Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2008, Az. II ZB 4/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 4763

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[X.] vom 31. März 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 69, 233 [X.], 515, 517 a) Hat die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage eines GmbH-Gesellschafters in erster Instanz Erfolg, kann ein anderer Gesellschafter selbst dann dem Rechtsstreit auf der Seite der Gesellschaft beitreten und Berufung einlegen, wenn die Gesell-schaft auf Rechtsmittel verzichtet hat. b) Die Berufungsfrist beginnt für den GmbH-Gesellschafter, der im ersten Rechtszug nicht beigetreten ist, mit der Zustellung des Urteils an die Gesellschaft ([X.] an [X.]. [X.]. v. 8. November 2004 - [X.], [X.], 45; v. 21. April 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 865). c) Dem nicht beigetretenen und über das Verfahren nicht informierten Gesellschafter kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-fungsfrist gewährt werden (Abgrenzung zu [X.], [X.]. v. 4. Oktober 1990 - [X.], NJW 1991, 229). [X.], [X.]uss vom 31. März 2008 - [X.]/07 - [X.] [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 31. März 2008 durch [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Streithelfers wird der [X.]uss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 3. Januar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Streitwert: 100.000,00 • Gründe: [X.] Der dem Rechtsstreit erst in zweiter Instanz beigetretene Streithelfer wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht seine Berufung wegen [X.] der Berufungsfrist verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung zurückgewiesen hat, er sei verspätet dem Rechtsstreit beigetreten. 1 Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH und will mit der Klage [X.]üsse der Gesellschafterversammlung vom 11. April 2006 für nichtig er-klären lassen. Die Beklagte hat den [X.] im schriftlichen Vorverfah-ren anerkannt. Das [X.] ist ihr am 16. Juni 2006 zugestellt [X.]. Am selben Tag hat sie einen Rechtsmittelverzicht erklärt. 2 - 3 - Mit seinem am 31. Juli 2006 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz ist der Streithelfer, ein anderer Gesellschafter der [X.], auf Seiten der [X.] beigetreten, hat Berufung eingelegt und wegen Versäu-mung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat vorgetragen, er habe erstmals am 24. Juli 2006 von der Anfechtungsklage Kenntnis erlangt. Der Kläger habe in [X.] Zusammenwirken mit einem Geschäftsführer der [X.] ohne Information der weiteren Gesellschafter das [X.] erwirkt. 3 Das Berufungsgericht hat die Berufung des Streithelfers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu-rückgewiesen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Streithelfers. 4 I[X.] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. 5 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. 6 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des an-gefochtenen [X.]usses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Der Streithelfer hat zwar die Beru-fungsfrist versäumt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausgeschlossen. 7 a) Die Berufung ist trotz des von der [X.] erklärten Rechtsmittel-verzichts zulässig. Der [X.] ist Gesellschafter der beklagten GmbH und als Nebenintervenient wie ein notwendiger Streitgenosse zu behandeln. Der Gesellschafter kann im [X.] als [X.] [X.] - 4 - benintervenient nach § 69 ZPO beitreten, weil das ergehende Urteil auch ihm gegenüber wirkt ([X.].[X.]. v. 23. April 2007 - [X.], [X.], 1528 [X.]. 9; [X.].Urt. v. 30. April 2001 - [X.]/00, [X.], 1734; [X.].Urt. v. 12. Juli 1993 - [X.], [X.], 1228). Er kann einem von der Gesell-schaft erklärten Anerkenntnis widersprechen ([X.].[X.]. v. 21. April 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 865; [X.].Urt. v. 12. Juli 1993 - [X.], [X.], 1228) und ein Rechtsmittel selbständig auch nach einem Rechtsmit-telverzicht der [X.] einlegen. Als Streitgenosse der [X.] ist er befugt, auch gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten [X.] vorzubringen und Prozesshandlungen vorzunehmen ([X.].Urt. v. 30. April 2001 - [X.]/00, [X.], 1734). b) Der Streithelfer hat die Berufungsfrist versäumt. 9 Die Berufungsfrist beginnt für den Streithelfer, der im ersten Rechtszug nicht beigetreten ist, mit der Zustellung des Urteils an die [X.] ([X.].[X.]. v. 8. November 2004 - [X.], [X.], 45; [X.].[X.]. v. 21. April 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 865). Sie beginnt nicht erst mit der Zustellung an den Streithelfer oder (§ 517 2. Halbs. ZPO) fünf Monate nach der Verkündung des Urteils. 10 Entgegen der Meinung des Streithelfers musste das erstinstanzliche Ur-teil nicht allen Gesellschaftern als möglichen Nebenintervenienten zugestellt werden. Eine Pflicht, die Klage oder eine Entscheidung an beteiligte Dritte, die einen Anspruch auf rechtliches Gehör im Prozess haben, zuzustellen, wird nur für den Sonderfall einer Kindschaftssache bejaht, in dem eine Beiladungspflicht nach § 640 e Abs. 1 ZPO besteht ([X.] 89, 121, 125). Im [X.] eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft ist keine förmliche Beiladung vor-geschrieben. Auch der Anspruch der nicht beteiligten Gesellschafter auf [X.] - 5 - ches Gehör und auf ein faires Verfahren zwingt nicht dazu, alle Gesellschafter, die nicht selbst klagen, durch Beiladung oder - im Falle einer Versäumung der Beiladung - durch Zustellung des erstinstanzlichen Urteils über das Verfahren zu informieren und ihnen so die Möglichkeit einer Beteiligung zu geben. Das Gericht kann vielmehr davon ausgehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH seiner Pflicht nachkommt, die Gesellschafter, die den angefochtenen [X.]uss gefasst haben, über das Verfahren zu informieren ([X.] 97, 28, 32). Mangels anderer Anknüpfungspunkte beginnt der Lauf der Berufungsfrist für den Streithelfer nach § 517 ZPO mit der Zustellung an die [X.]. Dass der Streithelfer dem Verfahren in erster Instanz nicht beigetreten ist, führt nicht dazu, dass gar keine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird. Ließe man nicht auch für den Beitritt des Nebenintervenienten durch Einlegung der Berufung die Berufungsfrist nach § 517 ZPO gelten, wäre der aus Nachlässigkeit in erster Instanz nicht beigetretene Nebenintervenient besser gestellt als der Nebenin-tervenient, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren beigetreten war ([X.].[X.]. v. 21. April 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 865 unter II 2 a). 12 Der Streithelfer hat diese Frist versäumt. Seine Berufung ging erst am 31. Juli 2006 und damit später als einen Monat nach der am 16. Juni 2007 be-wirkten Zustellung an die Beklagte beim Berufungsgericht ein. 13 c) Dem Streithelfer ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er glaubhaft machen kann, dass er erstmals am 24. Juli 2006 von der Anfechtungsklage erfahren hat. Dem nicht beigetretenen und über das Verfahren nicht informierten Gesellschafter kann Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligt werden, wenn er die Rechtsmittelfrist ohne sein Verschulden versäumt hat (offen gelassen 14 - 6 - [X.].[X.]. v. 8. November 2004 - [X.], [X.], 45 unter II 1; v. 21. April 1997 - [X.], NJW-RR 1997, 865 unter [X.]). 15 Der Ablauf der Berufungsfrist im Verhältnis zur [X.] steht der Wiedereinsetzung und dem Beitritt nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des [X.]ats gilt der Grundsatz, dass es sich auch bei eigenständiger [X.] durch [X.] und Streithelfer nur um ein einheitliches Rechtsmittel handelt, nicht bei der streitgenössischen [X.] nach § 69 ZPO, bei der der Streithelfer unabhängig von der [X.] Rechtsmittel einlegen kann ([X.].Urt. vom 30. April 2001 - [X.]/00, [X.], 1734). Wegen dieser Eigenständigkeit des Rechtsmittels kommt es bei der [X.] [X.] - im Gegensatz zur einfachen Streithilfe ([X.], [X.]. v. 4. Oktober 1990 - [X.], NJW 1991, 229) - für die Wiederein-setzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist auf das Versäumnis des Streithelfers und nicht auf dasjenige der [X.] an ([X.]/[X.] 3. Aufl. § 69 Rdn. 14; [X.] in [X.], ZPO 23. Aufl. § 69 Rdn. 10; [X.]/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 69 Rdn. 7). Der streitgenössische Nebenintervenient steht für den Prozessbetrieb nach § 69 ZPO einem Streitgenossen gleich. Für Streitgenossen gelten jeweils eigene [X.]. Hinsichtlich des Beginns der Rechtsmittelfrist für den in [X.] Instanz nicht beigetretenen Streithelfer ist zwar an den Zeitpunkt der Zustel-lung an die [X.] anzuknüpfen, weil nicht auch an ihn zugestellt wurde. Jedoch beginnt damit eine eigene, von der [X.] unabhängige [X.]. Wenn der Streithelfer diese Rechtsmittelfrist versäumt, kann er auch aus eigenem Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage bei der streitgenössischen von der einfachen [X.], bei der der Streithelfer die im Verhältnis zur [X.] eingetretene Rechtskraft gegen sich gelten lassen muss, weil er nur das Ver-säumnis der [X.] geltend machen kann und eine Wiedereinsetzung in - 7 - den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beitrittsfrist nicht möglich ist ([X.], [X.]. v. 4. Oktober 1990 - [X.], NJW 1991, 229). 16 Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der Versäumung der Rechtsmittelfrist durch die [X.] besteht bei der streitgenössischen [X.] auch ein Bedürfnis. Die rechtskräftige Entscheidung des [X.] wirkt auch ohne Kenntnis des Streithelfers vom Verfahren un-mittelbar auf sein Rechtsverhältnis, § 69 ZPO. Gegenüber dem nicht beigetre-tenen Gesellschafter treten diese Wirkungen selbst dann ein, wenn - wie dies hier der [X.] behauptet - ein Gesellschafter und ein Geschäftsfüh-rer der [X.] zum Nachteil der übrigen Gesellschafter [X.] und den [X.] in ihrem Sinn ohne Information der übrigen Gesellschafter beenden. Mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch des übergangenen Gesellschafters, auf das Verfahren Einfluss nehmen zu können (vgl. [X.] 60, 7, 14), ist es nicht vereinbar, ihn an die durch ein in hohem Maße pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers und seines Mitgesell-schafters geschaffene Prozesslage zu binden und ohne Rechtsbehelf zu [X.]. d) Das Verfahren ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgericht hat sich noch nicht damit befasst, ob der Streithelfer mit der Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er erstmals am 24. Juli 2006 von der Anfechtungs-klage erfahren hat. Der Kläger hat u.a. vorgetragen, dass der [X.] - 8 - der [X.] dem Streithelfer bereits bei einem Gespräch zwischen dem 24. Mai 2006 und dem 26. Mai 2006 mitgeteilt habe, dass der Kläger Nichtig-keitsklage gegen die GmbH erhoben habe. [X.]Kurzwelly Strohn

Reichart Drescher Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.06.2006 - 3 O 505/06 - [X.], Entscheidung vom 03.01.2007 - 6 [X.]/06 -

Meta

II ZB 4/07

31.03.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.03.2008, Az. II ZB 4/07 (REWIS RS 2008, 4763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4763

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