Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2009, Az. XI ZR 141/09

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 105

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[X.]BESCHLUSS [X.] ZR 141/09 vom 15. Dezember 2009 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.], die Richterin [X.], [X.] Ellenberger und [X.] am 15. Dezember 2009 beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 27. März 2009 in der Fassung des [X.] vom 5. Juni 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 803.822,76 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die [X.]en streiten um die Inanspruchnahme aus zwei Bürgschaften. 1 Die Beklagten sind Gesellschafter der O.

KG (im Folgenden: [X.]), die wiederum [X.] - 3 - sellschafterin der G.

gesellschaft mbH (im [X.]: [X.]) war. Mit Verträgen vom 13./23. April 1999 gewährte die Kläge-rin der [X.] ein 1. Darlehen über 1,5 Millionen DM sowie ein 2. Darlehen über 150.000 DM. Zur Absicherung des 1. Darlehens übernahmen die [X.] am 25. März 1999 gemeinsam mit sechs Mitbürgen eine 1. Bürgschaft. In den Bürgschaftsvordruck wurde von der Klägerin maschinenschriftlich eine [X.] "gemäß § 2 [X.]" eingefügt. Am 27. Oktober/4. November 1999 gewährte die Klägerin der [X.] ein 3. Darlehen über 500.000 DM. Auch für dieses Darlehen übernahmen die Beklagten die 2. Bürgschaft, in deren Formular dieselbe Widerrufsbelehrung eingefügt wurde. Schließlich gewährte die Klägerin dem Sportverein O.

e.V. einen Dispositions-kredit bis zur Höhe von 150.000 DM. Zu dessen Absicherung unterzeichneten die Beklagten gemeinsam mit fünf Mitbürgen am 18. Oktober 2000 eine 3. Bürgschaft, der eine gedruckte Widerrufsbelehrung nach § 2 [X.] beigefügt war. Sämtliche Bürgschaftsurkunden und Belehrungen wurden den Beklagten nicht ausgehändigt. Mit Schreiben vom 20. Februar 2007 kündigte die Klägerin gegenüber der [X.] das 1. Darlehen und stellte einen Rückzahlungsbetrag von 727.128,98 • fällig. Unter demselben Datum kündigte sie den Kontokorrent des Sportvereins und forderte 133.318,29 • zurück. Nachdem weder die [X.] noch der Sportverein Zahlungen leisteten, nahm die Klägerin die [X.] aus der 1. und 3. Bürgschaft in Höhe von insgesamt 803.822,07 • in [X.]. Nach Verhandlungen mit der Klägerin widerriefen beide Beklagte ihre Bürgschaftserklärungen. Die Beklagten berufen sich auf die Wirksamkeit ihrer Widerrufserklärun-gen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klägerin mit Beschluss vom 9. Januar 2009 auf [X.] zur Höhe der Hauptschuld hingewiesen. Nachdem die Klägerin hierzu vorgetragen hatte, hat das Berufungsgericht den Beklagten Stellungnahmefrist gewährt. Die 3 - 4 - Beklagtenvertreter haben daraufhin mit Schriftsätzen vom 25. Februar bzw. 4. März 2009 vorgetragen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben, die Revision nicht zugelassen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: 4 Die Beklagten hätten ihre Bürgschaftserklärungen nicht wirksam widerru-fen, da ihnen weder ein Widerruf nach dem [X.] noch die Klägerin ein vertragliches Widerrufs- oder Rücktrittsrecht einge-räumt habe. Da die Voraussetzungen eines Haustürwiderrufs nicht vorgelegen hätten, habe es sich bei den Hinweisen auf ein Widerrufsrecht in den Bürg-schaften um für den Vertragsinhalt bedeutungslose Belehrungen gehandelt. Diese nähmen ausdrücklich auf § 2 [X.] Bezug, so dass für die Beklagten als geschäftserfahrene Personen erkennbar gewesen sei, dass das Widerrufsrecht auf das [X.] habe begrenzt sein sollen. Ein Widerrufsrecht sei auch nicht vertraglich vereinbart worden, denn den Beklagten habe sich aufdrängen müssen, dass die Klägerin nur einer vermeintlich bestehenden ge-setzlichen Pflicht habe nachkommen wollen. Das neue Vorbringen in den nach-gelassenen Schriftsätzen der Beklagten sei zwar durch den ergänzten Vortrag der Klägerin veranlasst worden, jedoch gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen. I[X.] Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das angegriffene Urteil den [X.] der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - [X.] ZB 39/03, [X.], 1407, 1408 f. und vom 18. Januar 2005 - [X.] ZR 340/03, [X.] 2005, 939 f.). 5 - 5 - Aus demselben Grunde ist das angefochtene Urteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 6 1. Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch der Beklagten auf [X.] Gehör. 7 a) Artikel 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, Ausführungen der Pro-zessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass gerichtli-che Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in [X.] Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und der Beweisanträge. Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Vortrages bzw. Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet ([X.] 65, 305, 307; 69, 141, 144). b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Der [X.] zu 2. hat mit nachgelassenem Schriftsatz vom 4. März 2009 den ergänz-ten Vortrag der Klägerin zur Höhe der Hauptschuld bestritten und sich den Vor-trag des Beklagten zu 1. im Schriftsatz vom 25. Februar 2009 zu einem Verstoß der Klägerin gegen § 776 BGB durch eine angeblich unterlassene Verwertung von Sicherheiten zu Eigen gemacht. 8 c) Diesen Vortrag der Beklagten hat das Berufungsgericht zwar als durch das ergänzte Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz von 10. Februar 2009 ver-9 - 6 - anlasst bezeichnet, ihn jedoch gleichwohl unter Hinweis auf § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf [X.] Gehör. 10 Das Berufungsgericht hat bei der Anwendung von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verkannt, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift von vornherein nicht vorliegen können, wenn das Vorbringen einer [X.] zu neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel erst durch den ergänzenden Sachvortrag der anderen [X.] veranlasst worden ist, den diese auf einen Hinweis des Berufungsgerichts gemäß § 139 Abs. 3 ZPO gehalten hat. In einem solchen Falle fehlt es [X.] an einer Nachlässigkeit der neu vortragenden [X.] im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. d) Die Zurückweisung des neuen Vortrages der Beklagten verletzt deren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, denn das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsge-richt bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte ([X.] 62, 392, 396; 89, 381, 392 f.). Die Gehörsverletzung führt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert ([X.]Z 154, 288, 296 f.), und rechtfertigt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache. 11 2. Das Berufungsgericht wird nunmehr dem übergangenen Vortrag der Beklagten nachzugehen und dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es sich sowohl bei der von der Klägerin maschinenschriftlich in die 1. Bürgschaftserklärung eingefügten als auch bei der im Formular der 3. Bürg-schaft enthaltenen Widerrufsbelehrung um [X.] - handelt. Für deren Auslegung kommt es - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - nicht auf das Verständnis der Beklagten, sondern unter Berücksichti-gung von § 5 [X.] darauf an, wie die Beklagten diese Belehrungen verstehen durften. 13 Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeerwiderung setzt die [X.] auch nicht voraus, dass die beanstandete Klausel Bestandteil zweiseitiger Verträge und damit Willenserklärung der Vertragsparteien ist. Vielmehr können nach dem Schutzzweck des [X.] auch vorformulierte Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, die nicht im engeren Sinne Vertragsbedingungen sind, sofern sie - wie hier - im Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen (so für einseitige Erklärungen des Kunden, die auf einer Vorformulierung des Verwen-ders beruhen: [X.], 24, 28; 141, 124, 126; [X.], Urteile vom 27. Januar 2000 - I ZR 241/97, [X.], 2677; für Vereinbarungen einer [X.] 8 - schaft mit Dritten zur Mittelverwendungskontrolle: [X.], Urteil vom 19. [X.], Umdruck, S. 6). Für vom Vertragspartner zu unter-zeichnende, vorformulierte Belehrungen durch den anderen Vertragspartner kann nach dem Schutzzweck des [X.] nichts anderes gelten. [X.] Joeres [X.] Ellenberger Matthias Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 25.06.2008 - 2 O 313/08 - [X.], Entscheidung vom 27.03.2009 - 6 U 104/08 -

Meta

XI ZR 141/09

15.12.2009

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2009, Az. XI ZR 141/09 (REWIS RS 2009, 105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 105

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