Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 SB 53/21 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 1070

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Zurückweisung eines Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren - Möglichkeit der isolierten Anfechtung der Zurückweisung durch den Vertretenen - Rentenberater in Schwerbehindertenangelegenheiten - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 12. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 380,80 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. In der Hauptsache wendet sich der 1979 geborene Kläger gegen die Zurückweisung seines bevollmächtigten [X.] in einem Widerspruchsverfahren um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB). Ebenso wie das [X.] (Gerichtsbescheid vom 16.12.2020) hat das L[X.] die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Zurückweisungsbescheid gegenüber dessen bevollmächtigten Rentenberater vom 13.5.2020 als unzulässig angesehen. [X.]ie Zurückweisung stelle nach § 13 Abs 5 [X.]B X gegenüber dem Zurückgewiesenen einen selbstständigen Verwaltungsakt dar, der von diesem mit dem entsprechenden Rechtsbehelf (Widerspruch, Klage) angefochten werden könne. [X.]er Vertretene könne die Zurückweisung dagegen nicht isoliert, also unabhängig von der Sachentscheidung, anfechten. [X.]ies verdeutliche auch die Regelung in § 13 Abs 7 Satz 1 [X.]B X, wonach die Zurückweisung dem Vertretenen (lediglich) schriftlich mitzuteilen sei. [X.]iese Mitteilung sei kein isoliert anfechtbarer Verwaltungsakt. [X.]ieses Ergebnis werde durch § 56a [X.]G bestätigt. [X.]anach könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Urteil vom 12.7.2020).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] und macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

II. [X.]ie Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. [X.]ie Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

4

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G), wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. [X.]er Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie ggf des Schrifttums angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner [X.]arlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) [X.]keit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zum Ganzen B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] SB 40/18 B - juris Rd[X.] 4; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 401/16 B - juris Rd[X.] 6 mwN). [X.]iesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des [X.] nicht gerecht.

5

Er hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Ist bei [X.] im Rahmen des § 13 Abs. 5 [X.]B X der § 56 a [X.]G anwendbar mit der Folge, dass der [X.]/Mandant keinen Rechtsbehelf gegen den Zurückweisungsbescheid zulässig führen darf?"

6

[X.]er Kläger hat jedoch schon die [X.]keit der aufgeworfenen Fragestellung nicht aufgezeigt. [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, nicht unbestritten ist oder sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die [X.]keit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte der fraglichen Normen sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 14.12.2020 - [X.] SB 22/20 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 21.8.2017 - [X.] SB 11/17 B - juris Rd[X.] 8). [X.]iese [X.]arlegungsvoraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

7

[X.]er Kläger versäumt es bereits, sich mit dem Wortlaut, Anwendungsbereich und dem Bedeutungsgehalt des § 56a [X.]G auseinanderzusetzen. Nach dieser Bestimmung ist die Anfechtung behördlicher Verfahrenshandlungen grundsätzlich nur zusammen mit der Sachentscheidung gestattet. Aus dieser Norm folgt aber keineswegs, dass der Kläger die Zurückweisung des bevollmächtigten [X.] im Widerspruchsverfahren über die Höhe des GdB überhaupt nicht anfechten kann. Vielmehr ist diese anfechtbar, aber erst mit der Sachentscheidung des Beklagten (vgl Roller in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 13 Rd[X.] 17; [X.], [X.]B X, [X.], 5. Aufl 2019, § 13 Rd[X.] 33; [X.] in [X.] Komm, [X.]B X, § 13 Rd[X.] 26, Stand der Einzelkommentierung September 2017, jeweils mwN).

8

Soweit der Kläger meint, dass ihm auch eine isolierte Anfechtung der Zurückweisung seines Bevollmächtigten möglich sein sollte, also unabhängig von der Sachentscheidung, hat er die [X.]keit dieser Problemstellung nicht hinreichend aufgezeigt. Seine schlichte Behauptung, "d([X.])as was die Sozialgerichtsbarkeit hierzu bisher abgeliefert" habe, bestehe "aus Behauptungen und im Wesentlichen aus Floskeln", reicht nicht. Unabhängig davon, dass er sich - wie oben bereits ausgeführt - nicht hinreichend mit der Norm des § 56a [X.]G beschäftigt hat, benennt der Kläger weder die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit, noch setzt er sich mit dieser von ihm lediglich pauschal kritisierten Rechtsprechung auseinander. Soweit der Kläger sich auf Schrifttum zu § 44a VwGO bezieht, wäre es schon im Hinblick auf die formulierte Fragestellung und dem dort ausdrücklich erwähnten § 56a [X.]G geboten gewesen, sich insoweit auch und in besonderem Maße mit dem zu § 56a [X.]G ergangenen Schrifttum auseinanderzusetzen. Ausführungen hierzu fehlen jedoch. In diesem Kontext versäumt der Kläger es zudem, den Bedeutungs- und Wirkungsgehalt des § 13 Abs 7 Satz 1 [X.]B X (iVm § 13 Abs 5 [X.]B X) zu erörtern, wonach die Zurückweisung dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter zurückgewiesen wird, (lediglich) "schriftlich mitzuteilen" ist.

9

Ohne dass es vorliegend noch darauf ankäme, zeigt der Kläger schließlich im Rahmen der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragestellung nicht auf, ob der von ihm bevollmächtigte Rentenberater überhaupt dazu befugt ist, ihn in dem Widerspruchsverfahren über die Höhe des GdB vertreten zu können. Er setzt sich nicht mit der Bestimmung des § 10 Abs 1 Satz 1 [X.] (R[X.]G) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des B[X.] (vgl B[X.] Urteil vom 24.9.2020 - [X.] SB 2/18 R - B[X.]E 131, 42 = [X.]-1741 § 3 [X.] 1; B[X.] Urteil vom 16.12.2014 - [X.] SB 3/13 R - [X.]-1200 § 66 [X.] 7) auseinander, wonach registrierte Rentenberater, Rechtsdienstleistungen im Bereich des Schwerbehindertenrechts nur mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung erbringen dürfen. [X.]er Kläger legt nicht dar, dass die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Satz 1 [X.] 2 R[X.]G für eine Vertretung durch einen Rentenberater in seiner Sache erfüllt werden. Er behauptet auch nicht, dass diese Norm auf den von ihm im Widerspruchsverfahren bevollmächtigten Rentenberater keine Anwendung findet.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. [X.]ie Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Zwar ist gemäß § 183 Satz 1 [X.]G das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, "soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind". [X.]er genannte einschränkende Satzteil zeigt aber, dass die Kostenprivilegierung nicht alle Rechtsstreitigkeiten von behinderten Menschen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit umfasst. Vielmehr kommt es auf den jeweiligen Streitgegenstand an. Entscheidend ist, ob um ein Recht gestritten wird, das gerade behinderten Menschen in dieser Eigenschaft zusteht (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 13 SF 11/16 S - juris Rd[X.] 8). [X.]ies ist vorliegend nicht der Fall.

5. [X.]ie [X.] folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1 und § 52 Abs 1 GKG. [X.]ie für die [X.] maßgebende Bedeutung der Sache für den Kläger ist hier kostenrechtlich mit dem Gebührenanspruch des Bevollmächtigten für das Vorverfahren zu beziffern, da es dem Kläger lediglich um die Klärung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung seines Bevollmächtigen in seinem Widerspruchsverfahren geht (vgl B[X.] Urteil vom 24.9.2020 - [X.] SB 2/18 R - B[X.]E 131, 42 = [X.]-1741 § 3 [X.] 1, Rd[X.] 60). [X.]anach ergibt sich eine Geschäftsgebühr nach [X.] 2302 [X.] 1 Anlage 1 RVG in Höhe des aktuellen Schwellenwertes im hier maßgeblichen Zeitraum von 300 Euro sowie eine Post- und Telekommunikationspauschale nach [X.] 7002 Anlage 1 RVG von 20 Euro zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach [X.] 7008 Anlage 1 RVG (60,80 Euro), insgesamt also ein Betrag von 380,80 Euro.

                Kaltenstein                [X.]

Meta

B 9 SB 53/21 B

23.02.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 16. Dezember 2020, Az: S 18 SB 3377/20, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 56a S 1 SGG, § 13 Abs 5 SGB 10, § 13 Abs 7 S 1 SGB 10, § 10 Abs 1 S 1 Nr 2 RDG, § 152 Abs 1 S 1 SGB 9 2018

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 SB 53/21 B (REWIS RS 2022, 1070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1070

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