Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 3 B 62/12

3. Senat | REWIS RS 2013, 6079

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Werbebeschränkung für Ärzte; Kinderzahnarzt


Gründe

1

Die Kläger betreiben eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Die [X.]eklagte untersagte ihnen mit [X.]escheid vom 28. Oktober 2008, sich in der Außendarstellung als "Kinderzahnarzt" zu bezeichnen. Es handele sich um eine berufswidrige Werbung; die [X.]ezeichnung sei irreführend, weil bei Patienten der falsche Eindruck entstehen könne, im [X.]ereich der Zahnmedizin existiere eine entsprechende fachzahnärztliche Qualifikation. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur [X.]egründung ausgeführt, dass der verständige Patient/Verbraucher die Vorstellung habe, dass ein "Kinderzahnarzt" nachhaltig auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendheilkunde tätig sei. Danach sei die [X.]ezeichnung der Kläger als "Kinderzahnarzt" irreführend, weil der Eindruck erweckt werde, als verfügten die Kläger und sämtliche der von ihnen beschäftigten Zahnärzte jeweils über eine von der [X.]eklagten anerkannte besondere personenbezogene Qualifikation in Form des Tätigkeitsschwerpunktes "Kinderzahnheilkunde", was jedoch nicht der Fall sei.

2

Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem [X.]erufungsurteil hat keinen Erfolg.

3

1. Der [X.] kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

4

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung setzt die entweder ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26). Diesen Darlegungsanforderungen wird die [X.]eschwerde nicht gerecht.

5

Die Kläger entnehmen dem angefochtenen Urteil, dass sämtliche Zahnärzte, die sich nach außen als "Kinderzahnarzt" bezeichnen würden, diese [X.]ezeichnung nicht führen dürften, weil sie entweder über die Angabe des Tätigkeitsschwerpunkts "Kinderzahnheilkunde" ihre zusätzliche Qualifikation ausdrücken könnten oder aber - wenn sie die Voraussetzungen des Tätigkeitsschwerpunkts nicht erfüllten - nicht berechtigt seien, sich "Kinderzahnarzt" zu nennen. Ausgehend davon werfen sie die Frage auf, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Zahnarzt in der Außendarstellung die [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" verwenden darf. Damit wird ein grundsätzlicher, über den konkreten Streitfall hinausweisender Klärungsbedarf nicht in der erforderlichen Weise dargetan. Abgesehen davon, dass das [X.]eschwerdevorbringen die Erwägungen des [X.] unzutreffend erfasst, erschöpft es sich auch in einer einzelfallbezogenen Kritik an dem [X.]erufungsurteil. Zudem sind die maßgeblichen Rechtsfragen zum Werberecht der ärztlichen [X.]erufe, insbesondere zu den durch die [X.]erufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen für Werbeverbote und zu den Voraussetzungen einer berufswidrigen Werbung, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärt (vgl. z.[X.]. [X.], [X.]eschluss vom 11. Februar 1992 - 1 [X.]vR 1531/90 - [X.]E 85, 248 <257, 260 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Juli 2011 - 1 [X.]vR 407/11 - NJW 2011, 3147 = juris Rn. 21; [X.]VerwG, Urteil vom 24. September 2009 - [X.]VerwG 3 C 4.09 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 110 Rn. 14 ff.). Ob sich gemessen an diesen Rechtsprechungsvorgaben - von denen auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist - eine Werbemaßnahme als irreführend und daher berufswidrig darstellt, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

6

2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des [X.] zuzulassen.

7

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn sich die Vorinstanz mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und wenn das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 11. August 1999 - [X.]VerwG 11 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen genügt die [X.]eschwerde nicht.

8

a) Zu Unrecht rügen die Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe bei der [X.]ewertung, ob die [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" irreführend sei, nicht auf die Verkehrsauffassung und das Leitbild eines durchschnittlich informierten, verständigen Verbrauchers/Patienten abgestellt und habe sich damit in Widerspruch zu den [X.]eschlüssen des [X.] vom 4. Juli 2000 - 1 [X.]vR 547/99 - (NJW 2000, 2734) und vom 13. Juli 2005 - 1 [X.]vR 191/05 - (NJW 2006, 282) gesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass bei der [X.]ewertung von Werbemaßnahmen auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise und auf den Maßstab eines durchschnittlich informierten und verständigen Patienten abzustellen ist ([X.] S. 10). Darauf beruht auch seine Subsumtion (vgl. [X.] [X.] letzter Absatz bis S. 12 letzter Absatz). Soweit das Oberverwaltungsgericht darüber hinaus das Verständnis des [X.] ([X.]) in den [X.]lick genommen hat, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, den es lediglich ergänzend zur [X.]estätigung des bereits anderweitig gewonnenen Auslegungsergebnisses herangezogen hat ([X.] S. 13 oben). Dass eine bloß ergänzende Einbeziehung der Außendarstellung eines [X.]erufsverbandes unzulässig wäre, lässt sich der in [X.]ezug genommenen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht entnehmen. Dafür spricht auch sonst nichts, weil naheliegt, dass die Vorstellung des Publikums über den [X.]egriff des "[X.]" auch von dem in der Öffentlichkeit vermittelten Selbstverständnis eines entsprechenden [X.]erufsverbandes beeinflusst werden kann.

9

b) Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz ergibt sich auch nicht aus der geltend gemachten Abweichung des [X.]erufungsurteils von dem [X.]eschluss des [X.] vom 28. Juli 2004 - 1 [X.]vR 159/04 - (NJW 2004, 2656). Die Kläger entnehmen dieser Entscheidung, dass einem Patienten zuzutrauen sei, zwischen einer Facharztqualifikation, einem Tätigkeitsschwerpunkt und einer sonstigen berufsbezogenen Angabe zu unterscheiden. In Widerspruch dazu habe das Oberverwaltungsgericht angenommen, es sei einem Patienten bei dem [X.]egriff "Kinderzahnarzt" nicht bewusst, dass es sich um eine sonstige Angabe und nicht um eine Aussage über die berufliche Qualifikation handele. Damit bezeichnet die [X.]eschwerde schon keinen abstrakten Rechtssatz, sondern sie beanstandet vielmehr die berufungsgerichtliche Subsumtion. Im Übrigen besteht die gerügte Abweichung nicht. Die in [X.]ezug genommene Entscheidung des [X.] verhält sich zu der anwaltlichen [X.]ezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" und der Gefahr der Irreführung mit [X.]lick auf die [X.]egriffe des Schwerpunkts und des Fachanwalts in § 59 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 [X.] (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 28. Juli 2004 a.a.O. = juris Rn. 26 ff.). Mit der Frage der Irreführung durch die [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" befasst sich die Entscheidung nicht. Wegen des abweichenden Sachverhalts lassen sich aus ihr auch nicht die von den Klägern behaupteten Rückschlüsse für den Streitfall ziehen.

c) Das [X.]erufungsurteil weicht schließlich nicht von dem Kammerbeschluss des [X.] vom 7. März 2012 - 1 [X.]vR 1209/11 - ([X.], 516) ab. Der Einwand der [X.]eschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei entgegen der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von einem generellen Werbeverbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgegangen, geht fehl. Es hat vielmehr in Übereinstimmung mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben darauf abgestellt, dass Ärzten [X.] nur auferlegt werden können, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. [X.] S. 10 zweiter Absatz). Danach ist auch die Passage auf [X.] oben in dem angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden; denn es entspricht dem [X.], bei der Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener berufswidriger Werbung das Grundrecht der [X.]erufsausübungsfreiheit und den Gemeinwohlbelang des Patientenschutzes vor irreführenden Werbeaussagen abwägend in den [X.]lick zu nehmen. Mit den Ausführungen im Übrigen behaupten die Kläger in der Sache einen bloßen [X.], der eine Divergenz im revisionsrechtlichen Sinn nicht begründen kann.

3. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

a) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass es die Frage der Missverständlichkeit des [X.]egriffs "Kinderzahnarzt" aus eigener Anschauung und Erfahrung beurteilen kann (vgl. [X.] [X.] a.E.). Die Kläger legen nicht dar, dass darin ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt. Einen auf die Erhebung der vermissten Sachaufklärung gerichteten förmlichen [X.]eweisantrag haben sie nicht gestellt. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung "genauerer Informationen hinsichtlich des Erwartungshorizonts des potentiellen, verständigen Verbrauchers, etwa durch eine repräsentative oder zumindest stichprobenartige Meinungsumfrage", hätte aufdrängen müssen. Das [X.] entscheidet über die Art der heranzuziehenden [X.]eweismittel und den Umfang der [X.]eweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es darlegt, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 18. Juni 2012 - [X.]VerwG 5 [X.] 5.12 - juris Rn. 7 und vom 9. Januar 1990 - [X.]VerwG 1 [X.] 1.90 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 55 S. 35, jeweils m.w.N.; zum Aufklärungsmangel bei der Feststellung der Verkehrsauffassung in [X.]ezug auf eine Werbeangabe: [X.]GH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - [X.]/01 - [X.]GHZ 156, 250 <254 f.> = juris Rn. 18 ff.). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Ohne Erfolg bleibt schließlich der in diesem Zusammenhang erhobene weitere Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die [X.]ezeichnung "Kinderzahnarzt" fehlerhaft ausgelegt. Die tatsachengerichtliche Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung ist regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen. Fehler in diesem [X.]ereich können daher einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur ausnahmsweise begründen, etwa wenn die Würdigung gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 [X.]G[X.]), die gesetzlichen [X.]eweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt. Einen derartigen Mangel legt die [X.]eschwerde nicht dar.

b) Die [X.] im Schriftsatz vom 13. August 2012 ist erst nach Ablauf der [X.]eschwerdebegründungsfrist erhoben worden und deshalb nicht berücksichtigungsfähig (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Meta

3 B 62/12

07.05.2013

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 25. Mai 2012, Az: 13 A 1399/10, Urteil

Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.05.2013, Az. 3 B 62/12 (REWIS RS 2013, 6079)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6079

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 B 61/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde; Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer des Rechtsmittelführers


I ZR 5/21 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Verkehrsverständnis bei einer Werbung mit der Angabe "Kinderzahnärztin" - Kinderzahnärztin


20 U 87/19 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


20 U 38/19 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


I ZR 217/20 (Bundesgerichtshof)

Wettbewerbsverstoß: Verkehrsverständnis bei einer Werbung mit der Angabe " Kinderzahnarztpraxis" - Kinderzahnarztpraxis


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 407/11

1 BvR 1209/11

1 BvR 1531/90

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.