Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.10.2015, Az. 3 AZN 915/15 (F)

3. Senat | REWIS RS 2015, 4090

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Gegenstand

Nichtigkeitsklage


Tenor

Der Nichtigkeitsantrag gegen den Beschluss des [X.] vom 22. September 2014 - 3 [X.] ([X.]) - wird als unzulässig verworfen.

Die [X.] hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Der Wert des [X.] wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des mit Beschluss des Senats vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -) abgeschlossenen [X.]s.

2

Die Klägerin war Praktikantin bei der [X.]. In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Kündigung des [X.], die Erteilung einer Praktikumsbescheinigung, die Verpflichtung zur weiteren Ausbildung, Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Ermöglichung von [X.]achdokumentationen. Mit Urteil vom 28. Januar 2009 hat das [X.] (- 3 Ca 148/08 -) der Klage hinsichtlich des begehrten Kündigungsschutzes und der Praktikumsbescheinigung stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin geführte Berufung hat das [X.] mit Urteil vom 9. März 2010 (- 13 [X.]/09 -) zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2010 (- 3 [X.] 382/10 -) zurückgewiesen.

3

Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 hat die Klägerin erneut gegen das Berufungsurteil vom 9. März 2010 (- 13 [X.]/09 -) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -) als unzulässig verworfen hat.

4

Mit Schriftsatz vom 25. April 2015 hat die Klägerin zum [X.] ua. Nichtigkeitsklage sowohl gegen das Berufungsurteil vom 9. März 2010 (- 13 [X.]/09 -) als auch gegen den Beschluss des [X.] vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -) erhoben. Das [X.] hat die Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des Senats vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -) abgetrennt und an das [X.] verwiesen.

5

II. [X.] ist unzulässig. Die Klägerin des [X.] hat keinen [X.] aufgezeigt.

6

1. Der Antrag ist statthaft, obwohl die Entscheidung vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -), gegen die sich die Antragstellerin wendet, kein Urteil, sondern ein Beschluss ist.

7

Zwar setzt § 578 Abs. 1 ZPO voraus, dass das Verfahren, das wieder aufgenommen werden soll, durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossen wurde. Über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus ist die Wiederaufnahme des Verfahrens jedoch auch dann statthaft, wenn die letzte Entscheidung ein urteilsvertretender Beschluss war, etwa eine Entscheidung nach § 522 Abs. 1 ZPO oder § 552 ZPO, durch den die Berufung oder Revision als unzulässig verworfen worden ist ([X.] 11. Januar 1995 - 4 [X.] - zu II 1 der Gründe; 20. Januar 1955 - 2 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 1, 228). Gleiches gilt auch für einen Beschluss, durch den - wie im vorliegenden [X.]all - eine Nichtzulassungsbeschwerde verworfen wird. Auch durch einen solchen Beschluss wird das Verfahren beendet ([X.] 18. Oktober 1990 - 8 [X.] - zu II 1 der Gründe mwN, [X.]E 66, 140), da nach § 72a Abs. 5 [X.]tz 6 ArbGG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das [X.] das Urteil des [X.]s rechtskräftig wird. Zu entscheiden ist in diesem [X.]all nicht aufgrund einer „Nichtigkeitsklage“, sondern aufgrund eines Antrags durch Beschluss, der entsprechend § 72a Abs. 5 ArbGG ergehen kann, wobei die mündliche Verhandlung freigestellt ist (vgl. [X.] 12. September 2012 - 5 [X.] 1743/12 ([X.]) - Rn. 3; 11. Januar 1995 - 4 [X.] - aaO; 18. Oktober 1990 - 8 [X.] - aaO; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 79 Rn. 1).

8

2. Der Antragsteller hat den Antrag mit dem notwendigen Inhalt (§ 587 ZPO) zwar nicht bei dem ausschließlich zuständigen [X.] (§ 584 Abs. 1 ZPO) eingereicht, sondern bei dem [X.]. Dieses hat jedoch den Antrag, soweit er die Nichtigkeit des Beschlusses des Senats vom 22. September 2014 (- 3 [X.] ([X.]) -) zum Gegenstand hat, abgetrennt und mit Beschluss vom 13. Juli 2015 (- 13 [X.] 413/15 -) an das [X.] verwiesen.

9

3. Es kann dahinstehen, ob der Antrag rechtzeitig (§ 586 Abs. 1 ZPO) eingereicht wurde. Denn der Antrag ist schon deshalb unzulässig, weil [X.] nicht schlüssig dargelegt wurden.

a) Richtet sich ein Nichtigkeitsantrag gegen einen Beschluss des [X.], mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers verworfen oder zurückgewiesen worden ist, muss der Antragsteller darlegen, dass gerade dieser Beschluss auf einem [X.] (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 ZPO) beruht ([X.] 12. September 2012 - 5 [X.] 1743/12 ([X.]) - Rn. 4).

aa) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf ([X.] 1. April 1980 - 4 [X.] 77/80 - [X.]E 33, 79). Ihr fehlt es an dem ein Rechtsmittel kennzeichnenden Devolutiveffekt. Der Rechtsstreit fällt nicht als solcher beim [X.] an. Es geht nicht um die Überprüfung der [X.]chentscheidung des [X.]s, sondern um die [X.]rage, ob das Rechtsmittel gegen diese [X.]chentscheidung überhaupt erst zugelassen werden kann ([X.] 8. Juni 2010 - 6 [X.] 163/10 -; 9. Juli 2003 - 5 [X.] 316/03 -). Dabei ist das Revisionsgericht auf die Tatbestände des § 72a ArbGG beschränkt.

bb) Eine Wiederaufnahme des Zulassungsverfahrens ist deshalb nur möglich, wenn die [X.] entweder die Tatbestände des § 72a ArbGG oder das Zulassungsverfahren selbst betreffen (vgl. [X.] 18. Oktober 1990 - 8 [X.] - [X.]E 66, 140 zur nicht ordnungsgemäßen Vertretung im [X.]). [X.], die den Rechtsstreit im Übrigen betreffen, sind bei dem Gericht anzubringen, das den Rechtsstreit in der [X.]che entschieden hat.

cc) Die Tatsachen, aus denen der Antragsteller einen Wiederaufnahmegrund ableitet, müssen schlüssig vorgetragen werden. [X.] Behaupten erfordert, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen träfen zu, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre ([X.] 12. September 2012 - 5 [X.] 1743/12 ([X.]) - Rn. 7).

b) Danach sind [X.] nicht schlüssig dargelegt.

aa) Das gilt zunächst für den [X.] nach § 79 [X.]tz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

(1) Nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war und damit die Besetzung der [X.]bank bei der Entscheidung fehlerhaft war (vgl. [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 579 Rn. 2). Ein [X.] liegt nicht schon dann vor, wenn die Besetzung auf einer irrigen Gesetzesauslegung oder irrtümlichen Abweichung von [X.]estsetzungen des Geschäftsverteilungsplanes beruht, es muss sich vielmehr um eine klar zutage liegende Gesetzesverletzung handeln, die auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit auf objektiver Willkür beruht ([X.] 22. November 1994 - [X.] - zu II 5 der Gründe).

(2) Die Klägerin macht geltend, der [X.] (gemeint ist offensichtlich die damalige Vorsitzende des [X.], Vorsitzende [X.]in am [X.] Gräfl) sei befangen gewesen und hätte deshalb an der Beschlussfassung nicht mitwirken dürfen. Dieser Vortrag genügt jedoch nicht für die schlüssige Darlegung der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Senats bei der Beschlussfassung. Die Begründung der Nichtigkeitsklage bezieht sich einzig darauf, dass die [X.] befangen gewesen sei, weil sie vor der Entscheidung ihre Hinweispflicht verletzt habe. Damit zeigt die Klägerin keinen [X.] iSv. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf (vgl. dazu im Einzelnen [X.] 22. Aufl. § 547 Rn. 8 ff.). Eine angebliche Befangenheit eines Mitglieds des erkennenden Gerichts betrifft nur den [X.] nach § 79 [X.]tz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

bb) Der [X.] nach § 79 [X.]tz 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt.

Nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn bei der Entscheidung ein [X.] mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Da es nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht ausreicht, wenn nur die Möglichkeit einer Ablehnung bestand oder der [X.] sich selbst hätte ablehnen müssen, genügt es nicht, wenn direkt aus dem angegriffenen Berufungsurteil hervorgeht, dass objektiv die Besorgnis der Befangenheit bestanden hat und eine Ablehnung erfolgreich gewesen wäre (vgl. [X.] 9. November 1992 - II [X.] - zu 1 der Gründe, [X.]Z 120, 141; vgl. [X.]/Schütze/[X.]. § 547 ZPO Rn. 27). Ob angesichts der Rechtsprechung des [X.], wonach auch ein Verstoß gegen § 48 ZPO die Aufhebung eines Urteils durch das Rechtsmittel der Revision rechtfertigen kann (vgl. hierzu [X.] 15. Dezember 1994 - I ZR 121/92 - zu II 2 c der Gründe), an diesem am Wortlaut orientierten Verständnis von § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO festzuhalten ist, bedarf keiner Entscheidung. Die Klägerin hat keinen nach § 48 ZPO anzeigepflichtigen [X.]chverhalt behauptet, sondern ausschließlich geltend gemacht, dass sie die Vorsitzende wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Hinweispflicht abgelehnt hätte. Nach dem Rechtsgedanken des § 579 Abs. 2 ZPO geht bei einem angeblichen Verstoß gegen die Hinweispflicht zudem das Verfahren nach § 78a ArbGG dem Nichtigkeitsantrag vor.

cc) Schließlich hat die Klägerin den [X.] nach § 79 Abs. 1 ArbGG iVm. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht schlüssig dargelegt.

(1) Nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Zwar war lange Zeit umstritten, ob auch bei einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in analoger Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine Nichtigkeitsklage zulässig ist (dagegen: [X.] 11. Dezember 2002 - [X.]/00 - zu 2 und 3 der Gründe, [X.]Z 153, 189; [X.] 21. Juli 1993 - 7 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 73, 378). Spätestens mit der Einführung von § 321a ZPO und § 78a ArbGG ist das Bedürfnis für eine solche Analogie jedoch entfallen. Gegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs kann und muss nunmehr eine Anhörungsrüge erhoben werden. Daher fehlt es nach Einführung dieses speziellen Rechtsbehelfs an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

(2) Danach hat die Klägerin auch keinen [X.] nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dargelegt. Sie macht nicht geltend, ihre Vertretung sei nicht nach dem Gesetz erfolgt; vielmehr rügt sie lediglich einen vermeintlichen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dies genügt jedoch nicht für eine Darlegung des [X.]es nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    [X.]     

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

3 AZN 915/15 (F)

13.10.2015

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 28. Januar 2009, Az: 3 Ca 148/08, Urteil

§ 72a Abs 5 ArbGG, § 79 S 1 ArbGG, § 578 Abs 1 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 1 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 3 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 584 Abs 1 ZPO, § 586 Abs 1 ZPO, § 587 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.10.2015, Az. 3 AZN 915/15 (F) (REWIS RS 2015, 4090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4090

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