Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.08.2011, Az. I ZR 148/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3959

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Gegenstand

Wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis eines Interessenverbandes: Annahme der unzureichenden finanziellen Ausstattung im Hinblick auf das realistische Prozesskostenrisiko; Rechtsmissbräuchlichkeit des dauerhaften selektiven Vorgehens gegen Nichtmitglieder - Glücksspielverband


Leitsatz

Glücksspielverband

1. Legt ein Verband eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung dar und ist nicht bekannt geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten für Prozesskosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende finanzielle Ausstattung des Verbands grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das bei zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des Verbands seine dafür verfügbaren Mittel spürbar übersteigt.

2. Ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Einzelfalls.

3. Rechtsmissbräuchlich ist es insbesondere, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht.

4. Ein Rechtsmissbrauch ist zu verneinen, wenn eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf Nichtmitglieder für einen Verband schon aus seinem - rechtlich unbedenklichen - Verbandszweck folgt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 13. Juli 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der Ende 2008 gegründete [X.] - [X.] im [X.] Er nimmt die Beklagte zu 1, die staatliche Lottogesellschaft von [X.], und deren Geschäftsführer, den [X.] zu 2, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen auf Unterlassung in Anspruch.

2

Die Verbandssatzung des [X.] enthält in § 3 folgende Zweckbestimmung:

1. Der Verein fördert insbesondere im Sinne der § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 [X.] die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits, Gewinn und [X.] einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "[X.]") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Insbesondere hat der Verein den Zweck und die Aufgaben, im [X.]:

a) den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire gesetzliche Rahmenbedingungen für eine freie Entfaltung verantwortungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglieder, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen gegebenenfalls zu erhalten sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Beschränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;

b) das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren; …

c) den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb in allen Erscheinungsformen … im Zusammenwirken mit Behörden und Gerichten zu bekämpfen; …

3

Der Kläger hat behauptet, er habe am 3. April 2009 von einer damals 17jährigen Schülerin in zwei [X.] der [X.] in [X.] Testkäufe durchführen lassen. Die [X.] habe ohne Alterskontrolle jeweils ein Rubbellos erwerben können.

4

Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

den [X.] unter Androhung von [X.] zu verbieten, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des [X.] Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder durch die Betreiber von [X.] ermöglichen zu lassen,

hilfsweise den [X.] aufzugeben, geeignete Maßnahmen im Glücksspielwesen zu ergreifen, um das Verbot der Teilnahme von Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) an öffentlichen Glücksspielen sicherzustellen und durchzusetzen.

5

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie rechtsmissbräuchlich sei. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragen, verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

6

I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unzulässig gehalten. Dazu hat es ausgeführt:

7

Der Kläger erfülle zwar hinsichtlich seiner Mitgliederstruktur die Voraussetzungen der Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Insoweit reiche es aus, dass die vorhandenen Mitglieder repräsentativ für den jeweiligen Markt seien. Das sei der Fall, weil jedenfalls die große Lottovermittlungsgesellschaft [X.], aber auch die [X.], die mit ihren Sportwettangeboten Alternativen auf dem Markt für Glücksspiele bereitstellten, bereits für sich genommen ausreichend repräsentative Wettbewerber der [X.] seien. Auch die [X.] und die [X.] könnten als potentielle Mitbewerber der [X.] nicht außer [X.] gelassen werden. Dem Kläger fehle jedoch die Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, weil er wettbewerbsrechtliche Unterlassungsprozesse in dem bisher gezeigten Umfang nicht finanzieren könne. Die vom Kläger für den [X.]punkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat angegebenen liquiden Mittel in Höhe von etwa 230.000 € reichten nicht aus, die Prozesskosten der derzeit 24 offenen Verfahren gegen Mitbewerber und deren Geschäftsführer im Fall des Unterliegens zu decken. Zudem müsse der Kläger Rückstellungen dafür vorhalten, dass bereits entschiedene Verfahren möglicherweise in der Revisionsinstanz zu seinen Ungunsten ausgingen, was zu Schadensersatzansprüchen aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen ihn führen könne. Die vom Kläger vorgetragene Fähigkeit seiner Mitglieder, das Verbandsvermögen aufzustocken, nütze dem vollstreckungswilligen Gegner nichts, solange der Kläger eine Körperschaft ohne persönliche Haftung der Mitglieder sei.

8

Der Kläger handele zudem rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG. Zwar sei es ihm grundsätzlich nicht verwehrt, unter mehreren möglichen Anspruchsgegnern eine Auswahl zu treffen und die eigenen Mitglieder zunächst zu schonen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Bekämpfung unlauterer [X.]praktiken, wie etwa im Falle des Jugendschutzes, Allgemeininteressen berühre und daher auch ein selektives Vorgehen nicht nur im Individualinteresse des Verbands oder eines seiner Mitglieder liege. Ein selektives Vorgehen eines Verbands, bei dem die eigenen Mitglieder planmäßig verschont würden, indiziere aber eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vertraue Verbänden die Klagebefugnis an, weil es sich von ihnen auch fremdnütziges Handeln verspreche. Übe ein Verband seine Prozessführungsbefugnis grundsätzlich nur noch einseitig aus, verlasse er daher die Grundlage, aufgrund derer ihm diese Handlungsbefugnis verliehen worden sei. Darauf, dass auch ein solches Verhalten immer noch dem Allgemeininteresse diene, komme es nicht an, weil § 8 Abs. 4 UWG nicht entnommen werden könne, dass ein der Allgemeinheit dienendes Handeln niemals rechtsmissbräuchlich sei. Indem der Kläger vornehmlich eine bestimmte Gruppe von Mitbewerbern disziplinieren wolle, diene sein Vorgehen nicht mehr dem Wettbewerb. Vielmehr bediene er sich wettbewerbsprozessualer [X.] zu eigennützigen Zwecken seiner Mitglieder.

9

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Anforderungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG an die Verbandsklagebefugnis hinsichtlich seiner Mitgliederstruktur erfüllt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revisionserwiderung auch nicht mit einer Gegenrüge angegriffen.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung imstande, seine satzungsgemäße Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

a) Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG enthaltene Regelung der Voraussetzungen, unter denen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen können, betrifft sowohl die prozessuale Klagebefugnis als auch die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung. Dementsprechend muss die Verbandsklagebefugnis nicht nur im [X.]punkt der beanstandeten [X.] gegeben gewesen sein, sondern auch noch im Revisionsverfahren bestehen. Bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist der [X.] auch als Revisionsgericht nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ([X.], Urteil vom 18. Mai 2006 - [X.], [X.], 873, 874 = [X.], 1118 - Brillenwerbung, mwN).

b) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Angaben des [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat angenommen, dass der Kläger zu jener [X.] über liquide Mittel in Höhe von etwa 230.000 € verfügte. Aus den vom Kläger in der Revisionsinstanz vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich für den [X.]raum zwischen dem 24. Juli 2009 und dem 22. Oktober 2010 ein Kontostand von mindestens knapp 76.000 € und höchstens etwa 450.000 €. Am Ende dieses fast 15-monatigen [X.]raums beliefen sich die liquiden Mittel des [X.] auf 384.000 €. Dass diese finanzielle Ausstattung den Kläger in die Lage versetzt, seine satzungsmäßige Aufgabe der Verfolgung von [X.]verstößen gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen tatsächlich wahrzunehmen, kann bei den insoweit üblichen Gegenstandswerten nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger 24 [X.]verfahren gleichzeitig geführt hat. Eventuelle Kostenbelastungen aus einem Prozessverlust dieser Verfahren sind weder sofort noch zu einem späteren [X.]punkt gleichzeitig zu erwarten. Schon deshalb führt die für den Verband bestehende Notwendigkeit, etwaige gegnerische Prozesskostenerstattungsansprüche abdecken zu müssen, nicht dazu, dass er jederzeit liquide Mittel in Höhe des maximalen theoretischen Gesamtkostenrisikos sämtlicher von ihm begonnener und kostenmäßig noch nicht beendeter Gerichtsverfahren vorhalten muss. Eine solche Anforderung würde die Möglichkeit kleinerer Verbände, deren Mitglieder sich beispielsweise aus mittelständischen Unternehmen rekrutieren, zur Prozessführung in sachlich nicht gerechtfertigter Weise einschränken, obwohl solchen Verbänden gerade auf oligopolistischen Märkten eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung lauteren [X.] zukommen kann. Die vom Berufungsgericht verlangte, am theoretischen Gesamtkostenrisiko ausgerichtete Finanzausstattung könnte zudem die Bildung neuer Verbände behindern und so zu einer Verfestigung bestehender Verbandsstrukturen führen, die letztlich in Widerspruch zu der grundrechtlich verbürgten Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) geraten könnte.

c) Allerdings weist die Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass es nicht ausreichen kann, wenn die finanzielle Ausstattung eines Verbands zwar jeweils zur Kostendeckung in dem gerade zu entscheidenden Verfahren ausreicht, dabei aber gänzlich unberücksichtigt bliebe, dass der Verband gleichzeitig eine Vielzahl anderer Verfahren führt, aus denen sich für ihn Kostenbelastungen ergeben können. Legt der Verband aber eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung dar und ist nicht bekannt geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten für Prozesskosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende finanzielle Ausstattung des Verbands grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das bei zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des Verbands seine dafür verfügbaren Mittel spürbar übersteigt.

Das danach zu berücksichtigende Kostenrisiko liegt im Streitfall deutlich unter dem vom Berufungsgericht angenommenen theoretischen Gesamtkostenrisiko. So kann einerseits nicht angenommen werden, dass der Kläger alle von ihm begonnenen Verfahren durch sämtliche Instanzen fortführen würde, falls seine Klagebefugnis auch nur in einem Verfahren vom [X.] verneint werden sollte. In diesem Fall ist vielmehr zu erwarten, dass der Kläger die noch anhängigen Verfahren sofort durch Klagerücknahme beendet. Für den Fall, dass die Prozessführungsbefugnis des [X.] letztlich nicht verneint würde, hätte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen, dass es sich bei dem vom Kläger im Streitfall vorgetragenen Verstoß gegen das [X.] an Minderjährige um einen evidenten [X.]verstoß handelt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger in den anderen von ihm anhängig gemachten Verfahren gegen weniger evidente [X.]verstöße vorgegangen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände war und ist von einer ausreichenden finanziellen Ausstattung des [X.] auszugehen.

3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auch angenommen, die Klage sei im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich erhoben worden.

a) Einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr er allein die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse - ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen ([X.], Urteil vom 12. Dezember 1996 - [X.], [X.], 537, 538 = [X.], 721 - Lifting-Creme; Urteil vom 23. Januar 1997 - [X.], [X.], 681, 683 = [X.], 715 - Produktwerbung; Urteil vom 17. September 1998 - I ZR 119/96, [X.], 515, 516 = [X.], 424 - Bonusmeilen).

b) Allerdings können besondere Umstände, insbesondere sachfremde Erwägungen, im Einzelfall eine andere Beurteilung nahelegen. Solche besonderen Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.

aa) Der [X.] hat in der Vergangenheit entschieden, dass es selbst bei identischer Werbung noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn ein Verband, der die Frage der [X.]widrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen [X.] und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht ([X.], [X.], 537, 538 - Lifting-Creme; [X.], 681, 683 - Produktwerbung). Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass ein Verband, der auch eindeutige [X.]verstöße der eigenen Mitglieder nicht verfolgt, stets rechtsmissbräuchlich handelt.

bb) Allerdings kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet ([X.], [X.], 681, 683 - Produktwerbung, in diesem Sinne etwa auch Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 292; MünchKomm.UWG/[X.], § 8 Rn. 472; [X.] in [X.], Der [X.]prozess, 6. Aufl., § 20 Rn. 25; [X.], [X.]rechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., [X.]. 13 Rn. 59). Zwar gibt es grundsätzlich keine Obliegenheit eines Verbands, gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich außenstehende Dritte berufen könnten. Die [X.] findet ihre Rechtfertigung aber darin, dass die Bekämpfung unlauterer [X.]en nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt ([X.], Urteil vom 5. Oktober 1989 - [X.], [X.], 282, 284 = WRP 1990, 364 - [X.]verein IV; Urteil vom 9. Dezember 1993 - I ZR 276/91, [X.], 304, 305 = [X.], 181 - Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften).

cc) Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dabei lassen sich allerdings bestimmte Fallgruppen bilden. So ist es insbesondere rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht. Ein solcher Fall liegt hier aber schon deswegen nicht vor, weil die vom Kläger angegriffenen staatlichen Lottogesellschaften von der Mitgliedschaft beim Kläger kraft Verbandssatzung ausgeschlossen sind.

Andererseits kann sich eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von [X.]verstößen auf Nichtmitglieder für einen Verband aus der Natur der Sache ergeben, wenn sie schon aus seinem - rechtlich unbedenklichen - [X.] folgt. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmissbrauch zu verneinen. Unbedenklich wäre es beispielsweise, wenn der satzungsgemäße Zweck eines Verbandes mittelständischer Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes auf die Abwehr unlauteren [X.] durch Großbetriebe dieser Branche gerichtet wäre oder wenn ein Verband forschender Pharmaunternehmen sich seinem Satzungszweck entsprechend gegen unlautere Praktiken der Generikahersteller wendete.

dd) Der Kläger ist ein Verband, bei dem eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von [X.]verstößen auf Nichtmitglieder schon aus dem [X.] folgt. Aus § 3 seiner Satzung ergibt sich deutlich, dass er ausschließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen bezweckt und dazu den lauteren Wettbewerb fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern beobachten will. Die staatlichen Lottogesellschaften sowie Unternehmen des [X.] mit unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind ausdrücklich von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Der Zweck des [X.] ist danach satzungsgemäß darauf ausgerichtet, die Interessen der privaten Glücksspielwirtschaft gegenüber den etablierten staatlichen Anbietern zu schützen. Dann ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich - auch dauerhaft - auf die Verfolgung von [X.]verstößen der staatlichen Lottogesellschaften beschränkt.

4. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

Der Hauptantrag des [X.] ist hinreichend bestimmt. Danach will der Kläger den [X.] verbieten lassen, Minderjährigen die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder durch die Betreiber von [X.] ermöglichen zu lassen. Die Begriffe "Minderjähriger", "Betreiber von [X.]" und - jedenfalls in Bezug auf die Tätigkeit der [X.] - "Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen" sind eindeutig. Auch die Verwendung der Formulierung "ermöglichen und/oder … ermöglichen zu lassen" begegnet im Streitfall keinen Bedenken. Welche Handlungen und Unterlassungen hiervon erfasst sind, lässt sich von den [X.] und gegebenenfalls dem Vollstreckungsgericht durch Auslegung ermitteln (vgl. zu dem vergleichbaren Begriff des Gestattens [X.], Urteil vom 4. Februar 1993 - [X.], [X.], 556, 557 = [X.], 399 - [X.]). Die Revisionserwiderung macht gegen die [X.] auch keine Bedenken geltend.

5. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Begründetheit der Klage getroffen. Der [X.] kann deshalb nicht in der Sache selbst entscheiden, so dass sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Bornkamm                                               Pokrant                                     Büscher

                               [X.]                                           Koch

Meta

I ZR 148/10

17.08.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 13. Juli 2010, Az: I-4 U 21/10

§ 8 Abs 3 Nr 4 UWG, § 8 Abs 4 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.08.2011, Az. I ZR 148/10 (REWIS RS 2011, 3959)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3959

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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