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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 76/13
vom
20. Februar 2014
in der Abschiebungshaftsache
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
[X.] und Dr.
Roth und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde gegen den Be-schluss der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 7.
Mai
2013 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung in dem Rechtsbeschwerdeverfahren not-wendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt
Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste erstmals im Jahr 2002 in die [X.] ein und stellte am 27. Mai 2002 einen Asylantrag, der durch bestandskräftigen Bescheid vom 21. August 2002 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde; zugleich wurde er unter Androhung der Ab-schiebung aufgefordert, die [X.] Deutschland zu verlassen. Am 24.
März 2005 wurde er in die [X.] abgeschoben. Am 3. November 2011 1
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wurde er erneut im [X.] angetroffen und gab an, am Vortag eingereist zu sein.
Mit Beschluss vom 29. November 2011 hat das Amtsgericht Abschie-bungshaft bis zum 21. Dezember 2011 angeordnet. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 die Haftanordnung aufgehoben und deren Rechtswidrigkeit festgestellt. Auf
die zu-gelassene Rechtsbeschwerde der beteiligten Behörde hat der [X.] den Be-schluss des [X.]s aufgehoben, weil er den für die Entscheidung erhebli-chen Sachverhalt nicht wiedergab, und die Sache zur anderweitigen Verhand-lung und Entscheidung an das
[X.] zurückverwiesen (Beschluss vom 29. März 2012 -
V [X.], juris). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] erneut festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts den Be-troffenen in seinen Rechten verletzt hat. Hiergegen wendet sich die beteiligte Behörde mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Zurückwei-sung der Beschwerde erreichen will; der Betroffene beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Beschwerdegericht meint, der Bescheid vom 21. August 2002 genü-ge nicht den Anforderungen an eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art.
3 Nr. 4 und Art. 11 der Richtlinie 2008/115/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Richtlinie 2008/115/[X.]). Insbesondere enthalte er keinen Hin-weis auf ein Einreise-
und Aufenthaltsverbot für den Fall, dass der Betroffene die [X.] nicht freiwillig verlasse; auch eine Befristung eines solchen 2
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Verbots sei nicht erfolgt. Soweit § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] ein [X.] für die Befristung vorsehe, sei dies richtlinienkonform dahingehend aus-zulegen, dass jede Willensbekundung des Betroffenen genüge, mit der er sich gegen die Ausweisung wende. Nachdem der Betroffene bekundet habe, in der [X.] (erneut) einen Asylantrag stellen zu wollen, hätte die Behörde über die Befristung des mit der Abschiebung vom 24. März 2005 verbundenen [X.] entscheiden müssen, was unterblieben sei; auch auf § 71 Abs.
5 AsylVfG könne sie sich nicht berufen.
III.
Das Rechtsmittel ist unbegründet. [X.] sieht das Beschwer-degericht die Haftanordnung als rechtswidrig an, weil es an einer Entscheidung über eine nachträgliche Befristung des [X.] bzw. einer neuen Rück-kehrentscheidung fehlt.
1. Infolge der am 24. März 2005 durchgeführten Abschiebung traf den Betroffenen zwar ein -
nicht an eine Einzelfallprüfung anknüpfendes -
unbefris-tetes Einreiseverbot (§ 11 Abs. 1 [X.] aF); eine nachträgliche Befristung des [X.], wie sie § 11 Abs. 1 Satz 3 [X.] nF auf Antrag vor-sieht, ist nicht erfolgt. Nach Erlass der Beschwerdeentscheidung hat aber der [X.] diese im nationalen Recht vorgesehene antragsab-hängige Befristung als unvereinbar mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/[X.] angesehen, deren Umsetzung § 11 [X.] dient ([X.],
[X.] 2013, 416 ff.). Geklärt hat er ferner, dass die Richtlinie auch auf die vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Wirkungen von [X.] findet ([X.], aaO, Rn. 40 f.).
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2. In Umsetzung dieses Urteils des [X.] in das na-tionale Recht hat der [X.] zwischenzeitlich entschieden, dass § 11 Abs. 1 [X.] richtlinienkonform dahingehend anzuwenden ist, dass über eine nachträgliche Befristung antragsunabhängig zu entscheiden ist; jedenfalls in [X.] der hier vorliegenden Art darf die Haft zur Sicherung der Ab-schiebung nur angeordnet werden, wenn im Zuge der angestrebten zwangs-weisen Aufenthaltsbeendigung über die ursprünglich nicht erforderliche Befris-tung nachträglich entschieden worden ist, die Einreise des Betroffenen danach (immer noch) eine unerlaubte war und ein Zeitraum verstrichen ist, der es ei-nem verständigen Betroffenen ermöglicht, die von Art. 13 der Richtlinie 2008/115/[X.] eingeräumten Rechtsbehelfe zu ergreifen (ausführlich Beschluss vom 9. Januar 2014 -
V [X.], juris Rn. 7 ff.). Weil bei richtlinienkonformer Anwendung von §
11 Abs. 1 Satz 4 [X.] die dort grundsätzlich [X.] Höchstdauer von fünf Jahren auch den Zeitraum vor Inkrafttreten der [X.] 2008/115/[X.] einbeziehen muss ([X.], aaO., Rn. 42), kann das [X.] nur noch unter den in §
11 Abs. 1 Satz 4 und Satz 7 [X.] genann-ten besonderen Voraussetzungen aufrechterhalten werden, wenn es -
wie hier -
bereits seit mehr als fünf Jahren bestanden hat. Ob es danach ohnehin einer erneuten Rückkehrentscheidung bedurfte, kann dahinstehen, weil es jedenfalls an der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des [X.] fehlt. Auf §
71 Abs. 5 AsylVfG kann sich die Behörde nicht stützen, weil diese Norm eine aufgrund eines früheren Asylantrags ergangene vollziehbare Abschiebungsan-drohung voraussetzt, an der es gerade fehlt.
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
[X.]
Roth
[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.11.2011 -
44 XIV
247/11 B -
LG Hannover, Entscheidung vom 07.05.2013 -
8 [X.]/11 -
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Meta
20.02.2014
Bundesgerichtshof V. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2014, Az. V ZB 76/13 (REWIS RS 2014, 7708)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 7708
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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