Bundessozialgericht, Urteil vom 29.05.2019, Az. B 8 SO 3/18 R

8. Senat | REWIS RS 2019, 6753

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 - Vergütungsvereinbarung - Werkstatt für behinderte Menschen - Berücksichtigung von Unfallversicherungsbeiträgen für die Beschäftigten)


Leitsatz

Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, die der Einrichtungsträger für die im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen tätigen behinderten Menschen zu zahlen hat, sind bei der Bemessung der vom Sozialhilfeträger zu zahlenden Vergütung zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2017 und die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des [X.] vom 29. Februar 2016 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 21 495 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist die Entscheidung einer Schiedsstelle über die Berücksichtigung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung bei der Festsetzung der vom Beklagten zu zahlenden Vergütung für die im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) beschäftigten behinderten Mitarbeiter.

2

Der Kläger ist Träger einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) in [X.] (Hauptwerkstatt) mit einer Betriebsstätte in [X.], beide im Kreisgebiet des Beklagten gelegen. Zwischen den Beteiligten besteht eine Leistungs- und eine Prüfungsvereinbarung (vom 27.1.2005 in der Fassung der [X.] vom 21.1.2015 und 18.12.2015) nach §§ 75 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]). Nachdem der Kläger (am 13.7.2015) den Beklagten zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung aufgefordert hatte, traten sie in Verhandlungen ein und erzielten Einigkeit über die Vergütung mit Ausnahme der Frage, ob die "anteiligen" Beiträge zur Berufsgenossenschaft ([X.]), die für die im Arbeitsbereich der [X.] tätigen behinderten Menschen anfallen, bei der Vergütung der Leistungen nach § 76 Abs 2 [X.] zu berücksichtigen sind. Die Höhe der Beiträge haben die Beteiligten insoweit - bei einem kalkulierten Gesamtbeitrag zur [X.] von 130 000 Euro - übereinstimmend auf 21 495 Euro beziffert.

3

Der Kläger rief deshalb am 24.11.2015 die Schiedsstelle an und beantragte statt der vom Beklagten angebotenen Vergütung iHv 46,04 Euro die Festsetzung einer Vergütung von insgesamt 46,14 Euro. Die Schiedsstelle lehnte den Antrag ab (Entscheidung vom 29.2.2016) und verwies zur Begründung ihrer Entscheidung auf den Inhalt ihres Schiedsspruchs in einem Parallelverfahren, wonach der Träger der [X.] als Unternehmer die Beiträge zur [X.] grundsätzlich selbst zu tragen habe. Zum einen finde sich im Gesetz, anders als für die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung, keine Erstattungsregelung für die [X.]-Beiträge. Die Beiträge seien zum anderen nicht als notwendige Kosten nach § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] behinderter Menschen - ([X.]; hier in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] <[X.]Bl I 3022>, im Folgenden: aF; vgl jetzt § 58 Abs 3 Satz 2 Nr 1 [X.]) vom Sozialhilfeträger zu vergüten. Denn es handele sich um Kosten, die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise anfielen; zudem liege der Lohn der in der Werkstatt beschäftigten behinderten Menschen in der Regel so hoch, dass auch unter Berücksichtigung der Beiträge zur [X.] noch ein angemessenes Arbeitsentgelt gezahlt werden könne. Dass sich aufgrund der Beschäftigung behinderter Menschen viele Unfälle ereignet hätten und deshalb die Beiträge besonders angestiegen seien, sei vom Kläger nicht vorgetragen worden. Nur ein solcher höherer Beitrag könne bei der Vergütung überhaupt zu diskutieren sein.

4

Die Klage des [X.] hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des [X.] <[X.]> vom 14.6.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, es teile die Auffassung der Schiedsstelle, die [X.]-Beiträge seien § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 2 [X.] aF zuzuordnen, gingen dabei aber nicht über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinaus und seien deshalb nicht durch den Beklagten zu vergüten. Zwar komme dem Produktionsprozess in der [X.] immer eine Doppelfunktion zu, diene einerseits der Teilhabe am Arbeitsleben, andererseits der Herstellung marktverwertbarer Produkte. Ebenso wie die Arbeitsentgelte aus dem [X.] zu zahlen seien, da sie nicht behinderungs- sondern produktionsbedingt entstünden, fielen aber auch die [X.]-Beiträge wie in jedem anderen Wirtschaftsunternehmen für die Arbeitnehmer produktionsbedingt an.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 [X.] aF, der §§ 75 ff [X.] und des § 12 Werkstättenverordnung ([X.]). Der Umstand, dass für andere Sozialversicherungsbeiträge spezialgesetzliche Erstattungsregelungen existierten, spreche nicht gegen die Berücksichtigung der [X.]-Beiträge im Rahmen der Vergütung nach § 76 Abs 2 [X.]. Bei den [X.]-Beiträgen handele es sich um Grund- und Vorhalteaufwand, der sich aus den Besonderheiten einer [X.] ergebe und § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 [X.] aF zuzuordnen sei. Anders als ein reiner Wirtschaftsbetrieb habe die [X.] ua die Aufgabe, arbeitsbegleitende, pädagogische Maßnahmen anzubieten. Auch insoweit seien die Werkstattbeschäftigten gesetzlich unfallversichert, der Beitrag decke mithin auch diese Zeiten und Tätigkeiten ab. Würden die [X.]-Beiträge nicht über die Vergütung gedeckt, minderten sie im Übrigen das Arbeitsergebnis und damit letztlich auch die Mittel, die der Finanzierung eines angemessenen Arbeitsentgelts der behinderten Beschäftigten dienten.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2017 und die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 [X.] des [X.] vom 29. Februar 2016 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung der Schiedsstelle für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ).

Gegenstand des Verfahrens ist die Entscheidung der [X.], gegen die sich der Kläger mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) wendet (vgl hierzu nur [X.] vom 23.7.2014 - [X.] [X.] 2/13 R - [X.], 227 = [X.]-3500 § 77 [X.], Rd[X.]1).

Die Entscheidung der [X.], die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Interessenvertretern paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt (BSG, aaO, Rd[X.] mwN) und deren Entscheidungsspielraum sich am [X.] der Vertragsparteien misst, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff [X.] regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind, der Sachverhalt ermittelt ist und die [X.] bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (BSG vom 23.7.2014 - [X.] [X.] 3/13 R - [X.], 233 = [X.]-3500 § 76 [X.], Rd[X.]4 mwN; BSG vom 7.10.2015 - [X.] [X.] 19/14 R - [X.]-3500 § 75 [X.] Rd[X.]2 mwN).

Die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts sind eingehalten. Insbesondere war der Beklagte der für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen zuständige Sozialhilfeträger. Wegen der Vergütung von Leistungen im Arbeitsbereich einer [X.] - das "Ob" der Einbeziehung von [X.] in diese Vergütung ist vorliegend umstritten - verweist § 41 Abs 3 Satz 2 [X.] aF auf die Vorschriften nach dem Zehnten Kapitel des [X.], soweit der Träger der Sozialhilfe für die Leistungserbringung zuständig ist (vgl § 41 Abs 2 [X.] aF iVm § 42 Abs 2 Nr 4 [X.] aF). Insoweit stellt § 77 Abs 1 Satz 2 [X.] für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz des für die Einrichtung zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab. Sachlich zuständig ist nach § 97 Abs 1 [X.] der örtliche Träger, soweit nicht der überörtliche Träger zuständig ist. Im [X.] zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (AG-[X.]) vom 31.3.2015 (Gesetz- und Verordnungsblatt für [X.] [X.]) fehlt es an einer ausdrücklichen landesrechtlichen Zuständigkeitsregelung für Aufgaben nach dem Zehnten Kapitel des [X.] (anders erst § 2 Abs 2 AG-[X.] in der ab 23.3.2018 geltenden Fassung des [X.] zur Umsetzung des [X.]teilhabegesetzes vom 22.3.2018 , wonach die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe auch die Zuständigkeit für Aufgaben nach dem Zehnten Kapitel des [X.] umfasst), sodass es bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Trägers nach § 97 Abs 1 [X.], hier der [X.] und kreisfreien Städte (§ 1 Abs 1 Satz 1 AG-[X.]), bleibt; der Beklagte ist zudem örtlich zuständig, weil sowohl die Werkstatt als auch die Betriebsstätte in seinem Kreisgebiet gelegen sind. Zur eigenständigen Überprüfung des Landesrechts war der Senat mangels eigener Feststellungen des [X.] berechtigt (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 29/07 R - [X.], 39 = [X.]-2800 § 10 [X.], Rd[X.]2).

[X.] ist auch im Übrigen formell rechtmäßig ergangen. Die Beteiligten haben den Verfahrensgegenstand vor der [X.] auf die Einbeziehung der [X.] für die behinderten Menschen im Arbeitsbereich der [X.] in die Vergütung nach § 76 Abs 2 [X.] beschränkt. Nur darüber hatte die [X.] unter Berücksichtigung ihrer Ausführungen in der Begründung des Schiedsspruchs auch entschieden. Zwar war der Antrag, den der Kläger vor der [X.] formuliert hat, nicht ausdrücklich auf die Festsetzung einer um die [X.] höheren Vergütung beschränkt. Vielmehr hat er beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, mit ihm eine Vergütungsvereinbarung zu einem Tagessatz von 46,14 Euro abzuschließen und der Beklagte hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Deshalb könnte die Reichweite des Schiedsspruchs (mit dem "der Antrag" abgelehnt worden ist) auch dahin verstanden werden, dass über die gesamte Vergütung entschieden wurde. Aus der Begründung des Schiedsspruchs ergibt sich aber noch mit hinreichender Deutlichkeit, dass die [X.] nur über die Kostenposition "[X.]" entscheiden wollte und auch nur darüber entschieden hat und dies der sachgerechten Auslegung des klägerischen Begehrens entsprach.

[X.] ist schließlich auch nicht wegen eines Begründungsmangels (§ 35 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <[X.]>) formell rechtswidrig; denn die [X.] hat in ihrer Entscheidung nicht nur auf die Gründe in einem gleichgelagerten Schiedsverfahren Bezug genommen, sondern die Begründung als Zitat in die hier streitbefangene Entscheidung eingefügt und ergänzend ausgeführt, der Kläger habe im vorliegenden Verfahren dieselben und keine weiteren rechtlichen Argumente vorgetragen, sodass es keiner weiteren Ausführungen bedürfe, und sich damit die Ausführungen im Zitat zur Begründung seiner Entscheidung zu eigen gemacht. Die Frage der inhaltlichen Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der Begründung, die der Kläger rügt, stellt hingegen keine Frage der formellen Begründung dar. Nichts anderes gilt, soweit der Kläger die inhaltliche Bestimmtheit (§ 33 [X.]) des Schiedsspruchs rügt. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit bezieht sich nicht auf die Gründe einer Entscheidung (BSG vom [X.] - [X.] KN 3/06 R - [X.]-2600 § 96a [X.] RdNr 38), sondern auf den [X.] und den Adressaten des Verwaltungsakts (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - [X.]-1300 § 33 [X.] Rd[X.]6; zum Ganzen [X.] in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 33 RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung unzweifelhaft; soweit der Kläger auch hier die aus seiner Sicht ungenügende inhaltliche Auseinandersetzung oder Begründung der Entscheidung meint, ist dies wiederum keine Frage des formellen Rechts.

[X.] ist allerdings materiell rechtswidrig. Zu Unrecht hat es die [X.] abgelehnt, die [X.], die der Kläger für die im Arbeitsbereich der [X.] tätigen behinderten Menschen zu zahlen hat, bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen. Dabei steht der [X.] wegen der Frage, ob und wenn ja welche Kosten entweder § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] oder [X.] [X.] aF zuzuordnen sind (zum Alternativverhältnis der Regelungen nach [X.] und [X.]: Bericht des [X.] zum Entwurf des [X.], BT-Drucks 14/5800 Zu Art 1 § 41, [X.], dazu im Einzelnen gleich) und welche Kosten aus dem Arbeitsergebnis der [X.] zu zahlen sind (§ 12 Abs 4 Satz 3 [X.] in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung) kein Entscheidungsfreiraum zu (vgl dazu nur BSG vom [X.] - [X.] [X.] 28/16 R - [X.]-3250 § 41 [X.] Rd[X.]6).

Wegen der Vergütungsvereinbarungen zwischen Trägern der Sozialhilfe und einer [X.] als Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§ 136 Abs 1 Satz 1 [X.] aF) verweist § 41 Abs 3 Satz 2 [X.] aF auf die Vorschriften des Zehnten Kapitels des [X.]. Danach ist die Höhe der Vergütung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu bestimmen (§ 75 Abs 3 Satz 2 [X.], § 41 Abs 3 Satz 1 [X.] aF; zum Verhältnis beider Normen zueinander: BSG vom [X.] - [X.] [X.] 28/16 R - [X.]-3250 § 41 [X.] Rd[X.]5 mwN). Dabei berücksichtigen die Beträge gemäß § 76 Abs 2 Satz 1 [X.] (Grundpauschale, Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag) alle für die Erfüllung der Aufgaben und fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten (§ 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] aF) bzw die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten behinderten Menschen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen (§ 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] aF).

Die Beiträge zur [X.] sind entgegen der Auffassung des [X.] für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendig und deshalb als Kosten iS von § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] zu berücksichtigen, denn sie betreffen den Aufgabenbereich, der der Eingliederung des behinderten Menschen durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dient. Sie sind insoweit Annexkosten, die aufgebracht werden müssen, um die eigentliche Teilhabeleistung in der [X.] erst zu ermöglichen. Dass es sich dabei um Kosten handelt, die auch in einem Wirtschaftsunternehmen anfallen, ändert an dieser Zuordnung der Kosten nichts. Dies ergibt sich aus der Gesetzesentwicklung und systematischen Überlegungen.

Der Gesetzgeber des [X.] (vgl nur BT-Drucks 14/5074) hatte § 41 Abs 3 [X.] in seinem Entwurf zunächst wie folgt formuliert: "Die Leistungen umfassen alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Personal- und Sachkosten. Dazu gehören auch die mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten behinderten Menschen nach Art oder Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen." Der [X.] trat hingegen für eine Neufassung der Regelung ein, die der Gesetz gewordenen und im vorliegenden Fall maßgeblichen Aufteilung in Kosten nach § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] und Kosten nach § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] aF entspricht. Zur Begründung (BT-Drucks 14/5800 [X.]) wurde insoweit ausgeführt, die neue Formulierung der bei der Vergütung durch den Sozialhilfeträger zu berücksichtigenden Kosten stelle sicher, dass Kosten entweder der Nummer 1 oder der Nummer 2 zuzuordnen seien. "Fallen daher Kosten (zB Werkstattleiter/in) unter die Nummer 1, können sie keine Kosten nach Ziffer 2 sein." Der Gesetzgeber des [X.] ist also von einem Alternativverhältnis der Kostenpositionen in [X.] und [X.] ausgegangen. Dann aber kann der Umstand, dass mit der Beschäftigung in der [X.] - auch - wirtschaftliche Arbeitsergebnisse angestrebt werden sollen, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer Leistung angemessenes Arbeitsentgelt zahlen zu können (§ 138 Abs 2 [X.] aF, § 12 Abs 3 [X.]), nicht als Argument dafür dienen, jede Betätigung im Arbeitsbereich als wirtschaftliche Betätigung iS des § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] aF anzusehen (so auch [X.], Werkstätten für behinderte Menschen, 5. Aufl 2009, § 136 [X.] Rd[X.]1). Denn dies würde zu einem Leerlaufen des § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.] führen, weil dann letztlich jede Beschäftigung im Arbeitsbereich der [X.] allein wegen des anzustrebenden wirtschaftlichen [X.] als wirtschaftliche Betätigung anzusehen wäre und ein eigenständiger Anwendungsbereich für § 41 Abs 3 Satz 3 [X.] [X.], anders als vom Gesetzgeber gewollt, gerade nicht verbliebe. Vielmehr tritt das Ziel der Beschäftigung, wirtschaftliche Arbeitsergebnisse zu erzielen, neben die in § 41 Abs 2 [X.] aF genannten Rehabilitationsziele, umgesetzt durch vielfältige, auf einem umfassenden Förderkonzept beruhende Einzelmaßnahmen. Die Ausgestaltung des Arbeitsbereichs der [X.], der in seiner Ausstattung möglichst derjenigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechen soll (§ 5 Abs 2 [X.]) muss letztlich der Tatsache Rechnung tragen, dass die [X.] auch als Wirtschaftsbetrieb am Markt teilnimmt; die [X.] kann also im Arbeitsbereich nur solche Arbeitsplätze anbieten (vgl § 5 Abs 1 [X.]), deren Ergebnisse auch als Produkt oder Dienstleistung vermarktet werden kann ([X.], Behindertenrecht, 2. Aufl 2018, S 1232).

Dass es sich bei den [X.] unter [X.] um Annexkosten zu den in der [X.] erbrachten Teilhabeleistungen handelt, machen auch deren Ziele deutlich, die nicht ausschließlich in der wirtschaftlichen Betätigung liegen. Leistungen in [X.] werden nach § 39 [X.] aF erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern. Insoweit modifiziert § 39 [X.] aF (jetzt § 56 [X.]) die allgemeinen Zielsetzungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wie sie in § 33 Abs 1 [X.] aF (jetzt § 49 Abs 1 [X.]) festgelegt sind. Die Rehabilitationsleistungen im Arbeitsbereich der [X.] zielen nämlich nicht nur auf die Teilhabe am Arbeitsleben, in dem sie auf die Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des behinderten Menschen entsprechenden Beschäftigung (§ 41 Abs 2 [X.] [X.] aF) gerichtet sind und insoweit der allgemeinen Zielsetzung des § 33 Abs 1 [X.] aF entsprechen. Vielmehr verfolgt die Werkstattbeschäftigung auch das Ziel der Weiterentwicklung der Persönlichkeit der behinderten Menschen (§ 39 [X.] aF); ermöglicht wird zudem die Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit (§ 41 Abs 2 [X.] [X.] aF). Auch dienen die Leistungen im Arbeitsbereich einer [X.] der Förderung des Übergangs geeigneter behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen (§ 41 Abs 2 Nr 3 [X.] aF). Es handelt sich bei der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer [X.] mithin um eine Komplexmaßnahme ([X.], aaO, [X.]), die nicht nur auf wirtschaftliche Arbeitsergebnisse, sondern auch auf die Verbesserung der Erwerbsfähigkeit und die Förderung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit zu dienen bestimmt ist. Der Unfallversicherungsschutz der Werkstattbeschäftigten erstreckt sich dabei auch auf solche Maßnahmen, die allenfalls mittelbar mit dem Ziel der Erbringung wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung verbunden sind (vgl zum Unfallversicherungsschutz beim therapeutischen Reiten einer Werkstattbeschäftigten noch vor Einführung des [X.] [X.] - <[X.]>: BSG vom 13.6.1989 - 2 RU 1/89 - [X.], 138 = [X.] 2200 § 539 [X.]33).

Nicht zuletzt sind die Beiträge zur [X.] systematisch nicht sonstigen Sozialversicherungsbeiträgen gleichzustellen, die im Grundsatz hälftig von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu zahlen sind, sich nach der Höhe des Arbeitsentgelts richten und im Ausgangspunkt aus dem [X.] bzw Arbeitsergebnis der Werkstatt zu zahlen sind. Deshalb spricht die Existenz von Erstattungsregelungen für die vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge zur [X.], die auf den [X.] entfallen, einerseits und das Fehlen entsprechender Regelungen für den [X.]-Beitrag andererseits weder gegen noch für das gefundene Ergebnis.

Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung tragen allein die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen (§ 150 Abs 1 Satz 1 [X.]). Hintergrund dieser alleinigen Beitragspflicht ist die mit der gesetzlichen Unfallversicherung einhergehende Haftungsfreistellung des Arbeitgebers bei Eintritt eines Versicherungsfalls (vgl §§ 104 ff [X.]), also die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht. Damit wirken die Normen zur Haftungsbegrenzung materiell wie eine Haftpflichtversicherung zugunsten der Unternehmer und dienen damit auch dem [X.] beim Eintreten eines Versicherungsfalls (so [X.] <[X.]H> vom 10.12.1974 - [X.] - [X.]HZ 63, 313, juris Rd[X.]1 mwN). Für die Bemessung der Beiträge ist nicht allein die Höhe des jeweiligen Entgelts der versicherten Person maßgeblich. Vielmehr bilden Berechnungsgrundlage für die Beiträge neben den [X.] der Finanzbedarf (Umlagesoll) und die Gefahrklassen (§ 152 Abs 1 [X.]), diese festgesetzt im [X.] der jeweils zuständigen [X.]. Dabei werden die Gefahrklassen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den [X.] berechnet. Der [X.] (hier: [X.] der [X.] für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 1.1.2013) wiederum ist gegliedert nach [X.] und umfasst alle Versicherten, die in einem Gewerbezweig tätig sind, also die [X.]stelle 17 "Werkstätten für behinderte Menschen, Beschäftigungs- und [X.]" sowohl die in der [X.] beschäftigten behinderten Menschen als auch beispielsweise nicht behindertes Fachpersonal in der Werkstatt oder in der Küche. Eine Gleichstellung mit anderen Beiträgen zur Sozialversicherung verbietet sich damit schon im Ansatz.

An diesem Ergebnis ändert nichts, dass der Gesetzgeber zum einen mit dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter ( vom [X.], [X.]Bl I 1061) nicht nur die [X.]spflicht für die im Arbeitsbereich einer [X.] tätigen behinderten Menschen, sondern zugleich einen Erstattungsanspruch (nur) für diese Sozialversicherungsbeiträge normiert hat (§ 9 Satz 1 SV[X.]), der in § 251 Abs [X.] - ([X.]), § 179 Abs 1 iVm § 168 Abs 1 [X.] Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - ([X.]I) und § 59 [X.] - ([X.]I) fortgeführt worden ist und zum anderen die auf den Träger der [X.] entfallenden Sozialversicherungsbeiträge - wie das Arbeitsentgelt der behinderten Menschen auch - (zunächst) aus dem Arbeitsergebnis zu zahlen und damit nicht Teil der Vergütung nach § 76 Abs 2 [X.] sind. Doch kann weder der Gesetzesbegründung zum SV[X.] noch der zu den Erstattungsregelungen nach dem [X.], [X.] oder XI eine gesetzgeberische Haltung zur Frage, wer die [X.] für die im Arbeitsbereich einer [X.] beschäftigten behinderten Menschen abschließend trägt, entnommen werden. Der Gesetzgeber des SV[X.] hat vielmehr nur den Befund dokumentiert (vgl BT-Drucks 7/1992 S 12 Zu § 1), dass die behinderten Menschen bereits unfallversichert seien und deshalb eine gesetzliche Regelung (anders als für die Bereiche der [X.]) insoweit entbehrlich sei (zur rechtlichen Herleitung des - insoweit vom Gesetzgeber angenommenen - Unfallversicherungsschutzes BSG vom 13.6.1989 - 2 RU 1/89 - [X.], 138 = [X.] 2200 § 539 [X.]33). Die Notwendigkeit einer Erstattungsregelung für die im SV[X.] erstmals normierten - sonstigen - Sozialversicherungsbeiträge wurde damit begründet, dass die Träger der [X.] nicht in der Lage seien, die besonderen Beitragslasten zur [X.] Sicherung allein zu tragen und deshalb öffentliche Mittel des [X.] und der Länder bereitgestellt würden (BT-Drucks 7/1992 [X.] Zu § 8).

Soweit der Beklagte meint, § 44 Abs 1 [X.] Buchst b [X.] stütze seine Auffassung, wonach die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Abs 1 [X.] bis 5 [X.] genannten Rehabilitationsträger (und damit nicht der Sozialhilfeträger nach § 6 Abs 1 Nr 7 [X.] aF) ua durch Beiträge zur Unfallversicherung nach dem [X.] ergänzt würden, übersieht er, dass § 44 [X.] aF lediglich eine Regelung für ergänzende, unterhaltssichernde Leistungen an leistungsberechtigte Personen trifft, die akzessorisch von der Hauptleistung (ua Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben) vom jeweils zuständigen Rehabilitationsträger zu erbringen sind. Schon diese gänzlich andere Zielrichtung der Leistungen lässt jegliche Übertragung auf die Frage, wer [X.] im Verhältnis zwischen Leistungserbringer, Leistungsträger und behindertem Menschen endgültig zu tragen hat, ausscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und [X.] (GKG), wobei der Beklagte nach § 64 Abs 3 Satz 2 [X.] keine Gerichtskosten zu tragen hat.

Meta

B 8 SO 3/18 R

29.05.2019

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, 14. Juni 2017, Az: L 9 SO 19/16 KL, Urteil

§ 75 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 12, § 77 Abs 1 S 3 SGB 12, § 80 SGB 12, § 39 SGB 9, § 41 Abs 3 S 1 SGB 9, § 41 Abs 3 S 3 Nr 1 SGB 9, § 41 Abs 3 S 3 Nr 2 SGB 9, § 136 Abs 1 SGB 9, § 138 Abs 2 SGB 9, § 12 Abs 3 SchwbWV vom 19.06.2001, § 12 Abs 4 S 1 SchwbWV vom 19.06.2001, § 12 Abs 4 S 3 SchwbWV vom 19.06.2001

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.05.2019, Az. B 8 SO 3/18 R (REWIS RS 2019, 6753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6753

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