Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2022, Az. B 1 KR 30/22 B

1. Senat | REWIS RS 2022, 7656

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Behandlung, obwohl ambulante Therapie ausreichend gewesen wäre - kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 16. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 936,87 [X.] festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 [X.] zur Versorgung zugelassenen Krankenhauses (im Folgenden: Krankenhaus). In diesem behandelte sie eine Versicherte der beklagten Krankenkasse (im Folgenden: [X.]) am 21.11.2014 stationär. Die Einweisung war durch die behandelnde onkologische Praxis zur Transfusion von dort nicht verfügbaren [X.] erfolgt. Das Krankenhaus stellte der [X.] für den Behandlungsfall 936,87 [X.] nach Maßgabe der [X.] in Rechnung. Die [X.] beglich den Rechnungsbetrag und leitete eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ein. Aufgrund des Ergebnisses dieser Überprüfung verrechnete sie den gesamten Rechnungsbetrag nachfolgend mit einer anderen unstreitigen Forderung des Krankenhauses. Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage des Krankenhauses hatte vor dem [X.] ([X.]). Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die stationäre Behandlung der Versicherten sei medizinisch nicht erforderlich gewesen. Dass ein Notfall vorgelegen habe, weil die Versicherte die Transfusion noch am selben Tag benötigt habe und diese nur in der Klinik der Klägerin habe stattfinden können, ändere nichts daran, dass die Behandlung ambulant habe erfolgen können und müssen. Auch bei einer Notfallbehandlung habe der behandelnde Krankenhausarzt zu prüfen, ob eine stationäre Behandlung erforderlich sei oder nicht. Eine ambulante Versorgung der Klägerin, die über die [X.] abzurechnen sei, sei vorliegend ausreichend gewesen (Urteil vom 16.2.2022).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.] vom 17.4.2012 - [X.]3 R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.] vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

5

a) [X.] bleiben kann, ob die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung des [X.] auf die vorliegende Fallgestaltung die Anforderungen an eine klar formulierte abstrakte Rechtsfrage erfüllen. Denn selbst wenn dem Vorbringen des Krankenhauses sinngemäß die Rechtsfrage zu entnehmen sein sollte,

        

ob ein Krankenhaus Vergütung für eine stationär durchgeführte Notfallbehandlung beanspruchen kann, wenn eine ambulante Behandlung zwar ausgereicht hätte, jedoch nicht zur Verfügung stand,

fehlt es jedenfalls an ausreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit (dazu b) und Klärungsfähigkeit (dazu c) dieser Rechtsfrage.

6

b) Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl [X.] vom [X.] KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs [X.] vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

7

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] entsteht die Zahlungsverpflichtung der [X.] für eine stationäre Krankenhausbehandlung unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 [X.] erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl zB [X.] vom 19.3.2020 - [X.] KR 20/19 R - [X.]E 130, 73 = [X.] 4-2500 § 12 [X.], RdNr 11 mwN). Jede Aufnahme eines Versicherten muss nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl [X.] vom 19.4.2016 - [X.] KR 21/15 R - [X.]E 121, 87 = [X.] 4-2500 § 109 [X.]4, RdNr 19 ff mwN). Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl [X.] vom [X.] - [X.]E 99, 111 = [X.] 4-2500 § 39 [X.], RdNr 15; [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - [X.]E 122, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.]9; [X.] vom [X.] - [X.] KR 5/21 R - juris RdNr 13). [X.] nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die [X.] die Kosten einer dennoch durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist (vgl [X.] vom [X.], aaO, RdNr 19).

8

bb) Vom [X.] entschieden ist ferner, dass § 76 Abs 1 Satz 2 [X.] einen allgemeinen Rechtsgedanken für die Sicherstellung notwendiger ärztlicher Versorgung enthält, wonach die Beschränkung auf zugelassene Leistungserbringer (vgl ua § 76 Abs 1 Satz 1, § 39 Abs 1 Satz 2 iVm § 108 [X.]) in Notfällen nicht eingreift. Denn die Versorgung der Versicherten soll im medizinischen Notfall zusätzlich auch durch nicht zugelassene, aber akut behandlungsbereite ärztliche Leistungserbringer abgesichert werden. Dies gilt nicht nur für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung, sondern auch für den stationären Versorgungsbereich. Wird ein Versicherter als stationärer Notfall in ein nicht zugelassenes Krankenhaus aufgenommen, so wird dieses für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtliche Naturalleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und erbringt seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für zugelassene Krankenhäuser gelten (vgl zum Vorstehenden insgesamt [X.] vom 19.11.2019 - [X.] KR 13/19 R - [X.]E 129, 232 = [X.] 4-2500 § 76 [X.], RdNr 11 f mwN). Erbringt das Krankenhaus eine ambulante Notfallbehandlung, kann es hierfür von der zuständigen [X.] eine Vergütung nach den Grundsätzen beanspruchen, die für an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer gelten (vgl zB [X.] vom [X.] [X.]/02 R - [X.] 4-2500 § 75 [X.] RdNr 14; [X.] vom [X.] - B 6 [X.]/18 R - [X.] 4-2500 § 76 [X.] RdNr 15; jeweils mwN).

9

cc) Das Krankenhaus setzt sich mit dieser Rechtsprechung des [X.] nicht auseinander und legt nicht dar, inwiefern vor diesem Hintergrund die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig sein sollte.

c) Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das [X.] im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl [X.] vom 13.1.2017 - [X.]2 R 23/16 B - juris Rd[X.]0; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.] vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur [X.] müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das [X.] im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das [X.] (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl [X.] vom 12.8.2020 - [X.] KR 46/19 B - juris Rd[X.] mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Das Krankenhaus legt nicht dar, dass nach den Feststellungen des [X.] im Fall der Versicherten eine ambulante Behandlung tatsächlich nicht zur Verfügung stand. Es führt sogar selbst aus, dass nach der Entscheidung des [X.] die Behandlung ambulant hätte erfolgen können (und müssen). Sofern es in der Beschwerdebegründung heißt, in dem Krankenhaus "wurden (und müssen auch nicht) keine Strukturen vorgehalten, die eine solche Behandlung außerhalb von stationären Strukturen verantwortbar möglich machen", stützt sich dieses Vorbringen nicht auf Feststellungen des [X.], und es begründet auch nicht nachvollziehbar, warum die Transfusion im Krankenhaus der Klägerin nicht ambulant hätte durchgeführt werden können.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Dr. [X.] ist wegen Krankheit an der Signatur gehindert
gez. Scholz

Scholz

Bockholdt

Meta

B 1 KR 30/22 B

28.09.2022

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Braunschweig, 8. März 2019, Az: S 54 KR 17/16 KH, Urteil

§ 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 76 Abs 1 S 2 SGB 5, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2022, Az. B 1 KR 30/22 B (REWIS RS 2022, 7656)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7656

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2856/07

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