Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.03.2023, Az. B 12 BA 21/22 B

12. Senat | REWIS RS 2023, 4640

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 17. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17 419,42 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen die nach einer Betriebsprüfung geltend gemachte Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen iHv 17 419,42 Euro anlässlich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) als Gesellschafter-Geschäftsführerin.

2

An der klagenden GmbH hält die Beigeladene [X.] der Geschäftsanteile. Neben dem weiteren Gesellschafter ist sie zugleich auch Geschäftsführerin der Klägerin. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte [X.] die Versicherungspflicht der Beigeladenen aufgrund Beschäftigung fest und forderte Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach (Bescheide vom [X.] und [X.], Widerspruchsbescheid vom 22.5.2019).

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.3.2021). Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beigeladene habe als Minderheits-Gesellschafterin-Geschäftsführerin nicht über eine hinreichende gesellschaftsrechtlich relevante Rechtsmacht verfügt. Ein zeitlich befristetes Vetorecht sei nur in Darlehensverträgen, nicht aber im Gesellschaftsvertrag geregelt gewesen. Auf die faktischen Verhältnisse bei der Unternehmensführung komme es nicht entscheidend an (Urteil vom 17.5.2022).

4

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.].

5

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]G in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 [X.]G als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht hinreichend bezeichnet.

6

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen [X.] s exemplarisch B[X.] Beschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4 und B[X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4, jeweils mwN; Meßling in [X.]/[X.]/[X.]/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, [X.], [X.] ff). Nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.]G und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines [X.] auf eine Verletzung des § 103 [X.]G (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des L[X.] (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 21/07 B - juris Rd[X.] 18 mwN; B[X.] Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - [X.] [X.] 79 zu § 162 [X.]G; B[X.] Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - [X.] 1500 § 160 [X.]3). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das B[X.] allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des L[X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Diesen Anforderungen an die Bezeichnung eines entscheidungserheblichen [X.] genügt die Beschwerdebegründung nicht.

7

1. In der Beschwerdebegründung vom [X.] behauptet die Klägerin einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, indem das L[X.] nicht das persönliche Erscheinen der Beigeladenen angeordnet habe. Sie legt aber nicht hinreichend dar, inwieweit der Anspruch eines Beteiligten (§ 69 [X.]G) auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 [X.]G) die mündliche Anhörung eines anderen Beteiligten gebieten soll. Das Gericht ist nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen (etwa durch Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Übernahme der Fahrkosten), dass jeder Beteiligte auch persönlich vor dem Gericht auftreten kann (vgl B[X.] Beschluss vom 17.10.2008 - [X.] R 341/08 B - juris Rd[X.] 7 mwN). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Reduzierung des bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens bestehenden Ermessens begründen könnten (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 111 Rd[X.] 2b), bezeichnet die Klägerin nicht. Sie macht lediglich geltend, die Beigeladene hätte zu den faktischen Verhältnissen Auskünfte geben können. Dabei zeigt sie jedoch nicht hinreichend deren Entscheidungsrelevanz auf (dazu unter 3.).

8

2. Soweit die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 103 [X.]G (Amtsermittlungspflicht) geltend machen will, legt sie nicht dar, in der abschließenden mündlichen Verhandlung einen nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G erforderlichen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag aufrecht erhalten oder gestellt zu haben, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte (vgl B[X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 18.12.2000 - [X.] U 336/00 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]1 S 51 f; B[X.] Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 20 S 32 f). Der im schriftlichen Verfahren gestellte Antrag, das persönliche Erscheinen der Beigeladenen anzuordnen, genügt insoweit nicht.

9

3. Unabhängig hiervon legt die Klägerin auch nicht hinreichend dar, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem von ihr behaupteten Verfahrensfehler einer fehlenden Anhörung der Beigeladenen überhaupt beruhen kann. Unter Berücksichtigung der vom L[X.] in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren Gewichtung hätte die Klägerin darlegen müssen, dass sich durch Anhörung der Beigeladenen die Gesamtabwägung des L[X.] so verschoben hätte, dass eine Beschäftigung der Beigeladenen nicht mehr hätte angenommen werden können.

4. Mit ihrer Behauptung, das Protokoll sei "absolut unzureichend" und ein "eigentlich nicht als Protokoll zu bezeichnende[s] Exzerpt über die Niederschrift der mündlichen Verhandlung", bezeichnet die Klägerin ebenfalls keinen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise. Sie befasst sich nicht mit den entsprechenden Verfahrensvorschriften, insbesondere hinsichtlich des (notwendigen) Inhalts eines Protokolls (§ 122 [X.]G iVm §§ 159 bis 165 ZPO).

5. Soweit die Klägerin insgesamt der Auffassung ist, das L[X.] habe materiell zu Unrecht Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Beigeladenen angenommen, kann dies nicht zum Erfolg ihres Rechtsmittels führen. Die Behauptung, die Entscheidung des [X.] sei inhaltlich unrichtig, vermag im sozialgerichtlichen Verfahren nicht die Zulassung der Revision zu rechtfertigen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.] 18).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das L[X.].

Heinz 

Waßer 

Beck   

Meta

B 12 BA 21/22 B

28.03.2023

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BA

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 16. März 2021, Az: S 12 BA 2587/19, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.03.2023, Az. B 12 BA 21/22 B (REWIS RS 2023, 4640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4640

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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