Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2023, Az. B 1 KR 15/22 R

1. Senat | REWIS RS 2023, 9751

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 24. März 2021 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2018 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 972,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2015 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1086,89 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer [X.]rankenhausbehandlung.

2

Der bei der beklagten [X.]rankenkasse (im Folgenden: [X.]) versicherte [X.] wurde am [X.] um 16:44 Uhr notfallmäßig durch den Rettungsdienst mit Verdacht auf Schlaganfall in das nach § 108 [X.] zugelassene [X.]rankenhaus eingeliefert, dessen Rechtsträgerin die [X.]lägerin ist (im Folgenden: [X.]rankenhaus). Das [X.]rankenhaus verfügt über eine neurologische Aufnahmestation mit einer zertifizierten Schlaganfallstation ([X.]). [X.] wurde dort ab 16:45 Uhr behandelt, indem schlaganfallspezifische diagnostische Maßnahmen eingeleitet wurden. Das [X.]rankenhaus erkannte dadurch bei [X.] ua einen akuten Hirninfarkt. Es leitete um 17:07 Uhr die Lysetherapie ein. [X.] wurde um 17:45 Uhr zur kathetergestützten Entfernung des Blutgerinnsels (Thrombektomie) unter Fortsetzung der Lysetherapie in das [X.]reiskrankenhaus S verbracht. Das [X.]rankenhaus stellte der [X.] die Fallpauschale [X.] (Apoplexie, ein Belegungstag) in Rechnung (1086,89 [X.]). Die [X.] beglich zunächst die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der [X.]rankenversicherung (MD[X.]), ein Prüfverfahren wegen primärer Fehlbelegung durchzuführen. Der MD[X.] kam zu dem Ergebnis, dass kein Behandlungsplan über einen Zeitraum von einem Tag und einer Nacht im [X.]rankenhaus bestanden habe. [X.] sei prästationär behandelt worden. Die [X.] rechnete die gesamte geleistete Vergütung gegenüber der unstreitig entstandenen Forderung aufgrund stationärer Behandlung ihres Versicherten E auf.

3

Das [X.]rankenhaus hat mit seiner [X.]lage die Zahlung der Vergütung für den Behandlungsfall E in Höhe von 1086,89 [X.] begehrt. Das [X.] hat unter Abweisung der [X.]lage im Übrigen die [X.] im Behandlungsfall E zur Zahlung von 114,02 [X.] verurteilt. Die durchgeführten Maßnahmen im Behandlungsfall [X.] seien als prä- oder vorstationäre Maßnahmen (§ 115a [X.]) abzurechnen gewesen. Nur insoweit habe kein Erstattungsanspruch bestanden und die [X.] nicht wirksam aufgerechnet. Das [X.]rankenhaus hat dagegen Berufung und die [X.] Anschlussberufung eingelegt. Die [X.] hat die Anschlussberufung später zurückgenommen. Außerdem hat die [X.] die im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene Widerklage im weiteren Verlauf als "nicht mehr beachtenswert" bezeichnet (Schriftsatz vom 24.6.2020). Das L[X.] hat die auf Zahlung weiterer 972,87 [X.] nebst Zinsen gerichtete Berufung des [X.]rankenhauses zurückgewiesen: Die Aufrechnung sei in Höhe von 972,87 [X.] wirksam erfolgt. Das [X.]rankenhaus habe keinen Anspruch auf die abgerechnete Fallpauschale. Ein dafür erforderlicher Behandlungsplan, [X.] für die Dauer von mindestens einem Tag und einer Nacht vollstationär zu behandeln, habe nicht vorgelegen. Aus den im [X.]rankenhaus maßgeblichen Vorgaben - dem "Pflegemanual [X.]", dem Formblatt "Aufnahmekriterien [X.]" und der Verfahrensanweisung "Verlegung zur Neurovaskulären Intervention" - folge der hier auch beachtete übliche Algorithmus der Untersuchungs- und Behandlungsplanung. Danach sei noch während der Abklärungsuntersuchung iS des § 2 Abs 4 des [X.] Landesvertrags über die allgemeinen Bedingungen der [X.]rankenhausbehandlung ([X.]) die Entscheidung zur Weiterbehandlung im [X.]reiskrankenhaus S aufgrund der Computertomographie-Angiographie ([X.]) getroffen worden. Vor diesem Hintergrund spreche weder die Behandlung auf der Schlaganfallstation noch die Einleitung der Lyse vor der Verlegung für den Beginn der vollstationären Behandlung. Im Übrigen habe die [X.] die hilfsweise erhobene Widerklage zurückgenommen (Urteil vom 24.3.2021).

4

Das [X.]rankenhaus rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 39 und des § 109 Abs 4 Satz 3 [X.] iVm § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 Satz 1 [X.]HEntgG, § 17b [X.]HG sowie des § 141 Abs 1 [X.] [X.]G. Es habe nicht nur eine Aufnahmeuntersuchung durchgeführt, sondern gemessen an der Intensität der therapeutischen Maßnahmen [X.] auch vollstationär behandelt.

5

Die [X.]lägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 24. März 2021 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts [X.]öln vom 13. Juli 2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 972,87 [X.] nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2015 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des klagenden [X.]rankenhauses ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G).

9

Im Revisionsverfahren ist noch ein Restanspruch von 972,87 [X.]uro im Behandlungsfall [X.] rechtshängig, nachdem das [X.] die [X.] zur Zahlung von 114,02 [X.]uro verurteilt, die [X.] ihre Anschlussberufung in der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] am 8.7.2020 zurückgenommen und das [X.]rankenhaus in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] den zunächst aufrechterhaltenen [X.]laganspruch von 1086,89 [X.]uro um 114,02 [X.]uro reduziert hat. [X.]benfalls nicht mehr rechtshängig ist die von der [X.] hilfsweise erhobene Widerklage. Zu Recht ist das L[X.] auch davon ausgegangen, dass die [X.] im Schriftsatz vom 24.6.2020 die Rücknahme der Widerklage erklärte. Im Übrigen hat die [X.] hiergegen nicht hilfsweise eine Anschlussrevision innerhalb der Frist des § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 554 Abs 2 Satz 2 ZPO eingelegt.

Zu Unrecht hat das L[X.] dagegen die Berufung des [X.]rankenhauses gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen, das die [X.]lage in Höhe von 972,87 [X.]uro abgewiesen hatte. Die [X.]lage ist begründet (zur Zulässigkeit der echten Leistungsklage im hier bestehenden [X.] vgl zB B[X.] vom 16.12.2008 - [X.] [X.]N 1/07 [X.]R R - B[X.][X.] 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 9 mwN; stRspr). Dem [X.]rankenhaus steht der Restvergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten [X.] zu (dazu 1.). Die Aufrechnungserklärung der [X.] mit einer vermeintlichen Gegenforderung aus dem Behandlungsfall [X.] ist ins Leere gegangen. Das [X.]rankenhaus hat Anspruch auf die in Höhe von 1086,89 [X.]uro berechnete und von der [X.] gezahlte Fallpauschale nach [X.] (Apoplexie, ein Belegungstag) für die vollstationäre Behandlung des [X.] (dazu 2.). Dem [X.]rankenhaus steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch zu (dazu 3.).

1. [X.]s ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass das [X.]rankenhaus aufgrund stationärer Behandlung des [X.] gegen die [X.] einen fälligen und erfüllbaren Anspruch auf die Restvergütung in Höhe von 1086,89 [X.]uro aus einem Anspruch von 2327,33 [X.]uro hatte. [X.]ine nähere Prüfung zur Höhe dieser Beträge erübrigt sich (vgl zur Zugrundelegung bei unstrittiger Berechnungsweise B[X.] vom 26.5.2020 - [X.] [X.]R 26/18 R - juris RdNr 11 mwN). Der verbliebene Restanspruch ist aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung der [X.] zur Zahlung weiterer 114,02 [X.]uro auf 972,87 [X.]uro begrenzt.

2. Das erstangegangene [X.]rankenhaus hatte auch in Höhe der verbliebenen 972,87 [X.]uro einen Zahlungsanspruch auf die hier letztlich streitige, von der [X.] gezahlte Vergütung (Fallpauschalenvergütung nach § 109 Abs 4 Satz 3 [X.]B V iVm § 17b [X.]HG, § 7 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und § 9 Abs 1 Satz 1 [X.]H[X.]ntgG und der [X.]; Fallpauschale [X.], Apoplexie, ein Belegungstag) für die im Behandlungsfall [X.] am 5.7.2015 erbrachten vollstationären Leistungen. Diesen Anspruch erfüllte die [X.] mit ihrer Zahlung. Die auf einen [X.]rstattungsanspruch gestützte Aufrechnung geht damit mangels Gegenforderung ins Leere.

Nach § 109 Abs 4 Satz 3 [X.]B V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer [X.] bei einer vollstationären [X.]rankenhausbehandlung unabhängig von einer [X.]ostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch Versicherte, wenn die Versorgung in einem zugelassenen [X.]rankenhaus (§ 108 [X.]B V) erfolgt, also abgesehen von Notfällen von dessen Versorgungsauftrag umfasst wird, und im [X.]inzelfall iS von § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr; vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]R 2/18 R - juris RdNr 9 mwN). Die zwischen den Beteiligten allein strittige Anspruchsvoraussetzung der erforderlichen Aufnahme in das [X.]rankenhaus liegt vor. Das [X.]rankenhaus führte hier nicht bloß eine Aufnahmeuntersuchung durch. [X.]s behandelte [X.] - wie abgerechnet - vollstationär. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen sind nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des L[X.] erfüllt. Hinsichtlich der Höhe des Vergütungsanspruchs gelten die Ausführungen unter 1. hier entsprechend.

a) Der Beginn der vollstationären Behandlung Versicherter setzt deren vorherige Aufnahme in das [X.]rankenhaus voraus. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V sowie den Gesetzesmaterialien zu § 39 [X.]B V (vgl BT-Drucks 12/3608 [X.]) und entspricht der ständigen Rechtsprechung des B[X.]. Als Aufnahme wird die organisatorische [X.]ingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des [X.]rankenhauses verstanden. Von einer vollstationären [X.]rankenhausbehandlung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Patient nach der [X.]ntscheidung des [X.]rankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im [X.]rankenhaus versorgt werden soll. Maßgeblich ist hierbei nicht die tatsächliche Behandlungsdauer im [X.]rankenhaus, sondern die zur [X.] auf Grundlage des hierbei getroffenen Behandlungsplans prognostizierte. [X.]ine einmal auf Grundlage der [X.] des [X.]rankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische [X.]ingliederung des Patienten in das spezifische [X.]rankenhausversorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen (vgl zum Ganzen B[X.] vom 18.5.2021 - [X.] [X.]R 11/20 R - B[X.][X.] 132, 137 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 11 mwN).

Die [X.] des [X.]rankenhausarztes auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig durch die [X.]inweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das [X.]rstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (vgl B[X.] vom 18.5.2021 - [X.] [X.]R 11/20 R - B[X.][X.] 132, 137 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 12 mwN).

b) Die [X.] muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich festgehalten werden. Dies gilt insbesondere bei Notfallbehandlungen. Insoweit hat der [X.] bereits in seinem [X.] vom 18.5.2021 entschieden (vgl B[X.] vom 18.5.2021 - [X.] [X.]R 11/20 R - B[X.][X.] 132, 137 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 14), dass ein [X.]rankenhaus nicht bereits deshalb zwingend stationär behandelt, weil es den Patienten parallel zur Aufnahmeuntersuchung notfallmäßig mitbehandeln muss. Dies gilt auch dann, wenn von Beginn an kein ernsthafter Zweifel daran bestehen kann, dass der [X.] überhaupt einer stationären Behandlung bedarf. Die einer Aufnahme in die stationäre Behandlung vorausgehende Aufnahmeuntersuchung dient der [X.]lärung, ob eine Aufnahme des Versicherten gerade in dieses [X.]rankenhaus erforderlich ist. Die hierzu vorgenommenen Untersuchungen begründen nicht zwingend bereits selbst die Aufnahme in das [X.]rankenhaus. Dies folgt aus § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V, der anordnet, dass der Versicherte "nach Prüfung durch das [X.]rankenhaus" aufzunehmen ist. Die Diagnostik ist nach § 39 Abs 1 Satz 2 [X.]B V im Regelfall zunächst nur Teil der Prüfung der Aufnahme. [X.]rgibt sich nach der Aufnahmeuntersuchung, dass eine Verweisung des Versicherten an ein anderes [X.]rankenhaus oder die ambulante Weiterbehandlung medizinisch erforderlich und ausreichend ist, liegt keine stationäre Behandlung vor. Das [X.]rankenhaus muss den Versicherten vielmehr umgehend einem anderen geeigneten [X.]rankenhaus zur stationären Behandlung zuweisen, wenn sein eigener Versorgungsauftrag die erforderliche Behandlung des Versicherten nicht umfasst, oder es trotz [X.] tatsächlich nicht dazu in der Lage ist und ein geeignetes [X.]rankenhaus in zumutbarer Zeit erreichbar ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Versicherter als Notfall mit einem Rettungswagen durch einen Notarzt in ein [X.]rankenhaus eingeliefert wird. Hieran hält der [X.] fest.

c) Der [X.] hat im [X.] vom 18.5.2021 eine stationäre Aufnahme aber selbst dann verneint und grundsätzlich eine ambulante Notfallbehandlung angenommen, wenn die parallel zur Aufnahmediagnostik stattfindende Notfallbehandlung die personellen und sächlichen Ressourcen des [X.]rankenhauses in hohem Maße beansprucht. Stationäre Behandlung hat der [X.] nur ausnahmsweise angenommen, wenn zum Beispiel zur Herstellung der Transportfähigkeit eine Notoperation erforderlich ist, eine mehrstündige intensivmedizinische Behandlung stattfindet oder nicht einmal im [X.] im [X.]inheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ([X.]BM-Ä) abrechenbare Leistungen erbracht werden (vgl B[X.] vom 18.5.2021 - [X.] [X.]R 11/20 R - B[X.][X.] 132, 137 = [X.]-2500 § 109 [X.], RdNr 17).

Der [X.] gibt diese enge Auslegung des § 39 [X.]B V auf und lässt nunmehr für eine konkludente stationäre Aufnahme auch eine kurzzeitige Notfallbehandlung im [X.] [X.]rankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes [X.]rankenhaus ausreichen. Die konkludente stationäre Aufnahme eines Versicherten liegt bei seiner kurzzeitigen Notfallbehandlung im [X.] [X.]rankenhaus und nachfolgender zeitnaher Verlegung in ein anderes [X.]rankenhaus dann vor, wenn der [X.]insatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im [X.] [X.]rankenhaus eine hohe Intensität aufweist. Für die rechtliche Qualifizierung eines kurzzeitigen, aber intensiven [X.] als vollstationäre Behandlung ist es deshalb unerheblich, dass die Diagnostik auch der Feststellung dient, ob das [X.]rankenhaus in der Lage ist, selbst die kurative Behandlung einzuleiten oder fortzusetzen. Unerheblich ist auch, ob einzelne Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen im [X.]BM-Ä abbildbar sind.

Die Unterscheidung von ambulanter und kurzzeitiger stationärer Notfallbehandlung folgt aus Regelungssystematik und -zweck des § 39 Abs 1 iVm § 107 Abs 1 [X.] und 3 [X.]B V. [X.]in Versicherter hat immer schon dann Anspruch auf eine stationäre Behandlung durch das ihn zuerst aufnehmende [X.]rankenhaus (und dieses dann auch einen entsprechenden Vergütungsanspruch), wenn sein gesundheitlicher Zustand die sofortige [X.]rbringung stationärer Leistungen gebietet. Dieser Anspruch hängt nicht von der ernsthaften Möglichkeit ab, dass das [X.]rankenhaus die begonnene stationäre Behandlung alsbald abbrechen und den Versicherten verlegen muss.

Die [X.]rankenhausbehandlung als ressourcenintensivste Form der [X.]rankenbehandlung setzt einerseits das Vorhalten dieser Ressourcen voraus, wie § 107 Abs 1 [X.] und 3 [X.]B V belegt. Andererseits müssen diese Ressourcen auch zum [X.]insatz gelangen oder ihr [X.]insatz sich zumindest aus einem Behandlungsplan ergeben, damit eine [X.]rankenhausbehandlung vorliegt. Dies ist bei generalisierender Betrachtung dann der Fall, wenn der Versicherte mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im [X.]rankenhaus versorgt werden soll. Ist die im Rahmen der Aufnahme zu erwartende Verweildauer deutlich kürzer, muss sich der in dieser kurzen Zeit tatsächlich durchgeführte oder zumindest geplante Mitteleinsatz entsprechend verdichten.

[X.]ine stationäre Notfallbehandlung im [X.] [X.]rankenhaus liegt schon dann vor, wenn die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen den intensiven [X.]insatz von sächlichen und personellen Ressourcen erfordern. Die hohe Intensität kann sich auch aus dem [X.]insatz verschiedener und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbarer diagnostischer Maßnahmen ergeben. Dies setzt personelle und sächliche Ressourcen voraus, die ambulant nicht in gleicher Weise regelhaft verfügbar sind, wie sie insbesondere bei der Behandlung in einem Schockraum zum [X.]insatz kommen können. Dies setzt aber voraus, dass ein multidisziplinäres Team tatsächlich zusammenkommt und die dort vorhandenen besonderen apparativen Mittel auch in erheblichem Umfang einsetzt.

d) Auch im Fall einer zertifizierten Schlaganfallstation führt die dort durchgeführte Diagnostik und Behandlung und der kurzzeitige Verbleib auf der Station nicht in jedem Fall zur Annahme einer konkludenten stationären Aufnahme. Der Ort der Hand in Hand mit der Diagnostik durchgeführten Behandlung (zB Schockraum, sonstiger Behandlungsraum, Stationszimmer, Decision Unit) allein beinhaltet noch nicht zwingend eine konkludente [X.] des [X.]rankenhauses. [X.]r kann aber ein Indiz dafür sein. [X.]ntscheidendes [X.]riterium für eine konkludente stationäre Aufnahme bleibt die Intensität des [X.]insatzes der spezifischen Mittel des [X.]rankenhauses.

Die Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation dürfte danach im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründen. Dies folgt aus der Struktur und Aufgabenstellung der Schlaganfallstation. Die Schlaganfallstation ist - jedenfalls wenn sie zertifiziert ist - durch ihre Möglichkeiten einer umfangreichen Diagnostik und mit daraus abzuleitenden Handlungsentscheidungen auf der Grundlage von hohem Fachwissen und [X.]rfahrung geprägt (24 Stunden/7 Tage Untersuchungen mittels Computertomographie/ [X.] oder Magnetresonanztomographie/Magnetresonanzangiographie, Ultraschall-Untersuchung und Labor). Spezialisierte Diagnostik und Handlungsentscheidungen müssen sehr schnell erfolgen. Dies bedarf eines jederzeit verfügbaren Behandlungsteams aus erfahrenen Fachärzten und gut ausgebildeten Fachkräften. [X.]ine zertifizierte Schlaganfallstation ist mit einer sonstigen Intensivstation vergleichbar. Dieser Verbund an sächlichem und personellem Mitteleinsatz ist unter Berücksichtigung des Zeitmoments nur in einer spezialisierten [X.]inrichtung der stationären Versorgung zu gewährleisten. Werden diese Mittel in erheblichem Umfang tatsächlich benötigt und auch genutzt, liegt jedenfalls eine konkludente stationäre Aufnahme vor.

Der [X.] weicht damit nicht von der Rechtsprechung des 6. [X.]s ab (B[X.] vom [X.] - B 6 [X.]A 6/18 R - [X.]-2500 § 76 [X.]). Diese hat die Vergütung der Leistungen der Notfallambulanz aus der vertragsärztlichen Versorgung zum Gegenstand. Zwar stellt das Urteil auf die äußeren Merkmale einer [X.] auf der Basis eines Behandlungsplans ab ([X.]inweisung auf eine bestimmte Station, Zuweisung eines Bettes oder das [X.]rstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen). Das Urteil verhält sich jedoch nicht zur konkludenten [X.] aufgrund eines intensiven [X.]insatzes der Mittel des [X.]rankenhauses. Das Urteil ist vielmehr von einer eindeutig ambulanten Behandlung in der Notfallambulanz ausgegangen. [X.]s weist insbesondere darauf hin, dass das dortige erstangegangene "[X.]rankenhaus die für die stationäre Behandlung erforderlichen Fachdisziplinen - wie zB Neurologie bei Verdacht auf Schlaganfall - nicht vorhielt, sodass nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass das notwendige Fachwissen vorhanden war, um abschließend feststellen zu können, ob die Versicherten stationär zu behandeln waren".

e) Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze wurde [X.] im klägerischen [X.]rankenhaus nach den Feststellungen des L[X.] stationär behandelt. Mit seiner sofortigen Verbringung auf die zertifizierte Schlaganfallstation ([X.]) des [X.]rankenhauses und der [X.]inleitung einer schnell aufeinander folgenden umfangreichen Untersuchung erfolgte eine konkludente Aufnahme in die stationäre Behandlung. Diese wurde durch die Überbrückungs-Lyse ([X.]) noch im erstaufnehmenden [X.]rankenhaus fortgesetzt. [X.] wurde dort eine Minute nach seiner [X.]inlieferung ab 16:45 Uhr auf der Schlaganfallstation behandelt, indem zunächst diagnostische Maßnahmen eingeleitet wurden (Blutuntersuchung, Ruhe-[X.][X.]G, [X.]rstellung von Schnittbildern des [X.]opfes mittels CT, Darstellung seiner Blutgefäße mittels [X.], um einen Gefäßverschluss zu dokumentieren). Das [X.]rankenhaus erkannte dadurch bei [X.] ua einen akuten Hirninfarkt links im Bereich des [X.] (Versorgungsgebiet der mittleren Hirnschlagader, Arteria cerebri media). [X.]s leitete um 17:07 Uhr die Lysetherapie ein. Diese Maßnahmen waren nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des L[X.] auch erforderlich und vom Versorgungsauftrag des [X.]rankenhauses gedeckt. [X.]twas anderes hat auch die [X.] nicht vorgetragen.

f) Für zukünftige Abrechnungen von kurzzeitigen (voll)stationären Notfallbehandlungen mit Verlegung des Patienten in ein anderes [X.]rankenhaus binnen weniger Stunden weist der [X.] darauf hin, dass die Vergütung unter Berücksichtigung der Änderung seiner Rechtsprechung erst dann fällig wird, wenn aus den mit der Abrechnung mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich wird. Dies erfordert nach § 301 Abs 1 [X.]B V grundsätzlich mehr als die bloße [X.]odierung von Nummern des [X.] ([X.]) und Diagnosen des [X.] (vgl allgemein zur Ausgleichung des [X.] bei atypischen Lagen B[X.] vom 14.10.2014 - [X.] [X.]R 27/13 R - B[X.][X.] 117, 82 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]1). Der für eine konkludente Aufnahme in das [X.]rankenhaus erforderliche intensive Mitteleinsatz ist daraus nicht ohne Weiteres ablesbar. Anders verhält es sich nur dann, wenn die kodierten [X.]-[X.]odes untrennbar mit einem solchen intensiven Mitteleinsatz zumindest regelhaft verbunden sind. Ist es zu keinem intensiven Mitteleinsatz gekommen, muss der Behandlungsplan dargestellt und erläutert werden, dass er im Zeitpunkt des [X.] noch [X.] hatte und warum es nicht zu seiner Durchführung kam.

3. Das [X.]rankenhaus hat auch Anspruch auf Verzugszinsen nach Maßgabe des § 15 Abs 1 Satz 1 und 4 LV-NRW. Unter Berücksichtigung des übereinstimmenden Beteiligtenvorbringens in der mündlichen Verhandlung ist danach der 3.12.2015 der erste Tag des Zinsanspruchs.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 G[X.]G.

        

Schlegel

Geiger

[X.]stelmann

Meta

B 1 KR 15/22 R

29.08.2023

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 13. Juli 2018, Az: S 23 KR 1044/17, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.08.2023, Az. B 1 KR 15/22 R (REWIS RS 2023, 9751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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