Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.09.2021, Az. 1 B 61/21

1. Senat | REWIS RS 2021, 2269

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Gegenstand

Anforderungen an das Abrücken von einem Gegenbekenntnis


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] für das [X.] vom 11. Juni 2021 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache und der Divergenz gestützte [X.]eschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt hat.

2

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - juris Rn. 2 und vom 25. Juli 2017 - 1 [X.] 117.17 - juris Rn. 3).

3

Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerde nicht.

4

a) Die [X.]eschwerdebegründung macht geltend, das für eine Abkehr von einem [X.] erforderliche positive Verhalten, welches in der Regel auch durch [X.]emühungen zu einer Änderung von nicht[X.] Nationalitätseintragungen in den wesentlichen amtlichen Dokumenten belegt werden könne, sei an keine Fristen gebunden und müsse nur im Zeitpunkt des Verlassens der [X.] vorliegen. Mit dem angegriffenen Urteil habe das Oberverwaltungsgericht eine im Gesetz nicht enthaltene zeitliche Komponente bezüglich des [X.]ekenntnisses zum [X.] Volkstum eingeführt und damit faktisch das Zehnte Gesetz zur Änderung des [X.]undesvertriebenengesetzes vom 6. September 2013 abgeändert.

5

Mit diesem Vorbringen wirft die [X.]eschwerdebegründung eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung nicht auf. In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts zu § 6 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ([X.]undesvertriebenengesetz) i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 10. August 2007 ([X.]G[X.]l. [X.]), zuletzt geändert durch Art. 162 der Verordnung vom 19. Juni 2020 ([X.]G[X.]l. I S. 1328), ist vielmehr geklärt, dass in der Angabe einer anderen als der [X.] Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die [X.] Volkszugehörigkeit ausschließendes [X.] zu einem fremden Volkstum liegt, welches es grundsätzlich ausschließt, gleichzeitig ein [X.]ekenntnis zum [X.] Volkstum "auf andere Weise" anzunehmen, und dass es, um eine frühere Erklärung zu einer nicht[X.] Nationalität rückgängig zu machen, eines positiven Verhaltens bedarf, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur dem [X.] Volk und keinem anderen Volkstum zuzugehören, wobei an die Ernsthaftigkeit eines späteren [X.]ekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit besondere Anforderungen zu stellen sind. Dieses [X.]ekenntnis muss bis zum Zeitpunkt des Verlassens der [X.] vorliegen ([X.]VerwG, Urteile vom 29. August 1995 - 9 [X.] - [X.]VerwGE 99, 133 <146> und vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 Rn. 22 ff. m.w.N.).

6

Diesen Prüfungsmaßstab hat auch das [X.]erufungsgericht seiner [X.]eurteilung eines Abrückens des Klägers von dessen [X.] zugrunde gelegt. Insbesondere hat es ausgeführt, dass es möglich sei, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nicht[X.] Nationalität "bis zum maßgebenden Zeitpunkt" durch Hinwendung zum [X.] Volkstum abzurücken ([X.] 12).

7

b) Die Rüge, die Würdigung des [X.], das von dem Kläger abgegebene behördliche [X.]ekenntnis zum [X.] Volkstum sei als "Lippenbekenntnis" zu dem Zweck abgegeben worden, um in [X.] als [X.] angesehen und behandelt zu werden, sei unzutreffend und widerspreche sowohl dem Gesetz als auch der einschlägigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, erschöpft sich der Sache nach darin, die Entscheidung des [X.] als fehlerhaft anzugreifen. Mit der Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der [X.]erufungsentscheidung kann die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache indes nicht dargetan werden.

8

2. Die Revision ist auch nicht wegen der des Weiteren geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Rüge, die [X.]erufungsentscheidung weiche von den Urteilen des [X.]undesverwaltungsgerichts vom 29. August 1995 - 9 [X.] - [X.]VerwGE 99, 133 und vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 ab, muss ebenfalls erfolglos bleiben, weil die [X.]eschwerde einen solchen Zulassungsgrund nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet hat.

9

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des [X.]undesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz ausdrücklich oder zumindest konkludent widersprochen hat (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.).

Einen entsprechenden die [X.]erufungsentscheidung tragenden Rechtssatz arbeitet die [X.]eschwerdebegründung nicht heraus. Soweit sie sich der Sache nach gegen die Rechtsauffassung des [X.] wendet, es sei möglich, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nicht[X.] Nationalität "bis zum maßgebenden Zeitpunkt" durch Hinwendung zum [X.] Volkstum abzurücken ([X.] 12), verkennt sie, dass das [X.]erufungsgericht insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts auf den Zeitpunkt des Verlassens der [X.] abhebt. Soweit sie konkludent die Feststellung des [X.] angreift, der zeitliche Ablauf lasse erkennen, dass der Kläger die Erklärung, der [X.] Nationalität zuzugehören, als "Lippenbekenntnis" zu dem Zweck abgelegt habe, um in [X.] ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, und nicht, um im [X.] als [X.] angesehen und behandelt zu werden, benennt sie schon keinen die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz. Das [X.]undesverwaltungsgericht hat im Übrigen - anders als die [X.]eschwerde meint - in keiner der beiden herangezogenen Entscheidungen den Rechtssatz aufgestellt, dass die Änderung des Nationalitäteneintrags vor Verlassen des [X.]s zur Abkehr von einem ausdrücklichen [X.] automatisch auch dann ausreicht, wenn sich Anhaltspunkte für andere [X.]eweggründe als denjenigen, im [X.] als [X.]r Volkszugehöriger angesehen werden zu wollen, aufdrängen (vgl. insbesondere [X.]VerwG, Urteil vom 29. August 1995 - 9 [X.] - [X.]VerwGE 99, 133 <147>, siehe auch Urteil vom 26. Januar 2021 - 1 [X.] 5.20 - NVwZ-RR 2021, 592 Rn. 32: "in der Regel").

3. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 B 61/21

29.09.2021

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. Juni 2021, Az: 11 A 4703/19, Urteil

§ 6 Abs 1 S 1 BVFG, § 6 Abs 1 S 2 BVFG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.09.2021, Az. 1 B 61/21 (REWIS RS 2021, 2269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2269

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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