Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.03.2017, Az. 2 BvR 144/17

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 14065

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung der Auslagenerstattung (§ 34a Abs 3 BVerfGG) im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Erledigterklärung: Zeitnahe Verfahrenseinstellung gem § 153a StPO kann nicht als Anerkenntnis eines durch die  Verbindung zweier Strafverfahren verursachten, in einer etwaigen Verfahrensverzögerung liegenden Verfassungsverstoßes gesehen werden


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Über die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers vom 27. Januar 2017 nicht mehr zu entscheiden (vgl. [X.] 7, 75 <76>; 85, 109 <113>). Verfahrensgegenstand ist nur noch die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen, die der Kammer obliegt (vgl. [X.] 72, 34 <38 f.>). Dieser Antrag hat keinen Erfolg.

2

1. Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde und des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist über die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen Auslagen nach [X.] zu entscheiden (§ 34a Abs. 3 [X.]). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen. Mit Blick auf die Funktion und Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <398>; 133, 37 <38 Rn. 2>; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings dann in Frage, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde offensichtlich war und unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage geklärt worden ist (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2).

3

Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, angenommen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>; 133, 37 <38 Rn. 2>; BVerfGK 5, 316 <327 f.>; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2).

4

2. Gemessen an diesen Grundsätzen scheidet eine Auslagenerstattung vorliegend aus.

5

Die Tatsache, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer etwa einen Monat nach der angefochtenen Entscheidung des [X.] gemäß § 153a StPO eingestellt werden konnte, hat gezeigt, dass sich die Prognose des Beschwerdeführers, durch die Verbindung beider Verfahren werde sich das gegen ihn gerichtete Strafverfahren massiv verzögern, nicht bewahrheitet hat. Vielmehr hat sich damit die Annahme der Strafkammer in der angefochtenen Entscheidung, das Verfahren werde einen Fortgang nehmen, der dem Beschleunigungsgrundsatz gerecht werde, als zutreffend herausgestellt. Damit erfolgte die Einstellung des Verfahrens gerade nicht aufgrund der seitens des Beschwerdeführers geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 4). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Strafkammer des [X.] Stade das Begehren des Beschwerdeführers für berechtigt angesehen hätte (vgl. [X.] 85, 109, 114 ff.; 87, 394 <397 f.>; 133, 37 <38 Rn. 2>); das Anerkenntnis eines Verfassungsverstoßes, welcher die Anordnung einer Auslagenerstattung rechtfertigen würde, kann darin nicht gesehen werden (vgl. [X.], [X.], 2. Aufl. 2015, § 34a Rn. 37).

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 144/17

15.03.2017

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Beschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Stade, 19. Dezember 2016, Az: 500 KLs 132 Js 9841/08 (9/15), Beschluss

§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 4 Abs 1 StPO, § 153a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.03.2017, Az. 2 BvR 144/17 (REWIS RS 2017, 14065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1228/16

Zitiert

1 BvR 309/11

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