf der Grundlage der vorhandenen Re[X.]htspre[X.]hung ohne weiteres beantworten.

4

Das [X.] hat ents[X.]hieden, dass Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Gebot der Re[X.]htssi[X.]herheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) es verbietet, Beiträge zeitli[X.]h unbegrenzt na[X.]h dem Eintritt der [X.] festzusetzen. Unabhängig von einem individuell betätigten Vertrauen dürfen lange zurü[X.]kliegende, in tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht abges[X.]hlossene Vorgänge ni[X.]ht unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausglei[X.]h zu s[X.]haffen zwis[X.]hen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen und dem Interesse des Beitragss[X.]huldners, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in wel[X.]hem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (Bes[X.]hluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - [X.] 133, 143 Rn. 40 ff.). Geklärt ist ferner, dass die vorgenannten Grundsätze für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende [X.] eintritt, und damit für das gesamte Beitragsre[X.]ht gelten (BVerwG, Urteile vom 20. März 2014 - 4 [X.] 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 17 und vom 15. April 2015 - 9 [X.] 19.14 - [X.] 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 9).

5

Soweit die Bes[X.]hwerde der Sa[X.]he na[X.]h geklärt wissen will, ob das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit es erlaubt, die Anlieger einer Ers[X.]hließungsstraße no[X.]h über 40 Jahre na[X.]h deren erstmaliger Herstellung zu Ers[X.]hließungsbeiträgen heranzuziehen, liegt die Antwort unter den hier gegebenen Umständen auf der Hand, ohne dass es dafür der Dur[X.]hführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Verfassungsre[X.]htli[X.]h ausges[X.]hlossen ist die zeitli[X.]h unbegrenzte Anknüpfung neuer Lasten an "in tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht abges[X.]hlossene Vorgänge". Insoweit hat das Berufungsgeri[X.]ht zu dem Zustand der in den 1960er Jahren gebauten [X.] eingehende Feststellungen getroffen, die mit Verfahrensrügen ni[X.]ht angegriffen worden sind. Dana[X.]h waren - abgesehen von Defiziten bei der Entwässerung - jedenfalls in Bezug auf die [X.]noberflä[X.]he s[X.]hon damals die satzungsre[X.]htli[X.]hen Merkmale der endgültigen Herstellung ni[X.]ht erfüllt. Denn die [X.] habe seitli[X.]h keinerlei Befestigung und Begrenzung aufgewiesen, sondern sei glei[X.]hsam in das angrenzende Gelände "ausgelaufen", sodass die [X.]nkante jederzeit habe wegbre[X.]hen können. Ein sol[X.]hes Provisorium erfüllt ni[X.]ht die Anforderungen an die erstmalige endgültige Herstellung der Ers[X.]hließungsanlage und vermittelt für si[X.]h genommen au[X.]h unter tatsä[X.]hli[X.]hen Gesi[X.]htspunkten keine beitragsrelevante [X.].

6

Dementspre[X.]hend gilt der hier umstrittene Ers[X.]hließungsbeitrag ni[X.]ht den [X.]nbau in den 1960er Jahren ab, sondern vielmehr die in den Jahren 2006/2007 dur[X.]hgeführten Baumaßnahmen, dur[X.]h die erstmals eine Ers[X.]hließungsanlage im Re[X.]htssinn entstanden ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner revisionsgeri[X.]htli[X.]hen Klärung, dass der [X.] jedenfalls dann ni[X.]ht aus verfassungsre[X.]htli[X.]hen Gründen wegen Zeitablaufs erlos[X.]hen ist, wenn die Veranlagung (hier 2010), gere[X.]hnet ab dem tatsä[X.]hli[X.]hen Abs[X.]hluss der [X.] (hier 2007), no[X.]h innerhalb der regulären vierjährigen Verjährungsfrist erfolgt (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 Bu[X.]hst. [X.] KAG BW i.V.m. §§ 169, 170 Abs. 1 AO).

7

2. Soweit si[X.]h die Bes[X.]hwerde auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) stützt, fehlt es an der Bezei[X.]hnung eines das Berufungsurteil tragenden abstrakten Re[X.]htssatzes, mit dem dieses einem abstrakten Re[X.]htssatz widerspro[X.]hen hat, der eine hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]he Ents[X.]heidung trägt. Der Hinweis auf eine - vermeintli[X.]h - fehlerhafte Anwendung der in der hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung formulierten Re[X.]htssätze genügt den [X.] des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ni[X.]ht.

8

3. Die Kostenents[X.]heidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

9 B 29/17

13.09.2018

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 21. Juni 2017, Az: 2 S 1946/16, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.09.2018, Az. 9 B 29/17 (REWIS RS 2018, 3852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3852

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1 BvR 2457/08

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