Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 6 StR 114/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 3625

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Gegenstand

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Bewertungseinheit bei Besitz mehrerer Rauschgiftmengen aus verschiedenen Liefervorgängen; tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln aus unterschiedlichen Vorräten


Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2021 gewährt (§ 44 Satz 1, § 45 StPO).

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass er wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, verurteilt wird; die für Fall II.2.2 verhängte [X.] entfällt.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Das auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten Gründen der Erfolg versagt.

3

2. Die auf die Sachrüge hin gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Korrektur des Schuldspruchs, weil die Feststellungen lediglich sechs selbständige Taten des Angeklagten belegen; im Übrigen hat sie keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

4

a) Das [X.] hat in den Fällen [X.] und [X.] der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen:

5

Der Angeklagte bestellte am 6. April 2020 für sich und den „EncroChat“-Nutzer „c.   “ bei seinem Lieferanten fünf Kilogramm Marihuana der Sorte „Kush“, davon waren drei Kilogramm für den gewinnbringenden Weiterverkauf des Angeklagten und zwei Kilogramm für einen solchen durch „c.    “ bestimmt. Das Marihuana wurde am frühen Nachmittag desselben Tages an den Angeklagten ausgeliefert; zwei Kilogramm übergab er sodann auf Geheiß von „c.    “ dessen Abnehmer. Schon zuvor um 11:05 Uhr hatte der Angeklagte zwei Kilogramm von den für ihn bestimmten Rauschmitteln an den „EncroChat“-Nutzer „d.      “ weiterverkauft. Die Übergabe an diesen erfolgte am selben Tag gegen 19:20 Uhr (Fall [X.]). Im Zuge dessen übergab der Angeklagte weitere 250 Gramm Marihuana der Sorte „Haze“, die noch in seinem Bestand vorhanden waren und die er um 18:52 Uhr mittels Chat an „d.     “ verkauft hatte (Fall [X.]).

6

Das [X.] hat die Fälle [X.] (zwei Jahre Freiheitsstrafe) und [X.] (ein Jahr und vier Monate Freiheitsstrafe) rechtlich jeweils als selbständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) bewertet, davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

7

b) Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

8

aa) Das [X.] ist auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfreien Feststellungen im Ausgangspunkt zutreffend von zwei Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen. Denn eine Bewertungseinheit ist hier nicht gegeben. Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 3 [X.], [X.], 711, 712; vom 28. Mai 2018 – 3 [X.], [X.], 42). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des [X.] auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 [X.], [X.], 344). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Betäubungsmittel weder aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 [X.], [X.], 470) noch zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Januar 2012 – 5 [X.], [X.], 121, 122; vom 28. Juni 2011 – 3 [X.] Rn. 5). Auch der bloße gleichzeitige Besitz zweier aus verschiedenen Liefervorgängen stammender Handelsmengen vermag zwei selbständige Fälle des Handeltreibens nicht zu einer Bewertungseinheit im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 2. April 2015 – 3 [X.]; Beschlüsse vom 24. Januar 2017 – 3 [X.], [X.], 711, 712; vom 28. Mai 2018 − 3 [X.], [X.], 42).

9

bb) Dem [X.] ist allerdings aus dem Blick geraten, dass der Angeklagte gleichzeitig Betäubungsmittel aus unterschiedlichen Vorräten übergab. Dies führt jedenfalls zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die Fälle [X.] und [X.] zur Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juni 2011 – 3 [X.]; vom 16. September 2014 – 3 StR 413/14; vom 24. Januar 2017 – 3 [X.]; vgl. auch [X.], Beschluss vom 10. Juli 2017 – [X.], [X.]St 63, 1, 8).

c) Der auf eine entsprechende Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO gestützten Änderung des Schuldspruchs steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte auch bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Wegfall der für Fall [X.] verhängten Strafe (§ 349 Abs. 4 StPO) lässt hier den Ausspruch über die Gesamtstrafe unberührt. Der [X.] kann namentlich mit Blick auf die in den Fällen II.1 und [X.] verhängten Strafen von zwei Jahren und vier Monaten und drei Jahren ausschließen, dass die [X.] ohne die entfallende Strafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal die Bewertung des [X.] den Unrechts- und Schuldgehalt regelmäßig nicht berührt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 – 3 StR 130/19 Rn. 9 mwN).

3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.

Sander     

      

Feilcke     

      

Ri[X.] [X.] ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

      

        

      

        

Sander

        

Wenske     

        

von Schmettau     

        

Meta

6 StR 114/22

06.04.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 3. Dezember 2021, Az: 70 KLs 11/21

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 6 StR 114/22 (REWIS RS 2022, 3625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3625 NJW 2022, 3373 REWIS RS 2022, 3625

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