Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. 26 W (pat) 548/14

26. Senat | REWIS RS 2015, 8985

GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ MARKENRECHT BUNDESPATENTGERICHT (BPATG) ALKOHOL

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Troll" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 042 056.2

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 29. Juni 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Hermann

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 27. August 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Troll

3

ist am 25. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren der Klassen 25, 32 und 33 angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 27. August 2014 hat die Markenstelle für Klasse 33 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren der

5

Klasse 32: Alkoholfreie Cocktails; alkoholfreie Cocktail-Mixgetränke; alkoholfreie [X.]; alkoholfreie Getränke; alkoholfreie Weine; Aperitifs;

6

Klasse 33: alkoholhaltige Getränke mit Fruchtgehalt; alkoholische [X.]; alkoholische Getränke, ausgenommen Bier; alkoholische Mischgetränke, ausgenommen Biermischgetränke; alkoholreduzierte Weine; Aperitifs; Cocktails; Getränke mit geringem Alkoholgehalt; Mischgetränke; Rotwein; Schaumweine; Weine; weinhaltige Getränke [Weinschorlen]; Weißweine; Weinpunsche.

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[X.]ur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, als „Trollschoppen“, eine Mischung aus Weißwein und Sekt, werde in der [X.] der letzte gemeinsam getrunkene Schoppen, bevor man nach [X.] gehe bzw. sich „trolle“, bezeichnet. Als wichtiges Wahrzeichen der [X.] verkörpere er Gastfreundschaft, Geselligkeit und den großen Durst und sei in vielen Bereichen [X.] bekannt. Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Wortzeichen „Troll“, das eine bei Bestellungen übliche Verkürzung des „Trollschoppen“ darstelle, lediglich einen unmittelbar beschreibenden Hinweis entnehmen, dass es sich bei den versagten Waren um Mischgetränke handele.

8

 Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

9

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.]s vom 27. August 2014 aufzuheben.

Er ist der Ansicht, dass das Publikum weder Veranlassung habe, den angeblich feststehenden Terminus „Trollschoppen“ auf „Troll“ zu verkürzen, noch den Begriff „Troll“, der eine zwergenartige, kauzige Figur bezeichne, mit einem „Trollschoppen“ zu assoziieren. Diese allenfalls auf die Region [X.] beschränkte Verkürzung bzw. Assoziation, reiche nicht aus, um bundesweiten Markenschutz zu versagen. Der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde das Anmeldezeichen als betriebliche Herkunftskennzeichnung werten. Ferner sei am 5. Mai 2015 seine identische Gemeinschaftswortmarke 013174487 für identische Waren, allerdings zwecks Erledigung eines Widerspruchsverfahrens in Klasse 32 mit dem Disclaimer „alle vorstehend genannten Getränke, ausgenommen alkoholische und alkoholfreie Biere“, eingetragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.   

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil einer Eintragung des angemeldeten [X.]eichens „Troll“ für die beschwerdegegenständlichen Waren keine Schutzhindernisse im Sinne des § 8 Abs. 2 [X.] entgegenstehen.

1. Dem Anmeldezeichen kann die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht abgesprochen werden.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.], 228 [X.]. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 [X.]. 66 f. - [X.]; [X.], 270 [X.]. 8 - Link economy; [X.], 825 [X.]. 13 - [X.]; [X.], 935 [X.]. 8 - Die Vision). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. O. - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 233 [X.]. 45 - Standbeutel; [X.], 229 [X.]. 27 - BioID; [X.], 949 [X.]. 10 - My World; GRUR, 2008, 710 [X.]. 12 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 569, 570 [X.]. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872, 873 [X.]. 12 – [X.]; a. a. O. - [X.]; [X.], 411 [X.]. 8 - [X.]; [X.], 778 [X.]. 11 - Willkommen im Leben; a. a. O. - My World). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes [X.]eichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 1151 - marktfrisch; [X.] 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.], 1143, 1144, [X.]. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 [X.]. 24 - SAT 2; [X.], 376 [X.]. 11 - grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, [X.]. 86 - Postkantoor; [X.], 270 [X.]. 11 - Link economy; [X.], 952 [X.]. 10 - [X.]; [X.], 850 [X.]. 19 - [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.], 872, 874 [X.]. 21 - [X.]; [X.], 1100 [X.]. 20 -[X.]!; a. a. O. - [X.]; [X.], 1050 - [X.]; [X.], 1043 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch [X.]eichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1204 [X.]. 12 - [X.]; a. a. O. [X.]. 16 - [X.]; a. a. O. [X.]. 23 - [X.]!; a. a. O. [X.]. 28 f. - [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.], 146 [X.]. 32 - [X.]; a. a. O. [X.]. 97 - Postkantoor; a. a. O. [X.]. 38 - [X.]; [X.], 58 [X.]. 21 - Companyline).

b) Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das Anmeldezeichen „Troll“. In Bezug auf die zurückgewiesenen Getränke hat das [X.]eichen weder einen im Vordergrund stehenden Begriffsinhalt, noch weist es einen engen sachlichen Bezug zu diesen auf.

aa) Bei den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um den Getränkehandel und Gastronomiefachverkehr als auch um den Endverbraucher.

bb) Das Anmeldezeichen besteht aus dem Wort „Troll“.

www.wikipedia.org).

Keine dieser Bedeutungen hat irgendeinen Bezug zu den zurückgewiesenen alkoholfreien oder alkoholischen Getränken.

bbb) Das Anmeldezeichen ist aber auch kein Synonym oder eine gebräuchliche Abkürzung für die Rebsorte „Trollinger“, die bei Weinen und anderen aus Weintrauben hergestellten alkoholischen und alkoholfreien ([X.] beschreibend darauf hinweisen könnte, dass sie u. a. aus Trauben der Weinrebe „Trollinger“ hergestellt worden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch alkoholfreie oder alkoholreduzierte Weine (www.wikipedia.org, www.winzers.de,), Trollinger Weißwein (www.hotelier.de/lexikon/t/trollinger, Trollinger Traubensaft ([X.], [X.]) und [X.] gibt (trollinger2punkt0.de).

„Trollinger“ oder „Blauer Trollinger“ ist die Bezeichnung für eine „spät reifende Rebsorte mit großen, rot- bis tiefblauen Beeren“ oder den „leichten, herzhaften Rotwein aus Trollinger (www.duden.de). Der Name ist vermutlich aus „[X.]“ entstanden, weil die zugrunde liegende Traube die [X.] Rebsorte Vernatsch ist. Trollinger ist im [X.] die meist angebaute Rebsorte (Robinson, Das [X.], 2. Aufl. 2003, S. 759 f.; Der Brockhaus Wein, 2005, S. 446; Wein von A bis [X.] – [X.], 2002, S. 336 f.; www.wein-lexikon.de/Trollinger; www.wikipedia.org). Tatsächlich besteht auch das vom Anmelder kreierte, mit dem Anmeldezeichen bezeichnete Getränk zur Hälfte aus Trollinger und hat auch dessen Farbe. Dem Presseartikel „[X.]“ vom 8. Juli 2014 (www.stimme.de), der allerdings erst nach der Anmeldung des [X.] erschienen ist, ist auch zu entnehmen, dass der Anmelder „über den guten alten Trollinger zum Namen für sein Getränk gekommen“ ist.

Dennoch hat der Senat weder in einschlägigen Weinlexika, [X.] oder Abkürzungsverzeichnissen noch im [X.] feststellen können, dass „Troll“ das in den angesprochenen Verkehrskreisen bekannte und benutzte Akronym für die Rebsorte „Trollinger“ ist. [X.]war wird der aus dieser Rebsorte hergestellte Wein auf einigen, wenigen Getränkekarten der Gastronomie, teilweise auch des Getränkefachhandels bei Platzmangel und zur Vermeidung von Wiederholungen mit „Troll.“ abgekürzt, aber diese Abkürzung ist stets verbunden mit einem Punktzeichen und weiteren [X.]usätzen, vor allem aber mit dem [X.]usatz „[X.]“ oder abgekürzt „(-)Lemb.“, nie aber in der angemeldeten Alleinstellung ohne Punkt.

Der Senat konnte trotz gründlicher Recherche keine Belege dafür finden, dass „Troll“ als gängige Abkürzung für „Trollschoppen“ verwendet wird oder bekannt ist. Auch wenn nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass in der [X.] bei der mündlichen Bestellung im Lokal, vereinzelt aus Vereinfachungsgründen oder möglicherweise aufgrund alkoholisierten [X.]ustands, der „Trollschoppen“ auf „Troll“ verkürzt wird, reicht dies nicht aus, um dem Anmelder bundesweiten Markenschutz zu verweigern.

Damit stellt die angemeldete Bezeichnung nur eine sprechende Marke dar, bei der ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise zwar die dahinter stehende beschreibende Bedeutung „Trollinger“ oder - in der [X.] - „Trollschoppen“ erkennen mag, sie aber dennoch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt, so dass sie als individualisierender Betriebshinweis aufgefasst wird.

2. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] steht der Eintragung der Marke für die versagten Waren ebenfalls nicht entgegen.

Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus [X.]eichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende [X.]iel verfolgt, dass alle [X.]eichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden ([X.], [X.], 680, [X.]. 35, 36, [X.][X.] [[X.]]; [X.], 674, [X.]. 54 u. 95 - Postkantoor; [X.], 146, [X.]. 31 - [X.]/[X.] [[X.]]).

Wie bereits bei der Prüfung der Unterscheidungskraft eingehend erörtert, ist das Wortzeichen „Troll“ weder geeignet, die zurückgewiesenen Getränke zu beschreiben, noch handelt es sich um die gebräuchliche Abkürzung einer beschreibenden Angabe.

3. Für die Eintragung der Marke wird darauf hingewiesen, dass die vollständige Warenbezeichnung von „Aperitifs“ in Klasse 32 entsprechend der Anmeldung „Aperitifs, alkoholfrei“ lautet.

Meta

26 W (pat) 548/14

29.06.2015

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. 26 W (pat) 548/14 (REWIS RS 2015, 8985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8985

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