Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. 2 StR 96/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7267

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Gegenstand

Einziehung von Sichergestelltem als Tatmittel und Kausalität des Hangs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. November 2018 mit den jeweiligen Feststellungen aufgehoben,

a) im Ausspruch über die Einziehung der [X.] 8 mm No.    , der Pistole [X.] P Cal. 8 mm PTB No.   und der Luftpistole [X.]. 4,5 No.    ,

b) soweit das [X.] von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von drei Schusswaffen, einer [X.], eines Schlagrings und von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.700 Euro angeordnet und bezüglich diverser Gegenstände Einziehungsentscheidungen getroffen.

2

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.

4

Die Anordnung über die Einziehung der in der Anlage zum Tenor unter den Ziffern 5. bis 7. aufgeführten Gegenstände ([X.] 8 mm No.    , der Pistole [X.] P Cal. 8 mm PTB No.   und der Luftpistole [X.]. 4,5 No.        ) hat jedoch keinen Bestand.

5

Das [X.] hat im Fall 1 der Urteilsgründe eine Strafbarkeit gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens verneint, da es nicht festzustellen vermocht hat, dass der Angeklagte die bei der Durchsuchung am 1. August 2017 sichergestellten Gegenstände beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei sich führte. Deren Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 StGB als Tatmittel scheidet daher aus. Mangels näherer Feststellungen zu den Pistolen und ihrer Verwendung erschließt sich auch die Annahme des [X.]s nicht, dass es sich um „[X.] gemäß § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 BtMG, § 54 Abs. 1 [X.]“ handele.

III.

6

Auch die Entscheidung des [X.]s, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7

a) Die sachverständig beratene [X.] hat die Frage des Vorliegens eines Hangs offengelassen, da sie davon ausgegangen ist, dass es „jedenfalls am Vorliegen des symptomatischen Charakters der jeweils abgeurteilten Taten für eine Abhängigkeit bzw. Sucht des Angeklagten“ fehle. Zwar habe „der schädliche, aber vom Angeklagten durchaus kontrollierte und vorwiegend auf die Wochenenden reduzierte Missbrauch von Cannabis und Kokain im Tatzeitraum den Angeklagten tatgeneigter gemacht“, die Taten selbst seien aber „nicht maßgeblich“ hierauf zurückzuführen. Bei den abgeurteilten Taten habe es sich auch „nicht um direkte Beschaffungskriminalität zur Finanzierung der Sucht des Angeklagten“ gehandelt, maßgebliche Motivation sei - entsprechend seiner Einlassung - die Erlangung der notwendigen finanziellen Mittel zur Durchführung einer [X.] Hundes gewesen.

8

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

9

Die Erwägung des [X.]s, es sei maßgebliches Motiv des Angeklagten gewesen, die [X.], steht angesichts der dafür festgestellten Kosten von 1.100 Euro in ersichtlichem Widerspruch dazu, dass die [X.] einen Betrag von „jedenfalls 7.400 Euro“ als Veräußerungserlös für die Betäubungsmittel errechnet hat. Auch hat die [X.], obwohl dies geboten gewesen wäre, in diesem Zusammenhang nicht erörtert, dass - wie die Feststellungen zu den Vorverurteilungen aus den Jahren 2007 und 2016 belegen - bereits die früheren Betäubungsmittelstraftaten der Finanzierung des Eigenkonsums dienten und der „in angespannter finanzieller Lage“ lebende Angeklagte, der im Tatzeitraum regelmäßig Kokain und Marihuana konsumierte, in den Fällen 1 und 13 der Urteilsgründe nicht unerhebliche Mengen dieser Stoffe zum Eigenkonsum in seiner Wohnung vorrätig hielt.

Damit ist das [X.] von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und [X.] ausgegangen. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache oder „bestimmender Auslöser“ für die [X.] ist. Vielmehr ist ein solcher Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 1996 - 2 [X.], [X.]R StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1; vom 19. Mai 2009 - 3 [X.], [X.]R StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5). Typisch für Taten mit einem derartigen Symptomcharakter sind Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, [X.], 75; vom 10. November 2015 - 1 [X.], [X.], 113, 114; vom 12. Januar 2017 - 1 [X.], juris Rn. 17).

3. Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; [X.], Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, [X.]St 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 [X.], [X.], 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

Franke     

        

Appl     

        

Zeng   

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 96/19

15.05.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 16. November 2018, Az: 65 KLs 13/18

§ 64 S 1 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74 Abs 2 StGB, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 33 S 1 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2019, Az. 2 StR 96/19 (REWIS RS 2019, 7267)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7267

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