Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.01.2024, Az. IV R 25/21

4. Senat | REWIS RS 2024, 2036

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Gegenstand

Bindung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes an den Gewerbesteuermessbescheid


Leitsatz

1. NV: Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 35b Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) sind der "Gewerbeertrag" im Sinne des § 6 GewStG und der abziehbare Fehlbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG. Dies gilt auch im Fall einer geänderten rechtlichen Zurechnung des vortragsfähigen Fehlbetrags (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. NV: Begehrt eine Mitunternehmerschaft die Nutzung vortragsfähiger Fehlbeträge einer Kapitalgesellschaft, ist dies seit Geltung des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 im Verfahren zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags der Mitunternehmerschaft für den Erhebungszeitraum geltend zu machen, in dem der Übergang dieser Fehlbeträge erfolgt sein soll.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 05.11.2021 - 14 K 2364/21 G,F aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die [X.]rage, ob der vortragsfähige [X.]ewerbeverlust einer Kapitalgesellschaft nach § 10a des [X.] ([X.]ewSt[X.]) bei Begründung atypisch stiller Beteiligungen an dieser [X.] auf die atypisch stille [X.] übergeht.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine [X.]mbH, betreibt ein Bauunternehmen. Ihre [X.]er waren in den Streitjahren 2010 bis 2015 [X.], der zugleich als [X.]eschäftsführer der [X.] fungierte, zu 74 % sowie [X.] zu 26 %.

3

Mit [X.] vom 08.12.2009 beteiligten sich [X.] und [X.] als (atypisch) stille [X.]er am Handelsgewerbe der [X.]mbH (§ 1 Ziff. 1 der Verträge). In den [X.] war festgelegt, dass das erste [X.]eschäftsjahr der stillen [X.] am 01.01.2010 beginnt und am 31.12.2010 endet (§ 4 Ziff. 3 der Verträge).

4

[X.]ür die [X.]mbH war auf den 31.12.2009 ein vortragsfähiger [X.]ewerbeverlust nach § 10a [X.]ewSt[X.] in Höhe von 494.675 € festgestellt worden. Diesen [X.]ewerbeverlust erhöhte der Beklagte und Revisionskläger ([X.]inanzamt --[X.]A--) entsprechend dem für die aus der [X.]mbH sowie [X.] und [X.] bestehende Mitunternehmerschaft ([X.]mbH & atypisch still) für 2010 festgestellten Verlust in Höhe von 64.307 € auf den 31.12.2010 zunächst auf 558.982 €, um ihn sodann entsprechend der für die Mitunternehmerschaft für 2011 und 2012 festgestellten [X.]ewinne auf den 31.12.2011 um 307.989 € auf 250.993 € und auf den 31.12.2012 um 81.719 € auf 169.274 € zu verringern.

5

In den Jahren 2014 und 2015 fanden steuerliche Außenprüfungen bei der [X.]mbH und bei der [X.]mbH & atypisch still für die Jahre 2010 bis 2012 statt. Die Betriebsprüfung ging davon aus, dass trotz des Umstands, dass [X.] und [X.] sich jeweils einzeln als stille [X.]er an der [X.]mbH beteiligt hatten, lediglich eine Mitunternehmerschaft vorliege, an deren [X.]ewinn und Verlust [X.] und [X.] mit jeweils 28,17 % und die [X.]mbH mit 43,66 % beteiligt seien. Diese Mitunternehmerschaft sei ab 2010 sachlich gewerbesteuerpflichtig. Persönlich steuerpflichtig und Schuldnerin der festgesetzten [X.]ewerbesteuer sei jedoch die Klägerin (die [X.]mbH "als Inhaberin des Handelsgewerbes"). Der bei der [X.]mbH zum 31.12.2009 bestehende vortragsfähige [X.]ewerbeverlust sei nicht zu berücksichtigen, da er nicht auf die Mitunternehmerschaft übergegangen sei. Dazu werde auf den Erlass des [X.]inanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27.01.2012 ([X.]inanz-Rundschau 2012, 238) verwiesen, der analog anzuwenden sei. Der [X.]ewerbeverlust könne lediglich auf [X.] der [X.]mbH weiter vorgetragen und gegebenenfalls mit deren zukünftigen [X.]ewinnen verrechnet werden (vgl. Betriebsprüfungsbericht für die [X.]mbH & atypisch still vom 30.04.2015, [X.]. 2.5).

6

Das [X.]A folgte dieser Beurteilung und erließ am 18.06.2015 erstmalig gegenüber der Klägerin "als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten [X.]ern" [X.]ewerbesteuermessbescheide für 2010 bis 2012 sowie [X.] über die gesonderte [X.]eststellung des vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes auf den 31.12.2010 und auf den [X.] [X.]ür 2010 berücksichtigte es einen [X.]ewerbeertrag von ./. 13.266 €. Diesen Betrag stellte das [X.]A genauso (das heißt ohne weitere Verrechnung des für die [X.]mbH auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes von 494.675 €) als vortragsfähigen [X.]ewerbeverlust auf den 31.12.2010 fest. [X.]ür 2011 berücksichtigte es einen [X.]ewerbeertrag von 83.306 €, welcher mit dem vortragsfähigen [X.]ewerbeverlust auf den 31.12.2010 von 13.266 € verrechnet wurde. [X.]ür 2012 berücksichtigte das [X.]A einen positiven [X.]ewerbeertrag. [X.]ür die Jahre 2013 bis 2015 erließ das [X.]A auf entsprechende [X.]ewerbesteuererklärungen der Klägerin hin unter dem 24.09.2015, 21.10.2015 beziehungsweise 08.02.2017 wiederum [X.]ewerbesteuermessbescheide, in denen ebenfalls jeweils positive [X.]ewerbeerträge berücksichtigt wurden.

7

Die gegen die Verlustfeststellungsbescheide sowie gegen die [X.]ewerbesteuermessbescheide gerichteten Einsprüche der Klägerin blieben ohne Erfolg ([X.] vom 03.04.2017). Zur Begründung führte das [X.]A im Hinblick auf die [X.] über die gesonderte [X.]eststellung des vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes aus, dass die für die [X.]mbH festgestellten [X.]ewerbeverluste auf deren [X.] vorzutragen und nicht auf die atypisch stille [X.] übergegangen seien. Auf die Unternehmensidentität komme es nicht an, da eine Kapitalgesellschaft allein aufgrund ihrer Rechtsform sachlich gewerbesteuerpflichtig sei.

8

Mit Urteil vom 05.11.2021 - 14 K 2364/21 [X.],[X.] änderte das [X.]inanzgericht ([X.][X.]) die festgesetzten [X.]ewerbesteuermessbeträge für 2011 bis 2015 sowie die auf den 31.12.2010 und auf den 31.12.2011 festgestellten vortragsfähigen [X.]ewerbeverluste nach Maßgabe der Entscheidungsgründe. Das [X.]A hätte den für die [X.]mbH auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen [X.]ewerbeverlust von 494.675 € im Rahmen der gegenüber der Klägerin für die [X.]mbH & atypisch still ergangenen [X.] über die gesonderte [X.]eststellung des vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes nach § 10a [X.]ewSt[X.] auf den 31.12.2010 und auf den 31.12.2011 in Bezug auf die Klägerin berücksichtigen und in den [X.]ewerbesteuermessbescheiden für 2011 und 2012 bezogen auf die Klägerin eine Kürzung ihres jeweiligen [X.]ewerbeertrags um einen weiteren Verlust nach § 10a [X.]ewSt[X.] vornehmen müssen. Entsprechend hätte das [X.]A --nach Erlass weiterer [X.] über die gesonderte [X.]eststellung eines vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes nach § 10a [X.]ewSt[X.] (auf den 31.12.2012, auf den 31.12.2013 und auf den 31.12.2014)-- auch in den [X.]ewerbesteuermessbescheiden für 2013 bis 2015 bezogen auf die Klägerin Kürzungen des [X.]ewerbeertrags vornehmen müssen.

9

Die Voraussetzungen für den gewerbesteuerlichen Verlustübergang bei Unternehmer- und Unternehmensidentität seien erfüllt. Allerdings müsse (wegen der nur partiellen Unternehmeridentität) sichergestellt werden, dass der auf den 31.12.2009 für die [X.]mbH festgestellte Verlust nur anteilig mit dem auf diese entfallenden [X.]ewerbeertrag verrechnet werde und nicht mit den auf die beiden atypisch stillen [X.]er entfallenden [X.]ewerbeerträgen.

Dagegen richtet sich die Revision des [X.]A, mit der eine Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 2 Satz 1, § 10a [X.]ewSt[X.]) gerügt wird. Im Hinblick auf das [X.]ortbestehen der [X.]mbH und die Identität ihres [X.]ewerbebetriebs aufgrund der [X.]ewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]ewSt[X.] stelle sich die [X.]rage des Übergangs des [X.]ewerbeverlustes nach § 10a [X.]ewSt[X.] auf die atypisch stille [X.] --trotz Beschränkung der Tätigkeit der [X.]mbH auf die Mitunternehmerstellung bei der atypisch stillen [X.]-- nicht, auch wenn die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs nach der Einbringung sowohl bei der [X.]mbH als auch bei der atypisch stillen [X.] erfüllt seien. Der für die [X.]mbH festgestellte Verlust gehe nicht auf die atypisch stille [X.] über. Denn es fehle an einer Rechtsgrundlage. Es gebe keine spezialgesetzliche Norm, die im vorliegenden [X.]all der Einbringung des Betriebs des Inhabers eines Handelsgewerbes in eine stille [X.] im Sinne des § 24 des Umwandlungssteuergesetzes den Übergang des [X.]ewerbeverlustes von der Kapitalgesellschaft auf die übernehmende Personengesellschaft anordne. Aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über den gewerbesteuerlichen Verlustübergang bei Unternehmens- und Unternehmeridentität (§ 10a [X.]ewSt[X.]) ergäben sich keine für die Klägerin günstigen Rechtsfolgen. Dass der [X.] (B[X.]H) die hiesige Sachverhaltskonstellation im Urteil vom 17.01.2019 - III R 35/17 (B[X.]HE 264, 32, [X.], 407) offengelassen habe, rechtfertige keine andere Schlussfolgerung. Eine tragfähige Begründung für die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Sachverhaltskonstellationen sei nicht ersichtlich. Die bloße Verwaltung des Mitunternehmeranteils ändere nichts daran, dass die Kapitalgesellschaft kraft Rechtsform einen [X.]ewerbebetrieb unterhalte.

Im Ergebnis verbleibe der auf den 31.12.2009 festgestellte Verlustvortrag auch nach Begründung der atypisch stillen [X.] bei der [X.]mbH. Er werde als [X.]olge des § 9 Nr. 2 [X.]ewSt[X.] vorbehaltlich anderer (zukünftiger) positiver [X.]ewerbeerträge der [X.]mbH "eingefroren" und zu den nachfolgenden [X.]eststellungszeitpunkten in unveränderter Höhe festgestellt.

Das [X.]A beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.][X.] Münster vom 05.11.2021 - 14 K 2364/21 [X.],[X.] aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf das angefochtene Urteil. Bei Unternehmens- und Unternehmeridentität sei der Verlustabzug nach allgemeinen [X.]rundsätzen zu gewähren. Es existiere keine Rechtsgrundlage dafür, ihn zu versagen. Während des Bestehens der stillen [X.] werde der (eine) [X.]ewerbebetrieb der stillen [X.] zugeordnet (Bezugnahme auf B[X.]H-Urteil vom 24.04.2014 - IV R 34/10, B[X.]HE 245, 253, [X.], 233).

Das Bundesministerium der [X.]inanzen (BM[X.]) ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Das [X.][X.]-Urteil widerspreche dem für einen Verlustübergang erforderlichen Merkmal der Unternehmens- und Unternehmeridentität bei Kapitalgesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]ewSt[X.] und stehe damit im Widerspruch zum [X.] der [X.]ewerbesteuer. Stelle die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets ein und denselben [X.]ewerbebetrieb dar und erfülle sie damit das Merkmal der Unternehmensidentität bereits auf [X.] der Kapitalgesellschaft, könne daneben denknotwendig kein zweites "identisches" Unternehmen in diesem Sinne auf [X.] der atypisch stillen [X.] vorliegen.

Das BM[X.] stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorinstanz ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der für die Klägerin auf den 31.12.2009 festgestellte vortragsfähige [X.] bei der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.] der [X.]amp; atypisch still auf den 31.12.2010 Berücksichtigung finden kann. Dem steht die --bisher außer Acht gelassene-- Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für 2010 (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) entgegen (dazu 1.). Auch im Übrigen erweist sich die Klage als unbegründet (dazu 2.). Sie ist daher insgesamt abzuweisen (dazu 3.).

1. Einer Berücksichtigung des für die Klägerin auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen [X.] bei der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.] der [X.]amp; atypisch still auf den 31.12.2010 steht die Bindungswirkung des Bescheids über die Festsetzung des [X.] vom 18.06.2015 entgegen. Das angefochtene Urteil kann insoweit keinen Bestand haben.

a) Gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind bei der Feststellung des vortragsfähigen [X.] die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des [X.] für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige [X.] festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) sowie § 42 [X.]O gelten entsprechend. Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 2 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe des festzusetzenden [X.] unterbleibt (§ 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG). § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG i.d.[X.] ([X.]) 2010 vom [X.] ([X.], 1768) gilt erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des vortragsfähigen [X.] abgegeben wird (§ 36 Abs. 10 Satz 1 GewStG i.d.F. des [X.] 2010), und damit auch im Streitfall, der Erhebungszeiträume ab 2010 betrifft.

Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind der "Gewerbeertrag" im Sinne des § 6 GewStG und der abziehbare Fehlbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG, mithin solche Berechnungsgrundlagen, die sich auf die Höhe der Messbetragsfestsetzung auswirken (BFH-Urteil vom 07.09.2016 - IV R 31/13, [X.], 266, [X.], 482, Rz 30). Dies gilt auch im Fall einer geänderten rechtlichen Zurechnung des vortragsfähigen [X.] (BFH-Urteil vom 28.02.2001 - I R 77/00, [X.] 2001, 1293, unter II.1.b).

b) Danach wird der Gewerbesteuermessbescheid im Ergebnis wie ein Grundlagenbescheid behandelt. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige auch durch eine Null-Festsetzung im Gewerbesteuermessbescheid beschwert ist, wenn er eine höhere Verlustfeststellung begehrt. Er muss aufgrund der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids diesen Messbescheid angreifen. Im Rahmen der Begründetheit der Klage gegen einen Folgebescheid ist nur noch zu prüfen, ob überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang eine Bindungswirkung für den Folgebescheid an den Grundlagenbescheid eingetreten ist (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 17.03.2021 - IV R 7/20, Rz 17).

Folglich müsste der vorgebliche Übergang eines vortragsfähigen [X.] auf einen anderen Rechtsträger seit Geltung des § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG i.d.F. des [X.] 2010 im Gewerbesteuermessbescheid des anderen Rechtsträgers für den Erhebungszeitraum berücksichtigt werden, in dem der Übergang des [X.] erfolgt sein soll.

c) In Anwendung vorstehender Grundsätze durfte das [X.] den für die Klägerin auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen [X.] in Höhe von 494.675 € bei der Feststellung des vortragsfähigen [X.] der [X.]amp; atypisch still auf den 31.12.2010 bereits deshalb nicht berücksichtigen, weil er der Festsetzung des [X.] nicht zugrunde gelegt worden ist.

aa) Nach den Feststellungen des [X.] hat das [X.] am 18.06.2015 gegenüber der Klägerin "als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern" einen Gewerbesteuermessbescheid für 2010 erlassen und dabei einen Gewerbeertrag von ./. 13.266 € berücksichtigt; dieser Betrag ist (ohne weitere Verrechnung mit dem für die Klägerin auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen [X.]) als vortragsfähiger [X.] auf den 31.12.2010 festgestellt worden. Ausweislich des vom [X.] in Bezug genommenen [X.] hat die Klägerin die zunächst auch gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2010 vom 18.06.2015 gerichtete Klage in der mündlichen Verhandlung am [X.] zurückgenommen, so dass dieser Bescheid bestandskräftig wurde. Damit ist bei der Feststellung des vortragsfähigen [X.] der [X.]amp; atypisch still auf den 31.12.2010 von einem [X.] in Höhe von (nur) 13.266 € auszugehen (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG).

bb) Aufgrund der Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für 2010 kann in dem gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2010 gerichteten Verfahren nicht über Einwendungen gegen die Höhe des zugrunde gelegten [X.] entschieden werden (§ 35b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GewStG i.V.m. § 42 [X.]O, § 351 Abs. 2 [X.]).

cc) Vor diesem Hintergrund kam es im Streitfall nicht mehr auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage an, ob der für die Klägerin auf den 31.12.2009 festgestellte vortragsfähige [X.] dem Grunde nach zur Verrechnung mit dem Gewerbeertrag der [X.]amp; atypisch still zur Verfügung steht. Diese Frage kann allein im Verfahren zur Festsetzung des [X.] geklärt werden. Ob dies noch möglich ist, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden (vgl. z.B. zur Möglichkeit eines Antrags auf Fortsetzung des Klageverfahrens nach § 72 Abs. 2 Satz 3 [X.]O wegen unwirksamer Klagerücknahme BFH-Urteil vom 17.03.2021 - IV R 7/20, Rz 21; zur Unwirksamkeit der Klagerücknahme bei einem fehlerhaften rechtlichen Hinweis des [X.] s. BFH-Beschluss vom 26.08.1996 - X B 155/95, [X.] 1997, 190 [Rz 3] und [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 72 [X.]O Rz 164; zur Nichtgeltung der Jahresfrist im Fall höherer Gewalt im Sinne des § 56 Abs. 3 [X.]O bei in der Sphäre des Gerichts liegenden Gründen vgl. BFH-Urteil vom 26.09.2006 - X R 21/04, [X.] 2007, 186, unter [X.] und Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 55 Rz 29).

2. Soweit sich die Klage gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2011 bis 2015 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2011 richtet, ist sie ebenfalls unbegründet. Auch insoweit ist die Entscheidung des [X.] daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

a) Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage eine Erhöhung des im Erhebungszeitraum 2010 zu berücksichtigenden [X.] beziehungsweise des gesondert festzustellenden [X.] auf den 31.12.2010. Eine derartige Erhöhung des [X.] geht mit einer Minderung des festzusetzenden [X.] für 2011 (und die nachfolgenden Erhebungszeiträume) beziehungsweise einer Erhöhung des festzustellenden [X.] auf den 31.12.2011 (und die nachfolgenden Stichtage) einher. Die betreffenden Gewerbesteuermessbescheide und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2011 stellen indes [X.] dar. Der Gewerbesteuermessbescheid für 2010 entfaltet --wie ausgeführt-- Bindungswirkung für den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2010 (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG). Dieser stellt wiederum einen bindenden Grundlagenbescheid im Sinne der § 171 Abs. 10 Satz 1, § 182 Abs. 1 [X.] im Verhältnis zum Gewerbesteuermessbescheid des nachfolgenden Erhebungszeitraums 2011 dar (BFH-Urteil vom 16.06.2011 - IV R 11/08, [X.], 353, [X.], 903, Rz 15). Der [X.] entfaltet wiederum Bindungswirkung für den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den [X.] Entsprechendes gilt für die nachfolgenden Erhebungszeiträume.

b) Angesichts der beschriebenen Bindungswirkung erweist sich die Klage im Hinblick auf die Gewerbesteuermessbescheide für 2011 bis 2015 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen [X.] auf den 31.12.2011 ebenfalls als unbegründet (§ 42 [X.]O i.V.m. § 351 Abs. 2 [X.]).

3. Im Hinblick auf die bestehende [X.] kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Die Klage ist insgesamt als unbegründet abzuweisen.

4. Der Senat erachtet es als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid (§ 90a [X.]O) zu entscheiden. Er hat seine Entscheidung in einer Videokonferenz unter den hierfür von der BFH-Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen getroffen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10.02.2021 - IV R 35/19, [X.], 152, Rz 34; vom 08.09.2022 - V R 26/21, [X.], 348, BStBl II 2023, 361, Rz 26).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IV R 25/21

11.01.2024

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 5. November 2021, Az: 14 K 2364/21 G,F, Urteil

§ 35b Abs 2 S 2 GewStG 2002 vom 08.12.2010, § 10a GewStG 2002, § 42 FGO, § 351 Abs 2 AO, § 171 Abs 10 AO, § 182 AO, GewStG VZ 2010, GewStG VZ 2011, GewStG VZ 2012, GewStG VZ 2013, GewStG VZ 2014, GewStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.01.2024, Az. IV R 25/21 (REWIS RS 2024, 2036)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2036

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