Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2012, Az. 5 StR 536/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5413

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Nachschlagewerk: nein

[X.]St : nein

Veröffentlichung : ja

StGB § 227
[X.] § 81a

Vorhersehbarkeit der Todesfolge nach [X.] (im [X.] an [X.], 121).

[X.], Urteil
vom 20. Juni 2012

5 StR 536/11

LG [X.]

5 StR 536/11
(alt: 5 StR 18/10)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

vom 20. Juni 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Körperverletzung mit Todesfolge

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2
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Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Ju-ni
2012, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender [X.] Basdorf,

[X.],
[X.]in Dr. [X.],
[X.] Dölp,
[X.]
Prof. Dr. König

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt J.

als Verteidiger,

Rechtsanwältin

[X.],
Rechtsanwältin Vo.

als Vertreterinnen der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] [X.] vom 14. Juni 2011 mit den [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

1. Zu Verfahrensgegenstand und Verfahrensgang:

Gegenstand des Verfahrens ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten als im Beweismittelsicherungsdienst tätiger Arzt
für den am 7. Januar 2005 eingetretenen Tod des 35 Jahre alten

C.

aus [X.] im Rahmen einer zwangsweise durchgeführten Exkorpora-tion von Kokain.

a)
Das [X.] hat in seinem in dieser Sache ergangenen ersten freisprechenden Urteil vom 4. Dezember 2008 als Todesursache eine Man-gelversorgung des Gehirns mit Sauerstoff (zerebrale Hypoxie) als Folge von Ertrinken nach Aspiration über einen Magenschlauch zugeführten Wassers bei forciertem Erbrechen festgestellt. Hierfür hat es ein objektiv pflichtwidri-ges Handeln des Angeklagten als ursächlich angesehen. Dieser habe nach dem Eingreifen des von ihm herbeigerufenen Notarztes trotz erkennbar er-1
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höhten [X.] die [X.] fortgesetzt. Der Tod des [X.] sei für den Angeklagten aber nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen, weil er als Arzt persönlich überfordert gewesen sei und sich auf die Kompetenz des weiterhin anwesenden Notarztes habe verlassen können.

b) Mit Urteil vom 29. April 2010

5 StR 18/10 ([X.], 121) hat der [X.] auf die Revisionen der Nebenklägerin, der Mutter des Verstorbenen, und seines mittlerweile gleichfalls verstorbenen [X.] als damals weiteren Nebenkläger das genannte Urteil aufgehoben. Die vom [X.] vorge-nommene Beweiswürdigung hat er als rechtsfehlerhaft beanstandet und auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts vom neuen Tatgericht die [X.] und Bewertung weiterer Pflichtverstöße des
Angeklagten als rechtlich geboten verlangt (unterlassene Aufklärung, Durchführung eines erkennbar nicht beherrschten medizinischen Eingriffs und Fortsetzung der [X.] unter Verstoß gegen das Gebot der Wahrung der Menschenwürde). Der [X.] hat ferner die in der Spätphase des Eingriffs vorgenommene Auslö-sung des Brechreizes mittels einer Pinzette sowie eines Spatels als Körper-verletzung bewertet. Er hat nicht ausschließen können, dass eine fehlerfreie Würdigung der festgestellten Umstände die Voraussetzungen einer Körper-verletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB ergeben würde. Deshalb hat er die Sache an eine [X.] des [X.] zurückverwie-sen (§ 74 Abs. 2 Nr. 8 [X.]).

c) Das [X.] hat den Angeklagten erneut freigesprochen. Hier-gegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts ge-stützte Revision der Nebenklägerin. Diese hat wiederum Erfolg.

2. Zu den Feststellungen und Wertungen der [X.]:

a) Das [X.] hält die vom Erstgericht festgestellte Todesursa-che nach Anhörung von neun Sachverständigen für wahrscheinlich (UA S.
83). Deren Annahme im Sinne einer sicheren richterlichen Überzeugung 4
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stehe allerdings maßgeblich der Umstand entgegen, dass der ausweislich aktiven Bemühens, Erbrochl-tern,
nicht bewusstseinsgetrübte [X.]
bei Wassereintritt in die Luftröhre hätte husten müssen, was indessen keiner der Beteiligten gehört habe.

b) Zudem habe die Prüfung nicht ausschließbare alternative [X.] ergeben. Einen durch Manipulationen im Halsbereich ausgelösten vorübergehenden Herzstillstand (Karotis-Sinus-Reflex) hat das [X.] unter der Prämisse für denkbar gehalten, dass der Kiefer des Verstorbenen zur Ermöglichung des Spateleinsatzes unter Krafteinsatz verbunden mit [X.] am Hals geöffnet worden sei ([X.]). Eine weitere mögliche Ursache für die Reduzierung der Herzfrequenz (Bradykardie) hat es in einem zu hohen [X.] ([X.]) gefunden ([X.], 89, 91). Dafür könnten vor allem eine permanente Reizung eines Hirnnervs, des Nervus Vagus, durch nachteilige Veränderung der betroffenen [X.] und die dadurch bedingte Druckerhöhung im [X.] verantwortlich sein; dies könne zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation geführt ha-ben, wobei aber auch ein zusätzliches Auslösen eines heftigeren [X.]es durch den Spateleinsatz eine Rolle gespielt haben könne (UA S.
89).
Schließlich habe ein mittelgradig bedeutsamer chronischer Herzmus-kelschaden mit zu einer Verstärkung der letztlich todesursächlichen Bradykardie beitragen können ([X.], 87).

Zwar sei auszuschließen, dass eine der erwogenen Ursachen für sich allein eine reanimationspflichtige Bradykardie ausgelöst habe
([X.]). Im Sinne eines multifaktoriellen Geschehens könnten sie jedoch als Todesursa-che in Betracht kommen ([X.] und mehrfach).

c) Das [X.] hat das Handeln des Angeklagten im Rahmen der Fortsetzung der [X.] als todesursächlich bewertet ([X.]), [X.] seiner rechtlichen Würdigung zugunsten des Angeklagten das multifak-8
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nicht vorhersehbar gewesen sei ([X.]). Es hat weder einen ärztlichen Sorgfaltspflichtverstoß festgestellt noch angenommen, dass der Angeklagte den Verstorbenen rechtswidrig verletzt oder gar fahrlässig seinen Tod [X.] haben könnte.

3. [X.] hat keinen Bestand. Die Beweis-würdigung und die Subsumtion des [X.] offenbaren durchgreifende Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten (vgl. [X.], Urteil vom [X.] 2008

5 [X.], [X.], 401, 402 mwN). Dabei ist wegen [X.] Verletzung der Bindungswirkung und rechtlich unzulänglicher Ausschöpfung des festgestellten Sachverhalts nicht nur

was die Nebenklä-gerin nicht rügen könnte (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.])

eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung unterblieben, sondern es liegen auch Rechtsfehler bezogen auf die Prüfung einer fahrlässigen Verursachung der Todesfolge vor.

a) Das [X.] hat mehrfach gegen die in § 358 Abs. 1 [X.] normierte Bindungswirkung der dem [X.]surteil vom 29. April 2010 [X.] liegenden rechtlichen Beurteilung auch in Bezug auf dort benannte [X.] verstoßen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Mai 2000

1 [X.], [X.]R [X.] § 358 Abs. 1 Bindungswirkung 2). Der [X.] muss nicht entscheiden, ob schon diese Rechtsfehler, auch
in Verbindung mit haltlosen Unterstellungen zugunsten des Angeklagten, geeignet sind, die neu getroffenen Feststellungen insgesamt in Frage zu stellen. Angesichts der nachfolgenden durchgreifenden Einzelbeanstandungen kommt es hierauf nicht an.

b) Die Bewertung der Fortsetzung der [X.] nach dem Not-arzteinsatz begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit rechtswidrige Kör-perverletzungshandlungen, Sorgfaltspflichtverletzungen sowie die Vorher-sehbarkeit des Todes verneint worden sind. Entgegen der Auffassung der 11
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[X.] ergeben die durch sie getroffenen Feststellungen ohne Weiteres die Voraussetzungen einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB.

aa) Die bei der Fortsetzung der [X.] durch den Angeklagten vorgenommenen Maßnahmen waren auch nach zum Tatzeitpunkt noch ver-tretbarer Rechtsansicht (vgl. dazu [X.]St aaO, S. 130 f.) nicht durch § 81a [X.] gerechtfertigt und stellen demgemäß rechtswidrige [X.] dar.

(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen des § 81a [X.] nicht ein engerer Beurteilungsmaßstab anzulegen ist, als ihn das [X.] ver-wendet hat (vgl. [X.], [X.], 45. Aufl. 2001,
46. Aufl. 2003, 47.
Aufl. 2004, 54. Aufl. 2011, jeweils § 81a Rn. 17 mwN). Jedenfalls hat die
[X.] den aktuellen Gesundheitszustand des Verstorbenen (vgl. [X.] aaO) nicht hinreichend in seine

im Übrigen durch kei-nen der zahlreichen Sachverständigen gestützte

Wertung einbezogen, dass ein erfahrener Facharzt bei Fortsetzung der [X.] nicht mit Nachteilen für dessen Gesundheit habe rechnen müssen. Rechtsfehlerhaft hat sie ferner hinsichtlich der Voraussetzungen des § 81a Abs. 1 Satz 2 [X.]

ebenso wie für die Frage der Pflichtwidrigkeit im Sinne der §§ 222, 227 StGB

darauf abgestellt, dass sich die [X.] aus der Sicht ex post nicht zu ihrer Überzeugung verwirklicht habe ([X.]). Darauf kommt es nicht an. Maßgebend ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vor-schrift, ob bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage aus der Sicht ex ante bei Fortsetzung der [X.] mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Nachteile zu erwarten waren (vgl. LR/[X.], [X.], 26. Aufl. 2008, § 81a Rn. 31 mwN; [X.] aaO; siehe
auch [X.], Urteil vom 8.
Juli 1955

5 [X.], [X.]St 8, 144, 147 f.; zum Maßstab für die Pflichtwidrigkeit: [X.], Urteile vom 19. April 2000

3 [X.], [X.], 2754, 2758, und vom 14. März 2003

2 [X.], [X.], 657, 658). 14
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Das ist nach dem durch das [X.] festgestellten Geschehen unzwei-felhaft zu bejahen.

Der Gesundheitszustand des Verstorbenen während der ersten [X.] war erkennbar beeinträchtigt (unter anderem Apathie, schweres Atmen, Pupillenengstellung, Sauerstoffsättigungswert von nur 89
%; [X.] ff.), veranlasste den Angeklagten zur Herbeiholung des [X.] und machte schließlich die Infusion eines Notfallmedikaments (Ringer-lösung) sowie die Gabe von Sauerstoff notwendig. Auch in Anbetracht der danach erreichten Zustandsverbesserung verbot sich bei dieser Sachlage unter den strengen medizinischen Voraussetzungen des § 81a [X.] die Fortsetzung der [X.] schon wegen des Risikos erneuten Auftretens der

hinsichtlich ihrer Ursache ungeklärt gebliebenen

Komplikationen. [X.] war der durch konkrete Umstände begründete Verdacht einer Bewusst-seinseintrübung gegeben. Er stand den weiteren durch den Angeklagten ge-troffenen Maßnahmen wegen damit verbundener [X.] zwingend entgegen (vgl. zur Kontraindikation der [X.] auch die [X.] beim [X.] [X.], [X.]). Das [X.] hat es insoweit unterlassen, aus seiner [X.] zutreffenden eigenen Bewertung ([X.]) die gebotenen zwin-genden Folgerungen auf die klare Rechtswidrigkeit der Eingriffsfortsetzung zu ziehen.

Angesichts der dargetanen und dem Angeklagten bekannten gesund-heitlichen Parameter des [X.]
im Zeitpunkt des [X.] durfte die [X.] zugunsten des

in der Hauptverhandlung schwei-genden

Angeklagten weder eine Simulation der Beeinträchtigungen oder ihrer Schwere durch den Verstorbenen unterstellen ([X.], 24, 26, 101 und mehrfach), noch eine etwa in diese Richtung zielende Annahme des [X.], zu dessen Vorerfahrungen mit [X.] das Schwurgericht

angesichts zu erwartender Dokumentationen schwer ver-ständlich

nichts festzustellen vermochte ([X.]). Entsprechendes gilt 16
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mangels objektiver Anhaltspunkte für eine von keinem Zeugen beobachtete
kurze (und ohnehin nicht zureichende) Untersuchung der Herz-
und Lungen-funktion mittels Stethoskops ([X.]). Dass der Angeklagte selbst bei Fortsetzung der [X.] erneute Verwerfungen für möglich hielt, ergibt sich deutlich aus seiner Bitte an den Notarzt, noch zu bleiben, mit der er sich

(2) Soweit das [X.] eine im Einsatz von Pinzette und Spatel liegende rechtswidrige Körperverletzung und zugleich Sorgfaltspflichtverlet-zung unter Hinweis auf eine übliche

wenn auch in der für den Angeklagten geltenden Dienstanweisung nicht geregelte

Praxis verneint, hat es gegen die nach § 358 Abs. 1 [X.] verbindliche Rechtsauffassung des [X.]s ver-stoßen. Das nach nochmaliger Befüllung des Magens mit Wasser gewaltsa-me Öffnen des [X.] unter größerem Kraftaufwand und das mechanische Auslösen des Brechreizes mittels Pinzette und Spatels sind offensichtlich unverhältnismäßig, verletzen die Menschenwürde und sind demgemäß auch rückblickend schlechterdings nicht nach § 81a [X.] zu rechtfertigen ([X.]St
55, 121, 133). Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Untersuchungszimmer nicht mit einem Spatel ausgestattet war, ein solcher vielmehr erst aus dem Rettungswagen geholt werden musste ([X.]), was der vom [X.] angenommenen Üblichkeit einer solchen Exkorpo-rationsmethode widerstreiten würde.

bb) Auch am [X.] ist nicht zu zweifeln. [X.] sind den Feststellungen nicht die Voraussetzungen für einen etwaigen vorsatzausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2000

4 StR 558/99, [X.]St 45, 378, 384) infolge Verkennung der für den Verstorbenen bestehenden Gefahrenlage zu entnehmen. Die [X.] an den Notarzt, noch zu bleiben (vgl. oben), läuft der Annahme einer in dieser Hinsicht bestehenden Fehlvorstellung des Angeklagten zuwider.

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cc) Rechtsfehlerfrei geht das [X.] davon aus, dass der Ange-klagte mit den in Fortsetzung der [X.] getroffenen Maßnahmen den Eintritt des [X.] verursacht hat. Auch bei angenommener Todesur-sache eines mulitfaktoriellen Geschehens ist der erforderliche Zurechnungs-zusammenhang keinen Zweifeln ausgesetzt. Denn auch dann hat sich die der Verwirklichung des Grunddelikts eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr im tödlichen Ausgang verwirklicht (vgl. hierzu etwa [X.], Urteile vom 30. Juni 1982

2 [X.], [X.]St 31, 96, vom 28. März 2001

3 StR 532/00, [X.]R StGB § 227 Todesfolge 1, vom 16. März 2006

4 [X.], [X.]St 51, 18, 21, und vom 10. Januar 2008

5 [X.], [X.]R StGB § 227 Todesfolge 6). Die etwa mitwirkende unerkannte [X.] des Verstorbenen führt dabei nicht zur Annahme eines au-ßerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegenden, als Verkettung außerge-wöhnlicher, unglücklicher Umstände anzusehenden und deshalb dem Ange-klagten nicht anzulastenden Geschehens (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 1982

2 [X.], [X.]St 31, 96, 100).

dd) Die Würdigung der Vorhersehbarkeit des [X.] ist durch-greifend rechtsfehlerhaft. Das [X.] hat auch hier einen nicht zutref-fenden rechtlichen Maßstab angelegt.

Im Rahmen des § 227 StGB ist, weil schon in der Begehung des Grunddelikts eine Verletzung der Sorgfaltspflicht liegt, alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit des [X.] ([X.], Urteile vom 28.
März 2001

3 StR 532/00, [X.]R StGB § 227 Todesfolge 1, und vom 16. März 2006

4 [X.], [X.]St 51, 18, 21). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage und nach seinen persönlichen Kennt-nissen und Fähigkeiten der Todeseintritt vorausgesehen werden konnte oder ob aus dieser Sicht die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter des-halb nicht zuzurechnen ist ([X.]St aaO mwN).

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An diesen Grundsätzen gemessen steht die Vorhersehbarkeit des [X.] auch auf der Basis des durch das [X.] als todesursächlich unterstellten multifaktoriellen Geschehens nicht in Frage. Zwar konnte der Herzschaden im Zeitpunkt der Fortsetzung der [X.] durch den [X.] ohne eingehende körperliche Untersuchung nicht diagnostiziert werden. Ebenso nimmt die [X.] nachvollziehbar an, dass die Einzelheiten des tödlichen Ablaufs nicht absehbar gewesen sind. Das ist jedoch auch nicht erforderlich; denn die

nicht durch den Sachverständigen, sondern in wertender Betrachtung durch den [X.] zu beurteilende

Vor-hersehbarkeit muss sich nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, mithin auch nicht auf die konkrete Todesursache erstre-cken (vgl. [X.], Urteile vom 26. Februar 1997

3 StR 569/96, [X.]R StGB §
226 aF Todesfolge 12, vom 15. November 2007

4 [X.], NStZ
2008, 686, 687, und vom 10. Juni 2009

2 [X.], [X.], 309).

Vorliegend widersprach es gerade ärztlicher Pflicht, die [X.] fortzuführen, nachdem sich der Gesundheitszustand während deren erster Phase so sehr verschlechtert hatte, dass der Angeklagte das Legen einer Verweilkanüle und das [X.] des Notarztes für erforderlich gehalten hatte und nachdem notärztliche Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt worden waren. Zudem setzte der Angeklagte

was von der Schwurgerichts-kammer nicht erkennbar bedacht worden ist

auf der Basis der [X.] zum alternativ denkbaren Kausalverlauf namentlich mit dem noch [X.] zweimaligen Legen der Magensonde sowie dem mit körperlicher Gewalt verbundenen Einsatz von Spatel und Pinzette pflichtwidrig eigen-ständige Ursachen für den Eintritt der Todesfolge (Auslösen von Karotis-Sinus-
bzw. Valsalva-
e-

Verstorbenen und allein dar-aus möglicherweise resultierende schädliche Folgen wahrscheinlich waren. a-23
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r-kender Vorschädigung der betroffenen Person nicht so sehr außerhalb der und den Angeklagten persönlich in Zweifel zu ziehen wäre (vgl. auch [X.], Urteile vom 24. Januar 1995

1 [X.], [X.]R StGB § 226 aF Todes-folge 9 [], vom 26. Februar 1997

3 StR 569/96, [X.]R StGB § 226 aF Todesfolge 12 [Herzinfarkt infolge [X.]]
und vom 10. Juni 2009

2 [X.], [X.], 309). Mit [X.] auch aufgrund nicht auf den ersten Blick erkennbarer Vorschädigungen muss der Fachkundige

zumal in Ermangelung einer gründlichen Untersu-chung

bei einem so gearteten Zwangseingriff vielmehr stets rechnen. Das Wissen um solche Risiken gehört naturgemäß auch zum beruflichen Erfah-rungsbereich des nach den Feststellungen der nunmehr entscheidenden [X.] überdies vielfach mit

wenngleich nicht [X.] durchgeführten

[X.]en befassten und über deren Risiken wohl informierten (vgl. UA S.
11, 14) Angeklagten.

4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung, Letz-tere unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]s (§ 358 Abs. 1 [X.]). Die Feststellungen können, auch soweit sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden, insgesamt keinen Bestand haben, weil es dem freigesprochenen Angeklag-ten bislang verwehrt war, die ihn bei [X.] Bewertung belasten-den Feststellungen revisionsrechtlich anzugreifen. Die Regelung in § 354 Abs. 2 Satz 1 [X.] ermöglicht dem [X.] im Falle des [X.] [X.] 25
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keine Zurückverweisung an ein anderes Gericht. Der [X.] weist [X.] auf den Fortbestand der Bindung an die gesamte rechtliche Beurteilung in seinem ersten Urteil hin (§ 358 Abs. 1 [X.]) und auch auf die Ausführun-gen in dieser Entscheidung zur Rechtsfolge ([X.], 121, 138).

Basdorf Schaal [X.]

Dölp König

Meta

5 StR 536/11

20.06.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2012, Az. 5 StR 536/11 (REWIS RS 2012, 5413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5413

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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