Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2017, Az. 4 StR 233/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5520

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Revisionsbegründungsfrist bei mehrfacher Verteidigung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. März 2016 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Die Nachprüfung des Urteils auf die von der damaligen Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin [X.], rechtzeitig und vom jetzigen Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt [X.]  , bereits bei ebenfalls rechtzeitiger Einlegung der Revision erhobene allgemeine Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

2. Die Revisionsbegründung von Rechtsanwalt [X.]   vom 12. April 2017, in welcher erstmals ein [X.] geltend gemacht wurde, ist verspätet.

4

Bei mehrfacher Verteidigung genügt grundsätzlich die förmliche Zustellung des Urteils an einen der Verteidiger; hierdurch beginnt für alle Verteidiger die [X.] (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. März 2001 - 2 BvR 2058/00, NJW 2001, 2532, und vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 [juris Rn. 7]; [X.], Beschlüsse vom 12. September 2012 - 2 [X.]; vom 17. September 2008 - 1 [X.] und vom 12. August 1997 - 4 StR 329/97, NStZ-RR 1997, 364, jeweils mwN). Wird das Urteil mehreren Empfangsberechtigten (förmlich) zugestellt, beginnt die [X.] zwar grundsätzlich nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem eine wirksame Zustellung an den letzten Zustellungsempfänger vollzogen wurde ([X.], Beschluss vom 2. November 2010 - 1 [X.] [juris Rn. 23] mwN). Ist aber die [X.] aufgrund der ersten Zustellung(en) bei einer der weiteren Zustellungen bereits abgelaufen, wird durch diese keine neue Frist in Gang gesetzt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 1. Juni 2015 - 4 StR 21/15, [X.], 540 und vom 27. Juli 2012 - 1 StR 238/12, [X.], 435, 436, jeweils mwN).

5

So lag der Fall hier. Das angefochtene Urteil wurde der damaligen Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin [X.], am 16. Juni 2016 zugestellt. Die [X.] lief mithin am 18. Juli 2016 (der 16. Juli 2016 war ein Samstag) ab. Durch die vom Vorsitzenden am 14. März 2017 verfügte erneute Zustellung des Urteils an Rechtsanwalt [X.]   konnte trotz des Zusatzes „Die Zustellung erfolgt zur [X.] der [X.]“ die [X.] nicht erneut in Gang gesetzt werden.

6

3. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen zur Anbringung der in der Revisionsbegründung vom 12. April 2017 erhobenen Verfahrensrüge der verspäteten Urteilsabsetzung (§ 275 Abs. 1 Satz 2 StPO) kommt entgegen der Auffassung des [X.] nicht in Betracht. Die Revision des Angeklagten ist mit der allgemeinen Sachrüge form- und fristgerecht begründet worden (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, [X.]St 1, 44, 46). Nur bei besonderen Verfahrenslagen, in denen es zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG unerlässlich erscheint, kommen Ausnahmen von diesem Grundsatz in Betracht (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2012 - 1 StR 301/12, [X.], 316; vom 10. Juli 2008 - 3 StR 239/08, [X.]R StPO § 44 Verfahrensrüge 14; vom 7. September 1993 - 5 [X.], [X.]R StPO § 44 Verfahrensrüge 8, jeweils mwN). Eine solche Ausnahmekonstellation liegt hier nicht vor. Aus den Akten ist nichts dafür ersichtlich, dass der Angeklagte auf eine (weitere) rechtzeitige Revisionsbegründung durch Rechtsanwalt [X.]   vertraut hat. Der seinerzeit als Wahlverteidiger neben der Pflichtverteidigerin tätige Rechtsanwalt [X.]   konnte nicht davon ausgehen, dass ihm das Urteil zwecks [X.] der Revisionsbegründung zugestellt (werden) würde, zumal ihm die mit einem entsprechenden Vermerk vom Vorsitzenden angeordnete erste Urteilszustellung nach seinen Angaben nicht zugegangen ist. Jedenfalls aber hatte Rechtsanwalt [X.]   am 29. August 2016 Akteneinsicht und konnte erkennen, dass die Urteilszustellung an die Pflichtverteidigerin erfolgt und die Revisionsbegründungsfrist daher abgelaufen war. Aus den Akten ist mithin nicht zu entnehmen, dass die erst am 13. April 2017 bei Gericht eingegangene Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nachgeholt worden ist.

7

4. Die Verfahrensrüge ist im Übrigen schon deshalb nicht in ordnungsgemäßer Form erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision nicht mitteilt, dass das Urteil einen Eingangsstempel vom 21. April 2016 trägt, also am letzten [X.] mit den Unterschriften der [X.] auf der Geschäftsstelle eingegangen ist. Aus diesem Grunde wäre die Rüge auch unbegründet. Anhaltspunkte für eine Manipulation sind, wie sich auch aus den dienstlichen Erklärungen des Vorsitzenden und der Geschäftsstellenbeamtin ergibt, nicht ersichtlich.

Sost-Scheible     

       

Roggenbuck     

       

Cierniak

       

Bender     

       

Feilcke     

       

Meta

4 StR 233/17

12.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 17. März 2016, Az: 27 KLs 46/15

§ 345 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2017, Az. 4 StR 233/17 (REWIS RS 2017, 5520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5520

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