Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 3 B 61/12

3. Senat | REWIS RS 2013, 6072

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer des Rechtsmittelführers


Gründe

1

Die Kläger betreiben eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Die [X.]eklagte untersagte ihnen mit [X.]escheid vom 16. September 2008, ihre Praxis in der Außendarstellung als "Kinderzahnarztpraxis" und sich oder ihre [X.]eschäftigten als "Kinderzahnarzt" zu bezeichnen; des Weiteren verbot sie den Klägern, die Internetadresse "www.kinder[X.]" für ihre Praxishomepage zu verwenden. Zur [X.]egründung führte die [X.]eklagte aus, dass die [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" oder "Kinderzahnarztpraxis" irreführend sei, weil bei Patienten der falsche Eindruck entstehen könne, im [X.]ereich der Zahnmedizin existiere eine entsprechende fachzahnärztliche Qualifikation. Die Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung geändert und den angefochtenen [X.]escheid aufgehoben, soweit den Klägern für sämtliche Formen der Außendarstellung untersagt worden ist, in ihrer Praxis [X.]eschäftige als "Kinderzahnarzt" zu bezeichnen; im Übrigen hat es die [X.]erufung der Kläger zurückgewiesen.

2

Die [X.]eschwerde der [X.]eklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg. Weder die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die gerügte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Revision.

3

1. a) Soweit sich die [X.]egründung der [X.] erhobenen [X.]eschwerde auf den klageabweisenden Teil des [X.]erufungsurteils bezieht, ergibt sich die Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs schon daraus, dass die [X.]eklagte durch diesen Teil des Urteils nicht beschwert ist.

4

Die für ein Rechtsmittel des Klägers oder des [X.]eklagten erforderliche [X.]eschwer kann grundsätzlich nicht schon in den Gründen der angefochtenen Entscheidung liegen, sondern nur gegeben sein, wenn die Entscheidung im Ergebnis von dem Antrag des Verfahrensbeteiligten zu dessen Lasten abweicht (vgl. [X.]eschluss vom 18. Februar 2002 - [X.]VerwG 3 [X.] 149.01 - NJW 2002, 2122 = juris Rn. 1 m.w.N.; zur - hier nicht einschlägigen - Ausnahme im Fall der Abweisung einer unzulässigen Klage als unbegründet: [X.]eschluss vom 2. November 2011 - [X.]VerwG 3 [X.] 54.11 - [X.]uchholz 310 § 133 VwGO Nr. 96 Rn. 4, 6). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die [X.]eklagte wendet sich gegen die Annahme des [X.], mit der Angabe "Kinderzahnarzt" oder "Kinderzahnarztpraxis" würden die Patienten nicht über das Führen einer - nach der zahnärztlichen [X.]erufsordnung nicht vorgesehenen - Fachzahnarztbezeichnung getäuscht. Damit ist das Gericht zwar den Gründen des angefochtenen [X.]escheids nicht gefolgt. Gleichwohl ergibt sich hieraus für die [X.]eklagte keine [X.]eschwer; denn das Oberverwaltungsgericht ist unabhängig davon aus anderen Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die [X.]ezeichnung der Kläger als "Kinderzahnarzt"/"Kinderzahnärzte" und ihrer Praxis als "Kinderzahnarztpraxis" irreführend sei, und hat insoweit die Untersagungsverfügung der [X.]eklagten als rechtmäßig und die Klage als unbegründet erachtet (vgl. [X.] S. 14, [X.] ff.).

5

b) Soweit sich die [X.]eschwerde gegen den Teil des Urteils richtet, mit dem der Klage stattgegeben worden ist, ist die [X.]eklagte als Unterlegene zwar beschwert; dennoch kann ihr Rechtsbehelf auch hier keinen Erfolg haben, weil er an den tragenden Gründen der Entscheidung vorbeigeht. Die Stattgabe der Klage beruht nicht auf der von der [X.]eklagten beanstandeten Auffassung des [X.]erufungsgerichts, die [X.]ezeichnung als "Kinderzahnarzt" sei zulässig, sofern der [X.]etroffene eine Qualifikation in Form des Tätigkeitsschwerpunktes "Kinderzahnheilkunde" aufweise. Das Oberverwaltungsgericht hat die angenommene teilweise Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung vielmehr ausschließlich darauf gestützt, dass die in Rede stehende Regelung inhaltlich zu unbestimmt sei, weil nicht deutlich werde, welche [X.]eschäftigten [X.] von der Untersagung betroffen seien ([X.] S. 25 f.). Dagegen hat die [X.]eklagte keine Zulassungsgründe geltend gemacht.

6

2. Aber auch ungeachtet dessen zeigt die [X.]eschwerde nicht auf, dass der Rechtssache grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Die von der [X.]eklagten aufgeworfene Frage, ob die als Werbung genutzte [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" irreführend ist, weil damit beim Patienten eine fehlerhafte Vorstellung über die Existenz einer entsprechenden fachzahnärztlichen Qualifikation hervorgerufen wird, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das [X.]eschwerdevorbringen geht daran vorbei, dass das Oberverwaltungsgericht eine Irreführung der Patientenschaft aus anderen Gründen bejaht hat. Es hat darauf abgestellt, dass das Publikum mit der [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" zwar nicht zwingend eine Fachzahnarztqualifikation nach dem zahnärztlichen [X.] verbinde, jedenfalls aber eine nachhaltige Tätigkeit im [X.]ereich der Kinderzahnheilkunde erwarte. Ausgehend davon liege hier eine Irreführung vor, weil die [X.]ezeichnung suggeriere, dass die Kläger jeweils über eine personenbezogene Qualifikation in Form des Tätigkeitsschwerpunktes "Kinderzahnheilkunde" verfügten, was nicht der Fall sei. Dementsprechend sei auch die Angabe "Kinderzahnarztpraxis" irreführend, weil nicht sämtliche in der Praxis tätigen Zahnärzte eine solche [X.]erufsqualifikation aufwiesen (vgl. [X.] S. 14, [X.] ff.). Die der berufungsgerichtlichen Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen binden den Senat; die [X.]eschwerde hat sie nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen (§ 137 Abs. 2 VwGO).

7

Auch die als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

"in welcher Weise eine Einschränkung der über Artikel 12 GG geschützten [X.]erufsfreiheit in [X.]ezug auf die konkrete Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Selbstbezeichnung als "Kinderzahnarzt" möglicherweise aus Patientensicht und mit [X.]lick auf die Patientengesundheit schützenswerten Gemeinwohlinteressen und damit dem Schutzzweck des Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG dient",

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der ärztlichen [X.]erufe, insbesondere zu den durch die [X.]erufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen für Werbeverbote und zu den Voraussetzungen einer berufswidrigen Werbung, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärt (vgl. z.[X.]. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 11. Februar 1992 - 1 [X.]vR 1531/90 - [X.]VerfGE 85, 248 <257, 260 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Juli 2011 - 1 [X.]vR 407/11 - NJW 2011, 3147 = juris Rn. 21; [X.]VerwG, Urteil vom 24. September 2009 - [X.]VerwG 3 C 4.09 - [X.]uchholz 418.00 Ärzte Nr. 110 Rn. 14 ff.) und lassen sich aus Anlass des Streitfalls nicht weiter fallübergreifend klären. Ob sich gemessen an diesen Rechtsprechungsvorgaben - von denen auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist - eine Werbemaßnahme als irreführend und daher berufswidrig darstellt, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

8

3. Auch die [X.] greift nicht durch. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn sich die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und wenn das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 11. August 1999 - [X.]VerwG 11 [X.] 61.98 - [X.]uchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht.

9

Die [X.]eklagte trägt vor, das angefochtene Urteil weiche von dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 1. Juni 2011 - 1 [X.]vR 233/10 u.a. - (NJW 2011, 2636) ab. Dort habe das [X.]undesverfassungsgericht entschieden, dass die Auffassung eines Gerichts, die [X.]ezeichnung "Zahnarzt für Implantologie" suggeriere eine Nähe und Vergleichbarkeit mit einer Fachzahnarztbezeichnung und sei deshalb irreführend, ebenso vertretbar sei wie die dieser Auffassung zugrunde liegende Prämisse, ein verständiger Patient wisse nicht, dass die Weiterbildungsordnung den [X.]egriff "Zahnarzt für Implantologie" nicht verwende. In Widerspruch dazu habe das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass Patienten hinter der [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" keine entsprechende Fachzahnarztqualifikation vermuteten. Damit arbeitet die [X.]eschwerde keine einander widersprechenden abstrakten Rechtssätze der Entscheidungen heraus. Die in [X.]ezug genommenen Ausführungen des [X.]undesverfassungsgerichts a.a.O. S. 2638 = juris Rn. 68) betreffen keine rechtlichen Obersätze, sondern verhalten sich zu der im dortigen Verfahren zur Überprüfung gestellten tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung. Dasselbe gilt für die von der [X.]eschwerde beanstandeten Erwägungen in dem [X.]erufungsurteil; auch diese sind Teil der Subsumtion. Mit der behaupteten Abweichung könnte die [X.]eklagte daher allenfalls einen Subsumtionsfehler aufzeigen, der keine die Revision eröffnende Divergenz begründet. Abgesehen davon würde das [X.]erufungsurteil auf der geltend gemachten Divergenz auch nicht beruhen, weil das Oberverwaltungsgericht - wie gezeigt - im Ergebnis ebenfalls von einer irreführenden, berufswidrigen Werbung ausgegangen ist.

Meta

3 B 61/12

07.05.2013

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 25. Mai 2012, Az: 13 A 1384/10, Urteil

§ 133 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 3 B 61/12 (REWIS RS 2013, 6072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6072

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 407/11

1 BvR 1531/90

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