Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2004, Az. 5 StR 490/03

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4103

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5 [X.]/03BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILvom 16. März 2004in der Strafsachegegenwegen [X.] des [X.] hat in der Sitzung vom16. März 2004, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],Richterin [X.],Richter Dr. Brause,Richter [X.] beisitzende Richter,Oberstaatsanwältin beim [X.] Vertreterin der [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger,Rechtsanwalt [X.] Vertreter der Nebenklägerinnen,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der [X.] wird das Urteil des [X.] 7. April 2003 aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] zuständige Strafkammer des [X.].[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigespro-chen, seinen Schwager [X.]am 29. August 2002 gegen 23.25 Uhr indessen [X.] in [X.] mit einem Pistolenschuß in den Kopf heimtük-kisch getötet zu haben. Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwalt-schaft, die vom [X.] vertreten wird, und die Revisionen [X.] sowie der Schwester des Getöteten, die sich als Nebenklägerinnendem Verfahren angeschlossen haben, führen mit der Sachrüge zur Aufhe-bung des Freispruchs. Auf die von den Nebenklägerinnen erhobenen for-mellen [X.] kommt es nicht an.I.1. Das [X.] hat im wesentlichen folgende Feststellungen ge-troffen:- 4 -Der seit 1979 in [X.] lebende Angeklagte heiratete 1985 dieSchwester des Getöteten E . Nachdem der Angeklagte gegen seineEhefrau tätlich geworden war und er die Ehe durch große Eifersucht belastethatte, zog seine Ehefrau im [X.]ptember 1999 mit den damals elf und neunJahre alten ehelichen Kindern mit Hilfe des [X.]von [X.] nachLüdenscheid zu einem Onkel und betrieb das Scheidungsverfahren. Der An-geklagte, dem lediglich ein monatliches Besuchsrecht eingeräumt war, littstark unter der Trennung von seiner Familie. Er gab seinem Schwager eineerhebliche Mitschuld, wenn nicht die Hauptschuld am Scheitern seiner Ehe.Dies begründete seine besondere [X.] zur Abreaktion von [X.] Haß durch entsprechende verbale Äußerungen im Familien- und [X.], die Familie des Schwagers zu zerstören, weil dieser die [X.] zerstört habe, bis hin zu Androhungen, den Bruder seiner Frau tötenzu wollen. [X.]übernahm im Februar 2002 die in der [X.] 9 in[X.] ([X.]) gelegene [X.] —A fi. Der Angeklagte beauf-tragte im August 2002 seinen Freund At , den E wegeneiner Forderung über 15.000 DM anzusprechen. [X.]wandte sich [X.] am 15. August 2002 telefonisch an seinen Freund [X.], der auch [X.] befreundet war und erkundigte sich nach Telefonnummer und Adressedes E . [X.] teilte [X.]aber lediglich mit, daß [X.]ein Lokal in[X.] betreibe. Über den Inhalt dieses Anrufs informierte [X.]den [X.].Am 29. August 2002 sprach auf dem Marktplatz in [X.] gegen21.15 Uhr ein 1,65 m bis [X.], ca. 40 bis 45 Jahre alt, [X.] Figur, in sehr gebrochenem [X.] die Zeuginnen [X.]und[X.] an und fragte nach einem Lokal und danach, ob er sich in [X.] befinde. Die Zeuginnen hielten [X.] für einen [X.], und [X.], nachdem er bestätigt hatte, eine [X.] zu suchen, den Weg zum Lokaldes [X.]. Gegen 22.45 Uhr traf der Zeuge [X.]an der [X.][X.] auf [X.] südländi-schen Aussehens, der durch den Blick des Zeugen merklich irritiert [X.] leicht zuckte. Der Zeuge [X.]beobachtete von seiner Wohnung ausgegen 23.20 Uhr [X.], der mit einerSchirmmütze und einem grauen T-Shirt bekleidet in die [X.] ging. Die [X.] beschäftigten [X.]und [X.]nahmen einen 1,65 bis[X.] von schlanker Gestalt wahr, der eine Schirmmütze trugund etwa 35 Jahre alt war. Diese Person schoß mit einer Pistole [X.] [X.] mm dem auf einem Barhocker am [X.] sitzenden E inHöhe des rechten oberen Ohrmuschelansatzes aus geringer Entfernung inden Kopf, wodurch eine Hirnverletzung entstand, die um 3.43 Uhr trotz [X.] Bemühungen zum Tod führte. Der Zeuge [X.] sah unmittelbarnach der [X.] [X.], der kurz zuvor die [X.] [X.] hatte, aus dem Lokal kommen, die [X.] überqueren und indie [X.] einbiegen. Letzteres wurde von dem [X.] bestätigt. Die Zeugin [X.]sah unmittelbar nach der [X.] ei-nen 1,60 m bis [X.] von normaler Gestalt ca. 50 m in die[X.] rennen. Diese Person stieg in ein am rechten Fahrbahn-rand abgestelltes Fahrzeug ein und fuhr sehr schnell davon.Der Zeuge [X.]erkannte am 5. [X.]ptember 2002 unter 13 vor-gelegten Wahllichtbildern, die allesamt Männer südländischen Aussehensdarstellten und worunter sich zwei Bilder des Angeklagten befanden, [X.] auf beiden Bildern —zu 80 %fi als die Person, auf die [X.] in [X.] getroffen war. Auch die Zeuginnen [X.] undL bezeichneten die Bilder, die den Angeklagten zeigten als [X.] ähnlich, der sie auf dem Marktplatz um 21.15 Uhr angesprochenhatte. Der Zeuge [X.]erkannte eine solche Ähnlichkeit mit dem [X.] auf einem Bild.Der Angeklagte bestreitet, seine Ehefrau jemals bedroht oder ge-schlagen zu haben. [X.]inen Schwager habe er nicht getötet. Er sei am [X.] 6 -nach einem Spaziergang im [X.] um 21.00 Uhr zu [X.] dem Pkw in [X.] angekommen und habe seine Wohnung biszum Mittag des nächsten Tages nicht mehr verlassen.2. Das [X.] hält die Einlassung des Angeklagten für wider-legt. [X.]in Pkw [X.] sei in der Tatnacht nicht in der Tiefgaragegesehen worden. Ferner hätten sich die Angaben des Angeklagten über dasvon ihm verfolgte [X.] Fernsehprogramm als unzutreffend herausge-stellt. Von einer Täterschaft des Angeklagten hat es sich aber nicht überzeu-gen können. Die Ergebnisse der Wahllichtbildvorlagen seien hinsichtlich derWiedererkennungsmerkmale Oberlippenbart, Haarkranz und männliche Per-son mit [X.] Aussehen nicht ausreichend, um eine Verwechslungauszuschließen. In der Hauptverhandlung hätten die Zeugen nur eine Ähn-lichkeit des Angeklagten [X.] freilich sein Aussehen durch Tragen einesVollbartes verändert hatte [X.] mit der von ihnen in [X.] jeweils beobach-teten Person feststellen können. Die beim Angeklagten erkennbare besonde-re [X.] werde durch das Fehlen objektiver Beweismittel relativiert.II.Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Freispruchs, weil die Beweis-würdigung des [X.]s sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.Zwar muß das Revisionsgericht es grundsätzlich hinnehmen, daßder Tatrichter einen Angeklagten deshalb freispricht, weil der [X.] an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdi-gung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränktsich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, un-klar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungs-sätze verstößt (st. Rspr.; [X.] NStZ 2002, 48; [X.] NStZ-RR 2000, 171;[X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m.w.[X.] 7 -1. Hier erweist sich die Beweiswürdigung des [X.]s als lük-kenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines [X.] nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich wür-digen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweis-lage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann sobeschaffen sein, daß sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisum-stände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt,obwohl [X.] wie hier [X.] nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen [X.] ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muß es allerdings inseiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweisewesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägun-gen einbeziehen ([X.] wistra 2002, 430; 260, 261; [X.] NStZ-RR 2000,171) und in einer Gesamtwürdigung betrachten ([X.] NJW 2002, 2188,2189; 2002, 1811, 1812; [X.] NStZ 2002, 48). Dem wird das angefochteneUrteil hinsichtlich der Identifizierung des Tatverdächtigen durch Zeugen [X.] nicht gerecht. Das [X.] hat naheliegende Um-stände, die auf den Angeklagten hindeuten, nicht in seine Abwägung mit [X.]) Das Schwurgericht hat das Alibi des Angeklagten mit fehlerfreierBeweiswürdigung widerlegt. Es hat allerdings die Prüfung der naheliegendenFrage unterlassen, ob der Angeklagte entgegen seiner Einlassung eine wei-tere Reise unternommen hat, die es ihm ermöglicht hätte, mit seinem Pkwbis 21.15 Uhr am [X.] einzutreffen und nach der Tatausführung ge-gen 23.25 Uhr wieder nach [X.] zurückzukehren. Dafür hätte [X.] von der Zeugin B bekundeten Umstand abgestellt werdenkönnen, daß der Angeklagte am Tattag gegen 15.30 Uhr in [X.] [X.] in seinen Pkw verbrachte, anschließend wegfuhr und daß derPkw nach den Angaben der Zeugin Sc am 29. August nicht mehr, son-dern vielmehr erst gegen 11.00 Uhr des Folgetages auf dem Parkplatz [X.] gesehen [X.] 8 -b) Bei einer [X.] ersichtlich möglichen [X.] Anwesenheit des Angeklagtenin [X.] gegen 21.15 Uhr hätten die von den [X.]undL bekundeten Äußerungen des von ihnen angetroffenen Ausländers(Frage in gebrochenem [X.] nach einem Lokal oder [X.] und [X.], ob er sich in [X.] befinde) zu den Sprachkenntnissen unddem Sprechverhalten des Angeklagten in Beziehung gesetzt werden müs-sen. Das [X.] hätte ferner mit in die Bewertung einbeziehen müssen,daß durch die Aussagen der Zeugen [X.] und [X.]der Angeklagte überden Aufenthaltsort seines Schwagers nur unzureichend informiert [X.]) Das Schwurgericht hat es ferner unterlassen, eine ausreichendeVerbindung der Aussagen der [X.], [X.], [X.]undD , die eine Ähnlichkeit der von ihnen wahrgenommenen Person [X.] in der Wahllichtbildvorlage enthaltenen Bildern des Angeklagten bekun-deten, mit den Personenbeschreibungen der Zeugen herzustellen, [X.] vor und in der [X.] sowie auf der Flucht gesehen ha-ben ([X.], [X.], [X.], [X.] UA 12). Dazu hättenahegelegen, das Erscheinungsbild des Angeklagten zur Tatzeit zu [X.] mit dem jeweiligen Erscheinungsbild der von den Zeugen in den ver-schiedenen Beweisstationen (Vorbereitung 21.15 Uhr bis 22.45 Uhr; Betretender und Agieren in der [X.]; Flucht aus der [X.]) geschilderten Per-son zu vergleichen. Die Wahrnehmungen der Zeugin [X.]zur Beschaffen-heit des [X.] hätten dann in Beziehung gesetzt werden können zumäußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs des Angeklagten.2. Es besteht auch die Besorgnis, daß das [X.] insoweitüberspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeu-gungsbildung gestellt hat (vgl. [X.] wistra 2002, 260, 262 m.w.[X.]), als es diebesondere, den Angeklagten belastende [X.] durch das Fehlenobjektiver Beweismittel relativiert hat. Es besteht Anlaß anzunehmen, das[X.] könnte das [X.] der Gewinnung objektiver Beweise zugun-sten des Angeklagten überbewertet haben. Die [X.] -digt als den Angeklagten erheblich entlastend, daß weder Schmauchspurenan den Händen des Angeklagten festgestellt wurden noch an der aufgefun-denen Patronenhülse festgestelltes [X.] auf den Angeklagten hin-deutete. Bei dieser Wertung wird übersehen, daß wegen der erfolgten fehler-haften Anwendung der Schmauchprobenträger durch die ermittelnden Poli-zeibeamten ein solcher Sachbeweis überhaupt nicht erhoben werden konnte.Das an der Patrone festgestellte [X.] ergab zwar eine auf drei Per-sonen [X.] darunter nicht der Angeklagte [X.] hindeutende Mischspur. Für [X.] wesentlich entlastend wäre dieser Befund aber nur zu werten,falls der [X.] die Patrone mit einer gewissen Wahrscheinlichkeithätte berühren müssen. Dazu wären die waffentechnischen Besonderheitender verwendeten Pistole zu betrachten gewesen. Wäre [X.] wie üblich [X.] [X.] der Waffe mittels eines Magazins erfolgt, hätte der Schütze bei Vor-handensein eines aufmunitionierten Magazins die Patrone nicht berührenmüssen. Fehlende Täterspuren an der Patrone hätten dann nur ein geringesentlastendes Gewicht.[X.] Sache bedarf insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. [X.] der neue Tatrichter von einer Täterschaft des Angeklagten überzeugen- 10 -können, wird eine Prüfung des aktuellen seelischen Zustandes des [X.] naheliegen (vgl. [X.]R StGB § 21 seelischeAbartigkeit 4).[X.] Häger [X.]

Meta

5 StR 490/03

16.03.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2004, Az. 5 StR 490/03 (REWIS RS 2004, 4103)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4103

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