Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. 1 StR 585/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8039

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 585/12
vom
20.
Februar 2013
[X.]St: ja
[X.]R : ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja

StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 228

1.
Bei Körperverletzungen im Rahmen von tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen ist bei der für die Anwendung von § 228 StGB vorzunehmenden Bewertung der Gefährlichkeit der [X.] die mit derartigen Tätlichkeiten typischerweise verbun-dene [X.] zu berücksichtigen.

2.
Fehlen bei solchen Auseinandersetzungen das Gefährlichkeitspotential [X.] Absprachen und effektive Sicherungen für deren Einhaltung, verstoßen die in deren Verlauf begangenen Körperverletzungen trotz [X.] selbst dann gegen die guten Sitten (§ 228 StGB), wenn mit den einzelnen Körperverletzungen keine konkrete Todesgefahr verbunden war.

[X.], Beschluss vom 20. Februar 2013 -
1 StR 585/12 -
LG [X.]

in der Strafsache
-
2
-
gegen

1.

2.

3.

wegen
gefährlicher Körperverletzung

-
3
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20.
Februar 2013 beschlos-sen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 10. Juli 2012 werden als unbegründet [X.].
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das angefochtene Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nachteil der [X.] auf.
1.
Die Revisionen der Angeklagten bleiben auch insoweit ohne Erfolg, als diese sich jeweils gegen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverlet-zung (§§
223, 224 Abs.
1 Nr.
4 StGB) zu Lasten der geschädigten [X.].

und W.

richten. Die Taten waren unter keinem rechtlichen Ge-sichtspunkt gerechtfertigt.
a)
Nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen griff

[X.]

, [X.] des [X.].

, ein Mitglied aus einer Jugendgruppe, zu der auch die Angeklagten gehörten, an, indem er den [X.] schüttelte und ihn gegen ein parkendes Auto zu drücken versuchte. 1
2
3
-
4
-
Diese Auseinandersetzung konnte der Zeuge La.

so weit schlichten, dass zunächst weder aus der Gruppe um [X.]

noch aus der Gruppe um
die Angeklagten weitere Tätlichkeiten verübt wurden. Allerdings forderte der über den Vorfall
aufgebrachte Angeklagte Z.

erfolgreich telefonisch weitere Angehörige seiner Gruppe auf, zum Ort des Geschehens zu kommen. Nach kurzer Zeit standen sich die nunmehr verstärkte Gruppe um die Angeklagten und die um [X.]

, samt der [X.].

und W.

, gegenüber. Den Beteiligten beider Gruppen war bewusst, dass es aufgrund der sich durch wechselseitige Beleidigungen weiter aufheizenden Stimmung zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen würde. Aufgrund einer faktischen Übereinkunft stimmten die Beteiligten zu, diese mit Faustschlägen und Fußtritten auszutra-gen. Den Eintritt auch erheblicher Verletzungen billigten sie.
Im Zuge der sich anschließenden, rund vier bis fünf Minuten andauern-den wechselseitigen Tätlichkeiten erwies sich die Gruppe um die Angeklagten als
überlegen. Als der Zeuge W.

ungeachtet dessen ein Mitglied aus der Gruppe um die Angeklagten im Rahmen eines Faustkampfs in Bedrängnis brachte, schlug der Angeklagte S.

auf W.

ein, der daraufhin stürzte. Der am Boden liegende W.

erhielt anschließend einen Fußtritt. Er erlitt u.a. eine Schädelprellung und wurde mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus verbracht, wo er stationär behandelt wurde. Der nicht revidierende Angeklagte

M.

schlug den [X.].

so heftig mit der Faust in das Ge-sicht, dass dieser im Unterkiefer drei Zähne verlor, die durch Implantate ersetzt werden müssen.
Zudem verursachte der Schlag eine Verschiebung der [X.]. Die Verletzung bedarf einer operativen Korrektur. Der zur Gruppe
um [X.]

gehörende, mit einer Blutalkoholkonzentration von rund 3,0 Promille stark alkoholisierte Zeuge J.

ging durch die Wirkung von Faustschlägen bereits zu Beginn der Auseinandersetzung zu Boden und blieb dort wehrlos liegen. In dieser Lage versetzten ihm u.a. die Angeklagten Z.

und
4
-
5
-
S.

mehrere Tritte gegen den Kopf und den Körper. Nachdem eine kurze
Zeit von dem Zeugen J.

abgelassen worden war und er auf allen Vieren wegzukriechen versuchte, holte der Mitangeklagte

M.

mit dem Fuß aus und trat J.

ins Gesicht. Anschließend traten auch die Angeklagten Z.

und S.

erneut auf den am Boden liegenden J.

ein. Einen Tritt führte der Angeklagte S.

gegen den Kopf des Zeugen. Zudem hob er den Kopf des Zeugen etwas an und schlug ihn mit [X.] auf den Asphalt. Aufgrund der zahlreichen erlittenen Verletzungen wurde der Zeuge J.

drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt und war vierzehn Tage arbeitsunfähig krank.
b)
Bei dieser Sachlage erweisen sich auch die zum Nachteil der [X.].

und W.

verübten Körperverletzungen, für die die Angeklagten als Mittäter einzustehen haben, als rechtswidrig.
aa)
Die beiden Zeugen haben zwar in die zu ihren Verletzungen führen-den [X.] durch die Beteiligung an der faktischen Übereinkunft mit der Gruppe um die Angeklagten eingewilligt. Von dieser [X.] waren auch die erlittenen Verletzungen umfasst. Insoweit kommt es darauf an, dass der Einwilligende eine zutreffende Vorstellung von dem vo-raussichtlichen Verlauf und den möglichen Folgen des zu erwartenden Angriffs hat ([X.], Urteil vom 12.
Oktober 1999

1 [X.], [X.], 87, 88; vgl. auch [X.], Beschluss vom 20.
November 2012

1 [X.]). Da Faust-schläge und Fußtritte Gegenstand der Übereinkunft waren, schließt die [X.] zu solchen Handlungen auch die daraus typischerweise [X.] Verletzungsfolgen ein.

5
6
-
6
-
bb)
Ungeachtet der Einwilligungserklärungen der beiden [X.] die diese schädigenden Körperverletzungen aber gegen die guten Sitten und entfalten deshalb gemäß §
228 StGB keine rechtfertigende Wirkung.
Der [X.] beurteilt in seiner jüngeren Rechtsprechung die §
228 StGB trotz Einwilligung des betroffenen Rechtsgutsinhabers im Grund-satz vorrangig anhand der Art und des Gewichts des eingetretenen [X.]serfolges sowie des damit einhergehenden Gefahrengrades für Leib und
Leben des Opfers ([X.], Urteile vom 11.
Dezember 2003

3 [X.], [X.]St 49, 34, 42 und vom 26.
Mai 2004

2
[X.], [X.]St 49, 166, 170
f., 172 f.; siehe auch [X.], Urteil vom 16.
Dezember 2009

2 StR 446/09, [X.], 389 f.; anders noch [X.], Urteil vom 29.
Januar 1953

5 StR 408/52, [X.]St 4, 24, 31). Diesem Maßstab entsprechend wird die [X.] nach insoweit übereinstimmender höchstrichterlicher Rechtsprechung jedenfalls dann als sittenwidrig bewertet, wenn bei objektiver Betrachtung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände die einwilligende Person durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird ([X.], [X.] vom 11.
Dezember 2003

3 [X.], [X.]St 49, 34, 44 und vom 26.
Mai 2004

2 [X.], [X.]St 49, 166, 173; [X.], Urteil vom 20.
November 2008

4 [X.], [X.]St 53, 55, 62 Rn.
28 und 63 Rn.
29; siehe auch [X.], Urteil vom 18. September 2008

5 [X.]/08 [insoweit in [X.], 401-403 nicht abgedruckt]; [X.], Beschlüsse vom 20.
Juli 2010

5 [X.] und vom 12. Juni 2012

3 [X.]). Die Anknüpfung des für die Sittenwid-rigkeit heranzuziehenden Maßstabs an das Ausmaß der mit der Körperverlet-zung einhergehenden Rechtsgutsgefährdung findet sich auch bereits in frühe-ren Entscheidungen des [X.] (etwa [X.], Urteil vom 15.
Oktober 1991

4 [X.]/9t-

228 StGB an dem mit 7
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-
7
-
der Körperverletzung einhergehenden Grad der Gefährdung der Rechtgüter Leben und körperliche Unversehrtheit wird auf die Erwägung gestützt, im Grundsatz sei lediglich bei (drohenden) gravierenden Verletzungen der staatli-che Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Rechtsgutsinhabers legitim (vor allem [X.], Urteil vom 26.
Mai 2004

2 [X.], [X.]St 49, 166, 171 mwN; siehe [X.], StGB, 60. Aufl., §
228 Rn.
10 sowie [X.] in [X.] Kommentar zum StGB, 2.
Aufl., §
228 Rn.
23).
Die Vornahme einer mit konkreter Todesgefahr für den [X.] verbundenen Körperverletzung beschreibt danach einen Grad der Gefährlich-keit der Handlung und des daraus resultierenden Risikos für Leib und Leben, bei dessen Erreichen die Körperverletzung regelmäßig gegen die guten Sitten verstößt. Dieser Maßstab bestimmt jedoch die von §
228 StGB erfassten Kons-tellationen einer trotz erteilter Einwilligung sittenwidrigen Körperverletzung nicht abschließend. So kann trotz einer im Zeitpunkt der Vornahme der Körperverlet-zungshandlung auf der Grundlage der vorausschauenden Betrachtung aller maßgeblichen Umstände zu prognostizierenden konkreten Todesgefahr ein [X.] fehlen und der erteilten Einwilligung rechtfertigende Wirkung [X.]. Für die Einwilligung zu lebensgefährlichen ärztlichen Heileingriffen ist dies in der Rechtsprechung anerkannt ([X.], aaO, [X.]St 49, 166, 171).
Umgekehrt kann auch bei einer rechtsgutsbezogenen Auslegung des Merkmals der guten Sitten, der der Bestimmtheitsgrundsatz des Art.
103 Abs.
2 GG nicht entgegensteht (vgl. [X.], aaO, [X.]St 49, 166, 169), die Sittenwidrig-keit nicht stets ausschließlich danach beurteilt werden, ob
bei jeweils isolierter Bewertung des Gefährlichkeits-
und [X.] einzelner [X.]shandlungen im Ergebnis eine konkrete Lebens-
bzw. Todesgefahr ein-getreten ist. Die Feststellung des Eintritts eines solchen Gefahrerfolges erlaubt zwar regelmäßig einen Rückschluss auf den Gefährlichkeitsgrad der dafür ur-9
10
-
8
-
sächlichen Körperverletzungshandlung, schließt aber nicht aus, eine Über-schreitung der Grenze der Sittenwidrigkeit auch aus anderen, für die Bewertung der Rechtsgutsgefährlichkeit relevanten tatsächlichen Umständen der [X.] abzuleiten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die die Sit-tenwidrigkeit der Tat trotz Einwilligung anhand des [X.] bisherigen Entscheidungen des [X.] ganz überwiegend tatsächliche Konstellationen betrafen, in denen die Körperverletzungen nicht im Rahmen von wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehreren Beteiligten [X.] wurden. Für die Beurteilung der mit der Tat verbundenen Gefährdung des Opfers bzw. der Opfer waren daher bislang die Auswirkungen von gruppendy-namischen Prozessen, wie etwa die [X.] der Gesamtsituation aufgrund der Beeinflussung innerhalb einer Gruppe und zwischen konkurrie-renden Gruppen (dazu [X.], Beteiligung an einer Schlägerei [§
231 StGB], 2010, S.
23-27 mwN), nicht einzubeziehen. Solche Interaktionen bedürfen aber nach dem für die Anwendung des §
228 StGB einschlägigen Maßstabs des [X.] der Körperverletzung der Berücksichtigung. Soweit dem Urteil des 5.
Strafsenats des [X.] vom 18.
September 2008 (5 [X.]/08 Rn.
24, insoweit in [X.], 401 -
403 nicht abgedruckt) zu ent--
ex post -
Eintritt einer konkreten Todesgefahr trotz Einwilligung des Verletzten ge-gen die guten Sitten verstößt (§
228 StGB), würde der Senat dem nicht folgen. Einer Anfrage bei dem 5.
Strafsenat bedarf es nicht, weil es sich dort nicht um tragende Ausführungen handelt.

Es entspricht der neueren Rechtsprechung des [X.] zur Auslegung des §
228 StGB, die Sittenwidrigkeit der Tat trotz Einwilligung [X.] Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverlet-,
aaO, [X.]St 49, 11
-
9
-
166, 173). Maßgeblich ist in zeitlicher Hinsicht damit eine [X.]-Perspektive der Bewertung des [X.] der Körperverletzungshandlung ([X.] aaO §
228 Rn.
27). Bei durch diese verursachter konkreter Todes-
bzw. Lebensgefahr kann regelmäßig ein die Grenze der Sittenwidrigkeit im [X.] von §
228 StGB überschreitendes Ausmaß der Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Leib und Leben angenommen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Juli 2010

5 [X.] bzgl. mit konkreter Todesgefahr verbundenen Faustschlägen
gegen die [X.]).
Der Grad der Gefährlichkeit der Körperverletzungen, in die eingewilligt worden ist, bestimmt sich aber auch nach den die Tatausführung begleitenden Umständen. So ist etwa in Bezug auf im Rahmen von sportlichen Wettkämpfen eingetretene Körperverletzungserfolge im Ergebnis allgemein anerkannt, dass die entsprechende Tat selbst bei der Gefahr erheblicher gesundheitlicher Be-einträchtigungen nicht gegen die guten Sitten verstößt, wenn die Verletzung aus Verhaltensweisen resultiert, die nach den maßgeblichen Regeln des Wett-kampfs gestattet sind (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1953

4 StR 373/52, [X.]St 4, 88, 92 bzgl. des Boxwettkampfs; siehe auch [X.] 2009, 56, 59; [X.] in [X.] zum StGB, 3.
Aufl., §
228 Rn.
109 mwN). [X.] aber ein im Rahmen eines durch Regeln geleiteten und von einer
neutralen
Person überwachten [X.] verursachter [X.]serfolg aus einem Verhalten, das sich als grob fahrlässige oder gar vor-sätzliche Abweichung von den die Grundlage der erteilten Einwilligung bilden-den Wettkampfregeln erweist, sind die Körperverletzungshandlung und der [X.] resultierende Erfolg nicht mehr durch die Einwilligung gedeckt (etwa [X.], Urteil vom 22.
Januar 1953

4 StR 373/52, [X.]St 4, 88, 92; BayObLG NJW 1961, 2072, 2073; [X.], 394; [X.] 1998, 465; siehe auch den Überblick bei [X.] [1984], S.
36, 41 ff.).
12
-
10
-
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ausschluss der Rechtfertigung in solchen Konstellationen darauf beruht, dass das grob regelwidrige körperver-letzende Verhalten von vornherein nicht Gegenstand der erteilten Einwilligung ist oder die Tat trotz der Einwilligung wegen des durch den schweren [X.] typischerweise erhöhten [X.] gegen die guten Sitten verstößt. Der Rechtsprechung liegt jedenfalls einheitlich der Rechtsgedanke zugrunde, die konkreten Umstände der Ausführung von an sich konsentierten [X.] bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Tat zu berücksichtigen. Findet die Tat unter Bedingungen statt, die den Grad der aus ihr hervorgehenden Gefährlichkeit für die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben des Verletzten begrenzen, führt dies regelmäßig dazu, die Kör-perverletzung als durch die erklärte Einwilligung gerechtfertigt anzunehmen. Fehlt es dagegen an derartigen Regularien, ist eine Körperverletzung trotz der erteilten Einwilligung grundsätzlich sittenwidrig ([X.], Urteil vom 22.
Januar 1953

4 StR 373/52, [X.]St 4, 88, 92; siehe auch Urteil vom 12.
Oktober 1999 -
1 [X.], [X.], 87, 88). Das Fehlen von Regeln über die Bedin-gungen einer vereinbarten wechselseitigen körperlichen Auseinandersetzung führt nämlich erfahrungsgemäß zu einer Erhöhung des [X.] des Körperverletzungsgeschehens über das von der Einwilligung Gedeckte hinaus. Gleiches gilt selbst bei zwischen Täter und Opfer vereinbarten Regeln über die [X.], wenn das Vereinbarte nicht in [X.] sicherer Weise für die Verhütung gravierender, sogar mit der Gefahr des Todes einhergehender Körperverletzungen Sorge tragen kann (BayObLG NJW 1999, 372, 373).
Der Grundgedanke, das Vorhandensein oder Fehlen von den [X.] bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit von Körperverletzungen im Zusammenhang erteilter Einwilli-gungserklärungen zu berücksichtigen, ist in der höchstrichterlichen Rechtspre-13
14
-
11
-
chung auch bisher bereits herangezogen worden. So hat der [X.] eine sog. Bestimmungsmensur trotz der dabei verwendeten Waffen [X.] nicht als

nach früherem Recht strafbaren

tenden Regeln ausreichen-de Schutznahmen gegen lebensgefährliche Verletzungen bot (Urteil vom 29.
Januar 1953

5 StR 408/52, [X.]St 4, 24, 26 f.). Der Ausschluss der Rechtswidrigkeit durch Einwilligung selbst von erheblichen Körperverletzungen, die im Rahmen von Sportwettkämpfen verursacht werden, beruht

wie bereits ausgeführt

jedenfalls auch auf dem Aspekt der durch das Aufstellen und [X.] der Wettkampfregeln bewirkten Begrenzung des Gefährlichkeitspotenti-als der entsprechenden Verhaltensweisen. Bei für die körperliche Unversehrt-heit und sogar das Leben generell gefahrträchtigen Wettkampfsportarten, wie etwa dem Boxsport, dienen die von den entsprechenden Verbänden aufgestell-ten und auf ihre Einhaltung überwachten Wettkampfregeln gerade der [X.] mit dem Austragen des Wettkampfes verbundenen Risiken für die Gesundheit und das Leben der Beteiligten.
Außer dem Vorhandensein solcher risikobegrenzenden Regeln und In-strumentarien zur Gewährleistung ihrer Einhaltung ist bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Körperverletzungen trotz Einwilligung des Verletzten im Rahmen wechselseitiger tätlicher Auseinandersetzungen auch darauf abgestellt worden, ob diese unter Bedingungen stattfinden, die tatsächliche Verteidi-gungsmöglichkeiten des [X.] ermöglichen. So hat der Senat den zu einer Körperverletzung führenden Angriff gegen einen Geschädigten, der den nicht überwältigt werden zu können, als Verstoß gegen die guten Sitten (§
228 StGB) bewertet, weil der Angriff zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem der zuvor auffordernde Verletzte nicht abwehr-

i-15
-
12
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12.
Oktober 1999

1 [X.], [X.], 87, 88). Ebenso ist -
für den Fall der unterstellten Einwilligungsfähigkeit des Erklärenden -
einer Einwilligung die rechtfertigende Wirkung wegen Unvereinbarkeit der Tat mit den guten Sitten versagt worden, weil die im Rahmen eines [X.] in eine [X.] verabredete körperliche Auseinandersetzung zwischen drei Gangmitgliedern und dem Aufnahme [X.] keine Vorkehrungen für die Verhütung Anwär-372, 373).
Nach den bereits bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung her-angezogenen Kriterien gebietet es die für die Anwendung von §
228 StGB maßgebliche [X.]-Perspektive der Bewertung des [X.] der [X.],
die [X.] jedenfalls für [X.]en wie die vorliegenden, die im Rahmen von tätlichen [X.] zwischen rivalisierenden Gruppen begangen werden, mit zu berück-sichtigen. Dafür spricht zusätzlich, worauf der [X.] in seiner Antragsschrift zu Recht hingewiesen hat, auch der §
231 StGB zugrunde lie-gende Schutzzweck. Mit diesem abstrakten Gefährdungsdelikt ([X.], Urteil vom 24.
August 1993

1 [X.], [X.]St 39, 305, 307; [X.] in
[X.] Kommentar zum StGB,
2. Aufl.,
§
231 Rn.
2 mwN) will der [X.] bereits im Vorfeld von [X.] vor dem Gefährdungspotential von körperlichen Auseinandersetzungen zwi-schen mehreren Personen schützen (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S.
61; [X.] aaO S.
39). Ein Aspekt dieser spezifischen Gefährlichkeit der Schlägerei liegt gerade in der [X.] gruppendynamischer Prozesse. Dieser Ge-fährlichkeitsaspekt ist auch bei der [X.] Beurteilung von wechselseitig [X.] Körperverletzungen in Fällen der vorliegenden Art zu berücksichti-gen.
16
-
13
-
cc)
Nach diesem Maßstab verstoßen die Körperverletzungen zu Lasten der [X.].

und W.

wegen des
Ausmaßes der mit diesen [X.]en Gefährlichkeit für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit trotz der Einwilligung der Verletzten gegen die guten Sitten. Maßgebend dafür ist nicht in erster Linie das Gefährlichkeitspotential der einzelnen Körperverletzungshand-lungen, sondern die Gesamtumstände, unter denen diese verübt worden sind.
Bereits mit den verabredeten zugelassenen Körperverletzungen, zumin-dest in Gestalt der Fußtritte, ging ein nicht unerhebliches Gefährlichkeitspoten-tial einher. Nach den Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass solche Fuß-tritte auch gegen den Kopf des oder der Kontrahenten geführt wurden. Tritte gegen den Kopf sind als solche für das Leben des Getretenen generell gefähr-lich. Sie verwirklichen das Merkmal der das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne von §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB jedenfalls dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlung im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können ([X.], Beschluss vom 11.
Juli 2012

2 StR 60/12, [X.], 340 f.; siehe auch [X.], Urteil vom 22.
März 2002

2 [X.], [X.], 432 f. sowie Senat, Urteil vom 21.
Dezember 2011

1 [X.], NStZ-RR
2012, 105 f.). Entsprechendes gilt auch für gegen den Kopf des Opfers geführte Faustschläge, wie sie vorliegend mehrere Angehörige der Gruppe um [X.]

erlitten haben. So ist etwa der Zeuge La.

so heftig in das Gesicht geschlagen worden, dass er drei Zähne vollständig verloren hat, die durch Implantate ersetzt werden müssen. Derart massive Faustschläge tra-gen bereits per se einen erheblichen Gefährlichkeitsgrad in sich. Richten sich solche Schläge gegen besonders empfindliche Bereiche des Kopfes, wie vor allem die [X.], wird regelmäßig sogar von einer konkreten [X.] auszugehen sein ([X.], Beschluss vom 20.
Juli 2010

5 [X.]).

17
18
-
14
-
Bedeutsamer als der ohnehin nicht geringe Gefährlichkeitsgrad der von der Verabredung umfassten [X.] ist jedoch für die Beurteilung der Taten anhand von §
228 StGB das Fehlen
jeglicher Abspra-chen und Vorkehrungen, die eine Eskalation der wechselseitigen [X.] und damit einhergehend eine beträchtliche Erhöhung der aus
diesen resultierenden Rechtsgutsgefährlichkeit ausschließen. Es ist nicht er-sichtlich, dass die Gruppen vor dem Beginn der Auseinandersetzung abge-sprochen hätten, Körperverletzungen gegen bereits geschlagene und deshalb nicht mehr zu effektiver Ab-
oder Gegenwehr fähige Beteiligte auszuschließen. Ebenso wenig lassen die [X.] Feststellungen Absprachen und Sicherungen erkennen, die Situationen ausschließen, in denen sich eine unter-schiedliche Anzahl von Kämpfenden aus den beiden Gruppen gegenübersteht schwerwiegender Verletzungen für den oder die in Unterzahl [X.] deut-lich erhöht.
Die tatsächliche Entwicklung der Auseinandersetzung zeigt vielmehr, dass es sich nicht lediglich um abstrakt-generell bedeutsame Umstände der Beurteilung der Rechtsgutsgefährlichkeit der von den Angeklagten begangenen oder ihnen gemäß §
25 Abs.
2 StGB zuzurechnenden Körperverletzungen han-delt. Vielmehr haben sich die genannten generellen Risikofaktoren auch in der konkreten Kampfsituation risikosteigernd ausgewirkt. So ist der ohnehin auf-grund seiner starken Alkoholisierung nicht zur Abwehr gegen ihn gerichteter Körperverletzungen fähige Zeuge J.

nicht nur von drei zeitgleich agieren-den Angehörigen der Gruppe um die Angeklagten im Zusammenwirken ge-schlagen und getreten worden, sondern die Körperverletzungen wurden selbst dann noch fortgesetzt, als J.

sich völlig wehrlos am Boden befand und lediglich noch versuchte, auf allen Vieren kriechend dem Ort der Auseinander-setzung zu entkommen. Mit den Zeugen Mü.

und R.

sind darüber 19
20
-
15
-
hinaus Personen Opfer der Körperverletzungen seitens der Angeklagten ge-worden, die an der mit der Gruppe um [X.]

verabredeten körperlichen Ausei-nandersetzung gar nicht beteiligt waren, sondern aus Anlass ihrer
Bemühun-gen, den bereits verletzten Zeugen J.

aus
dem Kampfgeschehen zu [X.], von den Angeklagten und Mitgliedern ihrer Gruppe geschlagen bzw. getre-ten worden
sind. Gerade in derartigen Entwicklungen drückt sich das [X.] zu
beurteilende Gefährlichkeitspotential von körperlichen Auseinandersetzungen der vorliegenden Art aus.
Fehlen damit Absprachen und effektive Sicherungen für deren Einhal-tung, die bei wechselseitigen Körperverletzungen zwischen rivalisierenden Gruppen den Grad der Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Beteiligten auf ein vor dem Hintergrund des Selbstbestimmungsrechts von [X.] des [X.] begrenzen (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Mai 2004

2 [X.], [X.]St 49, 166, 171), verstoßen die Taten trotz der [X.] der Verletzten selbst dann gegen die guten Sitten (§
228 StGB), wenn mit den einzelnen Körperverletzungserfolgen keine konkrete Todesgefahr [X.] war.
dd)
Ob bei wechselseitigen Körperverletzungen zwischen rivalisierenden Gruppen bei vorhandenen Absprachen und Sicherungen zur Beschränkung des Gefährlichkeits-
bzw. [X.] ein Verstoß der Taten gegen die [X.] nicht vorliegt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Er neigt aber wegen der abstrakt-generellen [X.] in derartigen Situationen da-zu, die Frage zu verneinen, wenn und soweit eine Einhaltung des [X.] nicht ausreichend sicher gewährleistet werden kann.
2.
Im Hinblick auf die Körperverletzung zu Lasten
des geschädigten Zeugen J.

scheidet eine Rechtfertigung durch Einwilligung ohnehin von 21
22
23
-
16
-
vornherein aus. Obwohl dieser der an der verabredeten Auseinandersetzung beteiligten Gruppe um [X.]

bei Beginn der Tätlichkeiten angehörte, konnte er keine wirksame Einwilligung erteilen. Nach den Feststellungen des Landge-richts über dessen Alkoholisierung und seinen dadurch hervorgerufenen Zu-stand konnte der Zeuge J.

keine zutreffende Vorstellung von dem vo-raussichtlichen Verlauf und den möglichen Folgen des zu erwartenden Angriffs haben. Er war damit nicht einwilligungsfähig.
3.
Die geschädigten Zeugen Mü.

und R.

haben bereits [X.] Einwilligung erklärt. Sie gehörten bei dem Tatgeschehen nicht der Gruppe um [X.]

an, sondern hatten sich bewusst von dieser ferngehalten. Sie sind sie den alkoholisierten und erheblich verletzten Zeugen J.

von dem Ort der Auseinandersetzung wegbringen wollten.
Nack

Rothfuß

Graf

Cirener

Radtke
24

Meta

1 StR 585/12

20.02.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. 1 StR 585/12 (REWIS RS 2013, 8039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8039

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1 StR 585/12

1 StR 530/12

2 StR 60/12

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