Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. 5 StR 18/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 7058

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : ja [X.] : ja StGB §§ 222, 227 Zur Verantwortlichkeit eines im Beweissicherungsdienst tätigen Arztes für tödlich verlaufenen [X.] gegen [X.]. [X.], Urteil vom 29. April 2010 - 5 StR 18/10

[X.] - 5 StR 18/10 [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 29. April 2010 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 27. und 29. April 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] Basdorf, [X.] [X.], [X.] [X.], [X.]in Dr. [X.], [X.] [X.]als beisitzende [X.], [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt S. als Verteidiger, Rechtsanwältin M. als Nebenklägervertreterin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - am 29. April 2010 für Recht erkannt: Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2008 mit den Fest-stellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurge-richtskammer des [X.] zurückverwiesen. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e 1 Das [X.] hat den Angeklagten von dem als fahrlässige Tötung angeklagten Vorwurf freigesprochen, am 27. Dezember 2004 im Rahmen einer polizeilich angeordneten [X.] von [X.]n durch sogenannten [X.] den Tod des 35 Jahre alten, des [X.] verdächtigen

[X.] verursacht zu haben. Die dagegen gerichteten Revisionen der Nebenkläger, der Mutter und des Bruders des Verstorbenen, haben Erfolg. 1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 2 a) Dem in [X.] bis 1991 als Arzt ausgebildeten Angeklagten wurde im Juni 1997 in [X.] die [X.] erteilt. Nach einer Tätigkeit am dortigen [X.] stellte ihn dessen Direktor

B. ab September 2000 bei dem von diesem auf eigene Rechnung selbständig 3 - 4 - betriebenen ärztlichen Beweissicherungsdienst an, für den er im März 2001 eine detaillierte Dienstanweisung erließ. Für einen zwölfstündigen Bereit-schaftsdienst erhielt der Angeklagte 100 DM brutto als Grundvergütung, zu-sätzlich Honorare für einzelne ärztliche Handlungen. Die ganz überwiegende Mehrheit aller in [X.] vorgenommenen [X.]en wurde von den Mitarbeitern des Beweissicherungsdienstes ohne Zwang und ohne Einsatz einer Magensonde durchgeführt. Das [X.] hat zugunsten des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten unterstellt, dass dieser am 27. Dezember 2004 erstmals einen solchen zwangsweisen Eingriff vorgenommen hat. 4 5 b) Die Polizeibeamten [X.]und [X.]

nahmen den unbestraften, aus [X.] stammenden [X.]
um 0.10 Uhr wegen des Verdachts des illegalen Kokainhandels vorläufig fest. Bevor [X.] auf Aufforderung der Polizeibeamten den Mund öffnete, sahen sie dessen deutliche Schluckbewe-gungen und gingen aufgrund kriminalistischer Erfahrung mit —Kleindealernfi von einem Verschlucken von [X.] aus. POK [X.]ordnete die sofortige [X.] der [X.] gemäß § 81a [X.] an. [X.]

verstand kaum deutsch, und auch in [X.] fand eine Ver-ständigung nur in rudimentärer Form unter Zuhilfenahme von Zeichenspra-che statt. Deshalb wurde [X.]
auch nicht strafprozessual belehrt. Der Angeklagte begann gegen 1.10 Uhr im Behandlungszimmer des [X.] mit der Vorbereitung der [X.]. Er gab [X.] zu verstehen, dass ihm [X.] und Wasser verabreicht werden solle, um verschluckte [X.] zu Tage zu fördern. [X.] brachte vehement zum Ausdruck, er habe keine Drogen genommen, was der Angeklagte in den [X.] eintrug. Die im Stehen durchgeführte körperliche Un-tersuchung unter Einsatz eines Stethoskops und eines [X.] dauerte fünf Minuten und erbrachte keine Auffälligkeiten der Atmung, des Kreislaufs und der Nervensysteme. [X.] erklärte sich zunächst bereit, 6 - 5 - Brechmittel und Wasser eigenständig einzunehmen, tat dies jedoch nicht, nachdem ihm ein Becher mit Brechmittel gereicht worden war. c) Der Angeklagte ging nunmehr entsprechend Ziffer 4 der von B. am 1. März 2001 verfassten Dienstanweisung vor, in der ver-merkt war: —[X.] sich der Beschuldigte, den Sirup zu trinken, ist ihm in sitzender Position eine nasogastrale Sonde zu legen. Die richtige Lage der Sonde im Magen wird durch die Aspiration von Mageninhalt sichergestellt. Die Applikation des Emetikums und des körperwarmen Wassers erfolgt mit-tels Spritze über die nasogastrale Sonde. Die Magensonde darf nur gelegt werden, wenn der Beschuldigte nicht durch heftige Gegenwehr ein sachge-rechtes ärztliches Vorgehen unmöglich macht. Der Arzt selbst übt keinerlei Zwang aus. Die [X.] darf erst nach sicherer Lage der Sonde im Magen erfolgenfi ([X.]). Ziel war die Herbeiführung eines [X.]s im Schwall. 7 8 Die Polizeibeamten fesselten [X.]

s Füße mit einem Kabelbinder und die Arme mit Handschellen auf den Rücken und setzten ihn auf den [X.], der in einem Winkel von 70 Grad hochgestellt war. Der Angeklagte brachte sein Messgerät zur Überwachung der Vitalwerte [X.], Blutdruck und [X.] an, legte eine [X.] und führte einen 70 cm langen Schlauch mit der Magensonde durch ein Nasenloch ein. [X.] suchte dies durch Kopfbewegungen zunächst zu ver-hindern, was der Polizeibeamte [X.]

durch Drücken des Kopfes gegen die Rückenlehne unterband. Der Angeklagte applizierte Brechmittel (Ipecacuanha-Sirup) durch eine Spritze in den Schlauch und anschließend sieben bis acht Spritzenfüllungen Leitungswasser, um das Erbrechen im Schwall zu provozieren. Der Brechreiz setzte gegen 1.30 Uhr ein. [X.] bemühte sich —nach Kräften, diesen zu unterdrücken, Erbrochenes im Mund zu behalten, wieder zu schlucken und nur das hochgewürgte Wasser durch die zusammengepressten Zähne aus-9 - 6 - treten zu lassen, was die Polizeibeamten als [X.] bezeichneten. Auf diese Weise gelang es [X.] zunächst, ein Austreten geschluckter Kokainkügel-chen zu verhindern, weil [X.] was ausweislich der Dienstanweisung ungewöhn-lich war und auch von dem Angeklagten so kommentiert wurde [X.] das [X.] bei ihm nicht ‡im Schwall™ auftrat. Erst nachdem [X.] bereits drei- bis viermal unter [X.] erbrochen hatte, wurde letztlich doch, vermutlich durch seine Zahnlücke im [X.] oben links, ein etwa haselnuss-großes Kokainkügelchen herausgespült und von [X.]gesichert. Auch nach Einsetzen des [X.] fuhr der Angeklagte damit fort, über die Sonde Wasser zuzuführen. Aus Gründen, die nicht haben festgestellt werden [X.], rutschte die etwa 70 cm lange Sonde dabei aus der Nase und musste mindestens einmal neu gelegt werden. – Nachdem [X.]

sich bei kontinu-ierlicher Wasserzufuhr durch den Angeklagten drei- oder viermal erbrochen hatte, erlahmte mit der [X.] sein Widerstand zusehends, er wurde augen-scheinlich apathischer, bis er schließlich [X.] ansprechbar™ wirkte und [X.] auf Ansprachen nicht mehr reagierte. Diese Zustandsveränderung allein löste allerdings zunächst bei dem Angeklagten noch keine erkennbare Beunruhigung aus und veranlasste ihn nicht dazu, die Wasserzufuhr zu be-endenfi ([X.] f.). Infolge [X.]s kontinuierlicher Bemühungen, Erbrochenes nicht nach Außen dringen zu lassen, und begünstigt durch die im [X.]ablauf abnehmen-de Vigilanz des Betroffenen trat im Zuge der sich bei Erbrechen und Wieder-verschlucken kreuzenden Flüssigkeiten Wasser in [X.]s Atemwege, die zu einer Verminderung der Lungenfunktion und einer Beeinträchtigung der Sau-erstoffversorgung des Organismus führte. Der Angeklagte und die [X.] waren der Meinung, dass [X.]

[X.] entsprechend früher beobachtetem Verhalten von anderen aus [X.] stammenden Betroffenen [X.] einen körperli-chen Zusammenbruch bzw. eine Bewusstlosigkeit nur simulieren würde, um einen Abbruch der Maßnahme zu erreichen. 10 - 7 - Gegen 1.50 Uhr, 20 Minuten nach Einsetzen des Erbrechens, ver-schlechterte sich der angezeigte [X.]; er wurde schließ-lich von dem Kontrollgerät nicht mehr angezeigt. Der Angeklagte nahm einen Gerätedefekt an und tauschte den [X.] aus. Das Gerät zeigte auch danach keinen [X.] an. [X.]

wirkte weiter nicht ansprechbar und atmete schwer. Aus seinem Mund und seiner Nase trat [X.] bei [X.] ungewöhnlich [X.] weißer Schaum aus. 11 d) Der Angeklagte reagierte auf Grund seiner Unerfahrenheit kopflos: Anstatt einen der anwesenden, über ein Telefon verfügenden Polizeibeamten damit zu beauftragen und ohne selbst Erst-Hilfe-Maßnahmen zu ergreifen, verließ er den Behandlungsraum, um von der Pforte des Gewahrsamstrakts aus den Notarzt zu alarmieren. Dies übernahm der vom Angeklagten [X.], der um 1.54 Uhr die Feuerwehr benachrichtigte. 12 13 Kurz nach 2.00 Uhr trafen die Rettungssanitäter [X.]. und [X.] ein. Sie fanden [X.] in unverändert sitzender Stellung an Händen und Füßen gefesselt mit nach vorn überhängendem Kopf vor. Der Angeklagte teilte ih-nen mit, —er habe im polizeilichen Auftrag zur Sicherung verschluckter [X.] bei dem als Drogenhändler verdächtigen [X.]

‡eine Magenspü-lung™ durchgeführt, die [X.] funktioniert™ habe. Dabei habe sich die [X.] verschlechtert und werde jetzt nicht mehr angezeigt, die übri-gen Vitalwerte seien normal. Auch nach dem Eindruck der Sanitäter wirkte [X.] [X.] ansprechbar™. Die Rettungssanitäter veranlassten, dass [X.] die Handfesseln abgenommen wurden, ließen die Rückenlehne in Liegeposi-tion absenken und brachten [X.] sodann in Rückenlage mit nach hinten überstrecktem Kopf, um seinen Kreislauf zu unterstützen und die Atmung zu erleichtern. Parallel dazu schlossen sie die mitgebrachte eigene Messappa-ratur an, ein Gerät, das ebenfalls über einen [X.] und an der Brust anzubringende Elektroden die Vitalwerte (pulsoxymetrische [X.], Blutdruck, Herzfrequenz, [X.]) misst und einschließlich des [X.] auf dem Monitor abbildet. Dabei stellte [X.] fest, dass [X.]s Hände sehr kalt - 8 - waren, womit sich für ihn auch in Kenntnis der Funktionsweise der Sätti-gungsmessung per Pulsoxymetrie zwanglos erklärte, warum der [X.] des Angeklagten nicht mehr hatte gemessen und angezeigt werden könnenfi ([X.] f.): Bei Engstellung der Gefäße der Finger beispielsweise infolge von Kälte oder bei vegetativ unter Schock ste-henden Patienten wird wegen der Zentralisierung des Blutkreislaufs kein Messwert angezeigt. Der Sanitäter [X.]

führte die Zustandsveränderung auf Atemprobleme zurück. Das Messgerät des Rettungswagens zeigte bis 2.06 Uhr eine Stabilisierung der Vitalparameter an. —Der Angeklagte erklärte auch dem Notarzt, dem Zeugen [X.] , dass er im polizeilichen Auftrage zum Auffinden von verschluckten [X.] bei einem mutmaßlichen Drogenhändler [X.][X.] habe und dass er den Notruf abgesetzt habe, weil die [X.] bedenklich abgefallen und plötzlich keine Anzeige der [X.] mehr vorhanden gewesen sei. Es habe sich mittlerweile aber gezeigt, dass wohl lediglich ein Gerätefehler vorgelegen habefi ([X.]). 14 Die Sanitäter berichteten dem Notarzt von den festgestellten steckna-delkopfgroßen Pupillen des [X.], die auf [X.] keine Veränderung zeigten. Sie bewerteten dies als Drogenintoxikation, was nach zutreffender Auffassung des Notarztes bei hier infrage stehendem Kokainkonsum nicht zutreffen konnte. 15 —Gegenstand der Erörterungen mit den Sanitätern und dem Angeklag-ten war außerdem die Bewertung der ‡Nichtansprechbarkeit™ [X.]s. Hierzu wurde von dem Angeklagten ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass [X.]™ bei [X.]en häufig einen solchen Zustand simu-lierten, sie würden sich häufig [X.] stellen™. Dass [X.] sich nur verstellt ha-ben könnte, entsprach allerdings nicht dem Eindruck des Notarztes, denn [X.] reagierte weiterhin nicht nur nicht auf Ansprache, sondern zeigte auch auf Schmerzreize, z. B. beim Legen eines Venenzugangs durch die [X.] - 9 - ter, nur geringfügige Reaktionen, er gab nur unverständliche Laute von sich, wirkte andererseits nach seinem Muskeltonus und dem Gesamteindruck we-der bewusstlos noch komatös, aber doch ‡eingetrübt[X.] ([X.]). e) Der Notarzt beendete seinen Einsatz. Er verneinte die Frage des Angeklagten, ob [X.] ins Krankenhaus müsse, und wies die Sanitäter an einzupacken. Der Angeklagte bat —unter Hinweis auf die mögliche Unzuver-lässigkeit seines Gerätes den Notarzt, noch dazubleiben, da er noch die ‡Magenspülung™ machen müsse und dies nicht ohne sicher funktionierendes Gerät machen wollte; die ‡Magenspülung™ werde etwa 20 Minuten dauernfi.

[X.]erklärte sich zum Bleiben bereit, —obwohl er keinen Hehl daraus machte, dass er der zwangsweisen [X.]smaßnahme ablehnend gegenüber stand und hiermit grundsätzlich nichts zu tun haben wolltefi ([X.]). Nach seinem Verständnis war seine Mitwirkung auf die technische Amtshilfe beschränkt, dass der Angeklagte das [X.] für 20 Minuten weiter nutzen konnte. [X.]

beabsichtigte nicht, eine irgendwie geartete ärztliche Mitverantwortung für die [X.] bzw. Fortsetzung der [X.] zu übernehmen. —Ohne eigene me-dizinische Auseinandersetzung mit möglichen Kontraindikationen nach § 81a [X.] und der Dienstanweisung, die ihm als Prüfungsmaßstab im Übrigen nicht bekannt waren, erhob der Notarzt deshalb auch keine Einwände bezüg-lich der erklärten Absicht des Angeklagten, bei [X.] eine weitere Magen-spülung vorzunehmen. Er beschränkte sich darauf, dem Angeklagten zu er-widern, dass er dies selbst entscheiden müsse. Dass mit einer solchen [X.]™ wegen der von ihm selbst konstatierten Bewusstseinseintrübung ein besonderes Aspirationsrisiko verbunden war, erkannte der Zeuge [X.]trotz seiner besonderen Qualifikation als Anästhesist und Notfall-mediziner auch deshalb nicht, weil der Angeklagte ihm nicht erklärte, wie er diese ‡Magenspülung™ zuvor durchgeführt hatte und weiter durchzuführen gedachte, so dass der Notarzt zunächst auch nicht erfuhr, dass das Prozede-re von der normalen Vorgehensweise bei medizinisch indizierten ‡Magenspü-17 - 10 - lungen™ im eigentlichen Sinne deutlich abwich und mit anders gearteten Risi-ken als eine normale Magenspülung verbunden [X.] ([X.]). Während der Notarzt, vom Geschehen abgewandt, seinen Einsatzbe-richt schrieb, nahm der Angeklagte zwischen 2.10 Uhr und 2.15 Uhr die Zwangsexkorporation ohne die erforderliche erneute körperliche Untersu-chung wieder auf. [X.] war nicht bewusstlos und versuchte wiederum, ein Erbrechen durch —[X.] zu verhindern. Seine mentale Reaktionsfähigkeit war eingeschränkt und sein Bewusstsein eingetrübt. Er hatte anfangs auch wieder Bemühungen entfaltet, die Einführung der Sonde unter anderem durch Kopfbewegungen zu verhindern. Der Zeuge [X.] hatte erneut den Kopf des Verdächtigen fixiert. Der Angeklagte hatte die Sonde durch die [X.] gelegt und begonnen, den Magen des [X.]

nach und nach so mit Was-ser zu überfüllen, dass ein weiterer Brechreiz ausgelöst würde. —Dabei wurde der Notarzt erstmals darauf aufmerksam, dass die vermeintliche ‡Magenspü-lung™ von dem Angeklagten in für ihn ungewöhnlicher Weise erfolgte. Ange-sichts der Wassermengen, die der Angeklagte sukzessive in den Schlauch füllte, ohne dieses sogleich wieder abzulassen, fragte er den Angeklagten, ob er denn nicht das Wasser auch wieder ablassen wolle. Der Angeklagte erklärte ihm daraufhin, dass im Gegenteil bei dieser Form der [X.] der Magen routinemäßig bis zum Einsetzen des Erbrechens mit Wasser auf-gefüllt werde. Dabei handele es sich für [X.]en um eine Standard-methode, die er schon häufig praktiziert habefi ([X.]). —Nachdem der [X.] in dieser zweiten Phase der [X.] ein erstes Erbrechen erreicht hatte, bei dem ein [zweites] Kügelchen gesichert wurde, vergewis-serte er sich noch mindestens einmal bei dem Notarzt, ob er weitermachen könne, was dieser mehr oder weniger achselzuckend, aber ohne Wider-spruch zu erheben, bejahte, zumal die abgesprochene Wartezeit von rund 20 Minuten noch nicht erreicht war. Dementsprechend setzte der Angeklagte die Prozedur des Eingebens von Wasser durch die Sonde fort und es kam auch zunächst zu einem weiteren Erbrechen, bei dem ein drittes Kügelchen gesichert wurde. Mit der [X.] ermattete [X.]

jedoch, er fiel erneut in [X.] - 11 - vität und Lethargie und zeigte schließlich keine Reaktionen mehr auf das Geschehen. Parallel dazu nahm auch der Brechreiz merklich ab und [X.] schließlich. Dies veranlasste den Angeklagten dazu, den Brechreiz durch eine mechanische Einwirkung im Rachenraum auslösen zu [X.] ([X.]). Hierzu bediente er sich zunächst der Kehrseite einer Pinzette, dann eines [X.], den der Rettungssanitäter [X.]. aus dem Rettungswagen geholt hatte. Bei einem hiermit ausgelösten weiteren Erbrechen wurde ein viertes Kügelchen nach Öffnen der zusammengepressten [X.]efer sicherge-stellt. Der [X.] war nicht durchgängig geprüft worden; zudem war dessen Anzeige wegen Zerbrechens des [X.]s ausge-fallen. Der akustische Alarm des Geräts war aus ungeklärten Gründen aus-geschaltet. Wenige Minuten später fiel [X.]

ins Koma, aus dem er nicht mehr gerettet werden konnte. 19 f) Er verstarb an —cerebraler Hypoxie als Folge von Ertrinken nach [X.] bei [X.] ([X.]) am 7. Januar 2005 in der [X.]. Eine nicht erkannte [X.] trug allenfalls zu einer Aggravierung und Beschleunigung des hypoxischen Ge-schehens bei. [X.] hatte insgesamt fünf Kügelchen Kokain zu einem [X.] von je 20 • verschluckt, ohne Kokain konsumiert zu haben. Die vier gesicherten Kügelchen wogen 402 mg und wiesen einen Wirkstoffanteil von 33 % aus. Das fünfte wurde während der Obduktion im Magen festgestellt. g) Das [X.] ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegan-gen, dass dieser hinsichtlich der Einbindung des Notarztes einem Missver-ständnis unterlag und er sich für den Fall der Fortsetzung der Maßnahme des ärztlichen Rückhalts des Notarztes versichert hatte. 20 h) [X.] ist von einem rechtmäßigen Eingriff gemäß § 81a Abs. 1 [X.] ausgegangen und hat zahlreiche Verstöße des Angeklagten gegen ihm obliegende ärztliche Sorgfaltspflichten festgestellt: Unzureichende Anamnese und Untersuchung zu Beginn der [X.], [X.] - 12 - sen von Spülwasser in die Atemwege [X.]

s, infolge vorurteilsgeleiteter und auf nicht ausreichender Gerätekunde beruhender [X.] der [X.] durch herabgesetzte Ventilationsfähig-keit der Lunge. Diese seien für den Tod aber genauso wenig ursächlich ge-wesen, wie die unangemessene Behandlung [X.]s infolge Missachtung einfachster Notfallmaßnahmen bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter. Das [X.] hat demgegenüber die Fortsetzung der [X.] wegen des damit einhergehenden erhöhten Aspirationsrisikos als den Tod verursa-chende Pflichtverletzung erachtet. Ein erfahrener Facharzt hätte dieses [X.] aufgrund des Geschehens in der ersten Phase der [X.] erkannt. Bei Zweifeln darüber, ob für die weitere [X.] mit Störungen, Be-wusstseinstrübungen und unsicheren Schutzreflexen zu rechnen war, hätte ein Arzt schon nach der Dienstanweisung die Maßnahme nicht fortsetzen dürfen. Er wäre vielmehr gehalten gewesen, das Vorliegen einer Kontraindi-kation zu attestieren. 22 Das [X.] hat die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des töd-lichen Erfolges für den Angeklagten verneint. Es habe davon ausgehen müs-sen, dass der Angeklagte mangels klinischer Ausbildung und Erfahrung mit derartigen Einsätzen überfordert gewesen sei und dass er es als ausrei-chende Vorkehrung habe ansehen können, sich der Einsatzbereitschaft des Notarztes und der Assistenz der Rettungssanitäter bei der Fortsetzung der [X.] zu vergewissern. Zum anderen sei die individuelle Vorherseh-barkeit und Vermeidbarkeit der Todesfolge auch dadurch wesentlich einge-schränkt gewesen, dass die kritische Situation sich schleichend entwickelt habe und dass der entscheidende Schritt zur tödlichen, nicht reversiblen ce-rebralen Hypoxie wegen der nicht bekannten [X.] innerhalb kürzester [X.] dann eingetreten sei. 2. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Nachprü-fung nicht stand. Dass der vom Angeklagten verantwortete und vollzogene [X.] nach objektiven Maßstäben aus derzeitiger [X.] im [X.] - 13 - schluss an [X.] NJW 2006, 3117 geläuterter [X.] Sicht eindeutig als Körper-verletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zu werten ist, stellt das Ergebnis noch nicht in Frage; insoweit ist ihm angesichts zur Tatzeit anerkannter Rechtsprechung (O[X.] NStZ-RR 2000, 270; [X.] 2001, 162) ein Erlaubnistatbestandsirrtum oder ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zuzubilli-gen. Im Übrigen muss es das Revisionsgericht zwar grundsätzlich hinneh-men, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich dar-auf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind ([X.] NStZ 2009, 401, 402). Dies ist auch der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, weil sie es unterlässt, alle in die Bewertung einzubeziehenden rechtlichen Maßstäbe zu beachten (vgl. [X.] NStZ 2006, 625, 627). Solches liegt hier vor. 24 Das [X.] hat die getroffenen Feststellungen nicht im Blick auf weitere wesentliche berufliche Sorgfaltspflichten des Angeklagten gewürdigt und ist im Hinblick auf den in Anspruch genommenen Vertrauensgrundsatz von einem unzutreffenden Maßstab aufgrund einer teils widersprüchlichen und nicht erschöpfenden Würdigung der festgestellten Umstände ausgegan-gen. a) Wie eingangs ausgeführt, liegt ein Verstoß gegen berufliche Sorg-faltspflichten noch nicht darin, dass es der Angeklagte unterlassen hat, die Zulässigkeit der von den Polizeibeamten unter Inanspruchnahme der [X.] gemäß § 81a Abs. 1 [X.] angeordneten [X.] unter Anwendung von Zwang entsprechend zahlreichen [X.]en im rechtswissenschaftlichen Schrifttum in Zweifel zu ziehen (vgl. [X.], [X.]. [2003] [X.]. 475; [X.] in [X.][X.], [X.]. [2003] § 81a [X.]. 52; [X.], [X.] 45. Aufl. [2001] § 81a [X.]. 22; 46. Aufl. [2003] § 81a [X.]. 22; 47. Aufl. [2004] § 81a [X.]. 22; Ha-ckethal [X.] 2001, 164, 165; Zaczyk [X.], 125 ff.; [X.]/[X.] NStZ 2002, 234, 236). 25 - 14 - Der Angeklagte war als die Zwangsmaßnahme ausführender Arzt zu einer verantwortlichen Prüfung der rechtlichen Eingriffsvoraussetzungen [X.] der Beurteilung der medizinischen Risiken allenfalls in dem Maße ver-pflichtet, als er an einer erkennbar willkürlich angeordneten [X.] nicht teilnehmen durfte (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] 1997, 277, 278). Diese Grenze wurde auch noch nicht allein dadurch überschritten, dass der Angeklagte nach Bergung der ersten Kokainkugel weiter gehandelt hat, obwohl nunmehr die Straftat des unerlaubten Handel-treibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG [X.] zu-mal bei Kenntnis der Polizeibeamten von der Anzahl der Schluckbewegun-gen des Verdächtigen [X.] [X.] aufgeklärt war; schon deshalb lagen die [X.] für eine weitere Inanspruchnahme der Eilkompetenz offen-sichtlich nicht mehr vor, und die Maßnahme war ab diesem [X.]punkt wegen leicht erkennbarer Unverhältnismäßigkeit unzulässig. Insoweit gilt freilich im Zusammenhang mit den weiteren eingetretenen Komplikationen [X.] (vgl. unten d). 26 b) Anders liegt es schon, soweit das [X.] [X.] in Konsequenz seiner Auffassung hinsichtlich einer aus Sicht des Angeklagten rechtlich zu-lässigen und im Grundsatz medizinisch risikofreien Zwangsmaßnahme (vgl. auch O[X.] NStZ-RR 2000, 270) [X.] den Angeklagten als nicht ver-pflichtet angesehen hat, den Betroffenen über medizinische Risiken der Zwangsexkorporation aufzuklären. Zwar sah solches die von dem Betreiber des ärztlichen Beweissicherungsdienstes erlassene und für den Angeklagten verbindliche Dienstanweisung nicht vor. Diese Anweisung regelte die [X.] des Angeklagten aber nicht abschließend. Die für die ärztliche Be-rufsausübung wesentliche Aufklärungspflicht (§ 8 [X.] für Ärztinnen und Ärzte des Landes [X.] vom 30. Juni 1997, [X.]. [X.]) ist auch von dem Arzt zu erfüllen, der eine Zwangsmaßnahme gemäß § 81a [X.] vorzunehmen hat ([X.] NJW 1968, 2277, 2278), falls der Betroffene hierdurch in die 27 - 15 - Lage versetzt wird, den hinzunehmenden Eingriff schonender zu gestalten. So lag es hier. Der Angeklagte ist nach den Feststellungen des [X.] von ei-nem Eingriff mit medizinischen Risiken ausgegangen. Nur mit einer solchen Wertung kann in Einklang gebracht werden, dass der Angeklagte dem Be-troffenen eine Venenverweilkanüle zur Infusion von Medikamenten legte, was die Annahme drohender Gesundheitsgefahren voraussetzte. Hinzu tritt, dass der Angeklagte in Erfüllung der ihm obliegenden Fortbildungspflicht (§ 4 [X.]; vgl. auch [X.]St 43, 306, 311) gehalten war, nach Erlass der Dienstan-weisung vom 1. März 2001 erschienene Expertisen zur Kenntnis zu nehmen, die eine [X.] unter Zwangsanwendung als medizinisch unbe-herrschbar bewertet hatten (vgl. das vom [X.] eingeholte und in dessen Urteil vom 8. Mai 2001 in [X.], 122, 123 f. dargestellte und zu-stimmend bewertete Sachverständigengutachten; Stellungnahme des [X.], zitiert bei [X.]/[X.] NStZ 2002, 234, 236, die in Fußnote 36 mit Nachweisen die gegenteilige Auffassung von Dr. [X.] und anderer in Kriminalistik 1997, 277, 282 als medizinische Mindermeinung bezeichnen; vgl. auch [X.] NJW 2006, 3117, 3118 zur Bewertung des medizinischen Risikos in [X.] ab 1996). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich [X.]

nach Kenntnisnahme medi-zinischer Risiken einer [X.] unter Zwang durch Vornahme freiwillig herbeigeführten Erbrechens entzogen hätte. Weder Verständigungsprobleme mit [X.] noch eine angenommene Eilsituation durften den Angeklagten veranlassen den Eingriff ohne die gebotene Aufklärung vorzunehmen (vgl. [X.] NJW 1968, 2277, 2278). 28 c) Das [X.] hat es insbesondere unterlassen, die Umstände des Eingriffs des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt eines Übernahme-verschuldens zu würdigen. Fahrlässig schuldhaftes Handeln kommt unter diesem Aspekt bei demjenigen Arzt in Betracht, der eine Tätigkeit vornimmt, obwohl er weiß (bewusste Fahrlässigkeit) oder erkennen kann (unbewusste 29 - 16 - Fahrlässigkeit), dass ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse fehlen ([X.]St 43, 306, 311; [X.] 1986, 248, 250; NJW 1979, 1258, 1259). Hierzu hat das [X.] zahlreiche Umstände festgestellt: Unzurei-chende Anamnese und Untersuchung zu Beginn der [X.], unzurei-chende [X.], fehlende Grundkenntnisse über die Behandlung ohnmächtiger Patienten, vorurteilsbedingtes Unterlassen der gebotenen Un-tersuchung vor Fortsetzung der [X.] (vgl. [X.]St 3, 91, 96) unter Vernachlässigung fast jeder Dokumentation. Hinzu treten die vom [X.] nicht gewürdigte fehlende Aufklärung und der Umstand der Vornahme einer Körperverletzung gegen Ende des Tatgeschehens durch Herbeiführung des [X.] mit Aspiration von Wasser mittels einer Pinzette und eines Spatels; der Angeklagte hat hierbei die aus seiner und der Sichtweise der Dienstanweisung bestehende Grenze für eine zulässige Gewaltanwendung überschritten. Bei der hiernach für erlaubt gehaltenen Methode der [X.] war lediglich Gewalt durch Fixierung des Betroffenen bei Einführung der Nasensonde bis zum Erbrechen erlaubt, aber keine darüber hinausge-hende Gewalteinwirkung zur Auslösung des [X.] auf andere Weise. Solches stellt eine [X.] durch § 81a [X.] nicht mehr gerechtfertigte [X.] Körper-verletzung dar (vgl. zum Vorliegen einer Körperverletzung [X.] NJW 1997, 2191, 2192 m.w.[X.]; vgl. auch [X.] NJW 2006, 3117, 3124). Diese war schon wegen fehlender Gewalt oder Drohung im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB von Seiten des [X.] auch nicht etwa durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt. 30 Die Anerkennung eines Übernahmeverschuldens beruht auf der be-sonderen Schutzpflicht des [X.] durch die [X.] nachgewiesen [X.] ausge-bildeten Arztes für das ihm anvertraute Rechtsgut, die Unversehrtheit der Gesundheit seiner Patienten. Einer solchen Pflicht unterliegt, weil er gemäß § 81a Abs. 1 [X.] die Regeln der ärztlichen Kunst einzuhalten hat, auch ein nach dieser Vorschrift handelnder Arzt. Hierdurch bestand auch für den [X.]n eine normativ begründete Eigenverantwortlichkeit für die [X.] - 17 - heit des vom Eingriff des Angeklagten betroffenen [X.] , die durch auch von [X.] zu verantwortende Überforderung des Angeklagten nicht beseitigt werden konnte. Das vom [X.] in den Vordergrund der Betrachtung gestellte Organisationsverschulden derjenigen, die den überforderten Ange-klagten auch mit der riskanten Zwangsexkorporation beauftragt hatten (vgl. hierzu [X.] zur grundlegend abweichenden Regelung in [X.]), [X.] dessen Verantwortlichkeit deshalb schon im Grundsatz nicht zu beseiti-gen. In dem für den Erfolg ebenfalls kausale pflichtwidrige Verhalten Dritter hat sich zudem gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Angeklagten als Täter verwirklicht, weshalb zwischen dem Angeklagten und den seinen Ein-satz organisierenden [X.] Nebentäterschaft gegeben ist (vgl. [X.] NStZ-RR 2008, 10, 12; [X.], StGB 57. Aufl. § 15 [X.]. 16c). 32 33 Nichts anderes gilt, soweit die Verteidigung aus der Pflichtenstellung des Notarztes und dessen [X.] freilich zum Teil widersprüchlichen und deshalb kaum als Grundlage für den Angeklagten günstige Schlussfolgerungen ge-eigneten [X.] Aussagen und Verhaltensweisen eine Pflicht des Notarztes abge-leitet hat, den Angeklagten anzuweisen, die weitere [X.] zu unter-lassen. Ein solches Versagen des Notarztes beseitigte die Schutzpflicht des Angeklagten für das Leben des [X.]
nicht. Der Angeklagte verfügte auch bei der Fortsetzung der [X.] als aktiv Handelnder weiter über die [X.] (vgl. [X.] NJW 2003, 2326, 2327; [X.]St 53, 55, 61 [X.]. 23). Eine den Angeklagten möglicherweise entlastende Risikoübernahme (vgl. [X.], Strafrecht [X.]. S. 418 [X.]. 138) hat nicht stattgefunden. Der Angeklagte war nach dem Inhalt seines Anstellungsvertrages ersichtlich nicht befugt, das medizinische Risiko des von ihm vorzunehmenden Eingriffs auf einen Arzt außerhalb des Beweissicherungsdienstes zu übertragen. Der Notarzt war angesichts seines beschränkten Auftrages ebenso wenig [X.], dieses Risiko zu übernehmen. Er hat sich dessen auch nicht ange-maßt. Das auf grundsätzliches Desinteresse gegründete [X.] des - 18 - Notarztes läge auch nicht so weit außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass der für den Angeklagten bestehende Zurechnungszusammenhang entfiele (vgl. [X.] aaO). d) Darüber hinaus hat es das [X.] unterlassen, ein Verbot der Fortsetzung der [X.] nach erfolgreicher Bergung des ersten Ko-kainkügelchens wegen Verstoßes des Angeklagten gegen das Gebot der Wahrung der Menschenwürde in Betracht zu ziehen. Das sich aus § 7 Abs. 1 [X.] ergebende Gebot gilt für —jede medizinische Behandlungfi und umfasst demnach auch die von Ärzten ausgeführten Zwangsmaßnahmen gemäß § 81a Abs. 1 [X.]. Soweit Ärzte als Ermittlungsgehilfen zu betrach-ten wären, würde im Blick auf die sich wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 3 [X.] ergebenden Unzulässigkeit des Eingriffs nichts [X.] gelten (vgl. [X.] NStZ 1998, 66, 68 m.w.[X.]; [X.] NJW 2006, 3117, 3119 bis 3121; für [X.] allgemein Amelung/[X.] [X.], 161, 167; [X.], 606, 609 f.; [X.], [X.]. [X.]. 475; Zaczyk [X.], 125, 126). 34 Ein solcher Verstoß lag hier aufgrund der vorzunehmenden [X.] der den Betroffenen [X.] beeinträchtigenden Umstände auf der Hand (vgl. [X.] 30, 1, 25 f.; [X.] aaO; vgl. auch [X.], 1647, 1648 und [X.]/[X.]/Sonnen Kriminalistik 2004, 678, 680). Das Bedürfnis nach Fortsetzung der [X.] war nach Ber-gen des ersten Kokainkügelchens zum Nachweis eines vom Betroffenen be-gangenen Vergehens stark herabgesetzt, das Fortfahren jedenfalls [X.]. Bereits die erste [X.]sphase führte zur Ohnmacht des gefesselt gebliebenen Betroffenen und beinhaltete schon ein zweites Legen der Sonde, wodurch ein Scheitern der Maßnahme indiziert gewesen ist. Hinzu tritt, dass das Ziel des Eingriffs, ein schwallartiges Erbrechen, nie-mals erreicht worden ist. Die Fortsetzung erfolgte 50 Minuten nach Beginn der Maßnahme, ohne die Ursache der zuvor eingetretenen Ohnmacht aufzu-klären, und dauerte weitere 30 Minuten. Sie war gegen einen in seiner [X.] - 19 - talen Reaktionsfähigkeit eingeschränkten und im Bewusstsein eingetrübten Betroffenen gerichtet, der ersichtlich keine Chance mehr hatte, durch Koope-ration ein Ende der Zwangsmaßnahme herbeizuführen, die dann zudem am Schluss eine rechtswidrige Körperverletzung durch den Angeklagten [X.]. Die Verantwortung dieser Umstände lag allein beim Angeklagten. Die nach den Feststellungen des [X.] erfolgte Versicherung des [X.] des Notarztes erstreckte sich hierauf gerade nicht. e) Soweit das [X.] unter Heranziehung von dem ärztlichen Vertrauensgrundsatz (vgl. [X.]St 43, 306, 310 m.w.[X.]) zugrunde liegenden Erwägungen trotz erkennbar eigener gravierender Kompetenzmängel die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Todes durch Fortsetzung der [X.] verneint hat, beruht diese Schlussfolgerung zudem schon auf einer widersprüchlichen Erwägung. Der Angeklagte hat dem Notarzt schon gar nicht vertraut, nachdem er nach dessen kritischer Intervention sogar die Zuführung von Wasser nach Proklamation besseren eigenen Wissens ohne Berücksichtigung der Auffassung des Notarztes fortgesetzt hatte. 36 Die Schlussfolgerung beruht ferner [X.] nicht anders, als bei nicht durch den [X.] gebotener Unterstellung von Sachverhalten zugunsten des Angeklagten [X.] auf einer lückenhaften Beweisgrundlage (vgl. [X.] NStZ 2009, 401, 402 m.w.[X.]). Das [X.] hat festgestellte Umstände außer Betracht gelassen, die ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der [X.] nicht einmal ausdrücklich geäußerten [X.] Risikoeinschätzung des [X.] begründen (vgl. [X.]St 43, 306, 310 f.). Dieser hatte [X.] genauso wie der Angeklagte [X.] ebenfalls keine eigene Untersuchung des Betroffenen durchgeführt (vgl. auch [X.]St 3, 91). Während der Endphase der [X.] hatte zudem niemand die Sauerstoffsättigung überprüft. Gerade eine Erforschung der Ursache der ersten Ohnmacht des Betroffenen wäre hier zur Erfüllung der ärztlichen Schutzpflicht für das Leben des zu [X.] unerlässlich gewesen, bevor der gleiche Eingriff mit identischen naheliegend erhöhten Gefahren hätte wiederholt werden dürfen. Abgesehen von alldem 37 - 20 - erscheinen die [X.] eher den Notarzt als etwa den Angeklagten entlastenden [X.] Feststellungen des [X.] zu einem Missverständnis zwischen beiden über die [X.] des Angeklagten angesichts der bei einer [X.] verwendeten ersichtlich andersartigen Gerätschaft zwei-felhaft, wie die Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung näher ausge-führt hat. 3. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. 38 a) Der Senat weist darauf hin, dass für die Annahme des Eintritts ei-nes neuen Kausalverlaufs durch eine bewusste Selbstgefährdung des [X.] kein Raum sein dürfte. Nicht anders als in dem Fall eines illegal eingereisten Ausländers, der nicht den Freitod wählt, um der Bestrafung wegen illegaler Einreise zu entgehen ([X.] StV 2008, 182, 184), dürfte auch hier nicht an-genommen werden, dass der nicht vorbestrafte [X.] seinem Leben hätte ein Ende setzen wollen, um nicht wegen eines Vergehens des unerlaubten Handeltreibens mit 0,5 g Kokaingemisch bestraft zu werden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich ein von [X.] bewusst eingegangenes Risiko realisiert haben könnte (vgl. [X.]St 53, 55, 60). 39 b) Der Senat verweist das Verfahren entsprechend § 355 [X.] an ei-ne [X.] des [X.] zurück. Dies hat auch bei einer Zurückverweisung gemäß § 354 Abs. 2 [X.] zu erfolgen, weil das Revisi-onsgericht [X.] selbstverständlich [X.] verpflichtet sein muss, denjenigen Spezial-spruchkörper des [X.] mit der neuen Verhandlung der Sache zu betrauen, der nach im Revisionsverfahren gewonnenen Erkenntnissen, nach den die sachliche Zuständigkeit begründenden Vorschriften hierzu berufen ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. April 2010 [X.] 5 [X.] [X.]. 25 m.w.[X.]; [X.] in [X.][X.], [X.]. § 355 [X.]. 4). 40 - 21 - Die Zuständigkeit der [X.] kommt gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 8 [X.] in Betracht, weil sich nicht ausschließen lässt, dass nach einer Würdigung der bisher festgestellten Umstände Ergebnis einer Beweis-würdigung auch sein kann, dass der Angeklagte eine [X.] um je-den Preis unter vollständiger Missachtung der Belange des Betroffenen durchgeführt haben könnte, wodurch sich der Verdacht einer (vorsätzlichen) Körperverletzung mit Todesfolge ergeben kann (vgl. [X.]St 36, 1, 9 f.; 48, 34, 37). 41 c) Angesichts dessen, dass ein etwaiger Schuldspruch gegen den [X.]n wegen fahrlässig verursachter Todesfolge (§ 222 oder § 227 StGB) primär aus dessen Überforderung in einer gewissen Druck- und Aus-nahmesituation resultierte und sich auch für ihn eher als Unglücksfall darstel-len würde, wird für den Fall der Verurteilung eine milde Sanktion angezeigt sein, bei einem Schuldspruch nach § 227 StGB naheliegend unter Annahme eines minder schweren Falles und zudem eines Verbotsirrtums. Dies gilt zu-mal vor dem Hintergrund, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für das inzwischen nahezu sechs Jahre zurückliegende Tatgeschehen von Organi-satoren und anderen Mitwirkenden mit deutlich höherem Schuldgehalt greif-bar nahe liegt. 42 Basdorf Brause [X.] [X.] Bellay

Meta

5 StR 18/10

29.04.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. 5 StR 18/10 (REWIS RS 2010, 7058)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7058

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