Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Az. IX ZR 268/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6741

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Gegenstand

Insolvenzrecht: Anspruch auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr im Zweitverfahren nach Verfristung oder Verjährung des Anfechtungsrechts des Verwalters in einem ersten Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren


Leitsatz

Ist das Anfechtungsrecht des Verwalters in einem ersten Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren verfristet oder verjährt, ist dadurch der Anspruch auf anfechtungsrechtliche Rückgewähr zur Masse eines Zweitverfahrens nicht mitbetroffen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 13. Juli 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Schuldner betrieb seit dem [X.] Garten- und Landschaftsbau als Einzelunternehmer. Sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück verschenkte er mit Urkunde vom 22. April 1996 an seine beiden Kinder, die Beklagten. Sie wurden am 10. Oktober des Jahres als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte in das Grundbuch eingetragen. Im Mai 1998 wurde über das Vermögen des Schuldners das [X.] eröffnet, im Dezember 2003 nach Verteilung des Erlöses eingestellt. Am 13. Juni 2005 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen des Schuldners auf seinen Antrag das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser focht die Grundstücksübertragung gegenüber den Kindern des Schuldners an und verlangt von ihnen, die schenkweise erhaltenen Grundstücksbruchteile der Masse zurückzugewähren, gegenüber dem zweitbeklagten [X.] unter Lastenfreimachung seines Teils.

2

Das [X.] hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat die Klage auf ihre Berufung abgewiesen und die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet, der Rechtsstreit in der Sache selbst aber noch nicht spruchreif.

I.

4

Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die allein noch mögliche Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 [X.] scheitere daran, dass die zweijährige Ausschlussfrist für die Anfechtung in dem [X.] verstrichen gewesen sei und der Ausschluss in einem nachfolgenden Insolvenzverfahren fortwirke.

II.

5

In § 10 Abs. 2 [X.] ist bestimmt, dass die Anfechtung nur innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung der Gesamtvollstreckung erfolgen kann. Die weite Auslegung dieser Vorschrift durch das Berufungsgericht hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Eine ähnliche Ausschlussfrist von einem Jahr enthielt bereits § 41 Abs. 1 Satz 1 KO, während der Gesetzgeber die Ausübungsfrist des § 146 Abs. 1 [X.] in Anlehnung an § 34 KO in der Fassung von 1877 wieder verjährungsrechtlich ausgestaltet hat. Auf diese Unterschiede kommt es allerdings im vorliegenden Zusammenhang nicht an.

6

1. Schon für die Ausschlussfrist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO war anerkannt, dass sie dem Gegner in der nachfolgenden Gläubigeranfechtung keine Einrede gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1879 gewährte ([X.], 90, 92 ff; Jaeger, Anfechtungsgesetz, 2. Aufl., § 13 [X.]. 28 [X.]). Das [X.] meinte, die Anfechtungsrechte der Gläubiger seien nur während der Dauer des Konkurses vom Anfechtungsrecht des Verwalters überlagert (vgl. jetzt § 16 Abs. 1 [X.]). Für die Gläubigeranfechtung enthalte § 12 [X.] 1879 eigene Ausschlussfristen; das Anfechtungsrecht der Gläubiger könne mithin durch Versäumung der in § 41 KO bestimmten Ausschlussfrist für den Konkursverwalter nicht mitbetroffen sein. Der Zweck der kurzen Ausschlussfrist, für die Beteiligten der anfechtbaren Rechtshandlung Klarheit zu schaffen und sie nicht in langjähriger Ungewissheit über ihren Bestand zu lassen, trete dahinter zurück (vgl. [X.], aaO).

7

Dieses Verständnis der Ausschlussfrist in ihrem [X.] hat heute Gültigkeit für § 18 Abs. 1 [X.], der gegenüber § 13 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1879 insoweit unverändert ist. Deshalb kann sich der [X.] nicht gegenüber den Gläubigern auf Verjährung berufen, wenn diese für das Recht des Insolvenzverwalters nach § 146 Abs. 1 [X.] eingetreten ist (Kirchhof, MünchKomm-[X.], § 18 Rn. 20 bei [X.]. 41; [X.], [X.] 10. Aufl., § 18 Rn. 13 [X.]; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], § 18 [X.] Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], § 18 Rn. 11; Hk-ZV/[X.], 2. Aufl., § 18 [X.] Rn. 11); es kommt nur auf den Lauf der in den §§ 3, 4 und 6 [X.] bestimmten Fristen an. Die Rechte des Gläubigers nach dem Anfechtungsgesetz kennen keine § 146 Abs. 1 [X.] ähnliche besondere Verjährung. Denn es gibt kein Verfahren, welches eine solche [X.] oder anderweitige Ausübungsfrist in Lauf setzen könnte. Allerdings beginnt nach Entstehung des Anspruchs die allgemeine Verjährung gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

8

2. Nicht in vergleichbarer Weise wie für die Gläubigeranfechtung erörtert wird, ob das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters in einem Zweitverfahren mit seiner Entstehung ausgeschlossen oder verjährt sein kann, weil der Verwalter im Erstverfahren sein Anfechtungsrecht nicht innerhalb der in § 41 Abs. 1 Satz 1 KO, § 10 Abs. 2 [X.] oder § 146 Abs. 1 [X.] bestimmten Fristen ausgeübt hat. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass diese Frage noch nicht durch das Urteil des [X.] vom 16. November 2006 ([X.], [X.], 33 Rn. 11 f) entschieden ist, wonach Art. 106 EG[X.] nicht besage, dass Rechtshandlungen vor dem 1. Januar 1999 auch in später eröffneten Verfahren stets nur unter Beachtung der Ausschlussfristen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 KO, § 10 Abs. 2 [X.] angefochten werden könnten. Die Rechtsfrage kann aber für den Verwalter eines Zweitverfahrens nicht anders beantwortet werden als für einen Gläubiger, der sein Anfechtungsrecht nach Beendigung des Konkurs-, Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens gemäß § 18 Abs. 1 [X.] verfolgt. Der verfahrensrechtliche Bezug des anfechtungsrechtlichen [X.]s auf den jeweiligen Eröffnungsbeschluss ist hier sogar noch stärker, weil eine die Einwendungen des Gegners gegen den Verwalter auf die anfechtenden Gläubiger erstreckende Vorschrift entsprechend § 18 Abs. 1 [X.] in der [X.] fehlt. Sie ist auch nicht überflüssig; denn eine Identität der Anfechtungsrechte besteht nicht. Der Anspruch auf Rückgewähr nach § 143 [X.] hat schon wegen der Verschiedenheit der Massen und der Insolvenzgläubiger im Erst- und Zweitverfahren subjektiv nicht denselben Inhalt. Nur wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vom Erstverfahren bis zur Eröffnung des Zweitverfahrens fortdauerte, könnten die Anfechtungsrechte der Verwalter im Einzelfall objektiv die gleiche Grundlage haben, ähnlich wie die Insolvenzanfechtung im Verhältnis zur Gläubigeranfechtung gemäß § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1 [X.]. Das könnte in solchen Fällen rechtfertigen, analog § 18 Abs. 1 [X.] Einwendungen des [X.]s aus dem Erstverfahren gegen den Verwalter im Zweitverfahren zu erstrecken. Diese Frage kann hier offen bleiben, weil die verstrichene Ausschlussfrist - wie bereits ausgeführt - keine Einrede im Sinne dieser Vorschrift begründet. Die Ausschluss- und Verjährungsfristen der § 41 Abs. 1 Satz 1 KO, § 10 Abs. 2 [X.] und § 146 Abs. 1 [X.] aF wurden mit der Entstehung des [X.]s zur Masse durch Eröffnung des Verfahrens in Lauf gesetzt. Die Wirkung eines Fristablaufs beschränkt sich deshalb auf das Verfahren, in dem der [X.] entstanden ist. Andere Verfahren sind in diesem Zusammenhang ohne Belang.

9

3. Das Berufungsurteil kann damit keinen Bestand haben; es ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben.

III.

Eine Entscheidung in der Sache selbst ist derzeit noch nicht möglich, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, zu den Voraussetzungen des auf Art. 104 EG[X.], § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 2 [X.] gestützten Anspruchs keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Diese Prüfung wird im zweiten Berufungsdurchgang nachzuholen sein. § 133 Abs. 1 [X.] findet, wie das [X.] zutreffend angenommen hat, neben § 134 [X.] Anwendung ([X.], Urteil vom 6. Dezember 2012 - [X.], [X.], 174 Rn. 47).

Vill                        Raebel                          Gehrlein

            Grupp                        [X.]

Meta

IX ZR 268/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 13. Juli 2011, Az: 7 U 164/10

§ 41 Abs 1 KO, § 10 Abs 2 GesO, § 146 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Az. IX ZR 268/12 (REWIS RS 2013, 6741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6741

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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