Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 1 C 4/22

1. Senat | REWIS RS 2023, 5332

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Gegenstand

Unbegründeter Antrag auf Wiederaufgreifen eines vertriebenenrechtlichen Aufnahmeverfahrens


Leitsatz

Ob neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG eine dem Aufnahmebewerber günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, ist auf der Grundlage der den bestandskräftigen Bescheid tragenden Rechtsauffassung zu beurteilen und nicht auf der Grundlage der heutigen Rechtsauffassung oder damaligen objektiven Rechtslage. Bei gerichtlicher Bestätigung des bestandskräftigen Bescheides ergibt sich die nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG maßgebliche Rechtsauffassung aus den tragenden rechtlichen Erwägungen der ihn bestätigenden gerichtlichen Entscheidung (wie BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2017 - 8 C 7.16 - BVerwGE 159, 136 Rn. 26).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 3. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der am 14. Juni 1973 geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er begehrt die Aufnahme als Spätaussiedler.

2

Der Kläger beantragte erstmals im November 2002 die Aufnahme nach dem [X.] aus [X.]. Zugleich betrieb die im August 1941 geborene Mutter des [X.] ihrerseits ein Aufnahmeverfahren. Mit Bescheiden vom 13. Mai 2005 lehnte das [X.] beide Aufnahmeanträge ab. Zur Begründung der Ablehnung des Antrags der Mutter des [X.] führte es aus, diese habe nicht den Nachweis erbracht, [X.] Volkszugehörige zu sein. Es sei davon auszugehen, dass in ihrem ersten Inlandspass eine andere Nationalität als die [X.] eingetragen gewesen sei und sie sich daher nicht durchgängig zum [X.]n Volkstum bekannt habe. Zudem könne nicht von einer familiären Vermittlung der [X.]n Sprache ausgegangen werden, da sie nur über unzureichende [X.] Sprachkenntnisse verfüge, die für ein einfaches Gespräch keinesfalls ausreichten. Die Ablehnung des [X.] des [X.] stützte das [X.] auf die mangelnde Erbringung des Nachweises zum einen der Abstammung von zumindest einem [X.]n [X.] und zum anderen eines durchgängigen Bekenntnisses zum [X.]n Volkstum.

3

Im März 2017 suchte der Kläger erneut um seine Aufnahme nach dem [X.] nach. Seinem Antrag beigefügt waren unter anderem eine im [X.] ausgestellte Geburtsurkunde, die seine Mutter mit [X.]r Nationalität ausweist, sowie weitere im [X.] ausgestellte Personenstandsurkunden, die ihn mit [X.]r Nationalität ausweisen. Im Dezember 2017 lehnte das [X.] ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ab. Weder habe sich die Rechtslage nachträglich zugunsten des [X.] geändert, da sich durch das Zehnte Gesetz zur Änderung des [X.]es vom 6. September 2013 ([X.]) nicht sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen, die die Ablehnung des ersten [X.] getragen hätten, nachträglich geändert hätten, noch ermöglichten die von dem Kläger in das Verfahren eingeführten Urkunden im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG eine diesem günstigere Entscheidung. Ebenso wenig sei das Verfahren gemäß § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG wiederaufzugreifen. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Im Februar 2021 hat das [X.] zugunsten der Mutter des [X.] festgestellt, dass diese nach Begründung des ständigen Aufenthalts im [X.] die Voraussetzungen als Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 [X.] erfülle.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen. Ein Wiederaufnahmegrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sei nicht gegeben. Die Rechtslage habe sich nicht zugunsten des [X.] geändert, da es an einer solchen Änderung jedenfalls hinsichtlich des für die bestandskräftige Ablehnung (mit-)ausschlaggebenden Ablehnungsgrunds der Abstammung von einem [X.]n [X.] fehle. Die mit dem [X.] zur Änderung des [X.]es bewirkten Erleichterungen der Anforderungen an das Bekenntnis zum [X.]n Volkstum und an den Nachweis ausreichender Kenntnisse der [X.]n Sprache stünden mit der für die Ablehnung ausschlaggebenden fehlenden Abstammung von einem [X.]n [X.] in keinem Zusammenhang. Eine rechtserhebliche Änderung der Sachlage liege ebenfalls nicht vor. Der der Mutter des [X.] zwischenzeitlich erteilte [X.] ermögliche keine für diesen günstigere Entscheidung. Im Rahmen von § 6 [X.] sei für die Frage der Abstammung nicht nur hinsichtlich der Rechts-, sondern auch hinsichtlich der Sachlage auf die [X.] Volkszugehörigkeit der Bezugsperson im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers abzustellen. Eine spätere Feststellung der [X.]n Volkszugehörigkeit der Bezugsperson sei daher unerheblich. Soweit in der Rechtsprechung des [X.] inzwischen geklärt sei, dass dem [X.] ein generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde liege und dass für die Frage der Abstammung auf die [X.] Volkszugehörigkeit der Bezugsperson im Zeitpunkt der Geburt des Aufnahmebewerbers abzustellen sei, führe dies schon deshalb nicht zu einem Wiederaufgreifen, weil die Klärung einer Rechtsfrage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ebenso wie eine Änderung dieser Rechtsprechung regelmäßig keine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG begründe. Insoweit sei es auch unerheblich, dass die Frage der Abstammung des [X.] von seiner Mutter nunmehr unter Rückgriff auf die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 6 [X.] in der vor dem 1. Januar 1993 gültigen Fassung zu beurteilen wäre mit der Folge, dass - anders als im Erstverfahren - nicht das nicht nachgewiesene Bekenntnis der Mutter zum [X.]n Volkstum und die nicht ausreichend innerhalb der Familie vermittelte [X.] Sprache ausschlaggebend wären, sondern allein die Frage, ob die im August 1941 und damit kurz nach dem Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen geborene Mutter des [X.] zum Zeitpunkt seiner Geburt als sogenannte "Spätgeborene" [X.] Volkszugehörige gewesen sei, was wohl zu bejahen sei. Das Verfahren sei auch nicht auf der Grundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG wiederaufzugreifen. Weder die vorgelegten jeweils im [X.] ausgestellten Urkunden noch der der Mutter erteilte [X.] vom 17. Februar 2021 stellten neue Beweismittel im Sinne der Norm dar, da sie keine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Maßgabe des § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG oder auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das Festhalten an dem Ablehnungsbescheid sei nicht "schlechthin unerträglich". Die Beklagte habe ihr Ermessen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens fehlerfrei zulasten des [X.] ausgeübt.

5

Zur Begründung der durch das Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision führt der Kläger aus, die Sachlage habe sich nachträglich im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu seinen Gunsten geändert. Der seiner Mutter als Spätgeborener im Februar 2021 erteilte [X.] stelle in Verbindung mit den bereits im Aufnahmeverfahren gewonnenen Erkenntnissen eine neue Tatsache im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar. Im Wiederaufnahmeverfahren seiner Mutter habe das [X.] deren [X.] Abstammung und deren zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegendes Bekenntnis zum [X.]n Volkstum festgestellt. Darüber hinaus sei der Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG erfüllt. Die im [X.] vorgelegten Personenstandsurkunden sowie der unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Mai 2005 gegenüber seiner Mutter erlassene [X.] stellten im Ausgangsverfahren noch nicht berücksichtigte Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dar, weil diese Nachweise unter anderem auf neuen Tatsachen beruhten. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne. Das Oberverwaltungsgericht habe den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung unbeachtet gelassen. Er habe im Verfahren ausdrücklich geltend gemacht, das [X.] habe seinen Erkenntnissen zufolge in vergleichbaren Fällen das Verfahren wiederaufgegriffen.

6

Die Beklagte und die Vertreterin des [X.] verteidigen das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet.

8

Die Annahme des [X.], der Kläger habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des [X.] abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens, steht im Einklang mit [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9

Maßgeblich für die [X.]eurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz ([X.], Urteil vom 27. September 2016 - 1 [X.] 17.15 - [X.]E 156, 164 Rn. 10 m. w. N.). Der von dem Kläger weiterverfolgte Anspruch auf Erteilung eines [X.]es beurteilt sich somit grundsätzlich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 23. Januar 2003 ([X.] [X.]), zuletzt geändert durch Art. 24 Abs. 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 ([X.] I S. 2154), sowie nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ([X.]undesvertriebenengesetz - [X.]) in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 10. August 2007 ([X.] I S. 1902), zuletzt geändert durch Art. 162 der Verordnung vom 19. Juni 2020 ([X.] I S. 1328). Ein abweichender [X.]eurteilungszeitpunkt ist nur zugrunde zu legen, wenn und soweit das materielle Recht dies ausnahmsweise gebietet.

Nach einem bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahren kann das (neuerliche) [X.]egehren auf Erteilung eines [X.]es nur Erfolg haben, wenn zuvor ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG (Anspruch auf Wiederaufgreifen (1.)) oder nach § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG (Wiederaufgreifen nach Ermessen (2.)) erreicht wird ([X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 19 unter [X.]ezugnahme auf [X.], Urteil vom 10. Oktober 2018 - 1 [X.] 26.17 - [X.] 412.3 § 27 [X.] Nr. 25 Rn. 16). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG (1.), noch vermag er mit Erfolg das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Ermessen gemäß § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG zu begehren (2.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des durch den [X.]escheid vom 13. Mai 2005 bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens, da nicht bezüglich sämtlicher die ablehnende Entscheidung selbstständig tragenden Gründe ein Wiederaufnahmegrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG vorliegt.

Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG hat die [X.]ehörde auf Antrag des [X.]etroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn unter anderem 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des [X.]etroffenen geändert hat oder 2. neue [X.]eweismittel vorliegen, die eine dem [X.]etroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Dabei bestimmen und begrenzen die mit dem Wiederaufnahmeantrag (und im weiteren Verlauf des Verfahrens) geltend gemachten Wiederaufnahmegründe den Gegenstand der behördlichen und gerichtlichen Prüfung ([X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 20 unter [X.]ezugnahme auf [X.], Urteil vom 20. November 2018 - 1 [X.] 23.17 - [X.]E 163, 370 Rn. 12 m. w. N.).

Die [X.]efugnis zu einer neuen Sachentscheidung reicht bei § 51 Abs. 1 VwVfG nur so weit, wie dies der festgestellte Wiederaufnahmegrund rechtfertigt. Daraus folgt für den Fall mehrerer selbstständig tragender Ablehnungsgründe, dass es für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag nach § 51 Abs. 1 VwVfG nicht ausreicht, wenn nur hinsichtlich eines Ablehnungsgrunds ein durchgreifender Wiederaufnahmegrund geltend gemacht wird. Vielmehr muss für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 VwVfG hinsichtlich jedes die Entscheidung selbstständig tragenden Ablehnungsgrunds ein Wiederaufnahmegrund vorliegen. Denn die [X.]estandskraft erstreckt sich auf die ausschlaggebenden Ablehnungsgründe. Eine Durchbrechung der [X.]estandskraft gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass diese tragenden Ablehnungsgründe jeweils durch einen Wiederaufnahmegrund überwunden werden ([X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 21 unter [X.]ezugnahme auf [X.], Urteil vom 20. November 2018 - 1 [X.] 23.17 - [X.]E 163, 370 Rn. 19 ff.).

Der [X.]escheid vom 13. Mai 2005 stützt die Ablehnung des [X.] des [X.] zum einen auf den mangelnden Nachweis der [X.] Volkszugehörigkeit der Mutter des [X.]. Deren [X.] Volkszugehörigkeit sei nicht festgestellt, da sie nicht den Nachweis erbracht habe, sich bis zum Verlassen der [X.] durchgängig nur zum [X.] Volkstum bekannt zu haben. Sie habe diesbezüglich nicht nachgewiesen, auch in ihrem ersten [X.] mit [X.]r Nationalität eingetragen gewesen zu sein; es sei vielmehr davon auszugehen, dass in diesem eine andere Nationalität eingetragen gewesen sei. Dessen ungeachtet sei ein etwaiges [X.]ekenntnis nur zum [X.] Volkstum nicht durch die familiäre Vermittlung der [X.] Sprache bestätigt worden; die Mutter des [X.] verfüge vielmehr nur über unzureichende Kenntnisse der [X.] Sprache, die einen Schluss auf deren Vermittlung in ihrem Elternhaus nicht zuließen. Zum anderen ist die Ablehnung der Aufnahme des [X.] auf den Umstand gestützt, dass auch dieser sich nicht im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2005 durchgängig zum [X.] Volkstum bekannt habe. Durch die Veranlassung der Eintragung der [X.] Volkszugehörigkeit in seinen ersten [X.] habe er vielmehr selbst entschieden, nicht der [X.] Volkszugehörigkeit angehören zu wollen.

Hiervon ausgehend kann der Kläger ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht beanspruchen, weil jedenfalls hinsichtlich des - selbstständig tragend verneinten - [X.] ein Wiederaufnahmegrund weder nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (1.1) noch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG (1.2) gegeben ist.

1.1 Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des [X.]etroffenen im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt vor, wenn sich die für den ergangenen Verwaltungsakt entscheidungserheblichen Rechtsnormen oder tatsächlichen Grundlagen geändert haben, sodass die Änderung eine dem [X.]etroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder doch ermöglicht ([X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 24).

a) Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nur vor, wenn die für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnormen, also dessen entscheidungserhebliche rechtliche Grundlagen, nachträglich geändert werden ([X.], Urteil vom 4. September 2007 - 1 [X.] 21.07 - [X.]E 129, 243 Rn. 14 m. w. N.). Eine Änderung rechtlicher Voraussetzungen für den erstrebten Verwaltungsakt, die mit dem im früheren Verfahren ausschlaggebenden Ablehnungsgrund in keinem Zusammenhang steht, ist nicht als Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu qualifizieren. Eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage liegt bei der Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts nur vor, wenn sie sich gerade auf den im früheren Verfahren ausschlaggebenden Ablehnungsgrund bezieht ([X.], Urteil vom 20. November 2018 - 1 [X.] 24.17 - juris Rn. 16 ff.).

aa) Der Feststellung des [X.], in [X.]ezug auf den Ablehnungsgrund der fehlenden Abstammung des [X.] von zumindest einem [X.] [X.] habe das am 14. September 2013 in [X.] getretene Zehnte Gesetz zur Änderung des [X.] vom 6. September 2013 ([X.] I S. 3554) keine Änderung der Rechtslage zugunsten des [X.] bewirkt, da die mit diesem Gesetz erfolgten Erleichterungen der Anforderungen an das [X.]ekenntnis zum [X.] Volkstum und an die [X.] Sprachkenntnisse mit dem ausschlaggebenden Ablehnungsgrund der fehlenden Abstammung von einem [X.] [X.] in keinem Zusammenhang stünden, ist im Ergebnis beizupflichten.

Mit dem [X.] zur Änderung des [X.] wurden Änderungen des § 6 Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 [X.] vorgesehen, die die Form und die Durchgängigkeit des [X.]ekenntnisses zum [X.] Volkstum und die Modalitäten seiner [X.]estätigung betrafen ([X.]. 17/13937 S. 6). Demgegenüber hat das in § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] statuierte Erfordernis der Abstammung von einem [X.] Staatsangehörigen oder [X.] [X.] durch das Änderungsgesetz keine Änderung erfahren.

Soweit die Mutter des [X.] in Anwendung dieser veränderten Rechtslage und auf der Grundlage der aktuellen Sachlage bei Erteilung ihres [X.]es die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 [X.] erfüllt hat, ist dies für die im Aufnahmeverfahren des [X.] zu prüfende Voraussetzung der Abstammung von einem [X.] [X.] ohne [X.]elang. Denn die [X.] Volkszugehörigkeit der die Abstammung vermittelnden Person beurteilt sich nicht nach der aktuellen Sach- und Rechtslage, sondern nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des [X.]s (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 2019 - 1 [X.] 43.18 - [X.]E 167, 9 Rn. 25 und vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 27). Gemessen daran beurteilt sich die Volkszugehörigkeit der im August 1941 und damit kurz nach dem [X.]eginn der [X.] am 22. Juni 1941 und somit "spätgeborenen" Mutter des [X.] nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Geburt des [X.] am 14. Juni 1973. Anwendung finden insoweit die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 6 [X.] in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung. Für die [X.]eurteilung der [X.] Volkszugehörigkeit von nach Abschluss der allgemeinen [X.] im [X.] geborenen Personen ([X.]) kommt es danach auf die [X.]ekenntnislage innerhalb der Familie und damit auf einen durch die Weitergabe der [X.]ekenntnislage kurz vor [X.]eginn der allgemeinen [X.] hergestellten [X.]ekenntniszusammenhang an ([X.], Urteil vom 2. Dezember 1986 - 9 [X.] 6.86 - [X.] 412.3 § 6 [X.] Nr. 47 S. 24 f. unter [X.]ezugnahme auf [X.], Urteil vom 10. November 1976 - 8 [X.] 92.75 - [X.] 412.3 § 1 [X.] Nr. 17 S. 15 f.). Die Änderungen, die das Zehnte Gesetz zur Änderung des [X.] bewirkt hat, sind für die [X.]eurteilung der Volkszugehörigkeit der Mutter des [X.] daher ohne Relevanz.

bb) Mit dem Oberverwaltungsgericht ist auch davon auszugehen, dass eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der im Erstverfahren verneinten Abstammung des [X.] von einer [X.] [X.] auch nicht deshalb anzunehmen ist, weil nach Ergehen des früheren [X.]escheides in der Rechtsprechung des [X.] geklärt worden ist, dass dem Vertriebenenrecht ein generationenübergreifender Abstammungsbegriff zugrunde liegt (vgl. [X.], Urteile vom 25. Januar 2008 - 5 [X.] 8.07 - [X.]E 130, 197 Rn. 12 ff. und vom 29. Oktober 2019 - 1 [X.] 43.18 - [X.]E 167, 9 Rn. 11 ff.) und dass für die Frage der Abstammung von einem [X.] [X.] hinsichtlich der [X.] Volkszugehörigkeit der [X.]ezugsperson auf die im Zeitpunkt der Geburt des [X.]s geltende Sach- und Rechtslage abzustellen ist (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 2019 - 1 [X.] 43.18 - [X.]E 167, 9 Rn. 25 und vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 27).

Weder die Klärung einer Rechtsfrage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch eine Änderung dieser Rechtsprechung begründen regelmäßig eine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG erfasst nur einen Wandel der normativen [X.]estimmungen, nicht aber eine Änderung der [X.] ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2011 - 5 [X.] 9.11 - [X.]ayV[X.]l. 2012, 478 Rn. 27). [X.] Entscheidungen liegt eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung zugrunde. Sie sind weder geeignet noch darauf angelegt, die Rechtslage konstitutiv zu verändern ([X.], Urteile vom 22. Oktober 2009 - 1 [X.] 15.08 - [X.]E 135, 121 Rn. 21 und vom 11. September 2013 - 8 [X.] 4.12 - [X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Rn. 21 sowie [X.]eschlüsse vom 25. Mai 1981 - 8 [X.] 89.80 und 8 [X.] 93.80 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 9 S. 1 und vom 16. Februar 1993 - 9 [X.] 241.92 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15).

b) Eine Änderung der Sachlage setzt einen Vergleich der tatsächlichen Situation vor und nach Erlass des früheren [X.]escheides voraus ([X.], Urteil vom 26. Januar 2000 - [X.] - juris Rn. 27). Sie liegt vor, wenn Tatsachen, die im Zeitpunkt des Erlasses des früheren [X.]escheides vorlagen und für die behördliche Entscheidung objektiv bedeutsam waren, nachträglich wegfallen oder wenn neue und für die Entscheidung erhebliche Tatsachen nachträglich eintreten ([X.], Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 [X.] 2.00 - [X.]E 115, 274 <281>). Nicht ausreichend ist die Änderung tatsächlicher Umstände, die für die bestandskräftige Ablehnung eines Verwaltungsakts nicht (allein) ausschlaggebend waren ([X.], Urteile vom 20. November 2018 - 1 [X.] 23.17 - [X.]E 163, 370 Rn. 13 und vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 24).

Die Feststellung des [X.], der der Mutter des [X.] erteilte [X.] vom 17. Februar 2021 begründe zwar einen neuen Sachverhalt, ermögliche aber für den Kläger keine günstigere Entscheidung, da für die Frage der Abstammung von einer [X.] [X.] allein auf die Sachlage im Zeitpunkt der Geburt des [X.]s abzustellen sei, weshalb eine spätere Feststellung, dass die [X.]ezugsperson [X.] Volkszugehörige sei, unerheblich sei, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Allein das Ergehen eines [X.]es gegenüber einem Elternteil vermag den Nachweis der Abstammung des [X.]s von einem [X.] [X.] nicht zu erbringen. Eine dahin gehende Feststellungswirkung kommt dem dem Elternteil erteilten [X.] mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht zu (zu [X.]egriff und Voraussetzungen der Feststellungswirkung eines Verwaltungsakts vgl. [X.], [X.]eschluss vom 4. Juli 2022 - 2 [X.] 5.22 - [X.] 232.01 § 23 [X.]eamtStG Nr. 4 Rn. 12).

Dass das [X.]undesverwaltungsamt mit [X.]escheid vom 17. Februar 2021 infolge einer Neubeurteilung des Ablehnungsgrunds des fehlenden [X.]ekenntnisses zum [X.] Volkstum und dessen [X.]estätigung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme der Spätaussiedlereigenschaft der Mutter des [X.] festgestellt hat, bewirkt keine Änderung der Sachlage zu dessen Gunsten, da sich insoweit - wie dargestellt - die Volkszugehörigkeit seiner Mutter nach der Sachlage im Zeitpunkt seiner Geburt im Jahre 1973 beurteilt. Das [X.]undesverwaltungsamt ist in [X.]ezug auf die spätgeborene Mutter des [X.] mit [X.]escheid vom 13. Mai 2005 selbstständig tragend davon ausgegangen, dass ihr die [X.] Sprache nicht ausreichend innerhalb der Familie vermittelt wurde, sie vielmehr nur über unzureichende Sprachkenntnisse verfügte, die für ein einfaches Gespräch nicht ausreichten. Das Oberverwaltungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, dass die diesbezüglich maßgebliche Sachlage bezogen auf das für die [X.]eurteilung maßgebliche Geburtsdatum des [X.] Änderungen unterworfen wäre. Der Umstand, dass dem Kläger eine Prüfung der Volkszugehörigkeit seiner Mutter nach diesen Grundsätzen nie zuteilgeworden ist und sich der [X.]escheid vom 13. Mai 2005 unter [X.]erücksichtigung der nachträglich ergangenen Rechtsprechung zum Abstammungskriterium als materiell-rechtlich fehlerhaft darstellt, vermag ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht zu rechtfertigen, da dieses Ergebnis unmittelbar Ausfluss des Umstandes ist, dass die Änderung oder Klarstellung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellt. Diesbezügliche materiell-rechtliche Mängel der Erstentscheidung wären seinerzeit mit Rechtsbehelfen geltend zu machen gewesen. Dass diese nicht oder nicht erfolgreich eingelegt wurden, zwingt nicht zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens ([X.], Urteil vom 14. Juni 2017 - 8 [X.] 7.16 - [X.]E 159, 136 Rn. 28).

Dieses Ergebnis begegnet auch im Lichte der von dem Oberverwaltungsgericht als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen und verneinend zu beantwortenden Frage, ob die nachträgliche Erteilung eines [X.]es an die [X.]ezugsperson, auf die auch in der ablehnenden Entscheidung im Erstverfahren abgestellt worden ist, jedenfalls dann eine nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG rechtserhebliche Sachlagenänderung zugunsten des [X.]s darstellt, wenn die [X.]ezugsperson Früh- oder (wie im Falle der Mutter des [X.]) [X.] ist und deswegen nicht erst eine spätere Sachlagenänderung (wie etwa ein später abgegebenes [X.]ekenntnis der [X.]ezugsperson) dazu führt, dass die [X.]ezugsperson die Voraussetzungen für die [X.] Volkszugehörigkeit erfüllt, sondern als Früh- oder [X.] bereits im Zeitpunkt der Geburt des [X.]s [X.] Volkszugehörige gewesen ist, keinen [X.]edenken. Das gälte auch für den Fall, dass die Mutter des [X.] bereits im Zeitpunkt der Geburt des [X.]s als [X.] [X.] Volkszugehörige gewesen sein sollte. Denn der Umstand, dass dies im ersten Aufnahmeverfahren des [X.] nicht erkannt worden ist oder rechtsirrtümlich keine Rolle gespielt hat, ist gerade von der [X.]estandskraft des [X.] erfasst. Unerheblich ist deshalb, ob die [X.]ewertung des [X.]erufungsgerichts, die Mutter erfülle die für [X.] entwickelten Anforderungen an die [X.] Volkszugehörigkeit, auf zutreffenden rechtlichen Maßstäben (vgl. dazu [X.], Urteil vom 15. Mai 1990 - 9 [X.] 51.89 - [X.] 412.3 § 6 [X.] Nr. 64 S. 49 ff.) und einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht.

1.2 Ohne Rechtsverstoß hat das [X.]erufungsgericht auch einen Wiederaufgreifensanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG verneint. Nach dieser Vorschrift hat die [X.]ehörde auf Antrag des [X.]etroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn neue [X.]eweismittel vorliegen, die eine dem [X.]etroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG stellt auf den hypothetischen Ausgang des [X.] bei [X.]erücksichtigung einer neuen [X.]eweislage unter sonst unveränderten Prämissen ab. Folglich bedarf es einer Änderung der [X.]eweislage zur Feststellung des damaligen Sachverhalts; Änderungen des entscheidungserheblichen Sachverhalts unterfallen demgegenüber § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ([X.], Urteil vom 14. Juni 2017 - 8 [X.] 7.16 - [X.]E 159, 136 Rn. 27).

a) Anders als die von dem Kläger eingereichten Personenstandsurkunden und der zugunsten der Mutter ergangene [X.] ist das angebotene Zeugnis der Mutter des [X.] schon kein "neues" [X.]eweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG (vgl. dazu [X.], Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 [X.] 12.92 - [X.]E 95, 86 <90>), weil nicht erkennbar ist, weshalb diese nicht bereits im Erstverfahren hätte vernommen werden können.

b) Hinsichtlich der im Wiederaufgreifensverfahren erstmals vorgelegten Urkunden hat das Oberverwaltungsgericht im Einklang mit § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG erkannt, dass diese keine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, wenn sie schon im Ausgangsverfahren vorgelegen hätten.

Das zulässigerweise geltend gemachte neue [X.]eweismittel muss so beschaffen sein, dass es die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des Verwaltungsakts erschüttert, und zu der sicheren Überzeugung führt, dass die [X.]ehörde seinerzeit von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und in Kenntnis der wirklichen Verhältnisse zugunsten des [X.]etroffenen entschieden hätte ([X.], Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 [X.] 78.88 - [X.]E 82, 272 <277 f.> und [X.]eschlüsse vom 29. Oktober 1997 - 7 [X.] 336.97 - [X.] 1998, 86 f., vom 3. Mai 2000 - 8 [X.] 352.99 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 42 und vom 26. Januar 2015 - 3 [X.] 3.14 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 74 Rn. 8 f.). Maßstab ist nicht die damalige objektive Rechtslage, sondern die Rechtsauffassung, die die bestandskräftige Entscheidung im Erstverfahren trägt. Die danach maßgebliche Rechtsauffassung ergibt sich aus der [X.]egründung des Verwaltungsakts, gegebenenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. Wurde der Verwaltungsakt gerichtlich bestätigt, ist die diese [X.]estätigung tragende Rechtsauffassung maßgeblich ([X.], Urteil vom 14. Juni 2017 - 8 [X.] 7.16 - [X.]E 159, 136 Rn. 26).

Das [X.]undesverwaltungsamt hat in dem [X.]escheid vom 13. Mai 2005 maßgeblich darauf abgestellt, der Kläger habe die Abstammung von einer [X.] [X.] nicht nachgewiesen, weil eine [X.] Volkszugehörigkeit seiner Mutter nicht festzustellen sei. Der gegenüber dieser unter dem gleichen Datum ergangene Ablehnungsbescheid beruht unter anderem (selbstständig tragend) darauf, ein durchgängiges [X.]ekenntnis ("nur") zum [X.] Volkstum sei nicht nachgewiesen, weil die Urkunden, die sie als [X.] auswiesen, nach dem [X.] neu ausgestellt worden seien, während der erste [X.] nicht vorgelegt worden sei.

[X.]ei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung hätte das Vorhandensein einer nach dem [X.] ausgestellten Geburtsurkunde des [X.], die seine Mutter als [X.] Volkszugehörige auswies, schon [X.] zu keiner günstigeren Entscheidung geführt, weil dies die für das [X.]undesverwaltungsamt entscheidenden Zweifel, ob sich die Mutter bereits bei der Ausstellung ihres ersten [X.]es mit 16 Jahren zum [X.] Volkstum bekannt hat, nicht beseitigt hätte. Eine solche nach dem [X.] ausgestellte Geburtsurkunde des [X.], die seine Mutter als [X.] Volkszugehörige auswies, lag dem [X.]undesverwaltungsamt im Übrigen bereits in dem ursprünglichen Verwaltungsverfahren vor. Dem der Mutter des [X.] im Februar 2021 erteilten [X.] kommt in [X.]ezug auf ein durchgängiges [X.]ekenntnis ("nur") zum [X.] Volkstum ebenfalls keine Feststellungswirkung oder eigenständige, von dem tatsächlichen Vorliegen der Voraussetzungen losgelöste [X.]eweiskraft zu.

Die übrigen im Wiederaufgreifensverfahren vorgelegten Personenstandsurkunden dokumentieren, dass der Kläger, der sich ausweislich seines im ersten Aufnahmeverfahren vorgelegten [X.]es zum [X.] Volkstum bekannt hat, sich nunmehr zum [X.] Volkstum bekennt. Sie beruhen damit - wie die Revision selbst erkennt - auf veränderten Tatsachen, was einem Wiederaufgreifen wegen neuer [X.]eweismittel nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG gerade entgegensteht. Dessen ungeachtet sind sie für den hier zu führenden Nachweis der [X.] Volkszugehörigkeit der Mutter des [X.] ohne zwingende Aussagekraft.

2. Der Kläger hat auch nach § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens.

Die [X.]ehörde kann, auch wenn - wie hier - die in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG normierten Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch nicht vorliegen, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wiederaufgreifen und eine neue, der gerichtlichen Überprüfung zugängliche Sachentscheidung treffen. Hinsichtlich der in § 51 Abs. 5 i. V. m. den §§ 48, 49 VwVfG zu sehenden Ermächtigung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne besteht für den [X.]etroffenen allerdings nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung [X.] belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der [X.]estandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit [X.]lick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 33 m. w. N.). Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann "schlechthin unerträglich", wenn die [X.]ehörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die [X.]erufung der [X.]ehörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 34 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht vor. Für einen Verstoß gegen Treu und Glauben sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Das Absehen von einer Wiederaufnahme ist nicht allein deshalb grob unbillig, weil der bestandskräftige Ablehnungsbescheid auf mehrere tragende Gründe gestützt war und damit eine Klage jedenfalls im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Damit und auch im Übrigen fehlt es an einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des [X.]. Allein der Umstand, dass der ablehnende Verwaltungsakt rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt hat, die sich nach der späteren höchstrichterlichen Rechtsprechung als fehlerhaft erwiesen haben, genügt für die Annahme seiner offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht (vgl. [X.], Urteil vom 20. November 2018 - 1 [X.] 23.17 - [X.]E 163, 370 Rn. 28 m. w. N.).

Mit dem Vorbringen, die [X.]eklagte habe in vergleichbaren Fällen das Verfahren wiederaufgegriffen, ist der Kläger im revisionsgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen. Das [X.]undesverwaltungsgericht ist in Ermangelung zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die tatsächlichen Feststellungen des [X.] gebunden. Die [X.], das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen des [X.], das [X.]undesverwaltungsamt verstoße dadurch, dass es in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen einige Verfahren wiederaufnehme und auch zugunsten der [X.] entscheide, gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen die Grundsätze der guten Sitten und von Treu und Glauben, unbeachtet gelassen, obwohl es ihm oblegen hätte zu prüfen, ob und in welchem Maße die Verfahren in vergleichbaren Fällen von dem [X.]undesverwaltungsamt wiederaufgegriffen worden seien, ist bereits unzulässig. Sie genügt den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO an die Darlegung einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht (vgl. insoweit nur [X.], [X.]eschluss vom 10. Januar 2022 - 1 [X.] 65.21 - juris Rn. 9). Die insoweit nicht näher substantiierte [X.]erufungsbegründung musste dem Oberverwaltungsgericht keine Veranlassung geben, weitere Aufklärung hinsichtlich der betreffenden Verwaltungspraxis der [X.]eklagten zu betreiben. Erstmals die Revisionsbegründung benennt "als [X.]eispiel" für die im vorinstanzgerichtlichen Verfahren behauptete Praxis des [X.]undesverwaltungsamts ein konkretes Verfahren. Sonstige Anhaltspunkte für die Annahme, das [X.]undesverwaltungsamt habe in vergleichbaren Fällen das Verfahren wiederaufgegriffen, waren im [X.]erufungsverfahren weder ersichtlich noch vorgetragen.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung zu. Das [X.]undesverwaltungsamt hat sein Ermessen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens fehlerfrei zulasten des [X.] ausgeübt. Ist die Aufrechterhaltung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nicht "schlechthin unerträglich" und das [X.] damit auf Null reduziert, so ist es in aller Regel - und so auch hier - ermessensfehlerfrei, wenn die [X.]ehörde an der [X.]estandskraft von Ablehnungen, die mit fehlender Abstammung begründet wurden, generell festhält, obwohl sich die Rechtsprechung zu diesem [X.]egriff mehrfach geändert hat, und damit dem Aspekt der Rechtssicherheit den Vorzug gibt. Ins Einzelne gehender Ermessenserwägungen bedarf es insoweit nicht (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 1.20 - [X.] 316 § 51 VwVfG Nr. 66 Rn. 36 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

1 C 4/22

20.04.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. Dezember 2021, Az: 11 A 2962/20, Urteil

§ 51 Abs 1 Nr 2 VwVfG, § 51 Abs 1 Nr 1 VwVfG, § 51 Abs 5 VwVfG, § 48 VwVfG, § 49 VwVfG, § 6 Abs 2 S 1 BVFG, § 2 BVFG, § 3 BVFG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 1 C 4/22 (REWIS RS 2023, 5332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5332

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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