Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 12 P 1/12 R

12. Senat | REWIS RS 2014, 3820

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Gegenstand

Krankenversicherung - Beschäftigte in Werkstatt für Behinderte - Übersteigen des Mindestbetrags durch Einmalzahlung - alleinige oder hälftige Beitragstragung


Leitsatz

Übersteigt das an die Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen gezahlte Entgelt aufgrund einer Einmalzahlung den Mindestbetrag, bis zu dem der Träger der Einrichtung die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung allein trägt, kommt es auch in der Zeit ab 1.8.2003 in analoger Anwendung der für vergleichbare Personengruppen geltenden Regelungen nur hinsichtlich des den Mindestbetrag übersteigenden Betrags zu einer Beitragstragung durch die Beschäftigten und den Einrichtungsträger je zur Hälfte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Der klagende Träger einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) begehrt von der Beklagten als kommunalem Träger der Eingliederungshilfe die (vollständige) Erstattung von Beiträgen zur [X.] Pflegeversicherung ([X.]).

2

Der Kläger beschäftigt in seiner [X.] im Rahmen von Maßnahmen der Eingliederungshilfe behinderte Menschen gegen ein monatliches Arbeitsentgelt von 120 Euro. Die hierauf von ihm entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und zur [X.] wurden ihm in der Regel von der beklagten [X.] gemäß § 251 Abs 2 [X.] - bezogen auf die [X.] iVm § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI - erstattet.

3

Im Monat Juni 2006 zahlte der Kläger den Beschäftigten zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt eine Ausschüttung (Einmalzahlung) und entrichtete darauf entsprechende Beiträge. Mit Rechnung vom [X.] machte er für 35 bei ihm beschäftigte behinderte Menschen bei der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]), [X.] und [X.] in Höhe von 7966,44 Euro geltend. Mit Bescheid vom 12.9.2006 und Widerspruchsbescheid vom 13.2.2007 lehnte die Beklagte den Erstattungsanspruch teilweise ab. Sie berief sich darauf, dass die auf das gesamte im Juni 2006 gezahlte Entgelt (laufendes Entgelt zzgl Ausschüttung) entfallenden Beiträge zur [X.] und [X.] jeweils zur Hälfte vom Kläger als Träger der Einrichtung und von den Beschäftigten zu tragen seien; da die Zahlungen an die Beschäftigten in diesem Monat den in § 235 Abs 3 [X.] geregelte Mindestbetrag, bis zu dem der Träger der [X.] die Beiträge allein trage (seinerzeit 490 Euro) überschritten hätten, seien für den Kläger Beiträge nicht in Höhe des [X.] und der Hälfte des diesen übersteigenden Teils angefallen; vielmehr könne ihm nur die Hälfte der auf das gesamte Entgelt zu entrichtenden Beiträge zur [X.] und zur [X.] erstattet werden.

4

Das [X.] hat - nach Abtrennung des die Beiträge zur [X.] betreffenden Teils des Streitgegenstandes - der verbliebenen Klage hinsichtlich der Erstattung der Beiträge zur [X.] stattgegeben (Urteil vom 21.1.2011). Das L[X.] hat die dagegen gerichtete, vom [X.] zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Auch nach Wegfall der Regelung in § 249 Abs 3 [X.] zum 1.8.2003 müsse der Arbeitgeber bei einer Überschreitung des in § 251 Abs 2 S 1 [X.], § 235 Abs 3 [X.] genannten [X.] infolge einmalig gezahlten Arbeitsentgelts Beiträge aus dem Arbeitsentgelt bis zur Höhe des [X.] allein tragen. Nur hinsichtlich des den Mindestbetrag übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts finde eine hälftige Beitragstragung zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber statt. Dies folge daraus, dass der Gesetzgeber zeitgleich mit der Aufhebung von § 249 Abs 3 [X.] eine neue Regelung in § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV geschaffen habe, die die bisherige Rechtslage für bestimmte Geringverdiener übernommen habe. Zwar werde die Gruppe der behinderten Menschen, die in einer [X.] beschäftigt seien, vom Wortlaut der Regelung nicht explizit erfasst. Diese Gruppe sei aber mit dem in § 20 Abs 3 S 1 [X.]B IV genannten Personenkreis der zur Berufsausbildung Beschäftigten bzw der Versicherten, die ein freiwilliges soziales Jahr leisteten, vergleichbar. Demzufolge sei auch auf die vorliegende Gruppe die "arbeitnehmergünstige" Regelung in § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV anzuwenden (Urteil vom 19.4.2012).

5

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] iVm § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI. Bereits der klare Wortlaut von § 20 Abs 3 [X.]B IV stehe der Auslegung des L[X.] entgegen. Zudem seien die Bezugsgrößen für die jeweiligen Personenkreise unterschiedlich hoch ausgestaltet (§ 20 Abs 3 [X.]B IV: 325 Euro, § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] iVm § 235 Abs 3 [X.]: [X.] 525 Euro). Den Gesetzesmaterialien könne kein Hinweis darauf entnommen werden, dass über die ausdrücklich genannten Personengruppen der Auszubildenden und Teilnehmer an einem freiwilligen [X.] oder ökologischen Jahr hinaus auch Beschäftigte einer [X.] in den Genuss der Regelung kommen sollten. Die in § 251 Abs 2 S 1 [X.] Halbs 2 [X.] verbliebene Verweisung auf die (nicht mehr existente) Regelung des § 249 Abs 3 [X.] könne nicht als Verweisung auf die Neuregelung in § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV verstanden werden.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 19. April 2012 und des [X.] (Oder) vom 21. Januar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Er verteidigt die angefochtenen Urteile.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige, von der beklagten [X.] eingelegte Revision, über die der [X.] als beim [X.] betreffend die Beitragspflicht und Beitragsentrichtung in der [X.] (hier: die in § 251 Abs 2 S 1 [X.] und [X.] § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI spezialgesetzlich geregelte Verteilung der [X.] einschließlich der damit untrennbar verbundenen, ebenfalls im Beitragsrecht geregelten [X.]) geschäftsplanmäßig zuständiger Spruchkörper entscheidet, ist unbegründet.

Zu Recht hat das [X.] die gegen das stattgebende Urteil des [X.] gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich in dem mit der [X.]lage geltend gemachten Umfang als rechtswidrig und verletzten den klagenden Verein als durch Regelungen des Beitragsrechts der [X.] begünstigten Träger einer [X.] in seinen Rechten.

1. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]G) zulässige [X.]lage ist begründet. Der [X.]läger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von (zusätzlich) 120,86 Euro; ihre dem entgegenstehenden Bescheide sind aufzuheben. Das ergibt sich ausgehend von den für den Anspruch einschlägigen gesetzlichen Regelungen (dazu im Folgenden a). Danach führt die den in der [X.] Beschäftigten gewährte Einmalzahlung nicht (nach den allgemeinen Regelungen) insgesamt zu einer hälftigen Beitragstragung durch den [X.]läger und die Beschäftigten hinsichtlich des Gesamtentgeltbetrags für Juni 2006 auf der Grundlage von § 249 Abs 1 S 1 [X.]B V; die hälftige Beitragstragung erfolgt nur hinsichtlich des Entgeltanteils, der den [X.]betrag nach § 235 Abs 3 [X.]B V übersteigt, also hinsichtlich der Einmalzahlung als solcher (dazu b). Demzufolge ist dem [X.]läger nicht nur Erstattung der abgeführten Beiträge in Höhe des von der Beklagten bereits zuerkannten Betrages zu gewähren.

a) Grundlage des Anspruchs des [X.]lägers gegen die Beklagte ist § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI iVm § 251 Abs 2 S 2 [X.]B V (letztgenannte Vorschrift in der gegenüber der Ursprungsfassung des [X.] vom 20.12.1988, [X.] 2477, durch Gesetz vom 19.6.2001, [X.] 1046, [X.] redaktionell geänderten Fassung). Danach sind für die nach § 20 Abs 1 S 2 [X.] [X.]B XI (§ 5 Abs 1 [X.] [X.]B V) versicherungspflichtigen behinderten Menschen die Beiträge, die der Träger der Einrichtung zu tragen hat, von den für die behinderten Menschen zuständigen Leistungsträgern zu erstatten; erstattungspflichtig ist hier - was zwischen den Beteiligten nicht im Streit ist - die beklagte [X.] als für die Hilfe in einer [X.] sachlich und örtlich zuständige Trägerin der Eingliederungshilfe (vgl § 54 Abs 1 S 1 [X.], § 56 [X.]B XII).

Der Umfang des an die vom Träger der Einrichtung zu entrichtenden und entrichteten Beiträge anknüpfenden Erstattungsanspruchs nach § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI iVm § 251 Abs 2 S 2 [X.]B V richtet sich danach, in welchem Umfang der Träger der Einrichtung (hier also der [X.]läger) die Beiträge zu tragen hat. Dies wiederum bestimmte sich seinerzeit nach § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B V (idF des [X.], aaO, [X.] um [X.] neu gefasst durch Art 2 [X.] des Gesetzes zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze vom 6.10.1989, [X.] 1822) iVm § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI. Nach § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B V trägt der Träger der Einrichtung den Beitrag allein für die nach § 5 Abs 1 [X.] oder 8 [X.]B V (§ 20 Abs 1 S 2 [X.] [X.]B XI) versicherungspflichtigen behinderten Menschen, wenn das tatsächliche Arbeitsentgelt den nach § 235 Abs 3 [X.]B V maßgeblichen [X.]betrag nicht übersteigt; im Übrigen - so § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V - gilt § 249 Abs 1 und Abs 3 [X.]B V entsprechend.

Der insoweit maßgebende [X.](grenz)betrag gemäß § 235 Abs 3 [X.]B V, bis zu dem der Träger der Einrichtung die Beiträge allein trägt, entspricht [X.] der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 [X.]B IV. Er lag im hier betroffenen Monat Juni 2006 bei 490 Euro (§ 309 Abs 1 [X.] [X.]B V, § 18 Abs 1 [X.]B IV). Dieser Betrag wurde hier nach den Feststellungen des [X.] durch die Einmalzahlung überschritten.

Nach dem in § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V in Bezug genommenen § 249 Abs 1 [X.]B V (hier für den Monat Juni 2006 anzuwenden idF des ab 1.1.2006 geltenden G[X.]V-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, [X.] 2190, [X.], [X.] 3445), der danach "im Übrigen" zur Anwendung kommt, tragen die nach § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V versicherungspflichtig Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte; den zusätzlichen Beitragssatz trägt der versicherungspflichtige Beschäftigte allein ([X.]). In Bezug auf Einmalzahlungen hatte nach § 249 Abs 3 [X.]B V (idF des [X.] von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12.12.1996, [X.] 1859) allerdings allgemein noch folgende Besonderheit gegolten:

        

"Wird infolge einmalig gezahlten Arbeitsentgelts (§ 23a des [X.]) die in Absatz 2 [X.] genannte Grenze überschritten, tragen der Versicherungspflichtige und der Arbeitgeber den Beitrag von dem diese Grenze übersteigenden Teil des Arbeitsentgelts jeweils zur Hälfte; im Übrigen trägt der Arbeitgeber den Beitrag allein".

§ 249 Abs 3 [X.]B V wurde allerdings durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 24.7.2003 ([X.] 1526) mit Wirkung vom 1.8.2003 aufgehoben und war mithin in Bezug auf den hier streitigen Zeitraum nicht mehr anzuwenden. Durch dasselbe Gesetz wurde zudem zeitgleich in § 20 [X.]B IV folgender Abs 3 angefügt:

        

"1Der Arbeitgeber trägt abweichend von den besonderen Vorschriften für Beschäftigte für die einzelnen Versicherungszweige den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein, wenn
1. Versicherte, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, ein Arbeitsentgelt erzielen, das auf den Monat bezogen 325 Euro nicht übersteigt, oder
2. Versicherte ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen [X.] Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leisten.
2Wird infolge einmalig gezahlten Arbeitsentgelts die in Satz 1 genannte Grenze überschritten, tragen die Versicherten und die Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von dem diese Grenze übersteigenden Teil des Arbeitsentgelts jeweils zur Hälfte."

b) Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass die Überschreitung des [X.]betrags nach § 235 Abs 3 [X.]B V durch die Gewährung einer Einmalzahlung nicht hinsichtlich des Gesamtentgeltbetrags zu einer hälftigen Beitragstragung durch den [X.]läger und die Beschäftigten nach § 249 Abs 1 Halbs 1 [X.]B V führt. Diese Folge tritt vielmehr - in entsprechender Anwendung von § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV - nur hinsichtlich des den [X.]betrag übersteigenden Entgeltteils, also der Einmalzahlung, ein.

aa) Zwar scheint die Verwendung der [X.]onjunktion "wenn" in § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B V anstelle der [X.]onjunktion "soweit" auf den ersten Blick dafür zu sprechen, dass bei Nichterfüllung der [X.]ondition bei Überschreitung des [X.]betrags die angeordnete Folge (= vollumfängliche Beitragstragung durch den Träger) nicht eintreten soll; vielmehr könnte es danach stattdessen insgesamt zu der allgemeinen, in § 249 Abs 1 [X.]B V geregelten hälftigen Beitragstragung durch den Träger und die Beschäftigten kommen. Gegen ein solches Verständnis in einem "absoluten" Sinne spricht allerdings schon die Einleitung in [X.] des § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B V mit den Worten "im Übrigen" anstelle der sonst eigentlich eher zu erwartenden Begriffe "ansonsten" oder "anderenfalls".

Dieser Sichtweise steht darüber hinaus auch die nach wie vor in § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V enthaltene und bestehen gebliebene Verweisung auf die zwischenzeitlich nicht mehr existente Vorschrift des (alten, eigentlich aufgehobenen) § 249 Abs 3 [X.]B V entgegen. Schon daraus folgt, dass § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B V nur dahin verstanden werden kann, dass es im Fall der Überschreitung des [X.]betrags nach § 235 Abs 3 [X.]B V zu differenzierten Rechtsfolgen kommen soll, je nachdem, welche Ursache die Überschreitung des [X.]betrags nach § 235 Abs 3 [X.]B V hat.

bb) Folge dieser vorgefundenen Ausgestaltung im [X.] ist jedoch, dass die Regelung in § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation analog anzuwenden ist (ebenso: [X.] in Hauck/[X.], [X.]B V, Stand Einzelkommentierung 4/13, [X.] § 251 Rd[X.]7; [X.] in [X.]rauskopf, Soziale [X.]rankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Einzelkommentierung Februar 2013, § 251 [X.]B V Rd[X.] 9; [X.] in [X.]asseler [X.]omm, Stand Einzelkommentierung April 2012, § 251 [X.]B V Rd[X.]0; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B V, 2. Aufl 2012, § 251 Rd[X.] 50). [X.]ommt es infolge einmalig gezahlten Arbeitsentgelts zu einer Überschreitung des [X.]betrags nach § 235 Abs 3 [X.]B V, tragen demnach zum einen der Träger der [X.] und zum anderen die beschäftigten behinderten Menschen die Beiträge jeweils zur Hälfte nur hinsichtlich des diese Grenze übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts; (nur) für den unterhalb des [X.]betrags liegenden Teil des Arbeitsentgelts verbleibt es dagegen bei der (vollen) Beitragstragung durch den Träger der Einrichtung.

Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV auf die in [X.] Beschäftigten sind erfüllt. Eine Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestandes auf einen ihm ähnlichen, allerdings ungeregelten Sachverhalt. Sie beruht - insbesondere im vorliegenden Fall in Anlehnung an Art 3 Abs 1 GG - auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, im Wesentlichen [X.] auch gleich zu behandeln und setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre im Zuge einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei der herangezogenen [X.], zu dem gleichen [X.] gekommen (so zB B[X.]E 108, 8 = [X.]-5425 § 4 [X.], Rd[X.]8 mwN; B[X.] Urteil vom 18.6.2014 - B 3 P 7/13 R, [X.]-3320 Art 45 [X.] Rd[X.]4; zu den Voraussetzungen ferner zB [X.] 82, 6, 11 ff mwN; zur Pflicht der Fachgerichte, [X.] mit Hilfe der anerkannten Grundsätze der juristischen Methodenlehre - einschließlich der Analogie einer einzelnen gesetzlichen Bestimmung oder sogar einer Gesamtanalogie eines [X.]onglomerats von gesetzlichen Regelungen - zu bewältigen, vgl [X.] 131, 88, 122, 125 mwN; [X.] 132, 99 Rd[X.]4, 77 f mwN; [X.], Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, [X.] ff; [X.]/[X.]/[X.], Rechtstheorie mit Juristischer Methodenlehre, 7. Aufl 2013, Rd[X.] 888 ff).

(1) Es liegt eine Regelungslücke vor; denn § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V verweist unverändert auf § 249 Abs 3 [X.]B V, obwohl dieser seit 1.8.2003 nicht mehr existiert. Weder die Verweisungsnorm noch die gesetzliche Bestimmung in § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV, die an die Stelle der Norm trat, auf die ursprünglich verwiesen wurde, treffen selbst eine ausdrückliche oder auch nur mittelbare Aussage darüber, welche Rechtslage stattdessen seit 1.8.2003 gilt. Eine Spezialregelung, die die Frage im Regelungskontext des [X.]B oder anderer Gesetze behandelt, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

(2) Die mithin bestehende Regelungslücke ist auch - entgegen der Ansicht der Beklagten - erkennbar unbeabsichtigt. Dies lässt sich ohne Weiteres den Gesetzesmaterialien entnehmen. Die Streichung von § 249 Abs 3 [X.]B V wurde in den Beratungen des [X.] des [X.] als "Folgeänderung" (nur) zur zentralen Regelung der Tragung des [X.] für Auszubildende und Teilnehmer an einem freiwilligen [X.] oder ökologischen Jahr in § 20 Abs 3 [X.]B IV angesehen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zu Gesetzentwürfen der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] einerseits sowie der Bundesregierung andererseits für ein Gesetz zur Änderung des [X.] und des Sozialgerichtsgesetzes, BT-Drucks 15/1199 [X.] zu Artikel [01] [X.] - neu -, im Folgenden: [X.]). Dabei wurde im Ausschuss allerdings offensichtlich schlicht übersehen, dass der (alte) § 249 Abs 3 [X.]B V nicht nur die beiden im Bericht hervorgehobenen, in der Regelung unmittelbar angesprochenen Personengruppen betraf, sondern - wegen der Verweisung auf diese Regelung in § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V - gleichermaßen auch den Personenkreis der in [X.] beschäftigten Menschen. Im Zusammenhang mit der Schaffung von § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV wird in den Gesetzesmaterialien dazu nur ausgeführt, diese "Neuregelung entspricht dem geltenden Recht" (so [X.], aaO). Daher kann mangels gegenteiliger Äußerungen allein angenommen werden, dass der Gesetzgeber die zuvor in § 249 Abs 3 [X.]B V getroffene Regelung nur gesetzestechnisch ("Folgeänderung") vor [X.] ziehen und nunmehr im [X.]B IV zentral regeln wollte, ohne [X.] Änderungen vorzunehmen und ohne an der vorherigen Rechtslage insgesamt im Ergebnis etwas zu ändern.

Die Beklagte kann gegen diese Auslegung nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers nicht nur in der Nichtnennung der Gruppe der in [X.] Beschäftigten in § 20 Abs 3 [X.]B IV nF liegen, sondern umgekehrt auch in der nach wie vor bestehenden Verweisung des § 251 Abs 2 S 1 [X.] [X.] [X.]B V auf § 249 Abs 3 [X.]B V gesehen werden könne. Dagegen spricht indessen, dass den Gesetzesmaterialien dann gerade zu entnehmen sein müsste, dass man im Gesetzgebungsverfahren in Abkehr von dem zuvor geltenden Recht - dessen Fortgeltung ja gerade bekräftigt wurde - speziell den zuvor ebenfalls begünstigten Personenkreis der Beschäftigten in einer [X.] von einer fortbestehenden Privilegierung bewusst ausschließen wollte. Für Derartiges fehlt jedoch jeglicher Hinweis.

(3) Die so entstandene Regelungslücke kann zur Bekräftigung des Fortgeltens der alten Rechtslage nur durch eine entsprechende Anwendung des § 20 Abs 3 [X.]B IV nF auch auf die Gruppe der in einer [X.] Beschäftigten sachgerecht geschlossen werden.

Eine solche analoge Anwendung von § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Die Interessenlage der Beschäftigten in einer [X.] ist der gesetzlich geregelten so ähnlich, dass nur angenommen werden kann, dass die Gesetzgebung die getroffene Regelung auch für den ungeregelten Sachverhalt vorgesehen hätte, wäre ihm die aufgetretene Lücke bewusst gewesen. § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV führt nämlich zu einer Privilegierung, weil es im Fall der Gewährung von einmalig gezahlten Arbeitsentgelts bestimmte, als Geringverdiener in die Sozialversicherung einbezogene Personen (= Versicherte, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind oder ein freiwilliges soziales oder [X.] absolvieren) nur hinsichtlich des den [X.]betrag übersteigenden Teils mit einer (hälftigen) Beitragstragung belastet. Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch die Regelung vermieden werden, dass durch ein vorübergehendes Überschreiten der Geringverdienergrenze infolge von Einmalzahlungen (zB Weihnachtsgeld) wegen der dadurch auftretenden Pflicht, die Hälfte der gesamten Sozialversicherungsbeiträge zu tragen, ein Nettobetrag verbleibt, der geringer ist als der Nettobetrag, welcher ohne die Einmalzahlung aufgrund des laufenden Arbeitsentgelts erzielt wird (so Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze, BT-Drucks 11/2807 [X.] zu Artikel 2 bis 5).

Diese Zielsetzung ist auch für die Gruppe der in [X.] Beschäftigten anzuerkennen, nachdem sie in der früheren Vorschrift in § 249 Abs 3 [X.]B V so enthalten war und Gründe für eine Aufhebung dieser Privilegierung nicht ersichtlich sind.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten sprechen auch die unterschiedlich hohen Beträge (§ 20 Abs 3 S 1 [X.] [X.]B IV: 325 Euro, § 251 Abs 2 S 1 [X.] iVm § 235 Abs 3 [X.]B V im Juni 2006: 490 Euro) nicht gegen eine analoge Anwendung von § 20 Abs 3 S 2 [X.]B IV auf den Personenkreis der Beschäftigten in einer [X.]. Dies gilt schon deshalb, weil der in § 20 Abs 3 S 1 [X.] [X.]B IV genannte Betrag von 325 Euro ohnehin nur die Gruppe der zur Berufsausbildung Beschäftigten betrifft, nicht aber die weitere, in § 20 Abs 3 S 1 [X.] [X.]B IV genannte Gruppe. Im Übrigen verfolgte der Gesetzgeber mit der Festlegung dieser Grenze spezifische arbeits- bzw ausbildungsmarktbezogene Ziele: So sollte durch die Absenkung auf 325 Euro die Bereitschaft, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, nicht durch zusätzliche Belastungen der Betriebe beeinträchtigt werden ([X.], aaO).

2. Gegen die Richtigkeit der Berechnung des von der Beklagten dem [X.]läger zu erstattenden (Rest-)Betrags haben die Beteiligten im Revisionsverfahren Einwendungen nicht erhoben; auch sonst ergeben sich keine Bedenken gegen die rechnerische Richtigkeit .

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 [X.]G.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der [X.]läger allerdings als "Leistungsempfänger" iS von § 183 S 1 [X.]G anzusehen, der [X.] privilegiert ist (vgl ähnlich bereits für Arbeitgeber als Empfänger von Eingliederungs- oder Lohnkostenzuschüssen nach dem [X.]B III: B[X.] [X.]-1500 § 183 [X.]; B[X.] [X.]-4300 § 368 [X.]; für die Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung in [X.]leinbetrieben nach § 10 Lohnfortzahlungsgesetz B[X.] [X.]-1500 § 183 [X.] 3). Zwar stellt die vom [X.]läger für sich in Anspruch genommene Rechtsgrundlage in § 251 Abs 2 S 1 [X.] und [X.] § 59 Abs 1 S 1 [X.]B XI eine spezialgesetzliche Regelung über die Verteilung der [X.]en und damit verbundene Erstattungspflichten dar und ist im [X.] eine Regelung über Beitragstragung. Gleichwohl handelt es sich zumindest auch um eine sozialleistungsähnliche, die [X.]ostenprivilegierung rechtfertigende Begünstigung (zu diesem Gesichtspunkt bereits B[X.] [X.]-1500 § 183 [X.] 3 Rd[X.] 8 f), indem eine Entlastung des Trägers einer [X.] von [X.] erfolgt, der Aufgaben gleich einem Arbeitgeber wahrnimmt.

Dies rechtfertigt auch hier die Anwendung des § 183 [X.]G. Demzufolge hat der [X.] auch keine Entscheidung über den Streitwert zu treffen.

Meta

B 12 P 1/12 R

23.07.2014

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Frankfurt (Oder), 21. Januar 2011, Az: S 11 P 37/10, Urteil

§ 235 Abs 3 SGB 5, § 249 Abs 1 Halbs 1 SGB 5 vom 15.12.2004, § 249 Abs 1 Halbs 2 SGB 5 vom 15.12.2004, § 249 Abs 3 SGB 5 vom 12.12.1996, § 251 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB 5 vom 06.10.1989, § 251 Abs 2 S 2 SGB 5 vom 19.06.2001, § 59 Abs 1 S 1 SGB 11, § 20 Abs 3 S 2 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2014, Az. B 12 P 1/12 R (REWIS RS 2014, 3820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3820

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