Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.09.2018, Az. III B 74/17

3. Senat | REWIS RS 2018, 4212

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Gegenstand

Altersentlastungsbetrag - Verstoß gegen Europarecht - grundsätzliche Bedeutung


Leitsatz

NV: Die Frage der Europarechtswidrigkeit des § 24a EStG ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, denn es ist durch den EuGH bereits geklärt, dass die Besteuerung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt (EuGH-Urteil C vom 2. Juni 2016 C-122/15, ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 27) und daher auch Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU nicht anwendbar ist (EuGH-Urteil vom 2. Juni 2016 C-122/15, ABlEU 2016, Nr. C 287, 11, Rz 30) .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 9. Juni 2017 15 K 1781/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der im November 1983 geborene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Finanzbeamter. Er wurde mit Bescheid vom 17. Juni 2016 durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) ohne Berücksichtigung des [X.] gemäß § 24a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Sprungklage als unbegründet ab. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger erfüllte nicht die Altersvoraussetzungen i.S. des § 24a Satz 3 EStG; die Regelung in § 24a EStG verstoße auch nicht gegen das [X.], gegen Europarecht oder gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

3

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und Verstoß gegen das Recht auf [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Entscheidungsgründe

II.

4

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O). Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

5

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

6

Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärungsfähig ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist oder weshalb sie einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Senatsbeschluss vom 21. Juni 2016 III B 95/15, [X.], 1575, Rz 8, m.w.N.).

7

Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des [X.] und der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.]) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (z.B. Senatsbeschlüsse in [X.], 1575, Rz 8, m.w.N.; vom 4. Januar 2005 III B 1/04, [X.]/NV 2005, 1080, Rz 5).

8

Macht der Beschwerdeführer geltend, eine Norm verstoße gegen das Recht der [X.], so genügt es nicht, dies mit allgemeinen Wendungen zu behaupten, vielmehr bedarf es einer substantiierten, an den Vorgaben des Unionsrechts sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) und des [X.] orientierten Auseinandersetzung (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2008 III B 156/07, [X.]/NV 2009, 580, unter [X.], m.w.N.).

9

a) Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht durch den Verweis darauf dargelegt, dass der [X.] mit Beschluss vom 31. Januar 2017 III B 55/16 ([X.]/NV 2017, 609) die Beschwerde mit vergleichbarer Rechtsfrage wegen fehlender Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung verworfen hat und nicht wegen Fehlens der grundsätzlichen Bedeutung.

b) Soweit der Kläger die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob "§ 24a EStG gegen Art. 3 [X.] [...] und damit gegen höherrangiges Recht [verstößt], da die darin geregelte Entlastung nur Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Alter gewährt wird", fehlt es sowohl an der Klärungsbedürftigkeit, als auch an der Klärungsfähigkeit.

aa) § 24a EStG wurde mit Inkrafttreten des [X.] von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom 5. Juli 2004 ([X.], 1427) mit Wirkung ab dem Jahr 2005 neu gestaltet. Dabei verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Vorgaben des [X.] aufnehmend (vgl. [X.]-Urteil vom 6. März 2002  2 BvL 17/99, [X.]E 105, 73, [X.] 2002, 618), die bestehenden altersspezifischen Vergünstigungen gleichmäßig abzubauen (vgl. BTDrucks 15/2150, S. 25).

bb) Der Kläger erläutert nicht, weshalb eine --seiner Auffassung nach [X.] Ungleichbehandlung während des Übergangszeitraums des § 24a Satz 5 EStG den weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überschreitet. Dieser hat bei der Umgestaltung komplexer [X.] einen weiten Gestaltungsspielraum ([X.]-Beschluss vom 29. September 2015  2 BvR 2683/11, [X.] 2016, 310, Rz 32, m.w.N.) und hat sich an der Notwendigkeit einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen zu orientieren ([X.]-Beschluss in [X.]E 105, 73, [X.] 2002, 618, Rz 224). Der Kläger setzt sich auch nicht hinreichend damit auseinander, dass nach der Rechtsprechung des [X.] eine Ungleichbehandlung während einer Übergangsregelung als verfassungsrechtlich zulässig hinzunehmen wäre (vgl. [X.]-Beschluss vom 14. Juni 2016  2 BvR 323/10, [X.], 1421, Rz 90, zu § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG; so auch [X.]-Urteil vom 19. Januar 2010 [X.], [X.]E 228, 223, [X.] 2011, 567, zu § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 3 und 4 EStG). Denn es ist unvermeidlich, dass während des Übergangszeitraums auch Nachteile fortdauern, die bereits mit der früheren (teilweise) vorgelagerten Besteuerung der Alterseinkünfte verbunden waren ([X.]-Beschluss in [X.], 1421, Rz 76). Dem steht auch das Prinzip der [X.] nicht entgegen (vgl. [X.]-Urteil vom 9. Dezember 2009 [X.], [X.]E 227, 165, [X.] 2010, 348, Rz 97, und nachgehend [X.]-Beschluss in [X.], 1421).

Es erfolgt auch keine Auseinandersetzung mit kontroversen Äußerungen im Fachschrifttum zur streitgegenständlichen Norm, die eine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage aufzeigen würden. Die Darlegung des [X.] beschränkt sich im Wesentlichen auf die Behauptung einer vermeintlichen Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung.

c) Auch soweit der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob "§ 24a [...] gegen die Richtlinie 2000/78/[X.] und damit gegen höherrangiges Recht [verstößt], da die darin geregelte Entlastung nur Steuerpflichtigen ab einem bestimmten Alter gewährt wird", ist dazu nichts dargetan. Denn es fehlt an einer substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung mit Blick auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung. So ist durch den [X.] bereits geklärt, dass die Besteuerung nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie des Rates 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ([X.] --ABl[X.]-- Nr. L 303/16 vom 2. Dezember 2000) fällt ([X.]-Urteil [X.] vom 2. Juni 2016 [X.]-122/15, [X.] 2016, Nr. [X.] 287, 11, Rz 27; so auch bereits Senatsurteil vom 19. Oktober 2006 III R 29/06, [X.]/NV 2007, 663, Rz 34) und daher auch Art. 21 Abs. 1 der [X.]harta der Grundrechte der EU ([X.]harta) nicht anwendbar ist, da diese gemäß Art. 51 Abs. 1 der [X.]harta nur bei der Durchführung des Rechts der Union gilt ([X.]-Urteil in [X.] 2016, Nr. [X.] 287, 11, Rz 30; so auch bereits Senatsurteil in [X.]/NV 2007, 663, Rz 37).

2. Schließlich greift auch die Rüge, das [X.] habe das Recht des [X.] auf [X.] verletzt, weil es den [X.] habe anrufen müssen, nicht durch. Denn erstinstanzliche Gerichte sind nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2014 III B 89/13, [X.]/NV 2014, 521, Rz 8, m.w.N.).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 74/17

03.09.2018

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 9. Juni 2017, Az: 15 K 1781/16, Urteil

§ 24a S 3 EStG 2009, § 24a S 5 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG, EGRL 78/2000, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, EStG VZ 2011, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 267 AEUV, Art 103 Abs 1 GG, Art 21 Abs 1 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.09.2018, Az. III B 74/17 (REWIS RS 2018, 4212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4212

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