Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZR 223/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3991

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I ZR 223/10
Verkündet am:

17. August 2011

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 17. August
2011 durch [X.] Dr.
Bornkamm und [X.], Prof. Dr.
Büscher, Dr.
Kirchhoff
und
Dr.
Koch

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] zu 1 und die [X.] des [X.] gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des Oberlandesge-richts [X.] vom 1.
Dezember 2010 werden zurückgewiesen.

Von den im Revisionsverfahren angef[X.]en Gerichtskosten und den dort angef[X.]en außergerichtlichen Kosten des [X.] tra-gen der Kläger 1/6 und die Beklagte zu 1 5/6. Die in der [X.] angef[X.]en außergerichtlichen Kosten des [X.] zu 2 trägt der Kläger. Die Beklagte zu 1 behält ihre außergerichtli-chen Kosten des Revisionsverfahrens auf sich.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist der Ende 2008 gegründete GIG

Verband für Gewerbe-treibende im Glücksspielwesen e.V. Er nimmt die Beklagte zu 1, die staatliche [X.]gesellschaft von
[X.], und deren Geschäftsführer, den [X.]
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-
ten zu 2, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähri-ger an öffentlichen Glücksspielen in Anspruch.

Die [X.]satzung des [X.] enthält in §
3 folgende Zweckbestim-mung:

1.
Der Verein fördert insbesondere im Sinne der §
8 Abs.
3 Nr.
2 UWG und §
3 [X.] die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits, Gewinn und Glücksspielwe-sens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "[X.]") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privat-rechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind. Insbesondere hat der Ver-ein den Zweck und die Aufgaben,
im [X.]:

a)
den lauteren Wettbewerb in Übereinstimmung mit den verfassungs-rechtlichen und/oder gesetzlichen Vorgaben zu fördern, auf faire ge-setzliche Rahmenbedingungen
für eine freie Entfaltung verantwor-tungsvoller unternehmerischer Tätigkeit, insbesondere seiner Mitglie-der, hinzuwirken oder solche Rahmenbedingungen gegebenenfalls zu erhalten sowie unverhältnismäßigen staatlichen Maßnahmen und Be-schränkungen einer freien und verantwortungsbewussten Ausübung beruflicher und unternehmerischer Grundfreiheitsrechte politisch und rechtlich entgegenzuwirken;

b)
das Marktverhalten von Marktteilnehmern
zu beobachten und auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und
Bestimmungen

c)
den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb in [X.] Erscheinungs-e-

Der Kläger hat behauptet, eine
damals 17jährige Schülerin habe am 4.
April
2009 in zwei [X.] der [X.] jeweils unproblema-tisch ein Ru[X.]ellos erwerben können.

Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, be-antragt,
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4
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den [X.] unter Androhung von [X.] zu verbieten, bei ge-schäftlichen Handlungen im Bereich des [X.]

Personen unter 18
Jahren (Minderjährigen) die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder diese Handlungen durch Dritte zu be-gehen

hilfsweise den [X.] aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Verbot der Teilnahme von Personen unter 18
Jahren (Minderjährigen) an
öffentlichen Glücksspielen sicherzustellen und durchzusetzen.

Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie rechtsmissbräuchlich sei. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungs-gericht dem Hauptantrag gegen die Beklagte zu 1 beschränkt auf den Verkauf von [X.] stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte
zu 1
ihre
in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Der Kläger begehrt im Wege der [X.], seinem Antrag im Umfang der berufungsgerichtli-chen Verurteilung der [X.] zu 1
auch gegenüber
dem
[X.] zu 2 stattzugeben.
Die Parteien beantragen jeweils, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig und teilweise begrün-det gehalten. Dazu hat es ausgeführt:

Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt. Der Kläger sei auch [X.] nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Ihm gehörten jedenfalls sieben Mitglieder an, die in [X.] über eine Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung 5
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-
verfügten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zudem
fest, dass
der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung zur Erfüllung seiner satzungs-gemäßen Aufgaben in der Lage sei.

Der Kläger handele auch nicht rechtsmissbräuchlich nach §
8 Abs.
4 UWG. Es stehe einem Verband wie einem einzelnen Gewerbetreibenden frei, ob
und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben wolle. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs komme nur bei sachfremden Erwägungen in Betracht. Nach dem Vorbringen der [X.] sei aber nicht davon auszugehen, dass der Kläger, der sich nur dagegen
wende, dass
staatliche [X.]gesellschaften gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger am Glücksspiel verstießen, gleichartige Verstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde.
Unerheblich sei, ob sich Mitglieder des [X.] in anderer Weise wettbewerbswidrig verhielten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei erwiesen, dass am 4. April 2009 zwei [X.]annahmestellen der [X.]
zu 1
in [X.] durch Verkauf von Ru[X.]ellosen gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger am Glücksspiel verstoßen hätten. Die Beklagte zu 1 hafte für diese [X.]-verstöße ohne Entlastungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 2 UWG. Der Unterlas-sungsanspruch des [X.] sei aber auf den Verkauf von Ru[X.]ellosen be-schränkt. Die anderen von der [X.]
zu 1
angebotenen Glücksspiele unter-lägen anderen Spielregeln und seien deshalb nicht gleichartig mit Ru[X.]ellosen.
Umstände, die eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich aller angebotenen Glücksspiele rechtfertigten, habe der Kläger nicht dargelegt.

Gegenüber dem [X.] zu
2 sei die Klage unbegründet, weil er die im Rahmen der alltäglichen Geschäftstätigkeit der [X.]annahmestellen begange-nen [X.]verstöße nicht gekannt
habe
und auch nicht habe kennen müssen.
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Der Hilfsantrag des [X.] sei unbegründet. Es fehle an einem fortdau-ernden Störungszustand, der den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Leis-tungsanspruch rechtfertige.

I[X.] Die Revision, mit
der sich die Beklagte
zu 1
gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wendet, hat keinen Erfolg.

1. Die Klage ist

wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat

zulässig.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Anforderungen des § 8 Abs. 3
Nr. 2 UWG an die [X.] hinsichtlich seiner Mitgliederstruktur erfüllt. Erheblich
im Sinne
des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist die Zahl der Mitglieder des [X.] dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen

bezogen auf den maßgeblichen Markt

in der Weise repräsentativ sind, dass ein [X.] Vorgehen des [X.] ausgeschlossen werden kann. Das kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2008

I
ZR
197/06, [X.], 692 Rn.
12 = [X.], 811

Sammelmitgliedschaft
VI,
mwN). [X.] dann, wenn
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wie im Streitfall
-
der Marktzutritt rechtlich oder tatsäch-lich stark beschränkt ist, dürfen nur geringe Anforderungen an die repräsentati-ve Mitgliederzahl gestellt werden. Andernfalls
würde die wettbewerbliche Kon-trolle
marktstarker Unternehmen oder Oligopole unangemessen beschränkt.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass dem Kläger sieben Mitglieder angehören, die eine Erlaubnis als gewerbliche Spielvermittler in [X.] erhalten haben. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hier 11
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maßgeblichen Marktes reichen diese Mitglieder
aus, um im [X.], dass es dem Kläger bei der Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (vgl. [X.], [X.], 692 Rn. 12

Sammelmitgliedschaft VI).

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob bei der Feststellung der [X.] zu berücksichtigen ist, dass die übrigen Mitglieder des [X.] eine schlechthin verbotene Glücksspieltätigkeit ausüben könnten, was möglicher-weise ihrer Berücksichtigung als Mitbewerber der [X.] (§ 2 Nr. 3 UWG) oder Unternehmen, die Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf dem-selben Markt vertreiben (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG),
entgegenstehen würde (eben-falls offengelassen in [X.], Urteil vom 28. Oktober 2004

[X.], [X.], 176 =
[X.], 94

Nur bei [X.]).

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Klä-ger nach seiner finanziellen Ausstattung imstande ist,
seine satzungsgemäße Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.

aa) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Angaben des Ge-schäftsführers des [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungs-senat angenommen, dass der Kläger zu jener [X.] über liquide Mittel in Höhe von etwa 380.000

die Lage versetzt, seine satzungsmäßige Aufgabe der Verfolgung von [X.] tatsächlich wahr-zunehmen, kann bei den insoweit üblichen Gegenstandswerten nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.
Darauf, ob eine rechtsverbindliche Nachschusspflicht der Mitglieder zugunsten des [X.] besteht,
kommt es danach nicht mehr an.
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[X.]) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Feststellung des [X.], dass der Kläger 23
[X.]verfahren gleichzeitig geführt hat. Eventuelle Kostenbelastungen aus einem Prozessverlust dieser Verfahren sind weder sofort noch zu einem
späteren [X.]punkt gleichzeitig zu erwarten. Schon deshalb führt die für den Verband bestehende Notwendigkeit, etwaige gegnerische Prozesskostenerstattungsansprüche abdecken zu müssen, nicht dazu, dass er jederzeit liquide Mittel in Höhe des maximalen theoretischen [X.] sämtlicher von ihm begonnener und kostenmäßig noch nicht beendeter Gerichtsverfahren vorhalten muss. Eine solche Anforderung würde die Möglichkeit kleinerer Verbände, deren Mitglieder sich beispielsweise aus mittelständischen
Unternehmen rekrutieren, zur Prozessführung in sachlich nicht gerechtfertigter Weise einschränken, obwohl solchen Verbänden gerade auf oligopolistischen Märkten eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung lauteren [X.] zukommen kann. Das Erfordernis einer am theoretischen Gesamtkostenrisiko ausgerichteten Finanzausstattung könnte zudem die Bil-dung neuer Verbände behindern und so zu einer Verfestigung bestehender [X.]strukturen führen, die letztlich in Widerspruch zu der grundrechtlich verbürgten Koalitionsfreiheit (Art.
9 Abs.
1 GG) geraten könnte.

cc) Allerdings reicht es nicht aus, wenn die finanzielle Ausstattung eines [X.] zwar jeweils die Kosten des gerade zu entscheidenden Verfahrens abdeckte, dabei aber gänzlich unberücksichtigt bliebe, dass der Verband gleichzeitig eine Vielzahl anderer Verfahren führt, aus denen sich für ihn Kos-tenbelastungen ergeben können. Legt der Verband aber eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung dar und ist nicht [X.] geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten für Prozess-kosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende finanzielle [X.] des [X.] grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das bei 19
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zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des [X.] seine da-für verfügbaren Mittel spürbar übersteigt.

c) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht eine Rechtsmiss-bräuchlichkeit der Klage nach §
8 Abs.
4 UWG verneint.

aa) Einem nach §
8 Abs.
3 Nr.
2 UWG klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzu-gehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbe-werber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen
etwa deshalb, weil nunmehr er allein die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse
ist darin schon [X.] nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner vom Verband nicht angegrif-fenen Mitbewerber vorzugehen ([X.], Urteil vom 12.
Dezember 1996

I
ZR
7/94, [X.], 537, 538 =
[X.], 721
Lifting-Creme; Urteil vom 23.
Januar 1997
I
ZR
29/94, [X.], 681, 683 =
[X.], 715

Produktwerbung; Urteil vom 17.
September 1998
I
ZR
119/96, [X.], 515, 516 =
[X.], 424
Bonusmeilen).

[X.]) Allerdings können besondere Umstände, insbesondere sachfremde Erwägungen, im Einzelfall eine andere Beurteilung nahelegen.
Solche besonde-ren Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich.

(1) Der Senat hat in
der Vergangenheit entschieden, dass es
selbst bei identischer Werbung noch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden
kann, wenn ein Verband, der die Frage der [X.]widrigkeit eines be-stimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen 21
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-
Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht
([X.], [X.],
537, 538
Lifting-Creme; [X.], 681, 683
Produktwerbung). [X.] kann aber nicht geschlossen werden, dass ein Verband, der auch eindeu-tige
[X.]verstöße der
eigenen
Mitglieder nicht verfolgt, stets rechts-missbräuchlich handelt.

(2) Allerdings kann es als
rechtsmissbräuchlich anzusehen
sein, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch [X.] duldet
([X.], [X.], 681, 683
Produktwerbung, in diesem Sinne
etwa
auch
Fezer/Büscher, UWG, 2.
Aufl., §
8 Rn.
292; [X.].UWG/
[X.], §
8 Rn.
472; [X.] in [X.], Der [X.]prozess, 6.
Aufl., §
20 Rn.
25; Teplitzky, [X.]rechtliche Ansprüche und Verfahren, 9.
Aufl., Kap.
13 Rn.
59). Zwar gibt es grundsätzlich keine
Obliegenheit eines [X.], gegen eigene Mitglieder vorzugehen,
auf die sich außenstehende Dritte berufen könnten. Die [X.] gewerblicher Interessen findet ihre Rechtfertigung aber darin, dass die Bekämpfung unlauterer [X.]handlungen nicht nur im Interesse des unmittelbar Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt ([X.], Ur-teil vom 5.
Oktober 1989 -
I
ZR
56/89, [X.], 282, 284 = WRP 1990, 364 -
[X.]verein
IV; Urteil vom 9.
Dezember 1993 -
I
ZR
276/91, [X.], 304, 305 = [X.], 181 -
Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften).

(3) Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines [X.] ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzu-sehen ist. Dabei lassen sich allerdings bestimmte Fallgruppen bilden. So ist es insbesondere rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu 25
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-
11
-
werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht. Ein sol-cher Fall liegt hier aber schon deswegen nicht vor, weil die vom Kläger ange-griffenen staatlichen [X.]gesellschaften von der Mitgliedschaft beim Kläger kraft [X.]satzung ausgeschlossen sind.
Andererseits kann sich eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von [X.]verstößen
auf Nichtmitglieder für einen Verband aus der Natur der Sache ergeben, wenn sie schon aus seinem -
rechtlich unbedenklichen -
[X.]zweck folgt. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmissbrauch zu ver-neinen. Unbedenklich wäre es beispielsweise, wenn der satzungsgemäße Zweck eines Verbandes mittelständischer Unternehmen des Hotel-
und [X.] auf die Abwehr unlauteren [X.] durch Großbetriebe dieser Branche gerichtet wäre oder wenn ein Verband forschender Pharmaun-ternehmen sich seinem Satzungszweck entsprechend gegen unlautere Prakti-ken der Generikahersteller wendete.
(4) Der Kläger ist ein Verband, bei dem eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung
von [X.]verstößen auf Nichtmitglieder schon aus dem [X.]zweck folgt. Aus §
3 seiner Satzung ergibt sich deutlich, dass er aus-schließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücks-spielwesen bezweckt und dazu den lauteren Wettbewerb fördern und das Marktverhalten von Marktteilnehmern beobachten will. Die staatlichen [X.]ge-sellschaften sowie Unternehmen des [X.] mit unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind aus-drücklich von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Der Zweck des [X.] ist danach satzungsgemäß darauf ausgerichtet, die Interessen der privaten Glücksspielwirtschaft gegenüber den etablierten staatlichen Anbietern zu [X.]. Dann
ist es nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich -
auch dauerhaft -
auf 27
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-
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-
die Verfolgung von [X.]verstößen der staatlichen [X.]gesellschaften beschränkt.

(5) Anders als die Revision meint,
kann auch keine Rede davon sein, dass bei einer weiteren Duldung des Verhaltens des [X.] dem unerlaubten Veranstalten von Glücksspielen (§ 284 StGB) Vorschub geleistet würde. [X.] wettbewerbsrechtlichen Klagen des [X.] gegen staatliche [X.]ge-sellschaften einerseits und möglichen Rechtsverstößen seiner Mitglieder ande-rerseits besteht kein Zusammenhang. Insbesondere werden die Möglichkeiten der [X.]gesellschaften, anderer Marktteilnehmer oder der Behörden nicht be-einträchtigt, gegen Rechtsverstöße von Mitgliedern des [X.] vorzugehen.

2.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Verstoß der [X.]an-nahmestellen der [X.]
zu 1
gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähri-ger an öffentlichen Glücksspielen durch Verkauf von Ru[X.]ellosen in den beiden vom Kläger konkret beanstandeten Fällen festgestellt und die Haftung der [X.] zu 1 für diese Verstöße bejaht. Die Revision erhebt dagegen auch keine [X.]. Die Revision der [X.] zu 1 ist somit zurückzuweisen.

II[X.] Die [X.], mit der sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage gegen den [X.] zu 2 wendet,
hat ebenfalls keinen
Erfolg.

Ein Geschäftsführer haftet für das wettbewerbswidrige Verhalten der [X.] dann, wenn er die Rechtsverletzung entweder selbst veranlasst oder aber gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert hat (vgl. [X.], Urteil vom 22.
April 2009

I
ZR
216/06, [X.], 845 Rn. 47
= [X.], 1001

Internet-Videorecorder). Diese
Voraussetzungen
für eine Haftung des [X.] zu 2
hat der Kläger nicht dargelegt.

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13
-
Soweit der Kläger
dafür, dass Verstöße gegen die [X.] für die Beklagte zu 1 ein "dauerhaf-tes und wiederkehrendes Problem seien", auf Urteile der [X.]e Köln und [X.] verweist, betrafen diese nicht die [X.],
sondern die [X.].
Der unter dem Titel "[X.]anbieter lassen Kinder wetten"
erschie-nene Artikel des Nachrichtenmagazins [X.] aus dem [X.] verhält sich nicht über die [X.]. Soweit die Beklagte zu 1 nach einem Urteil des Land-gerichts [X.] vom Januar 2009 in einigen Annahmestellen Automaten [X.] hatte, an denen auch Minderjährige Ru[X.]ellose ziehen konnten, hat sie diese Automaten schon vor
Verkündung dieses Urteils entfernt. Die "[X.]", auf die der Kläger weiter Bezug nimmt
und nach der [X.] in einer erheblichen Zahl von Fällen auch in [X.] Lose und Lotteriescheine erwerben konnten, wurde in Form von [X.]n zwischen dem 2. und 14.
März 2009 durchgeführt. Unabhängig von den seitens der [X.] gegen diese Studie geltend gemachten Bedenken konnte vom [X.] zu 2 jedenfalls nicht erwartet werden, schon bis zum 4. April 2009, dem [X.] maßgeblichen [X.], neue wirksame Maßnahmen zur Gewährleistung des [X.] an [X.] Lotterieannahmestel-len in [X.] umzusetzen. Die vom Kläger vorgelegte Mitteilung des Innenministeriums [X.] vom 12.
März 2009, nach der der [X.]
zu 1 ab sofort erlaubt wurde, minderjährige Testkäufer zur Überprüfung des Jugendschutzes in [X.] einzusetzen,
zeigt aber, dass die [X.] selbst wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots der Teil-nahme Minderjähriger am öffentlichen Glücksspiel eingeleitet hatten.

Das Berufungsgericht konnte deshalb ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.] eine Haftung des [X.] zu 2 sowohl hinsichtlich des [X.] hinsichtlich des Hilfsantrags verneinen.

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14
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1
ZPO.

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 02.03.2010 -
4 [X.] 121/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 01.12.2010 -
9 [X.] -

35

Meta

I ZR 223/10

17.08.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2011, Az. I ZR 223/10 (REWIS RS 2011, 3991)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3991

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 223/10

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