Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 943

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Gegenstand

Rückzahlung von Fortbildungskosten


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. März 2021 - 8 [X.]/20 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

2

Die Klägerin betreibt eine Reha-Klinik in [X.] Die Beklagte war dort in der [X.] vom 1. Juni 2017 bis zum 31. Januar 2020 als Altenpflegerin zu einer monatlichen Bruttovergütung iHv. 2.950,00 Euro angestellt. Die Parteien schlossen unter dem 10. Februar 2019 einen [X.], dem zufolge die Beklagte in der [X.] vom 4. Juni bis zum 3. Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen an einer Fortbildung zum „[X.] [X.]“ teilnehmen sollte. Die Klägerin verpflichtete sich in § 2 des [X.]s zur Übernahme der durch die Teilnahme an der Fortbildung entstehenden Kosten iHv. 4.090,00 Euro, die sich aus Kursgebühren iHv. 1.930,00 Euro und einer bezahlten Freistellung iHv. 2.160,00 Euro zusammensetzten. Des Weiteren heißt es im [X.]:

        

„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist

        

(1)     

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.

        

(2)     

Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.

                 

Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.

        

(3)     

Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.

        

…“    

        

3

Die Beklagte schloss die im [X.] vorgesehene Fortbildungsmaßnahme am 3. Dezember 2019 erfolgreich ab. Mit Schreiben vom 29. November 2019 kündigte sie das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 1. Februar 2020. Daraufhin forderte die Klägerin sie mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 auf, die ihr entstandenen Fortbildungskosten anteilig iHv. 2.726,68 Euro zurückzuzahlen.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 des [X.]s zur anteiligen Rückzahlung der von ihr aufgewandten Fortbildungskosten verpflichtet, weil diese vor Ablauf der sechsmonatigen Bindungsfrist aufgrund einer Eigenkündigung, die die Klägerin nicht zu vertreten habe, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Die durch die Fortbildung erworbenen Kenntnisse könne die Beklagte nicht nur bei der Klägerin, sondern auch im Rahmen eines anderen Arbeitsverhältnisses verwenden.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verteilen, an sie 2.726,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Februar 2020 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und dazu die Auffassung vertreten, § 3 Abs. 2 Satz 1 des [X.]s sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel enthalte eine unangemessene Benachteiligung, weil sie den Arbeitnehmer auch dann zur Rückzahlung verpflichte, wenn er unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, und das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund personenbedingt kündige.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit für die Revision von Bedeutung, abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin gegen das insoweit klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 des [X.] keinen Anspruch auf Rückzahlung von Fortbildungskosten iHv. 2.726,68 Euro. Die Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und ist daher unwirksam. Dies hat das [X.] zutreffend erkannt.

1. Bei den im [X.] getroffenen Abreden handelt es sich um [X.] iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das [X.] hat festgestellt, dass es sich um von der Klägerin vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Der Vertrag weist außer den persönlichen Daten der Beklagten keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere Erscheinungsbild - begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei den Bestimmungen des [X.] um [X.] iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 15, [X.]E 164, 316).

2. Die Wirksamkeit der im [X.] getroffenen Abreden ist anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen.

a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Absätze 1 und 2 der Vorschrift sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechen ausgestalten ([X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 164, 316).

b) Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Die Klägerin hat in § 3 Abs. 2 des [X.] festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte Fortbildungskosten zurückzuerstatten hat. Außerdem wird durch den mit der [X.] ausgelösten [X.] die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt (st. Rspr., vgl. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 18, [X.]E 164, 316; 13. Dezember 2011 - 3 [X.] 791/09 - Rn. 23 mwN).

3. § 3 Abs. 2 Satz 1 des [X.] unterscheidet zwischen verschiedenen Beendigungstatbeständen, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auslösen können.

a) Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag stellt die Klausel zum einen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers (Alt. 2) und zum anderen - worauf die Klägerin ihre Forderung stützt - auf eine vom Arbeitnehmer erklärte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus einem nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund ab (Alt. 1).

b) § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] knüpft die Rückzahlungspflicht an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, die nicht auf einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund beruhen (vgl. [X.] 28. September 2017 - 8 [X.] 67/15 - Rn. 62). Der Anwendungsbereich der Klausel erstreckt sich damit auch auf eine Kündigung, die der Arbeitnehmer ausspricht, weil er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, die Qualifikation, die er mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu nutzen.

4. § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] ist nicht teilbar und deshalb einer einheitlichen Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu unterziehen. Sie erfasst in ihrem - den Fall der vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung ausnehmenden - Anwendungsbereich nicht verschiedene, nur äußerlich zusammengefasste Regelungen, sondern inhaltlich und sprachlich alle Fälle der Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Nähme man Streichungen vor, entfiele die Anspruchsgrundlage insgesamt (vgl. [X.] 13. Dezember 2011 - 3 [X.] 791/09 - Rn. 32 f.).

5. Die [X.] führt zu einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam.

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von [X.] und Glauben unangemessen benachteiligen.

aa) [X.] ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von [X.] und Glauben. Bei der Beurteilung der [X.]heit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. [X.] sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 22. Oktober 2020 - 6 [X.] 566/18 - Rn. 29; 19. November 2019 - 7 [X.] 582/17 - Rn. 42; 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 23 mwN, [X.]E 164, 316).

bb) [X.], nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es ist jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Zahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers, die an eine von diesem ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, können im Einzelfall gegen [X.] und Glauben verstoßen. Da sie geeignet sind, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Letzteres ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhält. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach [X.] und Glauben zumutbar sein. Ist dies nicht der Fall, verbleibt es dabei, dass Verluste, die eintreten, weil Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Arbeitnehmers nachträglich wertlos werden, grundsätzlich der Arbeitgeber als Betriebsausgaben zu tragen hat (vgl. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 24 mwN, [X.]E 164, 316).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Recht erkannt, dass § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt.

aa) Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ist nicht nur in Fällen anzunehmen, in denen es der Arbeitnehmer nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers - zB durch ein vertragswidriges Verhalten - zu einer Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird. Eine [X.] ist auch dann unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Auch unter dieser Voraussetzung ist eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt.

(1) Ist der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht mehr möglich. Damit kann der Arbeitgeber unabhängig von der Kündigung des Arbeitnehmers dessen Qualifikation bis zum Ablauf der Bindungsdauer nicht nutzen (vgl. [X.] 18. März 2014 - 9 [X.] 545/12 - Rn. 17). An dem Fortbestehen eines nicht mehr erfüllbaren und damit „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses besteht in der Regel kein billigenswertes Interesse (vgl. zur außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung mit [X.] [X.] 14. Januar 2015 - 7 [X.] 880/13 - Rn. 46 ff.; 20. März 2014 - 2 [X.] 288/13 - Rn. 40). Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für ihn nicht amortisiert, ist dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen.

(2) Die durch § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] bewirkte Bindung an das Arbeitsverhältnis benachteiligt die Beklagte auch deshalb unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers bei dessen Leistungsunfähigkeit nicht durch den [X.] ausgeglichen wird (vgl. hierzu [X.] 13. Dezember 2011 - 3 [X.] 791/09 - Rn. 23 mwN). Ist es dem Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen ohne sein Verschulden dauerhaft nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, wäre er bei Wirksamkeit des § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] verpflichtet, nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ohne Gegenleistung des Arbeitgebers am Arbeitsverhältnis festzuhalten, um die Rückzahlungspflicht abzuwenden. Dies gölte unabhängig davon, ob die vertraglichen Regelungen in dieser Situation das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vorsehen (vgl. hierzu [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 23 ff., [X.]E 164, 316). Bei einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist ein Austausch der Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, auch wenn die Parteien deren Suspendierung nicht vereinbart haben. Der Arbeitnehmer wird nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, wenn ihm die Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund dauerhafter Leistungsunfähigkeit unmöglich ist. Der Arbeitgeber ist ausgehend von dem Grundsatz „kein Lohn ohne Arbeit“ (§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB) außerhalb des Zeitraums von sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG) regelmäßig nicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung verpflichtet.

bb) An den Arbeitgeber als Verwender der [X.] werden hierdurch keine unzumutbaren Anforderungen gestellt.

(1) Dem Arbeitgeber ist es ohne weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließt, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsverhältnis nicht (mehr) nutzen kann.

(2) Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Da jedoch der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Gründen hat, die den Arbeitnehmer zur Eigenkündigung bewogen haben, gilt eine abgestufte Darlegungslast. Der Arbeitgeber kann sich zunächst auf den Vortrag beschränken, die Eigenkündigung des Arbeitnehmers beruhe nicht auf unverschuldeten personenbedingten Gründen. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer, substantiiert vorzutragen, durch unverschuldete Gründe in seiner Person, die seine qualifikationsgerechte Beschäftigung bis zum Ablauf der Bindungsdauer ausschließen, zur Eigenkündigung veranlasst worden zu sein. Auch diesen Vortrag hat der Arbeitgeber konkret zu bestreiten und erforderlichenfalls zu widerlegen. Nur wenn ihm das nicht gelingt, hat er die Folgen der Nichterweislichkeit des Fehlens einer im Sinne der [X.] gerechtfertigten personenbedingten Kündigung des Arbeitnehmers zu tragen (vgl. zur Fortsetzungserkrankung [X.] 26. Oktober 2016 - 5 [X.] 167/16 - Rn. 51, [X.]E 157, 102).

6. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der [X.] ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer im [X.] durch personenbedingte Gründe im vorgenannten Sinne zur Eigenkündigung veranlasst wurde. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Fall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßanteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im [X.] nicht realisiert hat (st. Rspr. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 28 mwN, [X.]E 164, 316).

7. Die Unwirksamkeit von § 3 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 des [X.] führt nach § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Wegfall der [X.] unter Aufrechterhaltung der Weiterbildungsvereinbarung. Es ist weder eine geltungserhaltende Reduktion vorzunehmen noch liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung vor (vgl. [X.] 11. Dezember 2018 - 9 [X.] - Rn. 31 f., [X.]E 164, 316).

II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kiel    

        

    [X.]    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Gell    

        

    Jacob    

                 

Meta

9 AZR 260/21

01.03.2022

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Würzburg, 8. September 2020, Az: 9 Ca 220/20, Urteil

§ 305 Abs 1 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.03.2022, Az. 9 AZR 260/21 (REWIS RS 2022, 943)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 943 NJW 2022, 2218 REWIS RS 2022, 943

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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