Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2011, Az. AnwZ (Brfg) 4/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 8313

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[X.] [X.] ([X.]) 4/11vom 24. März 2011 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur [X.]echtsanwaltschaft - 2 - Der [X.], [X.], hat durch die Vorsitzende [X.]ichterin am [X.] [X.], die [X.]ichterin [X.], [X.] sowie die [X.]echtsanwältin [X.] und den [X.]echtsanwalt Prof. Dr. Stüer am 24. März 2011 beschlossen: Der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung gegen das ihm an [X.] Statt am 8. November 2010 zugestellte Urteil des [X.] Senats des [X.]s in der [X.] und Hanse-stadt [X.] wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 • fest-gesetzt. Gründe: Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner [X.]echtsanwaltszulas-sung wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Der [X.] hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulas-sung der [X.]erufung hat keinen Erfolg. 1 - 3 - [X.] Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. 2 1. Ernstliche Zweifel an der [X.]ichtigkeit des Urteils (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. 3 a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] ist die Zulassung zur [X.]echtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der [X.]echtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der [X.]echtsuchenden nicht gefährdet sind. Auch wenn diese gesetzliche [X.]egelung, nach der der Vermögensverfall eine Gefährdung der [X.]echtsuchenden indiziert, nicht im Sinne eines Automa-tismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und aus-nahmslos schon aus dem Vermögensverfall folgt, wird sie im nach der gesetzli-chen Wertung vorrangigen Interesse des [X.]echtsuchenden nur in seltenen [X.] verneint werden können (vgl. nur Senat, [X.]eschlüsse vom 18. Ok-tober 2004 - [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511 und [X.] ([X.]) 70/03, [X.][X.]AK-Mitt. 2005, 27; vom 5. Dezember 2005 - [X.] ([X.]) 13/05, Anw[X.]l. 2006, 280; vom 25. Juni 2007 - [X.] ([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 [X.]n. 8; und vom 8. Februar 2010 - [X.] ([X.]) 67/08, [X.][X.]AK-Mitt. 2010, 129 [X.]n. 11). Denn ein [X.]echtsanwalt, dessen Vermögensverhältnisse nicht geordnet sind, ist nicht selten in beson-ders starker Versuchung, Gelder seiner Mandanten zweckwidrig zu verwenden, oder außer Stande, erhaltene Vorschüsse zurückzuzahlen. Jedenfalls aber [X.] die Gefahr, dass seine Gläubiger im Wege der Pfändung auf Gelder zugreifen, die für seine Mandanten bestimmt sind (siehe auch [X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, § 14 [X.], [X.]n. 39 m.w.N.). 4 - 4 - b) Der Kläger nimmt nicht in Abrede, sich in [X.]. Die dadurch indizierte Gefährdung von Mandanteninteressen ist nicht wi-derlegt. Insoweit hat der [X.] zutreffend das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands verneint. 5 Der Kläger verweist demgegenüber darauf, dass er keine Anderkonten mehr unterhalte und zukünftig auch kein Fremdgeld mehr annehmen werde. Im Verfahren vor der [X.]echtsanwaltskammer und dem [X.] hat er hierzu bereits ausgeführt, dass er im Falle der Notwendigkeit, fremde Gelder zu verwahren, kein eigenes Anderkonto neu einrichten, sondern das Konto seines mit ihm in [X.]ürogemeinschaft verbundenen Verfahrensbevollmächtigen angeben werde. Honorare lasse er sich in bar gegen Quittung aushändigen oder eben-falls auf das Konto seines Kollegen überweisen, der ihm das Geld dann [X.]. 6 Dies genügt allerdings nicht, um eine Gefährdung auszuschließen. Die Erklärung, keine Fremdgelder entgegenzunehmen, stellt eine dem [X.]erufsbild des [X.]echtsanwalts fremde "Selbstbeschränkung" dar, die nach außen nicht er-kennbar und deren Einhaltung nicht kontrollierbar sowie jederzeit aufgebbar ist (Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Februar 2001 - [X.] ([X.]) 7/00, juris [X.]n. 8; vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 70/03, aaO; vom 17. Oktober 2005 - [X.] ([X.]) 73/04, NJW-[X.][X.] 2006, 859; vom 3. Juli 2006 - [X.] ([X.]) 63/05, juris [X.]n. 4; und vom 17. September 2007 - [X.] ([X.]) 75/06, Anw[X.]l. 2008, 66, 67). Im Übrigen hat jeder [X.]echtsanwalt zur Verwaltung von Fremdgeldern in Erfüllung seiner [X.] aus § 43a Abs. 5 [X.] Anderkonten zu führen (§ 4 Abs. 1 [X.]). Die [X.] Absicht, insoweit das Konto des Verfahrensbevollmächtigten an-zugeben, schützt die Mandanten nicht in ausreichender Weise. Abgesehen da-von, dass die Einhaltung einer solchen Vorgehensweise ebenfalls nicht kontrol-7 - 5 - lierbar sowie jederzeit aufgebbar ist, bestimmt im Weiteren - worauf bereits der [X.] zutreffend hingewiesen hat - allein der Kläger, wie mit den auf ein solches Konto überwiesenen [X.]eträgen verfahren wird. Im Übrigen [X.] selbst der Abschluss eines - vom Kläger nicht vorgetragenen - [X.] mit seinem Verfahrensbevollmächtigten regelmäßig keinen ausreichenden Schutz bieten (Senat, [X.]eschluss vom 17. Oktober 2005, aaO). Auch lässt sich nie sicher ausschließen, dass Zahlungen nicht doch in bar oder per Scheck er-folgen. In diesen Fällen hängt es ebenfalls allein vom Willen des [X.] ab, ob die erhaltenen [X.]eträge bestimmungsgemäß verwendet werden oder nicht. Mangels objektivierbarer Sicherungsmaßnahmen ist die Gefährdung der [X.] dann nicht beseitigt (Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Februar 2001, aaO [X.]n. 9; vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 70/03, aaO; vom 17. Oktober 2005, aaO S. 860; und vom 17. September 2007, aaO; siehe auch bereits [X.]eschlüsse vom 21. September 1987 - [X.] ([X.]) 20/87, [X.][X.]AK-Mitt. 1988, 50, 51; und vom 25. März 1991 - [X.] ([X.]) 73/90, [X.][X.]AK-Mitt. 1991, 102). Ferner hängt es vom Zufall ab, ob Gläubiger - z.[X.]. im Wege einer Taschen-pfändung - auf diese [X.]eträge zugreifen (Senat, [X.]eschluss vom 12. Februar 2001, aaO). Zudem verbleibt bei den Mandanten das [X.]isiko, dass an den Klä-ger gezahlte, aber [X.] nicht verbrauchte Vorschüsse nicht [X.] werden können. Letztlich geht auch der Hinweis des [X.], bei allen [X.]echtsanwälten, die ein Anderkonto unterhielten, bestehe eine abstrakte Gefährdungslage, weil Anderkonten pfändbar seien, fehl, denn die Gefahr des Zugriffs von Gläubigern besteht nicht generell, sondern nur im Falle von [X.] des [X.]echtsanwalts und vor allem bei dessen Vermögens-verfall. c) Der Widerruf der Zulassung ist auch nicht unverhältnismäßig. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, er sei nicht vorbestraft, 8 - 6 - habe bisher keinen Anlass zu Zweifeln an seiner Zuverlässigkeit gegeben und sei ohne eigenes Verschulden in Vermögensverfall geraten, rechtfertigen diese Umstände für sich alleine nicht ein Absehen vom Widerruf. Zwar kann eine Ge-samtwürdigung der Person des betroffenen [X.]echtsanwalts, der Umstände des [X.] und der besonderen [X.]eschränkungen, die dieser sich im Zusammenhang mit dem Umgang mit Fremdgeldern unterworfen hat, in [X.] dazu führen, dass eine Gefährdungslage verneint werden kann. Wesentliche [X.]edeutung kommt insoweit aber den objektiven Sicherungsmaß-nahmen zu; ohne diese können allein die Person des [X.]echtsanwalts und der Umstand, dass der Vermögensverfall nicht verschuldet wurde, ein Absehen vom Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Januar 2004 - [X.] ([X.]) 17/03, juris [X.]n. 4; vom 18. Oktober 2004 und 5. Dezember 2005, jeweils aaO). Genauso wenig ist ein begründeter Verdacht bereits erfolgten un-redlichen Umgangs mit Mandantengeldern Widerrufsvoraussetzung (vgl. nur Senat, [X.]eschluss vom 3. Juli 2006, aaO). Die Ansicht des [X.], ein unver-schuldeter Vermögensverfall und die damit einhergehende Gefährdung von Mandanteninteressen werde in unverhältnismäßiger Weise und deshalb rechts-staatswidrig härter als die Veruntreuung von Mandantengeldern "bestraft", denn die Verurteilung eines [X.]echtsanwalts wegen Untreue führe nur zu einem zeitlich und inhaltlich begrenzten [X.]erufsverbot, ist unzutreffend. Zum einen hat eine solche strafrechtliche Verurteilung regelmäßig den Ausschluss aus der [X.] zur Folge (Senat, Urteile vom 6. Februar 1961 - [X.] ([X.]) 3/60, [X.]GHSt 15, 372, 375 f. und vom 30. Juni 1986 - [X.] ([X.]) 6/86, [X.][X.]AK-Mitt. 1986, 232; [X.]eschluss vom 12. Februar 2001, aaO [X.]n. 13). Zum anderen han-delt es sich bei dem Widerruf um keine (schuldabhängige) Strafe, sondern um eine Schutzmaßnahme zugunsten der Mandanten; diese entfällt bzw. der [X.]echtsanwalt kann seine Wiederzulassung beantragen, wenn er seine Vermö-gensverhältnisse geordnet hat und kein Vermögensverfall mehr vorliegt. - 7 - d) Entgegen der Auffassung des [X.] verstößt § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] - wie bereits der [X.] zutreffend ausgeführt hat - nicht ge-gen Art. 12 GG (siehe auch Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Februar 2001, aaO [X.]n. 13; und vom 17. Oktober 2005, aaO S. 859; [X.]VerfG [X.], 3057 zur Paral-lelvorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 6 [X.]NotO). Genauso wenig ist ein Verstoß ge-gen die EM[X.]K ersichtlich. 9 e) Die [X.]üge des [X.], das Urteil des [X.]s sei [X.], geht fehl. Liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] vor, ist die Zulassung zu entziehen. Insoweit handelt es sich - anders als bei § 14 Abs. 3 [X.] - um keine Ermessensvorschrift. Die Situation des [X.] hat der [X.] bei der Prüfung der Frage, ob ein Ausnahme-tatbestand nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] vorliegt, ausreichend berücksichtigt. 10 2. Die [X.]echtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtli-chen Schwierigkeiten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. 11 Sie hat auch keine grundsätzliche [X.]edeutung (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn der [X.]echtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige [X.]echtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des [X.]echts berührt (vgl. nur [X.]GH, [X.]eschluss vom 27. März 2003 - V Z[X.] 291/02, [X.]GHZ 154, 288, 291 m.w.N.). Weder die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] noch die Frage des [X.] für die Gefährdung der [X.] - 8 - sen der [X.]echtsuchenden sind in diesem Sinn klärungsbedürftig. Ob der Wider-ruf einer Zulassung im Einzelfall unverhältnismäßig ist, hat keine allgemeine und damit grundsätzliche [X.]edeutung. 3. Die [X.]erufung ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein [X.] geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung der Vor-instanz beruhen kann (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). 13 Die vom Kläger erhobene [X.]üge, der [X.] habe sich nicht ausreichend mit seinen Argumenten auseinandergesetzt und damit Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, geht fehl. Ein Gericht muss sich in den [X.] nicht ausdrücklich mit jedem Parteivorbringen befassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht den Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen lässt, müssen besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass das Vorbringen eines [X.]eteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht berücksichtigt wurde (vgl. nur [X.]VerfGE 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 88, 366, 375 f.). 14 Der [X.] hat den wesentlichen Vortrag des [X.] in sei-nem Urteil wiedergegeben und sich mit ihm auseinandergesetzt. Im Übrigen ist das weitere Vorbringen des [X.] - wie oben ausgeführt - nicht geeignet ge-wesen, die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung in Frage zu [X.]. 15 - 9 - I[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.]. 16 Kessal-Wulf [X.] [X.] [X.] Stüer Vorinstanz: AGH [X.], Entscheidung vom [X.] -

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AnwZ (Brfg) 4/11

24.03.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2011, Az. AnwZ (Brfg) 4/11 (REWIS RS 2011, 8313)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8313

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