Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2007, Az. VI ZR 269/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 921

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 13. November 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 [X.]; 1004 Abs. 1 Satz 2; KunstUrhG §§ 22, 23 Im Bereich der Bildberichterstattung kann nicht mit einer "vorbeugenden" [X.] über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnliche oder "kernglei-che" Bildberichterstattung für die Zukunft verboten werden. Vielmehr erfordert die Prüfung der Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ohne Ein-willigung des Abgebildeten in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem [X.] der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre, wobei die begleitende Wortberichterstattung eine we-sentliche Rolle spielen kann. [X.], Urteil vom 13. November 2007 - [X.]/06 - [X.]

LG Berlin - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 6. November 2006 aufgehoben, soweit zum Nachteil der [X.] entschieden worden ist. Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2005 abgeändert. Die Klage wird in [X.] Umfang abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin, eine bekannte frühere Leistungsportlerin, hat die Veröffent-lichung von Fotos in zwei von der [X.] verlegten Zeitschriften beanstan-det. Die Fotos wurden während eines Ferienaufenthaltes im Jahr 2005 auf [X.] heimlich aufgenommen und zeigen die Klägerin und ihren Partner am 1 - 3 - Strand vor ihrem Hotel im Wasser, beim Betreten einer Miet-Yacht und beim Bummel durch den Ferienort. Die mit den Fotos bebilderten Artikel tragen die Überschriften "Diese Liebe gibt ihr die Freude am Leben zurück" und "Bricht ihr [X.] das Herz?". 2 Die [X.] hat auf das Unterlassungsbegehren der Klägerin vorgericht-lich eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtete, es zu unterlassen, die bereits veröffentlichten Fotos er-neut zu verbreiten. Die Klägerin gab sich hiermit nicht zufrieden, sondern hat Klage erhoben mit dem Antrag, die [X.] zu verurteilen, es bei Vermeidung einer Ord-nungsstrafe zu unterlassen, Bildnisse aus ihrem privaten Alltag zu veröffentli-chen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen oder verbreiten zu lassen, wie in den entsprechenden Ausgaben der von der [X.] verlegten Zeit-schriften geschehen. Das [X.] hat die [X.] antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die [X.] nach einem in der letzten mündli-chen Verhandlung gestellten Hilfsantrag verurteilt, es zu unterlassen, Bildnisse der Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu [X.], wie in den bezeichne-ten Ausgaben der Zeitschriften geschehen. Im Übrigen hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter. 3 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] 4 Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Hauptantrag sei nicht hin-reichend bestimmt. Der Antrag, die [X.] von Bildnissen "aus dem privaten Alltag" zu untersagen, gehe deutlich über die konkrete [X.] hinaus. Der Begriff des "privaten Alltags" sei auch nicht geeignet, das zu unterlassende Handeln hinreichend konkret zu bezeichnen. Der Klägerin stehe ein derartiger Unterlassungsanspruch auch nicht zu. Es könne nicht ge-nerell ausgeschlossen werden, dass Fotos aus ihrem Privatleben veröffentlicht werden dürften. Entscheidend seien vielmehr die konkreten Umstände des [X.]. Ein umfassendes Verbot komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin der Öffentlichkeit in nicht unerheblichem Umfang Einblick in ihr Pri-vatleben gewährt habe und noch weiterhin gewähre. Für ein umfassendes Ver-bot, das alle Bildnisse der Klägerin umfassen solle, die diese in vergleichbaren privaten Situationen zeigten, sei deshalb kein Raum. Die Klage sei dagegen in Gestalt des [X.] zulässig und begründet. Der Antrag sei hinreichend bestimmt, denn er beschränke sich durch den Zusatz "wie in bestimmten [X.] geschehen" auf eine Verurteilung der [X.] zur Unterlassung der konkreten Fotos sowie solcher Fotografien, die im [X.] gleichartig seien und knüpfe deshalb an das Charakteristische des konkreten [X.] an. Insoweit müsse das Interesse der [X.] an der [X.] und Verbreitung der beanstandeten Fotografien hinter dem allgemeinen [X.] der Klägerin und deren Interesse an der Achtung ihrer [X.] zurückstehen. Die veröffentlichten Fotos seien während eines Ferien-aufenthaltes auf [X.] heimlich und unter Zuhilfenahme von Teleobjektiven aus großer Entfernung angefertigt worden. Die Klägerin habe berechtigter [X.] davon ausgehen dürfen, an diesem Ort nicht den Blicken eines breiten Pub-- 5 - likums ausgesetzt zu sein und habe auch nicht mit der Anwesenheit von [X.] rechnen müssen. Die bestehende Wiederholungsgefahr werde durch die von der [X.] abgegebene Unterlassungserklärung nicht ausge-räumt, denn diese beschränke sich auf die Verbreitung der bereits veröffentlich-ten konkreten Bildnisse, ohne auch im [X.] wesensgleiche Fotografien mit ein-zubeziehen. I[X.] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprü-fung nicht stand. 5 1. Der Senat ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, die Zulässigkeit des [X.] zu überprüfen, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Berufungsgericht die Revision nur zu Gunsten der Klägerin hinsichtlich einer etwaigen Weiterverfol-gung des abgewiesenen Hauptantrages zulassen wollte. Im [X.] ging es nämlich gerade um die Zulässigkeit und Begründetheit des [X.], mit dem verhindert werden soll, dass die [X.] in Zukunft weitere "kerngleiche" Bilder der Klägerin veröffentlicht. 6 2. Der Hilfsantrag ist auch zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. 7 a) Der erkennende Senat kann als Revisionsgericht die Auslegung des [X.] als Prozesserklärung in vollem Umfang selbst überprü-fen, wobei auch das Vorbringen herangezogen werden kann, auf das sich die Klage stützt (vgl. [X.], Urteile vom 19. März 1998 - I ZR 264/95 - [X.], 739 - Brennwertkessel; vom 29. Juni 2000 - [X.] - [X.], 1394 8 - 6 - - ad-hoc-Meldung; vom 23. November 2000 - [X.]/00 - ZIP 2001, 124, 125 und vom 7. Juni 2001 - [X.] - NJW 2001, 3710, 3711 - Jubiläumsschnäppchen, jeweils m.w.[X.]). - 7 - b) Danach hat das Berufungsgericht den Hilfsantrag in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.] zu wettbewerbsrechtlichen [X.]n (vgl. insbesondere Urteil vom 7. Juni 2001 - [X.] - Jubi-läumsschnäppchen - aaO m.w.[X.]) zutreffend dahin ausgelegt, dass der [X.] über die konkret veröffentlichten Bilder hinaus auch untersagt werden soll, zwar nicht identische, aber im [X.] gleichartige Bilder der Klägerin zu veröffent-lichen. Nach diesem Verständnis ist der Hilfsantrag hinreichend bestimmt. 9 3. Die Klage ist im Hilfsantrag jedoch unbegründet, weil der Klägerin ein so weitgehender Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwen-dung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zusteht. 10 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich die Grund-sätze, welche die Rechtsprechung zu Unterlassungsklagen insbesondere im wettbewerbsrechtlichen Bereich zur Verhinderung von Umgehungen des [X.] entwickelt hat (vgl. etwa Urteil vom 7. Juni 2001 - [X.] - Jubiläumsschnäppchen - aaO m.w.[X.]), auf das Recht der Bildberichterstattung nicht übertragen. 11 a) Der erkennende Senat hat zu der Frage, ob mit einer Art "vorbeugen-der Unterlassungsklage" über die konkrete Verletzungsform hinaus eine [X.] oder "kerngleiche" Bildberichterstattung für die Zukunft verboten werden kann, bislang noch nicht Stellung genommen. Er hat jedoch in seinem Urteil vom 9. März 2004 - [X.] ZR 217/03 - NJW 2004, 1795, 1796 bereits entschieden, dass selbst die erneute [X.] eines bestimmten Bildes nicht generell verboten werden kann, weil die [X.] sich in einem anderen Kontext als zulässig erweisen könnte. 12 - 8 - b) An dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise hat sich durch die [X.] Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit von [X.] (vgl. Senatsurteile vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697 und - [X.] ZR 51/06 - [X.], 957; vom 19. Juni 2007 - [X.] ZR 12/06 - [X.], 1135 und vom 3. Juli 2007 - [X.] ZR 164/06 - [X.], 1283) nichts geändert. Mit ihnen hat der Senat vielmehr den in der Entscheidung des [X.] vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647) geäußerten Bedenken Rechnung getragen und zugleich klargestellt, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öf-fentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner [X.] bedarf, wobei die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen kann. 13 c) Eine solche Interessenabwägung kann jedoch nicht in Bezug auf [X.] vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen ins-besondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. [X.] vom 9. März 2004 - [X.] ZR 217/03 - aaO). Die entsprechenden [X.] sind derart vielgestaltig, dass sie mit einer "vorbeugenden" [X.] selbst dann nicht erfasst werden können, wenn man diese auf "kerngleiche" Verletzungshandlungen beschränken wollte. Eine vorweggenom-mene Abwägung, die sich mehr oder weniger nur auf Vermutungen stützen könnte und die im konkreten Verletzungsfall im Vollstreckungsverfahren [X.] werden müsste, verbietet sich schon im Hinblick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte. 14 4. Da im Hinblick auf die vorgerichtlich abgegebene [X.] der [X.] eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der konkreten [X.] nicht mehr im Streit ist, war die Klage auf die Revision der [X.] insgesamt abzuweisen. 15 - 9 - II[X.] 16 [X.] ergibt sich aus § 91 ZPO. [X.] [X.] [X.] Pauge [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.11.2005 - 27 O 812/05 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 10 U 282/05 -

Meta

VI ZR 269/06

13.11.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2007, Az. VI ZR 269/06 (REWIS RS 2007, 921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 921

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