Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2015, Az. IX ZR 302/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 13359

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Gegenstand

Anspruchsgegner im Streit um die bereicherungsrechtliche Rückgewähr von Zahlungen auf das Vollrechtstreuhandkonto eines vorläufigen Insolvenzverwalters


Leitsatz

Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Zahlungen auf das Vollrechtstreuhandkonto eines vorläufigen Insolvenzverwalters richten sich gegen den vorläufigen Verwalter persönlich und nicht gegen den Schuldner.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juni 2013 und das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 12. November 2012 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 124.648 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin) wurde am 11. Juli 2008 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der [X.] zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der [X.] wurde ermächtigt, Forderungen der Schuldnerin auf ein von ihm zu errichtendes [X.] einzuziehen. Am 16. Juli 2008 ordnete das Insolvenzgericht zusätzlich an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die Schuldnerin führte mehrere Geschäftsgirokonten, namentlich - im Soll - bei der klagenden S.     sowie - im Haben - bei der [X.] und bei der [X.] am 11. Juli 2008 erklärte der [X.] als vorläufiger Insolvenzverwalter gegenüber der [X.] und der [X.] den Widerruf sämtlicher Lastschriften und bat um Überweisung des gesamten Guthabens auf ein auf seinen Namen eingerichtetes Treuhandkonto. Infolge des Widerrufs wurden [X.], welche die Klägerin kurz zuvor im Einzugsermächtigungsverfahren zu Gunsten des bei ihr geführten Kontos der Schuldnerin und zu Lasten von deren Geschäftskonten bei der [X.] (26.242 €) und bei der [X.] (98.448 €) vorgenommen hatte, zurückgebucht und die entsprechenden Beträge von diesen Banken auf das Treuhandkonto des [X.]n überwiesen. Am 28. August 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der [X.] zum Insolvenzverwalter bestellt. Sowohl die [X.] als auch die [X.] haben ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten.

2

Die Klägerin verlangt vom [X.]n persönlich aus eigenem und aus abgetretenem Recht die Erstattung von 124.648 € nebst Zinsen. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung des [X.].

4

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin gegen den [X.] auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bestehe nicht. Zwar seien die Lastschriftbeträge zu Unrecht zurückgebucht worden, weil die Schuldnerin zugleich Zahlungspflichtige als auch Zahlungsempfängerin gewesen sei; sie habe deshalb bereits mit der Erteilung des Auftrags zum Lastschrifteinzug der Belastung ihres Kontos zugestimmt. Ein unmittelbarer bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin gegen den [X.] ergebe sich daraus aber nicht. Auch aus abgetretenem Recht der [X.] und der [X.] stehe der Klägerin gegen den [X.] kein Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu. Die Überweisung der zurückgebuchten Beträge auf das Treuhandkonto des [X.] sei aufgrund einer wirksamen Anweisung des [X.] erfolgt und müsse deshalb im jeweiligen Leistungsverhältnis, mithin im Verhältnis zwischen den Banken und der Insolvenzschuldnerin einerseits und im Verhältnis zwischen dieser und dem [X.] andererseits rückabgewickelt werden. Ansprüche auf Schadensersatz nach § 826 [X.] oder nach § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 263 StGB bestünden nicht. Der pauschale Lastschriftwiderruf des [X.] in seinen Schreiben vom 11. Juli 2008 sei nicht in besonderem Maße verwerflich gewesen. Es habe damals noch keine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines pauschalen Lastschriftwiderrufs gegeben. Zudem habe die Abfassung der Schreiben erkennen lassen, dass der Beklagte keine Kenntnis von den näheren Umständen konkreter Lastschriften hatte und dass den Banken eine Überprüfung der [X.] der Lastschriften nicht abgeschnitten werden sollte.

5

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings Ansprüche der Klägerin wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 [X.] und wegen Betrugs (§ 823 Abs. 2 [X.] iVm § 263 StGB) wie auch einen Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 [X.] verneint. Die Revision nimmt diese Beurteilung hin. Rechtsfehler sind insoweit nicht erkennbar. Die Überweisung in Höhe der zurückgebuchten Beträge auf das Konto des [X.] war keine Leistung der Klägerin und ging nicht auf deren Kosten.

7

b) Das angefochtene Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit es der Klägerin auch Bereicherungsansprüche aus abgetretenem Recht abspricht. Die in Rede stehenden Überweisungen der [X.] und der [X.] auf das Treuhandkonto des [X.] waren im bereicherungsrechtlichen Sinne Leistungen dieser Banken an den [X.] und nicht, wie das Berufungsgericht meint, Leistungen an die Schuldnerin.

8

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Konto, auf das die Auszahlungen erfolgten, ein auf den Namen des [X.] lautendes Treuhandkonto. Ob es sich dabei um ein Anderkonto im eigentlichen Sinne handelte, das Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vorbehalten ist und besonderen Bedingungen unterliegt (vgl. Hadding/Häuser in [X.]/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 38 Rn. 1 ff; [X.], [X.], 584, 585), kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass es sich unbestritten um ein offenes Treuhandkonto handelte, aus dem allein der Beklagte persönlich gegenüber der kontoführenden Bank berechtigt und verpflichtet war, mithin um ein Vollrechts- und nicht lediglich um ein Ermächtigungstreuhandkonto. Als bloß mitbestimmender vorläufiger Insolvenzverwalter, dem die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht übertragen war, hatte der Beklagte gar nicht die Rechtsmacht, ein Konto zu eröffnen, aus dem die Schuldnerin berechtigt und verpflichtet wurde.

9

bb) Geld, das Drittschuldner auf ein solches [X.] einzahlen, fällt nicht in das Vermögen des späteren Insolvenzschuldners und nach Insolvenzeröffnung auch nicht in die Insolvenzmasse. Durch die Überweisungen der beiden Banken an den [X.] hat die Schuldnerin deshalb nichts erlangt, was nach Bereicherungsrecht herauszugeben wäre (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 - [X.], [X.], 562 Rn. 10; vom 12. Mai 2011 - [X.], [X.], 1178 Rn. 9 f). Die Klägerin kann deshalb hinsichtlich ihres Rückforderungsanspruchs aus abgetretenem Recht der beiden Banken nicht auf das Insolvenzverfahren verwiesen werden.

cc) Das Leistungsverhältnis, in dem eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu erfolgen hat, ist in diesem Fall das Verhältnis zwischen der überweisenden Bank und dem vorläufigen Insolvenzverwalter als Inhaber des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2007 - [X.], [X.], 2299 Rn. 10; vgl. auch [X.], Urteil vom 22. Mai 2013 - 15 U 78/12, [X.]). Die Zahlung auf ein Treuhandkonto, dessen Rechtsinhaber der Treuhänder ist, stellt eine Vermögensverschiebung an den Treuhänder und nicht an den Treugeber dar. Der Bereicherungsanspruch des Leistenden bei rechtsgrundloser Zahlung entsteht daher gegen den Treuhänder und nicht gegen den Treugeber ([X.], Urteil vom 27. April 1961 - [X.], [X.], 651 f; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 812 Rn. 153; [X.]/[X.], [X.], 74. Aufl., § 812 Rn. 55). Der Umstand, dass die Banken durch die Überweisungen einen Auszahlungsanspruch der Schuldnerin erfüllen und letztlich deren Vermögen mehren wollten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn aufgrund der dem [X.] vom Insolvenzgericht erteilten Ermächtigung, Forderungen der Schuldnerin einzuziehen, konnten die Banken durch die Zahlung an den [X.] ihre vermeintliche Verbindlichkeit gegenüber der Schuldnerin erfüllen. Sie zahlten an den vorläufigen Verwalter statt an die Schuldnerin.

dd) Die vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.], wonach die [X.], die auf der Grundlage einer rechtsgrundlosen Gutschrift eine Auszahlung an den vorläufigen Insolvenzverwalter vornimmt, ihren Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren geltend machen muss ([X.], Urteil vom 1. März 2011 - [X.] ZR 320/09, [X.], 743 Rn. 19; vom 27. September 2011 - [X.] ZR 328/09, [X.], 2259 Rn. 21), steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Es handelt sich um eine allgemeine, von den dort entschiedenen Sachverhalten gelöste Aussage, die nicht auf den besonderen Fall einer Zahlung auf ein [X.] des vorläufigen Insolvenzverwalters bezogen ist.

3. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nach dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhältnis, ohne dass es hierzu weiteren Vortrags und weiterer Feststellungen bedürfte, zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Auf die Berufung der Klägerin ist auch das Urteil des [X.] aufzuheben und der Klage entsprechend den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen stattzugeben.

Der Klägerin stehen im geltend gemachten Umfang von insgesamt 124.648 € die an sie abgetretenen Ansprüche der [X.] und der [X.] gegen den [X.] auf Herausgabe der Bereicherung zu, die der Beklagte durch die Überweisungen der genannten Banken auf sein Treuhandkonto nach der Rückbuchung der entsprechenden [X.] der Klägerin erlangt hat (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 398 [X.]).

a) Die Überweisungen, die - wie ausgeführt - als Leistungen der beiden Banken an den [X.] zu beurteilen sind, erfolgten ohne rechtlichen Grund. Ein auszahlungsfähiges Guthaben der Schuldnerin war nicht mehr vorhanden, weil sie darüber zuvor wirksam im Wege von [X.] verfügt hat

Im Zuge der Erledigung der von der Klägerin im Einzugsermächtigungsverfahren eingereichten Lastschriften hatten die beiden Banken zunächst entsprechende Belastungsbuchungen auf den Konten der Schuldnerin vorgenommen. Diese Buchungen waren von Anfang an wirksam, weil die [X.] von der Schuldnerin selbst veranlasst waren und zugunsten eines Kontos der Schuldnerin erfolgten. Bei Personenidentität zwischen [X.] und Zahlungsempfänger greift die Zahlstelle aufgrund eines von dem Zahlungspflichtigen an die erste [X.] erteilten Auftrags und damit berechtigt auf dessen Konto zu. Ein solcher vom Kontoinhaber ausgelöster Zahlungsvorgang erfolgt mit dessen Einwilligung und ist deswegen von vornherein wirksam. Die Schuldnerbank erwirbt in diesem Fall bereits mit der Ausführung der Lastschrift einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe des [X.], ohne dass es auf eine Genehmigung der Lastschrift ankäme ([X.], Urteil vom 10. Mai 2011 - [X.] ZR 391/09, [X.], 1471 Rn. 14 mwN). Indem die Banken der Schuldnerin nach dem vom [X.] erklärten Widerruf die Lastschriftbeträge dem Konto der Schuldnerin wieder gutschrieben, wollten sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Kontoberichtigung nachkommen, die aber tatsächlich nicht bestand. Die Rückbuchung begründete unter diesen Umständen keine Forderung der Schuldnerin gegen ihre Banken, sondern lediglich eine Buchposition (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2015 - [X.], [X.], 385 Rn. 14 mwN). Konnte aber die Schuldnerin die Auszahlung des ausgewiesenen Guthabens nicht beanspruchen, fehlte den gleichwohl vorgenommenen Überweisungen der rechtliche Grund.

b) Der Beklagte hat deshalb den auf Kosten der beiden Schuldnerbanken erlangten, auf die Rückbuchungen der Lastschriften der Klägerin zurückgehenden Betrag in der geltend gemachten Höhe von 124.648 € herauszugeben. Die Verpflichtung zur Herausgabe ist nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Bereicherung ausgeschlossen (§ 818 Abs. 3 [X.]). Das Berufungsgericht hat eine Entreicherung nicht festgestellt. Die erstmals in der Berufungsverhandlung ohne [X.] vorgetragene Behauptung des [X.], er habe das Guthaben auf dem Treuhandkonto längst der Insolvenzmasse zugeführt, wurde von der Klägerin wirksam bestritten und kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Im Übrigen hätte schon in erster Instanz Anlass bestanden, zu einem Wegfall der Bereicherung vorzutragen, nachdem die Klage ausdrücklich auch auf einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus abgetretenem Recht gestützt war.

[X.]

                 Grupp                         [X.]

Meta

IX ZR 302/13

26.03.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Bamberg, 5. Juni 2013, Az: 8 U 170/12

§ 21 Abs 2 Nr 1 InsO, § 22 Abs 2 InsO, § 812 Abs 1 S 1 BGB, § 818 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.03.2015, Az. IX ZR 302/13 (REWIS RS 2015, 13359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13359

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