Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2002, Az. XI ZR 82/02

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 285

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:10. Dezember 2002Herrwerth,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein[X.]R: ja_____________________BGB § 138 Abs. 1 BbDie vom [X.] entwickelten Grundsätze zur Wirksamkeit rui-nöser Gesellschafterbürgschaften gelten in der Regel auch für Minderheits-gesellschafter der [X.], und zwar auch dann, wenn derBetroffene nicht mit der Geschäftsführung betraut ist. Nur bei unbedeuten-den [X.] kann nach dem [X.] § 138 Abs. 1 BGB eine andere rechtliche Beurteilung in Betracht kom-men.[X.], Urteil vom 10. Dezember 2002 - [X.] - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.]es hat auf die mündliche [X.] vom 10. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter[X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und dieRichterin [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil [X.] des [X.] vom18. Januar 2002 aufgehoben.Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der Einzel-richterin der 2. Zivilkammer des [X.] vom 3. April 2001 wird zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.Von Rechts [X.]:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. [X.] folgender Sachverhalt zugrunde:Die [X.] (nachfolgend: [X.]) nahm im [X.] bei der beklagten Bank einen Geschäftskredit auf. Zur Sicherung- 3 -ihrer Ansprüche übernahmen der Kläger und beide Mitgesellschafter eineHöchstbetragsbürgschaft über 350.000 [X.] und erhöhten die Haftungs-summe im [X.] auf 400.000 [X.]. Als die Kreditlinie nochmalserweitert wurde, schlossen die Beteiligten am 4. Mai 1995 einen [X.] bis zum Höchstbetrag von 469.000 [X.] Kläger hatte im November 1992 an der [X.], derenStammkapital 50.000 [X.] betrug, einen nominellen Geschäftsanteil von5.000 [X.] für 50.000 [X.] gekauft und war damals bei ihr als Kfz-Meisterbeschäftigt. Geschäftsführer war der Mehrheitsgesellschafter [X.] Außerder Gesellschaftsbeteiligung besitzt der Kläger gemeinsam mit seinerEhefrau ein Hausgrundstück.Der Kläger, der den [X.] vom 4. Mai 1995 wegenkrasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig erachtet und mit [X.] dessen Unwirksamkeit festgestellt haben will, hat u.a. vorgetra-gen: Das ihm und seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörende [X.] sei zum damaligen Zeitpunkt erheblich belastet und [X.] 390.000 [X.] wert gewesen. Mit dem von der [X.] bezogenenGehalt habe er keinen erheblichen Beitrag zur Erfüllung der [X.] leisten können. Zur Unterzeichnung der Bürgschaft sei [X.] den geschäftsführenden Mitgesellschafter [X.] gedrängt und durchverharmlosende Erklärungen veranlaßt worden.Das [X.] hat die Feststellungsklage des [X.] abgewie-sen, das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Re-vision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des [X.] -Entscheidungsgründe:Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abweisungder Klage.[X.] Berufungsgericht hat die Höchstbetragsbürgschaft des [X.] über 469.000 [X.] für sittenwidrig erachtet und zur Begründung imwesentlichen ausgeführt:Der [X.] vom 4. Mai 1995 überfordere den Klägerfinanziell in krasser Weise. Nach seinen Gehaltsbescheinigungen für dasJahr 1995 habe er bei der [X.] im Monat durchschnittlich3.483,60 [X.] netto verdient und infolgedessen die von den Darlehens-vertragsparteien festgelegte monatliche Zinslast von 3.419,79 [X.] nichtallein auf Dauer tragen können. Die ihm gehörende Haushälfte sei unterBerücksichtigung der nachgewiesenen dinglichen Belastungen nicht [X.], daß ein Verkaufserlös ihn dazu vermutlich in die Lage [X.].Außer der krassen finanziellen Überforderung lägen auch [X.] erschwerende und der Beklagten zurechenbare Umstände vor. [X.] Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß sie die Kreditlinie der[X.] ohne die [X.] aller Gesellschafter nicht er-- 5 -weitert hätte. Der Kläger habe daher keine andere Wahl gehabt, als ent-weder die Vertragsurkunde auf Drängen des geschäftsführenden [X.] zu unterzeichnen oder den Verlust seiner [X.] in Kauf zu nehmen. Diese Zwangslage habe die Beklagte [X.] ausgenutzt.Daß nach der Rechtsprechung des [X.]s ein [X.] regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Mithaftung allermaßgeblich beteiligten Gesellschafter habe, entlaste die Beklagte nicht.Der Kläger sei an der [X.] weder maßgeblich beteiligt noch für dieentstehenden Forderungen der Beklagten rechtlich und wirtschaftlichverantwortlich gewesen. Ein besonderes Interesse des [X.] am Fort-bestehen der Gesellschaft sei nicht festzustellen, zumal er keine Ge-winnausschüttung erhalten habe.[X.] Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im [X.] Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts verstößt der [X.] der Parteien vom 4. Mai 1995nicht gegen die guten Sitten.1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des[X.]. Zivilsenats und des [X.]. Zivilsenats des [X.]s hängt dieAnwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privatenSicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträgeregelmäßig entscheidend vom Grad des [X.] zwischen dem- 6 -Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des [X.] persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichte-ten ab ([X.]Z 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37,42; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - [X.] ZR 56/01, [X.], 223,224; vom 14. Mai 2002 - [X.] ZR 50/01, [X.], 1347, 1348, für [X.]Zvorgesehen; vom 14. Mai 2002 - [X.] ZR 81/01, [X.], 1350, 1351 undvom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 199/01, [X.], 1647, 1648 sowie [X.] ZR205/01, [X.], 1649, 1651).2. Diese Grundsätze gelten jedoch abgesehen davon, daß es hieran einem persönlichen Näheverhältnis des [X.] zu einem [X.] fehlt, grundsätzlich nicht für [X.] von GmbH-Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der [X.]) Nach der Rechtsprechung des vormals für das [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 137, 329, 336 ff.; [X.], Urteile vom11. Dezember 1997 - [X.], [X.], 235, 236, insoweit in[X.]Z 137, 292 ff. nicht abgedruckt, und vom 18. September 2001- [X.], [X.], 2156, 2157; [X.], Beschluß vom 28. [X.], [X.], 923; [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002- [X.], [X.], 2278 f.) und des erkennenden Senats ([X.] 15. Januar 2002 - [X.] ZR 98/01, [X.], 436; vom 28. Mai 2002- [X.] ZR 199/01, aaO S. 1648 und vom 17. September 2002 - [X.] ZR306/01, [X.]. S. 11 f.) hat - wie auch das Berufungsgericht nicht ver-kannt hat - ein Kreditinstitut, das einer GmbH oder [X.] ein Darlehen ge-währt, grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haf-tung ihrer Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der [X.] Gesellschaftskrediten Bürgschaften der Gesellschafter zu [X.] 7 -ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann die Bank im [X.] davon ausgehen, daß die Beteiligung an der [X.] finanziellen Interesse erfolgt und die Bürgschaft für den betref-fenden Gesellschafter kein unzumutbares Risiko darstellt.b) Zwar hat der [X.]. Zivilsenat des [X.]s in dem [X.] herangezogenen Urteil vom 18. September 2001([X.], aaO S. 2157; vgl. ferner Urteil vom 11. Dezember 1997- [X.], [X.]) seine Rechtsprechung ohne nähereBegründung auf "maßgeblich" beteiligte GmbH-Gesellschafter [X.], überdies ist an gleicher Stelle von für die Gesellschaftsschul-den "rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen" Personen die Rede.Dies ist aber nicht dahingehend zu verstehen, daß sich grundsätzlich [X.] bzw. Mehrheitsgesellschafter oder [X.] ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit weit übersteigende Be-triebsmittelkredite wirksam verbürgen könnten. Wie seinem Urteil vom16. Januar 1997 ([X.] ZR 250/97, [X.], 511, 513) zu entnehmen ist,ist dies auch bei einer Beteiligung in Höhe von 10% an der [X.] möglich, ohne daß der betroffene Gesellschafter [X.] für deren Kreditaufnahmeverhalten verantwortlich seinmuß. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat indem erst nach der angefochtenen Entscheidung veröffentlichten [X.] 15. Januar 2002 ([X.] ZR 98/01, aaO S. 436) die beklagte [X.], [X.] 25% der Geschäftsanteile der Hauptschuldnerin(GmbH) hielt, ohne zur Geschäftsführung befugt zu sein, als "maßgeb-lich" beteiligt [X.] 8 -c) Im vorliegenden Streitfall gilt nichts anderes. Mit dem Begriff der"maßgeblichen Beteiligung" des Bürgen an der [X.]bzw. [X.] oder ähnlichen Formulierungen sollen lediglich [X.] oder Splitterbeteiligungen ausgeschieden werden. Nur bei ih-nen kann es - namentlich bei ertragsschwachen und auch über kein [X.] fallendes Eigenkapital verfügenden Gesellschaften - aus-nahmsweise sachlich gerechtfertigt sein, den unter wirtschaftlichen [X.] nicht nennenswert an der Kreditnehmerin beteiligten fi-nanzschwachen Bürgen nach dem Schutzgedanken des § 138 Abs. 1BGB im Ergebnis wie einen bloßen [X.] ohne jedesEigeninteresse an der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung zu [X.] (zum [X.] vgl. Senatsurteile vom 15. [X.] - [X.] ZR 98/01, aaO S. 437; vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 199/01, aaOS. 1648 f. und vom 17. September 2002 - [X.] ZR 306/01, [X.]. S. 12 f.m.w.Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben.Eine Beteiligung in Höhe von 10% an einer werbenden GmbH, [X.] der Kläger bei Abgabe der [X.] an der [X.]hielt, stellt gewöhnlich einen erheblichen Vermögenswert dar. [X.] sie nach der allgemeinen Verkehrsanschauung einen nen-nenswerten Anteil am Gesellschaftskapital. Dies ist auch die [X.]. § 50 GmbHG läßt einen Anteil von 10% am [X.] der [X.] der bedeutsamen Minderheits-rechte genügen. Daß sich ein solcher Minderheitsgesellschafter - ähnlichwie ein Strohmann ohne jedes eigene wirtschaftliche Interesse - von denWünschen des ihm persönlich besonders nahe stehenden und die Ge-schäftspolitik bestimmenden Mehrheitsgesellschafters oder [X.] und weitgehend fremdbestimmte [X.] abgibt, ist- 9 -bei lebensnaher Betrachtung nicht zu erwarten. Die Beklagte durfte [X.] annehmen, dem Kläger sei es im Hinblick auf seine Beteiligung ander Hauptschuldnerin und nicht nur aus Sorge um seinen [X.] wichtig, daß diese ihren Geschäftsbetrieb weiter führenkonnte und nicht insolvent wurde. Es wäre daher verfehlt, wollte man [X.] vorwerfen, sich mit seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nichtbefaßt und von ihr die Kreditvergabe abhängig gemacht zu haben.Eine andere Betrachtungsweise läge im übrigen auch nicht im [X.] der Gesellschafter, die das Bürgenrisiko im Innenverhältnis ohneRücksicht auf die Größe des jeweiligen [X.]es verteilen wollen.Überdies kann nicht ausgeschlossen werden, daß der [X.] aufzahlreiche Gesellschafter gleichmäßig verteilt ist und es [X.] gibt. Daß auch Gesellschaften mit derartigen Beteiligungs-verhältnissen grundsätzlich in der Lage sein müssen, sich das zur Be-triebsführung notwendige Fremdkapital mit Hilfe von Bürgschaften ihrermehr oder weniger finanzkräftigen Gesellschafter zu verschaffen, liegtauf der [X.] Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Nich-tigkeitssanktion des § 138 Abs. 1 BGB auch nicht durch den Kläger [X.] belastende und der Beklagten zurechenbare Umstände oderVerhältnisse ausgelöst.Die Tatsache, daß ein Gesellschafter der Hauptschuldnerin vonder kreditgebenden Bank vor die Alternative gestellt wird, entweder eineihn wirtschaftlich ruinierende Bürgschaft zu übernehmen oder aber [X.] eines Geschäftskredits und die sich daraus ergebenden- 10 -rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile hinzunehmen, stellt für sichgenommen keine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfrei-heit dar (vgl. [X.]/Kirchhof BKR 2001, 5, 15). Daß der geschäftsfüh-rende Mehrheitsgesellschafter der [X.], der Zeuge [X.], die [X.] rechtlich Zulässigen überschritten und den Kläger zur Abgabe derstreitgegenständlichen Bürgschaftserklärung widerrechtlich genötigt hat,hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch dem [X.] [X.] nicht zu entnehmen. Sein weiterer Vorwurf, über die rechtli-che Bedeutung und Tragweite der streitgegenständlichen Bürgschaft ar-glistig getäuscht worden zu sein, ist vor dem Hintergrund der vorher [X.] der Gesellschaft abgegebenen [X.] sowie derals Gesellschafter und Kfz-Meister gewonnenen geschäftlichen Erfah-rungen ohne Substanz. Überdies ist nicht ersichtlich, daß [X.] als [X.] Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der Beklagten tätig geworden ist odersie sich sein Handeln aus anderen Gründen zurechnen lassen [X.] -II[X.] Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). [X.] Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sa-che selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die landgerichtliche Ent-scheidung wiederherstellen.[X.] [X.] Joeres Wassermann [X.]

Meta

XI ZR 82/02

10.12.2002

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2002, Az. XI ZR 82/02 (REWIS RS 2002, 285)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 285

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