Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2008, Az. 2 StR 424/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 395

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[X.] vom 5. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführerin am 5. Dezember 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision der Angeklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 15. Mai 2008, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-ne andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat die Angeklagte wegen —Beihilfe zur Einfuhr von Be-täubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie in ei-nem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Mengefi zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. 1 1. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil es hinsichtlich der [X.]keine geschlossene und für das Revisionsgericht [X.] - 3 - bare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erken-nen lassen, welche Tatsachen der [X.] als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentli-chen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des [X.], der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, geschlossene Darstellung). So verhält es sich hier. a) Aus den insoweit unübersichtlichen und wenig klar gegliederten Fest-stellungen ergibt sich, dass die Angeklagte [X.] in einer Vielzahl von Fällen, deren Anzahl über die abgeurteilten fünf Fälle weit hinausgeht ([X.]), Fahrzeuge angemietet hat, um sie dem Mitangeklagten [X.]für die Durchfüh-rung von [X.] zur Verfügung zu stellen. Die verstreut im Urteil anzutreffenden Ausführungen ([X.]-17/18 sowie 51 und 52-54) deu-ten im Zusammenhang mit dem Schuldspruch allerdings darauf hin, dass die Kammer die Angeklagte lediglich u. a. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge an den Fahrten vom 18. Mai 2007, 25. Mai 2007, 2. Juni 2007, 16. Juni 2007 und 30. Juni 2007 aburteilen wollte. Diese Interpretation steht jedoch in Widerspruch zur Beschreibung der Taten bei der Festsetzung der Einzelstrafen ([X.]). Eine ausdrückliche [X.] erfolgt dort lediglich zu den Einfuhrfahrten vom —2.6.2008fi und —30.6.2008fi (gemeint ist jeweils 2007), die rechtlich als Beihilfe zur Einfuhr von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge bezeichnet werden. Geht man - nahe lie-gend - davon aus, dass das [X.] die im Text davor festgesetzten zwei Einzelstrafen auf die zeitlich früher liegenden Einfuhrfahrten vom 18. Mai 2007 3 - 4 - und 25. Mai 2007 sowie die danach festgesetzte Strafe für —Beihilfe zur Einfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Mengefi auf das zeitlich später liegende Aufbewahren der Betäubungsmittel für den Mitange-klagten [X.]und deren Sicherstellung bei der Angeklagten am 3. Juli 2007 ([X.]) bezogen wissen wollte, fehlt es an der Festsetzung einer Einzelstrafe für die Beteiligung an der [X.] vom 16. Juni 2007. Darüber hinaus würde bei dieser Lesart im Widerspruch zu den Feststellungen unter [X.] 2. eine Einzelfreiheitsstrafe für eine Tat bestimmt, die über die Teilnahmehandlungen an den festgestellten Einfuhrfahrten hinausgeht. Dieser Widerspruch kann nicht im Wege der Auslegung der [X.] ausgeräumt werden. Wollte man die zuletzt aufgeführte Strafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen Beihilfe zur Einfuhr in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nämlich auf die Einfuhrfahrt vom 16. Juni 2007 beziehen, um eine Konkordanz zu den Fest-stellungen unter [X.] 2. herzustellen, wäre dies nicht mit den rechtlichen Ausfüh-rungen [X.] i.V.m. [X.] vereinbar, wonach die Kammer eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gerade nicht für den 16. Juni 2007, sondern für den 30. Juni 2007 als gegeben sieht. Die Zuordnung der [X.] zu den in den Feststellungen ausdrücklich in Bezug genommenen Einfuhrfahrten ist damit nicht widerspruchsfrei möglich. 4 b) Hinzu kommt, dass an Hand der Urteilsgründe auch eine zuverlässige Zuordnung der in drei Fällen tateinheitlich abgeurteilten Taten des Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln zu den festgestellten Einfuhrfahrten ausscheidet. Nach den Feststellungen [X.] verkaufte die Angeklagte [X.]im Zeit-raum von 3.5.2007 bis zum 3.7.2007 —sechs Mal [X.] an drei [X.] Vertrauenspersonen und einen verdeckten Ermittler der Polizei. [X.] - 5 - se Verkäufe stammten aus mindestens drei verschiedenen Lieferungen; zu-gunsten der Angeklagten sei davon auszugehen, dass diese drei Lieferungen aus drei der fünf festgestellten [X.]en stammten, an denen sie beteiligt gewesen sei ([X.]). Bei den am 3.5.2007, am [X.] und am [X.] verkauften Betäubungsmitteln habe es sich lediglich um geringe Men-gen, bei dem am [X.] und am 3.7.2007 verkauften Amphetamin habe es sich um nicht geringe Mengen gehandelt. Diesen Ausführungen lässt sich schon nicht entnehmen, welche drei der angegebenen fünf (nicht, wie die Kammer meint, sechs) Verkäufe die Kammer mit welchen konkreten Einfuhrfahrten als tateinheitlich verknüpft angesehen hat. Darüber hinaus erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht, warum die Kammer in nur einem Fall tateinheitlich Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jedoch in zwei Fällen tateinheitlich Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen hat. Denn selbst wenn man den Verkauf vom 3. Mai 2007 als vor der ersten Einfuhrfahrt am 18. Mai 2007 liegend ausschei-det, verbleiben ausweislich [X.]/54 vier Taten des Handeltreibens mit Be-täubungsmitteln im relevanten Tatzeitraum, davon zwei - [X.] und [X.] - mit geringen und zwei - [X.] und 3.7.2007 - mit nicht geringen Mengen. Diese Unklarheiten hinsichtlich der in Tateinheit abgeurteilten Delikte des [X.] mit Betäubungsmitteln verstärken die bereits dargelegten, sich aus dem Vergleich der Feststellungen zum Tatgeschehen mit den Ausführungen zur Einzelstraffestsetzung ergebenden Unsicherheiten und machen eine zuverläs-sige und vor allem widerspruchsfreie Zuordnung zu konkreten Einfuhrfahrten unmöglich. 6 - 6 - c) Damit bleibt insgesamt unsicher, welchen Sachverhalt der Tatrichter dem Urteil zugrunde gelegt hat. Die unklaren, unübersichtlichen und wider-sprüchlichen Ausführungen in den Urteilsgründen erlauben eine ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung des Schuldspruchs nicht (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13; erkennbare Subsumtion; [X.], 607 f.). Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der - soweit es die Angeklagte [X.]betrifft - zu seiner Aufhebung führt. 7 2. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: 8 a) Ein unübersichtlicher Aufbau sowie an verschiedenen Stellen [X.] Feststellungen können einen durchgreifenden Mangel des Urteils darstellen, weil dann häufig die tatsächliche Grundlage des Urteils unvollständig sein wird. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Unklarheiten und Widersprüche in die [X.]feststellungen einschleichen, die es dem Revisionsgericht unmöglich ma-chen, einen bestimmten Sachverhalt seiner rechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen. Zwar bilden die schriftlichen Entscheidungsgründe eine Einheit, deren tatsächliche Angaben auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie sich in verschiedenen und dabei auch in solchen Zusammenhängen befinden, in denen sie nach dem üblichen Urteilsaufbau nicht erwartet werden (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1, Feststellungen 1, Zusammenhang der [X.]). Dies setzt jedoch voraus, dass sich aus der Gesamtheit der Urteilsgründe eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die rechtliche Würdigung ent-nehmen lässt. Es ist nicht die Aufgabe des [X.], unklaren und sich widersprechenden Ausführungen in den Urteilsgründen einen den Schuldspruch möglicherweise tragenden Sinn beizulegen. 9 - 7 - b) Bei einer - wie hier - Vielzahl angeklagter Taten und wenn mehrere Personen angeklagt sind, empfiehlt es sich, in den Feststellungen jeder einzel-nen Tat eine bestimmte Ordnungszahl zuzuordnen und die Beiträge aller Betei-ligten an dieser Stelle gemeinsam darzustellen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl. 2008, Rn. 234). Es beeinträchtigt dagegen die Klarheit und Übersichtlichkeit der Urteilsgründe, wenn im Wege eines —Misch-systemsfi zwar einzelne Taten einer Ordnungsnummer zugeordnet, unter ande-ren Ordnungsnummern aber eine Vielzahl von - auch nicht abgeurteilten - Ein-zeltaten zusammengefasst und unter weiteren Ziffern die Tatbeiträge der [X.] Beteiligten - teilweise - voneinander getrennt abgehandelt werden. 10 c) Besteht aus Sicht des Tatgerichts Anlass, Straftaten zu schildern, die nicht Gegenstand des Schuldspruchs sind - z.B. solche, die gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahrensstoff ausgeschieden wurden oder solche, die nicht angeklagt waren, in der Hauptverhandlung aber zu Tage getreten sind -, sollten diese in der Darstellung deutlich von den konkret abgeurteilten Taten geschieden werden, um Missverständnisse und Unklarheiten zu vermeiden. 11 d) Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass die Formulierungen im Urteil, die Angeklagte [X.]sei —selbst betäubungsmittelabhängigfi ([X.]) und habe die Taten —aufgrund ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit be-gangenfi ([X.]) zur Prüfung der - vom [X.] nicht erörterten - Frage drängen, ob ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB anzuordnen ist. Von der Unterbringung nach § 64 StGB darf nicht abgesehen werden, weil der Tatrichter - wie in den Urteilsgründen ausgeführt - —bereits jetztfi einer Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG zustimmt. Die Un-terbringungsanordnung nach § 64 StGB geht der allein dem Vollstreckungsver-12 - 8 - fahren vorbehaltenen Zurückstellung nach § 35 BtMG vor ([X.], 405 f.). Fischer Roggenbuck [X.] Cierniak [X.]

Meta

2 StR 424/08

05.12.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2008, Az. 2 StR 424/08 (REWIS RS 2008, 395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 395

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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