Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.08.2021, Az. 2 StR 442/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2021, 3494

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Vorliegen eines "Hangs" bei einem betäubungsmittelabhängigen Straftäter


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2020, soweit es ihn betrifft,

a) im Ausspruch über die Einziehung dahingehend neu ge-fasst, dass die sichergestellten 1.736,8 Gramm Haschisch, 2.896,2 Gramm Marihuana, 517,4 Gramm Amphetamin sowie 5,85 Gramm Haschisch und 0,48 Gramm Opium eingezogen werden;

b) mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit das [X.] von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverweisen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit (eigenem) unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die Einziehung „sämtlicher sichergestellter Betäubungsmittel“ angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dass das [X.] einen drohenden [X.] nicht als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt angesehen und erörtert hat, ist vorliegend nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft (vgl. auch Senat, Urteil vom 17. Februar 2021 - 2 StR 294/20 Rn. 19).

3

2. Die [X.] bedarf der aus dem Tenor ersichtlichen Korrektur. Zutreffend hat der [X.] darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die einzuziehenden Gegenstände so genau anzugeben sind, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorgangen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Falle von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem [X.] ergeben muss (Senat, Beschluss vom 17. April 2019 - 2 StR 114/19 Rn. 3 mwN). Anhand der hinreichend konkreten Angaben hierzu in den Urteilsgründen kann der Senat die Korrektur der [X.] entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen.

4

3. Darüber hinaus hält die Begründung, mit der das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

a) Die Annahme des [X.]s, es fehle jedenfalls an einem symptomatischen Zusammenhang zwischen den Taten und dem Drogenkonsum des Angeklagten, weil die Taten „in erster Linie der Finanzierung des Lebensunterhalts“ dienten, ist durchgreifend rechtsfehlerhaft. Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die [X.] ist. Vielmehr legt schon der Umstand, dass der Angeklagte mit der [X.] zugleich eine Eigenbedarfsmenge erworben oder zu erlangen versucht hat, einen solchen Zusammenhang nahe; dem steht nicht entgegen, dass er mit den gehandelten Betäubungsmitteln auch seinen Lebensunterhalt finanzierte (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 31. März 2020 - 1 [X.] Rn. 10; Senat, Beschluss vom 15. Mai 2019 ‒ 2 StR 96/19; [X.], Beschluss vom 19. April 2018 - 3 StR 24/18; Beschluss vom 21. August 2012 ‒ 4 [X.]/12).

6

b) Der Senat kann anhand der Urteilsgründe nicht ausschließen, dass die (weiteren) Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB gegeben sind. Das Vorliegen eines Hanges hat die [X.] zwar für „fraglich“ erachtet, aber nicht abschließend geprüft. Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der im Jahr 1986 geborene Angeklagte ab dem 16. Lebensjahr immer wieder Cannabis, unterbrochen durch Phasen der Abstinenz. Vor seiner Inhaftierung in dieser Sache konsumierte er drei bis vier Gramm täglich. Das als Belohnung für seine Tatbeteiligung erhaltene Rauschgift wollte er teilweise selbst konsumieren. Danach lässt sich das Vorliegen eines Hanges nicht ausschließen, zumal Feststellungen zum Rauschmittelkonsum des Angeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung fehlen. Zu den Erfolgsaussichten hat sich die [X.] - insoweit folgerichtig - nicht verhalten.

7

c) Über die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb unter Beachtung des § 246a Abs. 1 Satz 2 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 2011 - 4 [X.], [X.], 463) neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die etwaige Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO); die Nichtanwendung des § 64 StGB ist nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, [X.]St 38, 362).

8

d) Im Hinblick darauf, dass die [X.] ‒ in dieser Allgemeinheit rechtlich nicht unbedenklich ‒ einen Hang des Angeklagten für „fraglich“ gehalten hat, weil dieser „neben langen konsumfreien Phasen lediglich im Zusammenhang mit dem Eintritt belastender Lebensphasen konsumiert“, weist der Senat auf die ständige Rechtsprechung des [X.] zu den Voraussetzungen eines Hanges im Sinne von § 64 StGB hin (vgl. nur [X.], Beschluss vom 6. Juli 2018 ‒ 1 StR 261/18 mwN).

Franke     

        

Krehl     

        

Meyberg

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 442/20

05.08.2021

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 3. Februar 2021, Az: 2 StR 442/20, Beschluss

§ 64 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.08.2021, Az. 2 StR 442/20 (REWIS RS 2021, 3494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3494

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