Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2013, Az. 4 StR 556/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7051

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Gegenstand

Gerichtsbesetzung: Leitung eines Strafsenats des BGH durch den stellvertretenden Vorsitzenden in der Vakanzzeit nach ruhestandsbedingtem Ausscheiden des Vorsitzenden


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. August 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass in Ziff. 5 des landgerichtlichen Tenors auf erweiterten Verfall erkannt ist.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von [X.] in Höhe von 2.450,00 € und den erweiterten Verfall von [X.] in Höhe von 39.385,00 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstandet er die Besetzung des erkennenden Senats.

2

Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Es führt lediglich zu einer Klarstellung hinsichtlich der Verfallsentscheidung.

I.

3

Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem 1. Juli 2012 keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.

4

1. Der frühere Vorsitzende des 4. Strafsenats, [X.] am [X.] [X.], ist mit Ablauf des 30. Juni 2012 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seitdem ist diese Stelle vakant, und der 4. Strafsenat wird von [X.] am [X.] Dr. M. als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 [X.] geführt. Daran hat das Präsidium des [X.]s auch bei der Aufstellung des [X.] für das [X.] (§ 21e Abs. 1 Satz 2 [X.]) nichts geändert.

5

2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper § 21f Abs. 2 Satz 1 [X.] entsprechend anzuwenden ist, so- fern und solange die Wiederbesetzung lediglich „vorübergehend“ unterbleibt, also einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet (vgl. [X.] 18, 423, 426 f.; [X.], NJW 1983, 1541; [X.], Urteil vom 9. Februar 1955 - [X.], [X.]Z 16, 254; Urteil vom 21. Juni 1955 - 5 [X.], [X.]St 8, 17, 19 ff.; Beschluss vom 11. Juli 1985 - [X.], NJW 1985, 2337; BSG, NJW 2007, 2717, 2718; [X.], 47, 52 f.; [X.], NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch [X.] in [X.], 26. Aufl., § 21f [X.] Rn. 27). Es sei nicht in allen Fällen und ungeachtet der Dauer der mutmaßlichen Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich übertrage (BSG, NJW 2007, 2717, 2718; [X.], 47, 53 f.). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen [X.] zu betrauen, lässt sich nicht „allgemeingültig“ und losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantworten ([X.], Urteil vom 13. September 2005 - [X.], [X.], 154, 155; vgl. auch [X.] in [X.], 26. Aufl., § 21f [X.] Rn. 25, 27; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 59 Rn. 13; [X.]/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 21e [X.] Rn. 39d).

6

Für den Fall der länger dauernden Erkrankung hat der [X.] entschieden, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ankommt, die umfassend zu würdigen sind. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig gewesen sei, habe das Präsidium vor der Aufstellung des [X.] für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Könne hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, müsse das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen ([X.], Urteil vom 13. September 2005 - [X.], [X.], 154). In einem Fall, in dem der Vorsitzende planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden war und die Ausschreibung der Stelle erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, ist das [X.] davon ausgegangen, dass „zumindest im Regelfall“ der Vorsitz in einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geführt werden darf (BSG, NJW 2007, 2717, 2718). Nach Auffassung des [X.] ist § 21f Abs. 2 Satz 1 [X.] nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden solange anwendbar, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer „länger dauernden Erkrankung“ ([X.], 47, 55). Nach der Rechtsprechung des [X.] ist eine ruhestandsbedingte Vakanz im Vorsitz „praktisch unvermeidbar“; allgemeingültige Fristen ließen sich weder für den Fall einer Verhinderung durch längere Krankheit noch für den Fall der dauernden Verhinderung des Vorsitzenden infolge einer Vakanz festlegen ([X.], NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch [X.], NJW 2001, 3493 für den besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts).

7

3. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auf ihrer Grundlage bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des 4. Strafsenats.

8

a) Das frühzeitig eingeleitete Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden [X.]s ist noch nicht abgeschlossen, weil das [X.] im Rahmen eines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 17. Januar 2013 der [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2013 - 1 K 2614/12).

9

b) Nach dem „Vermerk über die wesentlichen Erwägungen des Präsidiums des [X.]s zur Entscheidung über die Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten“ (Anlage 6 zum Protokoll über die Präsidiumssitzung vom 13. Dezember 2012) hat das Präsidium für das Geschäftsjahr 2013 selbst bei Ausschöpfung aller Ressourcen und nach Abwägung aller denkbaren Geschäftsverteilungsmodelle keine Möglichkeit gesehen, jedem Strafsenat einen Vorsitzenden [X.] zuzuweisen. Der Doppelvorsitz durch gleichzeitige Leitung des 2. und 3. Strafsenats könne infolge Überlastung des mit dieser Aufgabe betrauten Vorsitzenden nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass im Geschäftsjahr 2013 der Präsident den Vorsitz im 3. Strafsenat wahrnehme (§ 21e Abs. 1 Satz 3 [X.]). Die Übertragung eines Doppelvorsitzes an einen anderen Vorsitzenden eines Strafsenats komme nicht in Betracht, da der Vorsitzende des 1. Strafsenats mit Ablauf des 30. April 2013 altersbedingt in den Ruhestand treten werde und der Vorsitzende des 5. - [X.] - Strafsenats schon auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht parallel den Vorsitz in einem [X.]r Strafsenat übernehmen könne. Die Heranziehung der Vorsitzenden der Zivilsenate für Interimslösungen scheide ebenfalls aus. Sie seien mit den Rechtsmaterien der Strafsenate nicht in einem Maße vertraut, dass sie ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion eines Vorsitzenden in einem zusätzlich zu übernehmenden Strafsenat erfüllen könnten.

c) Da das [X.] zügig betrieben wurde und das Präsidium des [X.]s alle sinnvollen Ressourcen zur Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten ausgeschöpft hat, liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, dass der 4. Strafsenat jedenfalls derzeit durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird.

II.

Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Zu der Verfallsentscheidung bemerkt der Senat:

Das [X.] hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung davon verschafft, dass das beim Angeklagten sichergestellte Geld (39.385,00 €) aus nicht verfahrensgegenständlichen Verkäufen von Betäubungsmitteln oder sonstigen Teilnahmehandlungen zu solchen Geschäften stammte ([X.]). Entsprechend war hinsichtlich dieses Geldes - vom [X.] ersichtlich gemeint - nicht auf erweiterten Verfall von [X.], sondern auf erweiterten Verfall zu erkennen (§ 73d Abs. 1 StGB).

Mutzbauer     

     Roggenbuck     

[X.]

Ri[X.] Bender ist infolge
Urlaubs ortsabwesend und
daher an der Unterschriftsleistung
gehindert.

Mutzbauer

Reiter     

Meta

4 StR 556/12

26.03.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 9. August 2012, Az: 13 KLs 5/12

§ 21f Abs 2 S 1 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2013, Az. 4 StR 556/12 (REWIS RS 2013, 7051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7051

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZR 173/13

5 StR 420/15

5 StR 420/15

VII ZR 173/13

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