Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 1 B 59/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 11840

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Gründe

1

Die [X.]eschwerde, mit der eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht wird, ist unzulässig, weil sie bezüglich aller Zulassungsgründe nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

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1. Die Revision ist nicht wegen der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

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1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

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Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.]undesverwaltungsgericht keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

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Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.]undesverwaltungsgericht ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

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Im Ergebnis unterschiedliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein - hier nicht geltend gemachter - Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 [X.] 249.03 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der [X.]eweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier [X.]eweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

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1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt. Die [X.]eschwerde bezeichnet keine klärungsfähige Rechtsfrage grundsätzlicher [X.]edeutung, sondern beschränkt sich auf den Verweis auf eine Vielzahl von vor den Verwaltungsgerichten anhängigen Verfahren, in denen die Frage entscheidungserheblich ist, ob Personen, die nach längerem Auslandsaufenthalt und Asylanerkennung im Ausland oder wegen der Flucht ins Ausland vor der drohenden Einberufung nach [X.] zurückkehren, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3, 3a [X.] seitens des syrischen Regimes drohen. Der weitere Hinweis auf die [X.]erufungszulassung durch das Oberverwaltungsgericht verkennt, dass für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung ausreicht ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>).

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2. Die Revision ist auch nicht wegen der durch den Hinweis auf die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sinngemäß geltend gemachten [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

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2.1 Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 [X.] 38.10 - [X.] 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht.

2.2 Auch diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht. Dass Verwaltungsgerichte zu der Frage, "ob nach [X.] zurückkehrende Flüchtlinge bereits wegen des illegalen Verlassens ihres [X.] oder wegen ihres Asylantrages in [X.] vom [X.] als politische Gegner verfolgt würden", zu im Ergebnis unterschiedlichen [X.]ewertungen gelangen, bezeichnet nicht einmal im Ansatz divergierende Rechtssätze der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte.

3. Die Revision ist schließlich nicht wegen des geltend gemachten [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen, dass das [X.]erufungsgericht die Revision aus Gründen grundsätzlicher [X.]edeutung hätte zulassen müssen. Selbst wenn die berufungsgerichtliche Entscheidung über die Zulassung der Revision als Verfahrensentscheidung zu werten wäre, deren Fehlerhaftigkeit die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu stützen geeignet wäre, ist der geltend gemachte Verfahrensfehler aus den zu 1. genannten Gründen nicht dargelegt.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 59/17

27.04.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 31. Januar 2017, Az: 1 A 10950/16, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.04.2017, Az. 1 B 59/17 (REWIS RS 2017, 11840)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11840

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2 BvR 31/14

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