Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2019, Az. I B 138/17

1. Senat | REWIS RS 2019, 11751

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Schließfach als feste Einrichtung


Leitsatz

NV: Ein Schließfach, das einem als Subunternehmer mit der Wartung von Flugzeugen befassten Ingenieur zur Aufbewahrung der von ihm zu stellenden Werkzeuge zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung steht, ist eine feste Einrichtung i.S. von Art. XI Abs. 1 Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 30. November 2017 1 K 123/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Flugzeugingenieur und Inhaber von Lizenzen zur Wartung von Flugzeugen des Typs [[X.].] und [[X.].] 757. Er bewohnte in den Streitjahren (2008 bis 2010) Wohnungen sowohl in der [[X.].] ([[X.].]) als auch in [[X.].]. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befand sich in [[X.].].

2

Der Kläger wartete in den Streitjahren auf der Grundlage eines "Freelancer Contract" im Auftrag der [[X.].]. in einem Hangar auf dem Gelände des [[X.].] (Inland) Frachtflugzeuge. Die [[X.].]. ihrerseits war im Auftrag der in [X.] ansässigen E-GmbH tätig, der Charterin und Betreiberin der Flugzeuge. Nach Darstellung des [X.] verrichtete er die Arbeiten als Arbeitnehmer der [X.]., die als Subunternehmerin für die [[X.].]. tätig gewesen sei. Die [X.]. ist eine [X.] Kapitalgesellschaft, deren Direktor und alleiniger Anteilsinhaber der Kläger ist. Nach Einschätzung des Bundeszentralamts für Steuern handelt es sich um eine wirtschaftlich inaktive "Briefkastenfirma".

3

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) behandelte die von der [[X.].]. in den Streitjahren bezogene Vergütung des [X.] als unbeschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die [X.]. sei vom Kläger lediglich vorgeschoben worden; Auftragnehmer der [[X.].]. sei der Kläger persönlich gewesen. Das Besteuerungsrecht an der Vergütung stehe abkommensrechtlich [[X.].] zu, weil der Kläger für seine [X.] in den von der [[X.].]. angemieteten Räumen über eine feste Einrichtung i.S. von Art. [X.]I Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der [[X.].] und dem Vereinigten Königreich [[X.].] und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 ([X.] 1966, 359, [X.] 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 ([X.] 1971, 46, [X.] 1971, 140) --DBA-[[X.].] 1964/1970-- verfügt habe.

4

Die dagegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das [X.] ([X.]) hat sie mit Urteil vom 30. November 2017  1 K 123/17 als unbegründet abgewiesen.

5

Der Kläger beantragt mit seiner Beschwerde, die Revision gegen das [X.]-Urteil zuzulassen.

6

Das [X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

8

1. Das [X.] weicht nicht von dem Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07 ([X.], 14, [X.], 922) ab (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] --BFH-- zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Denn beiden Entscheidungen liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde.

9

Wie jenes Senatsurteil geht auch das [X.] in der angefochtenen Entscheidung von dem rechtlichen Grundsatz aus, dass die für die Annahme einer festen Einrichtung (bzw. Betriebsstätte) erforderliche Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen bei bloßer Berechtigung zur Nutzung eines Raums im Interesse eines anderen, d.h. bei einer rein tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit nicht gegeben ist, sondern dass bei einem Tätigwerden in fremden Räumlichkeiten ohne einen entsprechenden rechtlichen Anspruch zusätzliche Umstände hinzukommen müssen, die auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen, in der sich eine gewisse Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt ([X.] S. 15).

Die Bejahung der festen Einrichtung hat das [X.] damit begründet, dass der Streitfall vom Tatsächlichen her anders gelegen habe als der dem Senatsurteil in [X.], 14, [X.], 922 zugrunde liegende Sachverhalt. [X.]. habe der Kläger die für die Wartungsarbeiten erforderlichen Werkzeuge selbst zu stellen gehabt und sei ihm hierfür in einem Raum neben dem Hangar ein mit seinem Namen und dem Namen seiner Auftraggeberin versehenes Schließfach zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt worden. Ein vergleichbarer Sachverhalt hat in dem Fall des [X.] in [X.], 14, [X.], 922 nicht vorgelegen. Mithin hat das [X.] eine Abgrenzung von dem Senatsurteil in tatsächlicher, nicht aber auch in rechtlicher Hinsicht vorgenommen. Dass die Differenzen der beiden Sachverhalte nach Auffassung der Klägerin eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht rechtfertigen, ist für das Vorliegen einer Rechtsprechungsdivergenz unerheblich. Denn eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen oder ein bloßer Subsumtionsfehler genügen dafür nicht (z.B. [X.] vom 1. April 2008 [X.], [X.], 1116).

2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zu.

Der Kläger beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung folgender Frage:

"Genügt es in dem Fall, in dem der Hauptauftragnehmer gegenüber dem ([X.] vertraglich verpflichtet ist, diesem über die gesamte Vertragsdauer hinweg für die gegenüber dem Hauptauftraggeber zu erbringenden Arbeiten geeignete Räumlichkeiten auf dem Gelände des [X.] zur Verfügung zu stellen, wobei diese Räume allerdings auch anderen ([X.]n zur Nutzung zur Verfügung stehen, zur Annahme einer abkommensrechtlichen inländischen Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung des ([X.]s im Sinne des Art. XI Abs. 1 Satz 2 DBA GB a.F./Art. 5 Abs. 1 DBA GB, dass

- der Unternehmer eine qualifizierte Tätigkeit ausübt,

- der Unternehmer nur eine vertragliche Beziehung zu dem Hauptauftragnehmer hat, der seinerseits die Räumlichkeiten vom Hauptauftraggeber gemietet hat

und

- dem Unternehmer die ausschließliche Nutzung eines Spinds und eines Schließfachs unmittelbar von dem Hauptauftragnehmer eingeräumt wird."

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung aus diesen vom Kläger benannten Aspekten scheidet hier jedoch aus, weil eine feste Einrichtung auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen jedenfalls darin zu sehen ist --und die diesbezügliche Rechtsfrage vom [X.] daher offenkundig richtig beantwortet und nicht klärungsbedürftig ist (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2018 I B 114/17, [X.] 2018, 1092)--, dass dem Kläger während der gesamten Vertragslaufzeit ein Schließfach zur ausschließlichen und eigenständigen Nutzung zur Verfügung stand, in dem er die von ihm nach den vertraglichen Vereinbarungen mit seiner Auftraggeberin selbst zu stellenden Wartungswerkzeuge aufbewahrt hat. Die weiteren vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen in Zusammenhang mit dem Merkmal der festen Einrichtung sind somit in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

Soweit der Kläger den Bezug des Schließfachs zu seiner unternehmerischen Betätigung in Abrede stellt, weil er die Werkzeuge jeweils nur dann dort aufbewahrt habe, wenn er sie nicht unmittelbar für die Wartungsarbeiten benötigt habe, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr dient auch eine sichere Aufbewahrung der für die unternehmerische Tätigkeit benötigten Werkzeuge während der Zeiträume, in denen nicht mit ihnen gearbeitet wird, der unternehmerischen Betätigung. Durch die Rechtsprechung geklärt ist im Übrigen, dass die Nutzung der Einrichtung weder einen größeren Umfang noch für das Unternehmen eine besondere Bedeutung haben muss. Vielmehr können auch untergeordnete betriebliche Vorgänge zum Vorliegen einer festen Einrichtung führen (s. zur Betriebsstätte z.B. Senatsbeschluss vom 30. August 1960 I B 148/59 U, [X.], 585, BStBl III 1960, 468; Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 I R 56/08, [X.], 356, [X.], 492; Buciek in [X.], [X.] § 12 Rz 19, m.w.N.).

3. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) führen nicht zur Zulassung der Revision.

a) Als Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) rügt der Kläger, das [X.] sei in den Entscheidungsgründen davon ausgegangen, die [X.]. sei gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichtet gewesen, diesem die von der E-GmbH angemieteten Räumlichkeiten sowie Spind und Schließfach zur Nutzung zu überlassen, obwohl sich eine solche vertragliche Verpflichtung weder aus den Regelungen des "Freelancer Contract" noch aus den sonstigen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils ergebe.

Hieraus lässt sich indessen ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O schon deshalb nicht ableiten, weil es sich nicht um einen Verfahrensmangel in Form des Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten, sondern um einen materiell-rechtlichen Fehler handelt, wenn eine vom [X.] ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist (z.B. [X.] vom 19. Februar 2010 VII B 190/09, [X.] 2010, 1120; Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 115 Rz 81). Im Übrigen hat das [X.] in den Entscheidungsgründen die Auffassung vertreten, es reiche für die Annahme einer Verfügungsmacht über die feste Einrichtung aus, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen sei, dass die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen nicht bestritten werde ([X.] S. 15). Daher fehlt es auch an der Kausalität des gerügten Fehlers für das Ergebnis des angefochtenen Urteils.

b) Ebenfalls unbegründet ist die Rüge, das [X.] habe seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O dadurch verletzt, dass es dem in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten des [X.] gestellten Beweisantrag, den [X.] zu der Frage zu hören, wie die Vertragsverhältnisse zwischen der [X.]. und der [X.]. gelebt wurden, nicht entsprochen habe. Das [X.] hat durch die Ablehnung des Beweisantrags die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.

Die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O erfordert, dass das [X.] Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles hätten aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 27. Juli 2016 V B 4/16, [X.] 2016, 1740). Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen ([X.] vom 15. Dezember 2016 VI B 50/16, [X.] 2017, 598). Demgegenüber muss das [X.] unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen. Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll (BFH-Urteil vom 17. Mai 2017 II R 35/15, [X.], 95, [X.], 966). [X.] oder -ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken soll, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen ([X.] vom 2. September 2016 IX B 66/16, [X.] 2017, 52).

Nach diesen Maßgaben hat das [X.] den Beweisantrag des [X.] zu Recht als unsubstantiierten [X.] angesehen. Die Angabe, wie ein Vertragsverhältnis "gelebt" worden sei, ist gänzlich unbestimmt und lässt auch unter der vom Kläger eingeforderten verständigen Würdigung keinerlei Rückschluss auf konkrete und entscheidungserhebliche Tatsachen zu, über die der Zeuge Aussagen treffen könnte.

c) Auch der Rüge, das [X.] habe den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 [X.]O, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt, indem es das Vorbringen in dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 nicht zur Kenntnis genommen und nicht über den darin enthaltenen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entschieden habe, ist kein Erfolg beschieden. Das [X.] konnte diesen Schriftsatz, der erst am Abend des 11. Dezember 2017 (19:26 Uhr) per Telefax beim [X.] eingegangen war, nicht mehr berücksichtigen. Denn ausweislich der Akten hatte die Geschäftsstelle des [X.] die gemäß § 104 Abs. 2 [X.]O an Stelle einer Verkündung zur Zustellung an die Beteiligten vorgesehenen Urteilsausfertigungen bereits am 8. Dezember 2017 zur Post gegeben. Nach Absendung der Urteilsausfertigungen zur Zustellung war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1989 VII R 64/86, [X.] 1989, 702; [X.] vom 11. Dezember 2006 IX B 128/06, [X.] 2007, 738).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 138/17

09.01.2019

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 30. November 2017, Az: 1 K 123/17, Urteil

Art 11 Abs 1 S 1 DBA GBR 1964, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.01.2019, Az. I B 138/17 (REWIS RS 2019, 11751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11751

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 47/20 (Bundesfinanzhof)

Betriebsstätte/feste Einrichtung im Dienstleistungsbereich


I B 11/19 (Bundesfinanzhof)

Notwendige Beiladung einer aufgelösten englischen Limited


I R 54/17 (Bundesfinanzhof)

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 19.06.2019 I R 32/17 - Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. …


I B 81/17 (Bundesfinanzhof)

Feststellung von nach DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünften - Notwendige Beiladung zum Klageverfahren bei …


I R 62/15 (Bundesfinanzhof)

Goldgeschäfte als Gewerbebetrieb - Notwendige Beiladung der Personengesellschaft im Klageverfahren gegen einen negativen Feststellungsbescheid


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.