Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2014, Az. V ZB 137/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8874

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V [X.]
vom
8. Januar 2014
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 11 Abs. 1
Richtlinie 2008/115/[X.]. 11 Abs. 2

a)
Bei Bestehen eines unbefristeten Einreiseverbots nach §
11 Abs. 1 Satz
1 Auf-enthG aF muss nach §
11 Abs. 1 [X.] nF nachträglich von Amts wegen ein-zelfallbezogen über eine Befristung befunden werden, sofern an ein Einreisever-bot anknüpfende Maßnahmen getroffen werden sollen; ohne eine solche nach-trägliche Entscheidung darf eine unerlaubte Einreise nicht bejaht werden ([X.] von [X.], Urteil vom 19. September 2013
-
[X.]/12 zu Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/[X.]).

b)
Jedenfalls in [X.] darf Haft zur Sicherung der Abschiebung nur ange-ordnet werden, wenn im Zuge der angestrebten zwangsweisen Aufenthaltsbeen-digung über die erforderliche Befristung nachträglich entschieden worden ist, die Einreise des Betroffenen danach (immer noch) eine unerlaubte war und ein Zeit-raum verstrichen ist, der es dem Betroffenen ermöglicht, die von Art. 13 der [X.]/[X.] eingeräumten Rechtsbehelfe noch im [X.] zu ergrei-fen.
[X.], Beschluss vom 8. Januar 2014 -
V [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-
2
-

Der V. Zivilsenat des [X.]gerichtshofs hat am 8. Januar 2014 durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
Stresemann, die [X.]
Dr.
[X.] und
Dr.
[X.], die [X.]in Dr.
Brückner und den [X.] Dr.
Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 2. Juli 2012 auf-gehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 22. März 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Landeshauptstadt [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:

I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, war am 8. April 2009 aus der [X.] nach [X.] abgeschoben worden. Nachdem er im Juli 2011 erfolglos versucht hatte, nach [X.] einzureisen, und danach zu einem unbekannten Zeitpunkt erneut in die [X.] eingereist war, 1
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3
-

wurde er am 3. März 2012 von der Polizei in Gewahrsam genommen. Er war im Be-sitz eines gültigen [X.] Reisepasses. Mit Bescheid vom 9. März 2012 wurde der Betroffene -
gestützt auf die Annahme einer unerlaubten Einreise
-
unter Andro-hung einer zwangsweisen Abschiebung aus dem [X.] ausgewiesen.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen am 22. März 2012 [X.] zum Zwecke der Abschiebung ange-ordnet. Gegen die Haftanordnung hat der Betroffene Beschwerde eingelegt. Nach der am 27. März 2012 vollzogenen Abschiebung nach [X.] hat er seinen Antrag dahin umgestellt, es möge die Verletzung seiner Rechte durch die erstinstanzliche Haftanordnung festgestellt werden. Das [X.] hat das Rechtsmittel zurückge-wiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Fest-stellung beantragt, durch die Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.]s in seinen Rechten verletzt worden
zu sein.

II.
Nach Auffassung des [X.] ist die Haft zur Sicherung der Ab-schiebung zu Recht angeordnet worden. Insbesondere sei der Betroffene aufgrund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Dem stehe nicht entge-gen, dass der Betroffene mit einem gültigen biometrischen Reisepass eingereist sei. Aufgrund
der
früheren Abschiebung habe nach §
11 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF kraft Gesetzes ein Einreiseverbot bestanden, das nach Satz 3 der Bestimmung nur auf Antrag hätte befristet werden können.
Etwas anderes folge auch nicht aus Art.
11 Abs. 2
der Richtlinie 2008/115/[X.] des [X.]n [X.]s und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Richtlinie 2008/115/[X.]), weil die erste Abschiebung am 8.
April 2009 und damit vor der erst am 24. Dezember 2010 abgelaufenen
Umsetzungsfrist des Art. 20 Abs. 1 der Richt-2
3
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linie 2008/115/[X.] durchgeführt worden sei. Die Haftgründe nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und
Nr. 5 [X.] lägen vor.

III.
Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog §
62 FamFG ohne Zulassung gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 359, 360; Beschluss vom 28. April 2011

[X.], juris Rn. 6)
ist auch im Übrigen zulässig (§
71 FamFG). Hat

wie hier

bereits das Beschwerde-gericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden, geht es im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist jedoch inzident auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 -
V [X.], [X.] 2011, 27 Rn. 4; Beschluss vom 28. April 2011, aaO, Rn.
7 [X.]). Den ge-stellten Antrag legt der Senat im Lichte der Rechtsbeschwerdebegründung entspre-chend aus.

IV.
Das Rechtsmittel ist begründet. Die Haft zur Sicherung der Abschiebung hätte nicht angeordnet werden dürfen. Jedenfalls aufgrund der übergangsrechtlichen Be-sonderheiten des Falles war der Betroffene nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Dies folgt aus den europarechtlichen Vorgaben von Art.
11 Abs.
2 der Richtlinie 2008/115/[X.],
wie sie von dem [X.] (im Folgenden: Gerichtshof)

allerdings erst nach Erlass der Beschwerdeentscheidung

durch Aus-legung konkretisiert worden sind
(vgl. [X.], Urteil vom 19.
September 2013
-
[X.]/12, Rn.
35
ff.).

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5
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1. Noch zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass den Be-troffenen infolge der ersten -
am 8. April 2009 durchgeführten

Abschiebung kraft Gesetzes zunächst ein

nicht an eine Einzelfallprüfung anknüpfendes

unbefristetes Einreiseverbot traf (§
11 Abs. 1 [X.] aF). Der Gesetzgeber durfte die nach Art.
20 Abs.
1 der Richtlinie 2008/115/[X.]
bis zum 24. Dezember 2010 bestehende Umsetzungsfrist ausschöpfen.

2. Verkannt hat es jedoch die Tragweite, die der Richtlinie 2008/115/[X.]
bei der Anwendung des nationalen Rechts bei Entscheidungen
zukommt, die zwar an ein vor Ablauf der Umsetzungsfrist kraft Gesetzes entstandenes unbefristetes Einrei-severbot anknüpfen, jedoch erst

wie hier die Haftanordnung

nach Ablauf der Frist getroffen werden.

a) Die Richtlinie 2008/115/[X.] enthält keine Übergangsbestimmung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt daraus, dass die Richtlinie unmittelbar auch Geltung der alten Rechtslage entstanden ist ([X.],
Urteil vom 19. September 2013, [X.] u.a., [X.]/12, Rn. 40; vgl. auch [X.], Urteil vom 1. März 2012, [X.],
[X.]/10 = EuZW 2012, 267, 269 Rn. 25). Mit Blick auf die Vorgabe des Art. 11 Abs.
2 der Richtlinie 2008/115/[X.] führt dies dazu, dass bei einem
Betroffenen, der nach §
11 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF kraft Gesetzes einem unbefristeten [X.] unterlag, nachträglich über eine Befristung befunden werden muss, sofern an ein Einreiseverbot anknüpfende Maßnahmen getroffen werden
sollen. Ohne eine solche nachträgliche einzelfallbezogene Entscheidung, auf die der Betroffene abge-sehen von den [X.] des §
11 Abs. 1 Satz 7 [X.] nF ein sub-jektives Recht hat ([X.], [X.] 2013, 141, 142
Rn.
11), darf eine unerlaubte Einreise nicht bejaht werden (vgl. [X.], Urteil vom 19. September 2013, aaO, Rn.
40
f.). Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/[X.] einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die die Befristung 6
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8
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6
-

von einem entsprechenden Antrag des Betroffenen abhängig macht, und dass dies selbst dann gilt, wenn der Betroffene auf die Möglichkeit der Antragstellung [X.] wird ([X.], Urteil vom 19. September 2013, aaO, Rn.
27
ff.). Über die Frage der (nachträglichen) Befristung ist daher antragsunabhängig zu befinden (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012
-
11 S 2303/12, juris
Rn.
8). An die-ses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte nicht nur gebunden; sie haben ihm auch bei der Anwendung des nationalen Rechts im Wege der Auslegung und Rechtsfortbildung soweit wie möglich Rechnung zu tragen (ausführlich dazu [X.], Urteil vom 26. November 2008

VIII ZR 200/05, [X.]Z, 179, 27,
33
ff. [X.] auch zur Rspr. des [X.]).

b) Vor diesem Hintergrund scheitert eine antragsunabhängige nachträgliche
Befristung des ursprünglich kraft Gesetzes entstandenen Einreiseverbots nicht [X.], dass der Betroffene keinen Antrag auf eine nachträgliche Befristung gestellt hat. Die innerstaatliche Regelung des §
11 Abs. 1 [X.] nF lässt eine [X.] Rechtsanwendung zu.

aa) Der Wortlaut der Bestimmung stellt kein Hindernis für die gebotene euro-parechtskonforme Rechtsanwendung dar. Nach der Formulierung des §
11 Abs. 1 Satz 3
[X.]
ist das Einreiseverbot auf Antrag

zu befristen. Dass dies nu

auf Antrag geschehen darf, ist der sprachlichen Fassung der Norm nicht zu entnehmen
(vgl. auch §
22 Nr. 2 VwVfG) und entspricht auch nicht der Auffassung des [X.]-verwaltungsgerichts (vgl. [X.], NVwZ 2013, 365, 369 Rn.
33: Befristung in Aus-nahmefällen von Amts wegen). Davon abgesehen
markiert der Gesetzeswortlaut zwar eine Grenze für die Auslegung.
Das steht jedoch einer davon abweichenden Inhaltsbestimmung nicht entgegen, sofern die Voraussetzungen für eine (Rechts-)
Analogie bzw. für eine teleologischen Reduktion vorliegen
(vgl. auch [X.], Urteil vom 26. November 2008

VIII ZR 200/05, aaO, S.
34
f.). Nichts anderes gilt, wenn ver-fassungs-
oder europarechtliche Vorgaben eine bestimmte Deutung gebieten. Die 9
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7
-

Grenze zulässiger Auslegung
/
Rechtsfortbildung ist erst dann überschritten, wenn der Norm

entgegen einer eindeutigen
und widerspruchsfreien Entscheidung des Gesetzgebers

ein bestimmter Sinngehalt beigelegt wird (vgl. auch [X.], Urteil vom 26. November 2008, aaO, S.
34
f.). Der [X.] darf eine Vorschrift nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative
Lösung ersetzen, die so im [X.] nicht erreichbar war ([X.] 82, 6, 12). So verhält es sich hier jedoch nicht.

bb) Das mit der Neufassung verfolgte gesetzgeberische Anliegen bestand vor allem darin, die Regelung des §
11 Abs. 1 [X.] richtlinienkonform anzupassen. Hierzu sollte u.a. an dem bisherigen Modell der antragsgebundenen
Befristung [X.] werden
(BT-Drucks. 17/5470, S.
21),
das

entgegen im [X.] vereinzelt geäußerter
Kritik
(vgl. BT-Drucks. 17/6497, S.
12)

für richtlinien-konform erachtet wurde
(vgl. auch [X.]. 17 [4] 282 I, wonach das Antragserfordernis nach der Rechtsprechung des [X.]
zur nationalen [X.] deshalb nicht den nationalen Umsetzungsspielraum überschreite, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass dadurch die Wirksamkeit der [X.] untergraben werde). Auf der Grundlage der nunmehr mit Bindungs-wirkung ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs zu Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/[X.] beruht diese Rechtsauffassung auf einer Fehleinschätzung der europa-rechtlichen Vorgaben. Somit steht die konkrete Regelungsabsicht hinsichtlich einer antragsgebundenen
Befristung nicht lediglich in Widerspruch zu einem
generellen, allgemein formulierten Umsetzungswillen, sondern zur konkret geäußer-ten
-
von der Annahme der Richtlinienkonformität getragenen
-
Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers. Deshalb ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber auch dann am Antragserfordernis festgehalten hätte, wenn bereits damals klar
gewesen wäre, dass dies nicht in
Einklang mit der Richtlinie steht. Bei einer solchen Sachlage [X.] die richtlinienkonforme Umsetzung in nationales Recht keinen durchgreifen-den Bedenken (vgl. auch [X.], Urteil vom 26. November 2008

VIII ZR 200/05, aaO, 11
-
8
-

S.
36
f.; Urteil vom 21. Dezember 2011

[X.], [X.]Z 192, 148, 162
f.; [X.] in Riesenhuber, [X.] Methodenlehre, 2.
Aufl., §
14 Rn.
53b).

[X.]) Soweit das [X.] auch mit Blick auf die Neufassung des §
11 Abs. 1 [X.] bislang grundsätzlich am Antragserfordernis festgehalten und lediglich die Anforderungen hieran abgemildert hat
([X.], Urteil vom 13. De-zember 2012

1 C 14/12, [X.] 2013, 141-143 Rn.
11; vgl. aber [X.], NVwZ 2013, 365, 369 Rn.
33),
nötigt dies schon deshalb nicht zu einer Vorlage an den Ge-meinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] nach §
2 Abs.
1 [X.], weil sich die maßgebende Rechtslage mit der nunmehr ergangenen
-
sämtliche Gerichte der [X.] bindenden
-
Entscheidung des Gerichtshofs vom 19.
September 2013 ([X.]/12)
wesentlich geändert hat. Das schließt eine
Verpflichtung zur Vorlage jedenfalls aus (vgl. nur Senat, Urteil vom 30.
September 2005

[X.], [X.]Z 164, 190, 196 [X.]).

3.
Auf dieser Grundlage darf jedenfalls in [X.] der vorliegenden Art die Haft zur Sicherung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn im Zuge der angestrebten zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung über die ursprünglich nicht erforderliche Befristung nachträglich entschieden worden ist, die Einreise des Be-troffenen
danach (immer noch) eine unerlaubte war und ein Zeitraum verstrichen ist, der es dem Betroffenen ermöglicht, die von Art. 13 der Richtlinie 2008/115/[X.] einge-räumten Rechtsbehelfe noch im [X.] zu ergreifen (zu Letzterem [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012
-
11 S 2303/12, juris Rn.
8).
Dabei ist es aus haftrechtlicher Sicht unerheblich, ob die erforderliche nachträgliche Befristung im Rahmen der für die Haftanordnung notwendigen Rückkehrentscheidung (dazu etwa
Senat Beschluss vom 14. März 2013

[X.]/12, NVwZ 2013, 1027, 1028 Rn. 7) oder durch einen eigenständigen Verwaltungsakt getroffen worden ist (zur ge-setzlichen Systematik vgl. [X.], [X.] 2013, 141, 142
Rn.
11 [X.]). Für die 12
13
-
9
-

haftrechtliche Prüfung kommt es nur darauf an, ob hierüber befunden worden ist
oder nicht.

Dem steht nicht entgegen, dass der Haftrichter grundsätzlich nicht zu prüfen
hat, ob die zuständige Behörde die Abschiebung bzw. Zurückschiebung zu Recht betreibt (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010

[X.], NVwZ
2010, 726,
728
Rn.
23 [X.]); die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden unterliegt der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hier tritt jedoch die Besonderheit hinzu, dass erst seit der Entscheidung des Gerichtshofs vom 19.
September 2013 und damit erst nach Erlass des Ausreisebescheids Klarheit darüber hergestellt wurde, dass das ur-sprünglich kraft Gesetzes bestehende Einreiseverbot nach §
11 Abs. 1 [X.] aF nunmehr stets und unabhängig von einer Antragstellung auch einer nachträglichen einzelfallbezogenen Konkretisierung bedarf. Bei dieser Sachlage darf die grundsätz-lich bestehende Funktionsteilung zwischen den Verwaltungs-
und den
Zivilgerichten nicht zu Lasten des Betroffenen gehen (zu diesem Gesichtspunkt vgl. auch Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011

[X.], juris Rn.
8). Jedenfalls im Zusammenhang mit Rückkehrentscheidungen, die auf eine unerlaubte Einreise ge-stützt werden, wäre es unverhältnismäßig, wenn auch in solchen [X.] das Fehlen einer Entscheidung über eine nachträgliche Befristung hingenommen würde. Eine gegenteilige Sichtweise würde auch der Bedeutung des [X.]vorbe-halts bei Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 GG; vgl. [X.] 105, 239, 248; [X.], 87,
98; Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010,
aaO), den Anforderun-gen, die von Verfassungs
wegen an ein faires Verfahren zu stellen sind (Art.
2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG), und dem Erfordernis einer effektiven Umsetzung europarechtli-cher Vorgaben (vgl. dazu auch [X.], aaO, §
23 [X.]) nicht gerecht.

4. Da die nach allem notwendige Entscheidung über eine nachträgliche Befris-tung nicht getroffen worden
ist -
insbesondere enthält der auf eine unerlaubte Einrei-14
15
-
10
-

se abhebende Bescheid vom 9. März 2012 keine solche Entscheidung

war die Haftanordnung rechtswidrig.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, §
430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.

Stresemann

[X.]

[X.]

Brückner

Kazele
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 22.03.2012 -
43 [X.]/12
(B) -

LG [X.], Entscheidung vom 02.07.2012 -
8 T 22/12 -

16

Meta

V ZB 137/12

08.01.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2014, Az. V ZB 137/12 (REWIS RS 2014, 8874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8874

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 137/12

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1 C 14/12

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V ZB 172/09

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