Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. 8 B 13/14

8. Senat | REWIS RS 2014, 2437

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Gegenstand

Wiederaufgreifen des Verfahrens


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 ergangenen Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG [X.] wegen neuer [X.]eweismittel das Wiederaufgreifen des durch [X.]escheid des [X.] offener Vermögensfragen vom 11. August 1998 und Urteil des [X.] vom 8. Juni 2000 - [X.] - rechtskräftig abgeschlossenen vermögensrechtlichen Verfahrens betreffend das frühere Rittergut [X.]. in D. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 ergangenen Urteil als unbegründet abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

II

2

Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

3

1. Die von den Klägern erhobene [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht begründet.

4

Die geltend gemachte Abweichung ist nicht ersichtlich. Der in der [X.]eschwerdebegründung (S. 24, 2. Absatz) bezeichnete Rechtssatz („Wenn eine [X.]ehörde ein rechtlich maßgebliches, erreichbares oder vorliegendes [X.]eweismittel im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Ausgangsverfahren seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hatte, so kann es gegen einen späteren Wiederaufgreifensantrag, der sich auf das fragliche [X.]eweismittel stützt, nicht einwenden, dieser sei verspätet oder mit einem [X.]eweismittel erfolgt, das bereits damals vorgelegen habe."), von dem das angegriffene Urteil des [X.] abweichen soll, findet sich weder wörtlich noch sinngemäß in dem angeführten Urteil des 7. Senats des [X.] vom 28. Juli 1989 - [X.]VerwG 7 [X.] 78.88 - ([X.]VerwGE 82, 272 <277>), insbesondere nicht an der angegebenen Stelle (S. 277).

5

Diese Entscheidung befasst sich zwar mit dem [X.]egriff des „neuen [X.]eweismittels" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. In ihr legt das [X.] dar, dass zu den [X.]eweismitteln, die die Überzeugung von der Existenz von Tatsachen begründen können, auch Werturteile zählen, über die wie über sonstige Tatsachen [X.]eweis erhoben werden kann, sofern sie nicht unmittelbar zur [X.]estimmung des Inhalts einer Rechtsnorm dienen (a.a.[X.]). Ferner wird darin ausgeführt, ein nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens gefertigtes, [X.]ewertungen enthaltendes Schriftstück dürfe daher im Wiederaufgreifens-verfahren nicht ohne Weiteres mit der [X.]egründung zurückgewiesen werden, es sei kein neues [X.]eweismittel, weil Neuheit nur dem Werturteil, nicht aber dem bewerteten Faktum zuzusprechen sei (a.a.[X.], 1. Absatz a.E.). Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Sachverständigengutachten nur dann als neues [X.]eweismittel gelten, wenn es selbst auf neuen [X.]eweismitteln beruhe (a.a.[X.]). Die Auffassung, dass fachliche Meinungen, wissenschaftliche Ansichten und bloße Folgerungen sachkundiger Personen für sich gesehen nicht genügten, um als Gegenstand neuer [X.]eweismittel einen Anspruch auf Wiederaufgreifen zu begründen, finde, so das [X.], letztlich ihre Rechtfertigung in der Forderung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, dass das neue [X.]eweismittel eine dem [X.]etroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (a.a.[X.], letzter Absatz).

6

Diesen abstrakten Rechtssätzen widerspricht der in der [X.]eschwerdebegründung (S. 25) angeführte Rechtssatz („... Ist Antragstellervortrag oder sind entsprechende Tatsachen im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren aktenkundig gewesen, so steht das im späteren [X.] der [X.]erufung auf den [X.]eweis solcher Tatsachen auch dann im Wege, wenn diese Tatsachen im damaligen [X.]ehörden- und Gerichtsverfahren nicht gewürdigt wurden."), der sich im angegriffenen Urteil finden soll, nicht. Jedenfalls legen die Kläger nicht nachvollziehbar dar, worin die angeführten Rechtssätze einerseits des [X.] und andererseits des [X.] konkret voneinander abweichen sollen. Angesichts dessen kann offenbleiben, ob sich der in der [X.]eschwerdebegründung (S. 25) von den Klägern formulierte Rechtssatz überhaupt mit diesem Inhalt im angegriffenen Urteil des [X.] findet.

7

Soweit das [X.]eschwerdevorbringen dahingehend verstanden werden sollte, dass die Kläger eine unrichtige Anwendung des von ihnen angeführten, vom [X.] im Urteil vom 28. Juli 1989 vermeintlich formulierten Rechtssatzes rügen, vermag dies eine Zulassung der Revision wegen Divergenz ohnehin nicht zu begründen.

8

2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

9

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 9. September 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 15.11 - [X.] 2011, 226). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Klägerin wirft die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig auf:

„Macht es eine Zeugenaussage zu einem i.S.d. § 51 Abs. 1 Ziffer 2 VwVfG unverwertbaren [X.]eweismittel, wenn diese Aussagen zu nicht entscheidungserheblichen Tatsachen enthält, die teilweise im Widerspruch zur Aktenlage stehen, wenn die Zeugenaussage im Übrigen glaubhafte Aussagen zu den entscheidungserheblichen Aspekten enthält?

Diese Frage lässt sich nicht verallgemeinerungsfähig beantworten. Sie ist im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich und im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das Verwaltungsgericht ist in Würdigung des Vorbringens der Kläger - unabhängig („Abgesehen davon .") von der anschließend diskutierten und verneinten Frage der inhaltlichen Richtigkeit („Fehlerhaftigkeit") der Aussage des [X.] - bereits zu der entscheidungstragenden Feststellung gelangt, dass die Kläger im [X.] mit dem Schreiben des [X.] kein neues [X.]eweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgelegt haben. Das Verwaltungsgericht hat dies im Einzelnen näher begründet ([X.]). In tatsächlicher Hinsicht sind dagegen mit der [X.]eschwerde keine begründeten [X.] geltend gemacht worden (vgl. dazu unten 3.).

Aufgrund dessen stellt sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Zeugenaussage dann „unverwertbar" ist, wenn sie Aussagen zu nicht entscheidungserheblichen Tatsachen enthält, die teilweise im Widerspruch zur Aktenlage stehen, und wenn die Zeugenaussage im Übrigen glaubhafte Aussagen zu den entscheidungserheblichen Aspekten enthält.

3. Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO („Überzeugungsgrundsatz"). Wie oben ausgeführt, ist das angegriffene Urteil nicht selbstständig tragend auf die Anmahnung einer „Fehlerhaftigkeit" der Aussage des Zeugen [X.] gestützt. Davon abgesehen liegt auch keine Verletzung des § 108 Abs. 1 VwGO vor. Nach § 108 Abs. 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder [X.]eweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist deshalb nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn es nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (stRspr, vgl. [X.]eschluss vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 88.10 - juris; Urteil vom 30. August 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] 5.11 - [X.]uchholz 428 § 1 Abs. 1 [X.] Nr. 28 = [X.] 2012, 361). Die [X.]eweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 8. April 2008 - [X.]VerwG 9 [X.] 13.08 - [X.]uchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 44 Rn. 10).

So liegt der Fall hier. Das Verwaltungsgericht hat die Aussage des Zeugen [X.] mit weiteren vorliegenden [X.]eweismitteln abgeglichen und ist dabei im Rahmen seiner [X.]eweiswürdigung zu dem im Urteil dargelegten ([X.], vorletzter Absatz) Ergebnis gelangt. In der [X.]eschwerdebegründung wird nicht nachvollziehbar dargelegt, dass es dabei unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen oder aktenwidrige Tatsachen angenommen hat oder dass die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen.

4. Da das angegriffene Urteil des [X.] entscheidungstragend auf das Fehlen eines [X.] im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gestützt ist und die dagegen geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen, kommt es auf die von den Klägern des Weiteren geltend gemachten [X.] gegen die - dem Sinne nach - hilfsweise angeführten Gründe des [X.] zum Fehlen der materiellen Voraussetzungen einer Rückübertragung des begehrten Rittergutes (im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht angenommene fehlende faktische Enteignung des Rittergutes vor dem 8. Mai 1945, zur Anwendbarkeit des § 1 Abs. 8 [X.] auf Eigentumsentziehungen durch [X.] Organe vor dem 8. Mai 1945 sowie zur Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs. 6 [X.] auf diese) nicht mehr an.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 Nr. 3 GKG. Sie orientiert sich an der Entscheidung des [X.], gegen die die [X.]eteiligten keine Einwände erhoben haben.

Meta

8 B 13/14

06.10.2014

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Potsdam, 14. November 2013, Az: 1 K 533/12, Urteil

§ 51 Abs 1 Nr 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. 8 B 13/14 (REWIS RS 2014, 2437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2437

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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