Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2003, Az. 5 StR 458/03

5. Strafsenat | REWIS RS 2003, 187

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5 [X.]/03BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILvom 16. Dezember 2003in der [X.] Totschlags u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 16. [X.] 2003, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],Richter Dr. Raum,Richter Dr. Brause,Richter [X.] beisitzende Richter,Oberstaatsanwalt beim [X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger des Angeklagten [X.],Rechtsanwältin [X.] Verteidigerin des Angeklagten [X.],Rechtsanwalt [X.],[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das [X.] [X.] vom 7. Mai 2003 [X.] dahingehend abgeändert, daß die Ange-klagten jeweils der gefährlichen Körperverletzungschuldig sind, der Angeklagte [X.]in Tateinheitmit Totschlag, der Angeklagte [X.] in Tateinheit mitBeihilfe zum Totschlag. Die [X.] Die weitergehende Revision betreffend den Angeklag-ten [X.] wird verworfen.3. Die Angeklagten haben die Kosten der [X.] Nebenkläger und deren notwendige Auslagen zutragen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen gefährli-cher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge zueiner Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und seinen Schwa-ger, den Angeklagten [X.], wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheitmit Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge (durch Unterlassen) zu einerFreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Eltern des zu Tode gekomme-nen [X.] haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlos-sen. Ihre Revisionen, mit denen sie die unterbliebene anklagegemäße Ver-- 4 -urteilung wegen Totschlags rügen, haben weitgehend Erfolg. Sie bleiben nurinsoweit erfolglos, als sie die Gehilfenstellung des Angeklagten [X.]angrei-fen.1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:a) Die jeweils 24 Jahre alten Angeklagten nahmen am Abend des19. Juni 2002 in [X.] in einer Musikgaststätte an einer [X.] anläßlich der Beendigung des Schuljahres teil. Der Angeklagte [X.]traf dabei auf den bereits stark angetrunkenen 21jährigen [X.],der mit einer brennenden Zigarette das T-Shirt des Angeklagten [X.] wurde kaum sichtbar beschädigt. Zu späterer Stunde kam es deswe-gen zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und [X.]. Nachdem weitereGäste den Angeklagten vom Ort der Auseinandersetzung weggezogen hat-ten, entschloß sich [X.] , [X.] eine Abreibung zu verpassen. [X.] forderte seinen Schwager [X.] auf, sich zu beteiligen. [X.] Uhr folgten die [X.] nach dem Genuß von alkoholischen Getränken [X.] in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich verminderten [X.] Angeklagtendem [X.] über den Parkplatz des Anwesens bis zu einer sich an-schließenden mit Bäumen und Büschen bewachsenen ehemaligen [X.]. [X.]griff den wegen seines übermäßigen Alkohol- und Ha-schischkonsums nicht mehr zu koordinierter, effektiver Abwehr fähigen [X.]an und brachte ihn gemeinsam mit seinem Schwager zu Fall. Beide Ange-klagte schlugen und traten [X.] jeder mindestens dreimal [X.] mit [X.] auf ihr Opfer ein und fügten ihm erhebliche Verletzungen am Kopf [X.] bei. Der Angeklagte [X.] umschlang dann mit seinem [X.] des bäuchlings liegenden [X.] und strangulierte ihn mit erhebli-cher Kraftentfaltung [X.] auf seinem Opfer sitzend oder mit einem Bein auf [X.] stehend [X.] mindestens drei, möglicherweise fünf Mi-nuten lang ([X.]). In dieser [X.] bildete sich als Reaktion auf das Strangu-lieren eine massive Gehirnschwellung, die den Tod von [X.] her-beiführte. Nachdem der Angeklagte [X.] mit den Worten —jetzt reicht es" ein- 5 -noch längeres [X.] durch [X.] verhindert hatte, trugen beideAngeklagte den bewußtlosen, möglicherweise bereits verstorbenen [X.] vom Parkplatz weg. Sie legten ihr Opfer in einem Gebüsch ab. Die [X.] richteten ihre Kleidung wieder her und gingen zur [X.]. Der Angeklagte [X.]schilderte die Tat in seiner [X.] mehreren Zeugen ([X.]). Er führte aus, das Opfer sei ge-würgt, getreten, geschlagen und [X.] nachdem es fast totgeschlagen wordensei [X.] in die Büsche geworfen [X.]) Das [X.] hat sich vor dem Hintergrund dieser Äußerungzwar davon überzeugt, daß der Angeklagte [X.] den Tod des [X.] ernsthaft für möglich gehalten hat ([X.] f.). Es hält aber die [X.] durch die Beweisaufnahme nicht für widerlegt, siehätten damit gerechnet, das Opfer werde sich selbst —wieder [X.]), und damit nicht nur vage darauf vertraut, der Tod werde nicht ein-treten.2. Die dafür vom [X.] herangezogenen Erwägungen haltensachlichrechtlicher Prüfung nicht [X.]) Zwar geht das Schwurgericht zutreffend davon aus, daß bei [X.] äußerst gefährlichen Handlung, wie es das Strangulieren des [X.] unzweifelhaft darstelle, die Annahme eines bedingten Tötungsvorsat-zes nahe liege ([X.]). Das Schwurgericht mißt der indiziellen Wirkung derGefährlichkeit der Handlung aber nicht das sich aus den [X.] er-gebende gesteigerte Gewicht bei. Es stellt nämlich nicht auf die außerordent-lich lange Dauer des [X.] von drei bis fünf Minuten ab (vgl. [X.] § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 33) und verstellt sich deshalb den Blickdarauf, daß der Angeklagte [X.] nicht nur eine das Leben gefähr-dende Handlung vornahm, sondern sein Opfer in einer Weise verletzte, dieganz sicher [X.] etwa einem Stich in das Herz vergleichbar [X.] zum Tode führte(vgl. BGHR aaO 35 und 51). Damit hatte die Drosselung ihre Eignung als- 6 -bloße Verletzungshandlung bereits vollständig verloren. Sie konnte nur [X.] Tötung des Opfers führen. In einer solchen Fallkonstellation liegt (zumin-dest) bedingter Tötungsvorsatz auf der Hand, ohne daß es dafür besondererAnforderungen an die Darlegung der inneren Tatseite in den [X.] hätte (vgl. [X.] zu § 212 StGB).b) Das [X.] hat ferner anhand von mehreren Indizien dasvoluntative Vorsatzelement in Zweifel gezogen, ohne dies mit tragfähigenFeststellungen zu belegen.aa) Die Einlassung der Angeklagten, sie hätten geglaubt, das Opferwerde sich —wieder aufrappeln", ist zur Widerlegung eines aus dem Drossel-vorgang zu ziehenden Schlusses nicht geeignet. Die Angeklagten hatten [X.] lediglich hinsichtlich einer Körperverletzung durch Tritte und [X.] eingelassen ([X.]), die Drosselung dagegen vollständig in [X.] gestellt ([X.]). Ihre Äußerungen über die Schwere der —zugefügtenVerletzungen" ([X.]) konnten deshalb nur die eingeräumten [X.] betreffen. Diese auch mit dem wiedergegebenen Wortlaut [X.] übereinstimmende Wertung wird durch die vom Angeklagten[X.] vorgetragene Ergänzung ([X.]) bestätigt, wonach er [X.] schon schlimmere Prügel miterlebt hätte. Auch mit dieser Äußerungsprach der Angeklagte nur Folgen von Schlägen, aber nicht Folgen [X.] an.bb) Auch soweit das Schwurgericht eine psychische Ausnahmesitua-tion des Angeklagten [X.] annimmt ([X.]), begegnet dies durch-greifenden Bedenken. Der rechtsfehlerfrei festgestellte Sachverhalt offenbartgerade kein —allmähliches Hochschaukeln der Emotionen" ([X.]). [X.] allein der Angeklagte [X.]aus nichtigem Anlaß Racheplänegegen den weitaus stärker betrunkenen ([X.], 17, 18, 32, 33) [X.],die er unter Zuhilfenahme seines Schwagers verwirklichte. Während des- [X.] machte [X.] keinerlei Äußerungen, die für die Tatausfüh-rung hätten mitursächlich werden können.cc) Die Annahme des [X.]s, die Alkoholisierung des [X.]sei ein Indiz dafür, daß er die Auswirkungen seines Handelns falschdahingehend eingeschätzt habe, es werde —schon alles gut gehenfi ([X.] 52),findet in den Feststellungen ebenfalls keine ausreichende Stütze. [X.] Sachverständige hatte dem Angeklagten gute bis gut durch-schnittliche intellektuelle Fähigkeiten attestiert ([X.] 56). Das Schwurgerichtbefaßt sich zwar ausführlich mit der Frage einer alkoholbedingten erhebli-chen Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Auf die in diesem Zusammen-hang maßgebliche Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit und der [X.] (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54) geht das Land-gericht aber nicht ein. Feststellungen für eine relevante Beeinträchtigung derintellektuellen Leistungsfähigkeit werden im einzelnen nicht getroffen. [X.] stellt das [X.] wesentliche Elemente bestehender Kognitionsfä-higkeit heraus, wie die Möglichkeit einer problemlosen Gesprächsführung [X.] ([X.] 64), der im [X.] zutreffende Bericht über die Tat beizugleich situationsgerechter Verschleierung der Gewalthandlung ([X.] 64),schließlich die Entfernung des Geldbeutels des Opfers durch einen [X.] ein Wohnhaus ([X.] 46).c) Das Schwurgericht hat daneben auf weitere nach seiner [X.] gegen den Tötungsvorsatz sprechende Indizien abgestellt; diese [X.] sich aber allesamt als nicht tragfähig.aa) Die Äußerungen des Angeklagten [X.]über die Tat bele-gen kein Vertrauen, [X.] werde überleben. Der Angeklagte hat sich [X.] konkreten Äußerung über die Folgen des [X.] enthalten ([X.],23, 38, 40, 41, 42). Die Wertung des [X.]s, die Äußerungen des [X.] gegenüber vier Zeugen —gingen in die Richtung, daß sie glaubten,zumindest aber hofften, das Opfer lebe noch" ([X.]), steht im [X.] 8 -zu der Feststellung, daß die Angeklagten diese Zeugen über die zurücklie-gende Auseinandersetzung eher verharmlosend informiert hatten in [X.], daß das Opfer zwar erheblich verletzt, sein Tod aber keineswegswahrscheinlich sei ([X.] 53). Auch die eineinhalb Stunden nach der Tat aneinen weiteren Zeugen gerichtete Frage, ob die Polizei erschienen, bzw. [X.] vorgefahren sei ([X.] 23, 51), bietet vor diesem Hintergrundkeine tragfähige Grundlage für ein während der Tatzeit bestehendes Ver-trauen der Angeklagten auf einen glimpflichen Ausgang.bb) Auch die weitere vom [X.] angestellte Erwägung, die [X.] seien nicht wegen eines Gewaltdelikts vorbestraft, was [X.] einen Tötungsvorsatz spreche ([X.]), ist hier nicht tragfähig. Bei [X.] von Indizien ist eher auf die konkrete Sachlage abzustellen, alsdaß ein Fehlen einschlägiger Vorbelastungen entscheidend wäre.cc) Schließlich spricht auch das Fehlen eines einsichtigen Beweg-grundes für die Tötung eines Menschen ([X.] 52) hier nicht gegen eine Billi-gung des Todes. Der Angeklagte [X.] hatte nicht nur keinen einsich-tigen Grund, sein Opfer zu töten, sondern auch nicht den geringsten Anlaßfür die Drosselung (vgl. [X.] zu § 212 StGB).3. Die vom Schwurgericht fehlerfrei getroffenen Feststellungen zumäußeren Tatgeschehen und aller weiterer Umstände belegen damit bezüglichdes Angeklagten [X.]die Vornahme einer auf die Herbeiführung [X.] gerichteten Gewalthandlung in Kenntnis der äußerst gefährlichen [X.]. Da keine Umstände vorlagen, die ein Vertrauen der Angeklag-ten, daß der Tod nicht eintreten werde, hätten begründen können, ergibt sichaus den Feststellungen auch eindeutig die Billigung des Todes durch [X.]. Sie belegen ferner, daß der [X.] in geringerem Umfang unter Alkohol-einwirkung stehende ([X.] 63 f.) [X.] Mitangeklagte [X.] die Haupttat in ihrenwesentlichen Merkmalen kannte, an deren Begehung er seinen bisherigenMittäter [X.] trotz [X.] gegenüber dem Opfer durch- 9 -vorangegangenes Tun nicht hinderte, bei der er ihn vielmehr durch seineweitere Präsenz bestärkte. Für diesen Angeklagten kommt indes wegen des-sen ersichtlich fehlenden eigenen Interesses am [X.] und mangels [X.] in dieser Phase des Geschehens die Annahme einer Täterschaftnicht in Betracht (vgl. BGHSt 37, 289, 291). Seine Äußerung nach drei- bisfünfminütigem [X.] —jetzt reicht es" ist für den Gehilfenvorsatz völlig un-beachtlich, selbst wenn darin eine Mißbilligung der Haupttat zu sehen wäre(vgl. BGHSt 46, 107, 109 m. w. N.).Bei dieser Sachlage kann der [X.] die Schuldsprüche, die sonstauch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen lassen(§ 301 StPO), selbst entsprechend den durch das Schwurgericht erteiltenHinweisen auf Totschlag und Beihilfe zum Totschlag umstellen (vgl. [X.] 1997, 296, 297; BGHR StPO § 349 Abs. 4 Nebenklägerrevision 1).Eine weitergehende Strafbarkeit wegen eines [X.] oder dieAnnahme niedriger Beweggründe kommt nicht in Betracht (vgl. [X.], 1060, 1061; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe [X.] Die Strafaussprüche bleiben hier ausnahmsweise von [X.] unberührt. Der [X.] kann letztlich mit hinreichender [X.], daß das Schwurgericht bei zutreffender Beurteilung [X.] höhere Strafen gegen die Angeklagten verhängt hätte. Das[X.] hat die Strafe für den Angeklagten [X.]dem nach §§ 21,49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB entnom-men. Dieser Strafrahmen unterscheidet sich allein durch eine geringere Min-deststrafe (sechs Monate anstatt zwei Jahre Freiheitsstrafe) von dem nach§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB, abernicht hinsichtlich der Höchststrafe von elf Jahren und drei Monaten Freiheits-strafe. Ähnliches gilt für die dem doppelt gemilderten (§§ 21, 27 Abs. 2, 49Abs. 1 StGB) Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB entnommene Strafe fürden Angeklagten [X.]. Die sich daraus ergebende Mindeststrafe liegt ledig-lich fünf Monate unter der sich aus einer Anwendung von § 212 Abs. 1 [X.] 10 -ergebenden Strafe (ein Monat anstatt sechs Monate Freiheitsstrafe). Da sichdas Schwurgericht eher an der Strafrahmenobergrenze orientiert und dar-über hinaus die Brutalität und Menschenverachtung der Angeklagten ([X.] 72,74) strafschärfend berücksichtigt hat [X.] bei Vorliegen erheblicher Strafmilde-rungsgründe [X.], kann ausgeschlossen werden, daß es bei zutreffender stren-gerer Beurteilung des Schuldspruchs höhere Strafen verhängt hätte.[X.] Basdorf [X.]

Meta

5 StR 458/03

16.12.2003

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2003, Az. 5 StR 458/03 (REWIS RS 2003, 187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 187

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