Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.02.2011, Az. 7 VR 6/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 9594

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Gegenstand

Einsicht in Behördenunterlagen; NS-Belastung ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und seiner Vorgängerorganisationen; Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung


Gründe

I.

1

[X.]er Antragsteller, Chefreporter einer [X.] Tageszeitung, beschäftigt sich mit der Frage der [X.] ehemaliger Mitarbeiter des [X.] und seiner Vorgängerorganisation nach 1950.

2

Er beantragte am 17. November 2010 die Erteilung von Auskünften über hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter des [X.] mit [X.] im [X.]raum von 1950 bis 1980. Mit Schreiben vom 21. [X.]ezember 2010 bat die Antragsgegnerin um etwas Geduld, da die Bearbeitung der Anträge einige [X.] beanspruchen werde.

3

[X.]er Antragsteller hat mit [X.] vom 1. Februar 2011 um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Er beantragt, ihm

1. Einsicht in die [X.] des [X.] zu [X.] Mitarbeitern aus den Jahren 1962 [X.] zu geben, insbesondere zu den Ergebnissen der [X.]. 85,

sowie ihm

2. Auskunft zu geben zu folgenden Fragen: a) Wie viele hauptamtliche Mitarbeiter hatte der [X.] bzw. die [X.]anisation Gehlen in den Jahren 1950, 1955, 1960, 1970, 1980?

b) Wie viele inoffizielle Mitarbeiter hatte der [X.] bzw. die [X.]anisation Gehlen in den Jahren 1950, 1955, 1960, 1970, 1980?

c) Wie viele der hauptamtlichen Mitarbeiter in den genannten Jahren waren

A) ehemalige Mitglieder der [X.]?

B) ehemalige Mitglieder der [X.]?

C) ehemalige Mitglieder der [X.]?

[X.]) ehemalige Angehörige der Abteilung "Fremde Heere Ost"?

d) Wie viele der ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiter in den genannten Jahren waren

A) ehemalige Mitglieder der [X.]?

B) ehemalige Mitglieder der [X.]?

C) ehemalige Mitglieder der [X.]?

[X.]) ehemalige Angehörige der Abteilung "Fremde Heere Ost"?

4

Auf die diesem Antrag beigefügten Anlagen wird Bezug genommen.

II.

5

[X.]er Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über die zu entscheiden das [X.] gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO berufen ist, bleibt ohne Erfolg. [X.]ie Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor. [X.]er Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

6

Mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Einsicht in die [X.] des [X.] zu [X.] Mitarbeitern zu gewähren und Auskünfte über die [X.] hauptamtlicher und inoffizieller Mitarbeiter zu erteilen, begehrt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung (vgl. bezüglich eines Antrags auf Akteneinsicht, Beschluss vom 21. März 1997 - BVerwG 11 VR 3.97 - juris Rn. 13). Wird die Antragsgegnerin antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die begehrte Einsicht in die [X.] zu gewähren und die gewünschten Auskünften zu erteilen, würde sich die Hauptsache bereits erledigen (Beschluss vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <261 f.>). Einem solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Antrag ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 - [X.]E 46, 166 <180 f.>; BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 1999 - BVerwG 11 VR 8.98 - [X.] 442.09 § 20 [X.] Nr. 26 S. 2 f.; vom 14. [X.]ezember 1989 - BVerwG 2 ER 301.89 - [X.] 310 § 123 Nr. 15 S. 2; und vom 27. Juni 1984 - BVerwG 1 ER 310.84 - [X.] 402.24 § 2 AuslG Nr. 57). [X.]abei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen ([X.], Beschlüsse vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - [X.]E 93, 1 <13 f.>; und vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - [X.]E 79, 69 <74 f.>). Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.

7

Soweit der Antragsteller sich zur Begründung eines Anordnungsgrundes insbesondere auf die in den Landespressegesetzen enthaltenen Informationsansprüche gegenüber Behörden bezieht, denen zwecks genauer und gründlicher Berichterstattung zeitnah nachzukommen sei (vgl. [X.], Beschluss vom 13. August 2004 - 7 CE 04.1601 - BayVBl 2005, 21 <23>), trifft dies auf die vorliegende Fallgestaltung nicht zu. [X.]er Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass die Themen, die Gegenstand seines Einsichts- und Auskunftsersuchens sind, einen starken [X.] aufweisen und dass ihm eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Berichterstattung über diese Themen unzumutbar erschwert wird, wenn er die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren abwarten muss. Es ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller substantiiert dargetan, aus welchen Gründen die [X.] früherer Mitarbeiter des [X.] bzw. der [X.]anisation Gehlen, die einen historischen [X.]raum betrifft und in regelmäßigen Abständen Gegenstand der Presseberichterstattung ist, einen [X.] aufweist, der eine Auskunft im Hauptsacheverfahren mit Blick auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit als wertlos erscheinen lässt und deshalb eine sofortige, tagesaktuelle Berichterstattung erfordert. Fehlt es an einem solchermaßen geprägten [X.], ist es dem Antragsteller auch in Ansehung der Pressefreiheit ohne Weiteres zumutbar, zur [X.]urchsetzung von Informationsrechten den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

8

[X.]en für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen starken [X.] gewinnt die Sache auch nicht durch den - überdies unzutreffenden - Hinweis des Antragstellers auf den [X.] des Senats. Soweit in Verfahren auf Auskunft/Information/Akteneinsicht ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO erforderlich wird, ist die damit verbundene Verlängerung der durchschnittlichen Verfahrensdauer nicht zu vermeiden.

Meta

7 VR 6/11

10.02.2011

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

§ 50 Abs 1 Nr 4 VwGO, § 123 Abs 2 S 1 VwGO, § 920 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.02.2011, Az. 7 VR 6/11 (REWIS RS 2011, 9594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9594

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Bs 243/17

M 26 E 20.1501

M 16 E 18.1461

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