Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2002, Az. 2 StR 125/02

2. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1545

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[X.] DES [X.]/02vom18. September 2002in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.] 2002, an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. h. c. Detter,[X.]in am [X.]. [X.],[X.] am [X.],Prof. Dr. [X.],Staatsanwalt als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin ,Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. [X.] das Urteil des [X.] vom19. September 2001 werden verworfen.2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und dieden Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen [X.] zu tragen; die Kosten des Rechtsmittels der Staatsan-waltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenennotwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen diese Entscheidung richtet sichdie Revision des Angeklagten und die wirksam auf den Strafausspruch be-schränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die der [X.] ver-tritt.I.Das [X.] hat festgestellt:Der Angeklagte und das [X.] F. waren seit 1991 [X.]. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Die Ehe war seit 1997- 4 -durch das Wiederaufleben von traumatischen Erlebnissen des [X.]s (se-xueller Mißbrauch durch den Vater) belastet, es kam zu heftigen verbalen [X.] zwischen den Ehepartnern. Beim [X.] brach die seitlängerem bestehende [X.] mit besonderer Heftigkeitwieder aus, sie lehnte körperliche Annäherungen des Angeklagten immer häu-figer ab. Nach einer psychotherapeutischen Behandlung im Jahre 1998 tratzunächst eine Besserung ein, ab dem Jahre 1999 kam es aber wieder zu [X.] verbalen Auseinandersetzungen, weil das [X.] "das Leben des [X.] außerhalb seiner Familie immer weiter einschränkte, wobei sie ihreForderungen mit eifersüchtigen Vorwürfen verknüpfte" ([X.]. Der um [X.] bemühte Angeklagte zog sich aus seinem Freundeskreis zurückund stellte jedwede Art eigener Freizeitaktivitäten, in die seine Familie nichteingebunden war, zurück. Bei ihm kam nach und nach das Empfinden auf,"ausgenutzt zu werden und mit heruntergeklappten Hosentaschen an [X.] zu stehen", wobei er das Verhalten seiner Frau als Undankbarkeit wer-tete. Im [X.] 2000 traf er dann zufällig auf eine frühere Bekannte, was [X.] seiner Ehefrau weckte. Mit der Bekannten nahm der Angeklagte [X.] später heimlich Kontakt auf, und zwar auch während des Urlaubs [X.], bei dem es mehrfach zu verbalen Auseinandersetzungen zwischenden Eheleuten kam. Nach Rückkehr aus dem Urlaub steigerten sich die eheli-chen Spannungen. Der Angeklagte, der nunmehr vehement seine Freiheit ein-forderte, konfrontierte das [X.] auch mit der Frage, ob er denn ausziehensollte. Letztere, die den dringenden Verdacht ehelicher Untreue hegte, [X.] das Empfinden sexueller Ausnutzung und der emotionalen Vernachläs-sigung durch den Angeklagten. Bei einem Festbesuch am 4. August 2000 er-klärte dieser seiner Ehefrau, daß er "nicht mehr könne". Am Abend des6. August 2000 begann er nach dem Besuch einer Geburtstagsfeier das Tat-- 5 -opfer, das sich wie der Angeklagte ausgezogen hatte, zu liebkosen. Es kam [X.] zum einverständlichen Geschlechtsverkehr. Anschließend ent-stand aber wieder ein Streit, bei dem das [X.] dem Angeklagten Vorwürfewegen einer mit Freunden geplanten Radtour machte, während dieser ihr vor-hielt, was er alles für sie getan habe. Im Verlaufe des immer lauter [X.] schlug er mit der Faust auf einen gläsernen Couchtisch, eine Vase gingzu Bruch, der Angeklagte erklärte, "verdammt nochmal, jetzt geht zum erstenMal in unserer Ehe etwas zu Bruch, jetzt hör endlich auf". Beide Eheleute ver-suchten die Scherben aufzuheben, das [X.] hielt dem Angeklagten [X.] entgegen und sagte "Du bringst [X.] noch zur Weißglut". [X.] auf ihn noch näher zu, dieser forderte sie erneut auf, endlich [X.] griff nach der Scherbe. Dabei zog er sich an den Fingern der rechten Handeine blutende Verletzung zu. Als seine Ehefrau schadenfroh erklärte, das [X.] jetzt davon, wich er einen Schritt in den Eingangsbereich der Küche zurück,drehte sich zu dem unmittelbar dort befindlichen Messerblock, nahm daraus [X.] mit einer Klingenlänge von ca. 25 cm, drehte sich seiner [X.] zu und versetzte ihr in Tötungsabsicht einen wuchtigen Stich in [X.], wobei sie entweder im Rücken oder in der Brust getroffen wurde.Ob der Angeklagte [X.] zugestochen hat, konnte nicht geklärt wer-den. Durch den Stich wurde sowohl die aufsteigende wie auch die [X.] des [X.]s getroffen, dessen Tod trat kurze Zeitspäter durch Verbluten ein. Der Angeklagte kniete zunächst neben seiner Fraunieder, nahm sie auf den Schoß, begann sie zu schütteln und versuchte sieanzusprechen. Als er merkte, daß sie tot war, entschloß er sich, die Leichewegzuschaffen und alle Spuren zu beseitigen. Er verstaute die Leiche in sei-nem PKW und reinigte den Tatort. Die Leiche verbrachte er in die Nähe [X.] 6 -Mülldeponie und zündete sie mit dem Benzin an. Bei Verwandten und Be-kannten gab er anschließend vor, seine Frau zu suchen, er erzählte [X.], diese habe wegen eines Streits die Wohnung verlassen, erwisse nicht wo sie sei. Am 8. August 2000 versuchte er bei der [X.] zu erstatten, diese Anzeige wurde aber erst am [X.] entgegengenommen. An diesem Tag wurde dann auch die Leiche gefun-den, die am 15. August 2000 als die Ehefrau des Angeklagten identifiziert [X.]. Bei seiner Vernehmung als Beschuldigter an diesem Tag und auch in [X.] räumte er die Tat ein.Das [X.] wertet das Verhalten des Angeklagten als Totschlag(§ 212 StGB), es geht davon aus, daß er auf Grund eines Affekts im [X.] verminderter Schuldfähigkeit gehandelt habe. Die Strafe entnimmt es§ 213 StGB, dessen 2. Alternative wegen des Vorliegens des vertypten Milde-rungsgrunds des § 21 StGB gegeben sei.Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die [X.] gegen die Bejahung der Voraussetzungen eines Affekts, währendsich das Rechtsmittel des Angeklagten mit der Sachrüge gegen die [X.] direkten Tötungsvorsatzes und die Verneinung der 1. Alternative des§ 213 StGB richtet; gerügt werden auch inhaltliche Mängel des [X.].[X.] Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Das Urteil weist kei-nen ihn belastenden Rechtsfehler auf. Zu Erörterungen Anlaß gibt nur die [X.] -nahme des [X.]s, der Angeklagte habe mit direktem Vorsatz gehandelt.Aus Rechtsgründen ist dies aber nicht zu beanstanden.Die Klärung der Frage, ob ein Täter mit direktem oder bedingtem [X.] gehandelt hat, setzt eine Gesamtschau aller objektiven und sub-jektiven Tatumstände voraus (st. Rspr. vgl. u. a. [X.]R StGB § 212 Abs. 1 [X.], bedingter 7, 10, 27 und 54). Dem wird das [X.] unter anderemauch dadurch gerecht, daß es neben der Richtung des geführten Messerstichsin den Oberkörper ersichtlich auch auf die Motivation des Angeklagten abstellt.Dieser sah sich in den immer heftigeren Ehestreitigkeiten als Verlierer, er standunter einem als unerträglich empfundenen Druck. Nach dem Scheitern des er-neuten [X.] wollte er nicht wieder zurückstecken. "Der Pegelseiner durch ständiges Nachgeben aufgebauten Gefühle von [X.] Destruktivität stieg an" ([X.], 45). Die schadenfrohe Bemerkung sei-ner Ehefrau zu der ihm mit einer Scherbe zugefügten Verletzung gab den [X.], zum Messer zu greifen. Dies spricht dafür, daß das [X.] davonausging, der Angeklagte habe im Zeitpunkt seines "Ausrastens" beabsichtigt,einen endgültigen Schlußstrich zu ziehen, er wollte den Partner "[X.]). Eine solche Motivation spricht für ein Handeln mit direktem Vorsatz.Es ist auszuschließen, daß die [X.] übersehen habenkönnte, daß auf Grund des Verhaltens des Angeklagten nach der Tat (Nieder-knien neben seiner Frau, auf den Schoß nehmen, schütteln und ansprechen)eine andere Wertung möglich wäre. Als rechtsfehlerhaft kann auch nicht ange-sehen werden, daß das [X.] die Persönlichkeitsstruktur des Angeklag-ten und dessen psycho-physische Verfassung zur Tatzeit (vgl. [X.], [X.]. v.6. März 2002 - 4 StR 30/02) bei der Erörterung der Vorsatzform nicht aus-drücklich in die Abwägung einbezogen hat. Der die Steuerungsfähigkeit [X.] 8 -trächtigende Affekt mußte sich nicht auf den Vorsatz und dessen Form auswir-ken. Auch ein Täter, der in seinem Hemmungsvermögen erheblich vermindertist, kann gemessen an der Verfolgung seines deliktischen Ziels durchaus folge-richtig und zielgerichtet handeln. Überlegtes und zielgerichtetes Handeln underheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (z. B. wegen einer tiefgreifendenBewußtseinsstörung auf Grund Affekts) schließen sich somit grundsätzlichnicht aus (vgl. [X.] StV 1997, 630 f.; StraFo 2001, 249 f. m. w. N.). Daß einFall vorliegt, in dem ausnahmsweise die Auswirkungen des Affekts auf [X.] des Entschlusses (Schuldform-Vorsatz) besonderer Erörterungbedurft hätte, belegen die Urteilsgründe nicht.2. Auch die - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Revision [X.] ist unbegründet.a) Die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit auf Grund einesAffekts hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Eine affektive Erregungstellt bei den meisten vorsätzlichen Tötungsdelikten den Normalfall dar. Ob [X.] einen solchen Grad erreicht hat, daß er zu einer tiefgreifenden Bewußt-seinsstörung, die im Rahmen von § 21 StGB relevant wäre, geführt hat, ist [X.] einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (vgl. [X.] in [X.]. § 20Rdn. 54 ff.; 57 m. w. N.). Dem wird das Urteil noch gerecht.Diese notwendige Gesamtwürdigung, die hier insbesondere das - gegeneinen Affekt sprechende (vgl. u. a. [X.] NStZ 1995, 539; 1999, 508; NStZ-RR1997, 296) - Nachtatverhalten einschließen mußte, hat das [X.], dassich insoweit den Ausführungen eines psychiatrischen Sachverständigen [X.] hat, im Ergebnis ausreichend vorgenommen. Der [X.] -menhang der Urteilsgründe belegt, daß die [X.] alle in [X.] kommenden tatsächlichen Gesichtspunkte, auch solche, die gegen einenAffekt sprechen könnten, in seine Überlegungen einbezogen hat. Das [X.] ist davon ausgegangen, mit ausschlaggebend für die Bejahung einer af-fektbedingten tiefgreifenden Bewußtseinsstörung sei eine beim Angeklagtenfestgestellte "Bewußtseinseinengung" gewesen, die sich darin gezeigt habe,daß einige Tatumstände nicht in sein Bewußtsein aufgenommen worden seien.Eine zeitlich eng begrenzte totale Erinnerungslücke oder inselhaft erhalten ge-bliebene Erinnerungsreste stellen Kennzeichen für mögliche affektbedingteBeeinträchtigungen der Schuldfähigkeit dar, ohne daß es auf [X.] ankommt, welche die Vorgeschichte der Tat oder das [X.]. Die Unterscheidung eines solchen Symptoms von [X.] und Ergebnissen psychischer Verdrängungsvorgänge ist allerdingsschwierig ([X.] NStZ 1997, 296). Das [X.] sieht die tatsächlichenGrundlagen dieser "Bewußtseinseinengung" darin, daß der von [X.], wonach das [X.] direkt nach dem Zustechen totumgefallen sei, aus rechtsmedizinischer Sicht so nicht möglich gewesen sei.Zwischen dem Stich und dem Eintritt des Todes habe ein Sterbevorgang [X.] gelegen, der mehrere Minuten gedauert habe. Da dem Angeklagten [X.] daran fehle, ohne daß er insoweit unwahre Angaben gemacht habe([X.]), sei davon auszugehen, daß bei ihm eine - wenn auch kurzzeitige -Bewußtseinseinengung vorgelegen habe, die durch eine intensive Gefühlsauf-wallung ausgelöst worden sei ([X.], 41 i.V.m. [X.]). Aus diesen Aus-führungen ergibt sich, daß das [X.] den Angaben des [X.] schenkte, ein Vortäuschen einer Erinnerungslücke durch ihn [X.] und deshalb als festgestellt ansieht, daß bei ihm "eine Bewußt-seinsstörung im [X.]" vorgelegen habe und andere [X.] nicht möglich gewesen seien. Der [X.] kann auch ausschlie-ßen, daß die [X.] nicht bedacht hat, der Angeklagte könntedie Situation verkannt und deshalb geglaubt haben, seine Ehefrau sei sofort [X.]. Denn diese Möglichkeit wird im Urteil ausdrücklich erwähnt ([X.]. 33 unten/34 oben), ohne daß sie aber als erwiesen angesehen wird. [X.] auch ,daß der Angeklagte nach seinen glaubhaften Angaben das [X.] nach dem Stich auf den Schoß genommen hat, bei dieser Gelegenheithätte er, wenn sein Bewußtsein nicht getrübt gewesen wäre, Lebenszeichen,wie Herzschlag oder Atembewegungen, bemerkt. Ein Irrtum auf seiner Seite [X.]) Daß das [X.] sich zur Frage der Erheblichkeit des Affekts dengutachterlichen Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen Dr. M. "auf-grund eigener Meinungs- und Überzeugungsbildung angeschlossen" hat, istunter den gegebenen Umständen im Ergebnis nicht zu beanstanden ([X.]St 7,238, 240; 34, 29, 31; vgl. auch [X.]/[X.] 45. Aufl. § 267Rdn. 13 m. w. N.).Rissing-van [X.] [X.] Rothfuß Ri[X.] [X.] ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan

Meta

2 StR 125/02

18.09.2002

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2002, Az. 2 StR 125/02 (REWIS RS 2002, 1545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1545

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