Bundespatentgericht, Urteil vom 07.05.2015, Az. 7 Ni 41/14 (EP)

7. Senat | REWIS RS 2015, 11433

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Energieführungskette zur Führung von Schläuchen, Kabeln oder dergleichen mit einer Anzahl von Kettengliedern (europäisches Patent)" – zur offenkundigen Vorbenutzung bei Schulungen von Messeverkäufern


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 381 792

([X.])

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Rauch, der Richterin [X.] und [X.], [X.]. [X.] und Dipl.-Ing. Univ. Richter

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 381 792 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass

a) sein Anspruch 1 folgende Fassung erhält:

„1. [X.] zur Führung von Schläuchen, Kabeln oder dergleichen mit einer Anzahl von Kettengliedern, wobei benachbarte Kettenglieder jeweils gelenkig miteinander verbunden sind, wobei die Kettenglieder gegenüberliegende [X.] mit inneren und äußeren Seitenflächen und dazu senkrechten und zur Längsrichtung der Kette im Wesentlichen parallelen Schmalflächen aufweisen, mindestens einige der Kettenglieder mindestens einen die [X.] verbindenden [X.] aufweisen, die Gelenkverbindung benachbarter Kettenglieder zwischen den Schmalflächen der [X.] angeordnet ist und die [X.] unter Bildung eines Untertrums, eines Umlenkbereichs und eines Obertrums verfahrbar ist,

dass die Gelenkverbindung durch in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder (1) elastisch deformierbare lenkelemente (8) gebildet wird, die durch Abwinkelung der benachbarten Kettenglieder (1) bestimmungsgemäß auf Biegung beansprucht werden und als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die Gelenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken.“;

b) die Ansprüche 2 bis 27 in ihrem Wortlaut unverändert bleiben, wobei für deren Rückbezug auf Anspruch 1 dessen geänderte Fassung zu Grunde zu legen ist;

c) die Ansprüche 29 und 30 der erteilten Fassung zu Ansprüchen 28 und 29 werden und sich bei ansonsten unverändertem Wortlaut auf [X.]n nach einem der Ansprüche 1 bis 27 (Anspruch 28) bzw. 1 bis 28 (Anspruch 29) beziehen, wobei für den Rückbezug auf Anspruch 1 dessen geänderte Fassung zu Grunde zu legen ist.

I[X.] Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II[X.] Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klage richtet sich gegen das [X.] Patent 1 381 792, das auf die internationale Anmeldung [X.][X.] vom 15. April 2002 zurückgeht und in [X.] u. a. für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilt worden ist. Das Patent, das die Priorität des [X.] [X.]ebrauchsmusters 201 07 003 vom 23. April 2001 in Anspruch nimmt, wird beim [X.] unter dem Aktenzeichen 502 01 998.0 geführt. Es ist bezeichnet mit „[X.]“ und umfasst 30 Ansprüche, die alle mit der vorliegenden Klage angegriffen werden.

2

Patentanspruch 1 hat in der erteilten [X.]assung folgenden Wortlaut:

3

„1. [X.] zur [X.]ührung von Schläuchen, Kabeln oder dergleichen mit einer Anzahl von Kettengliedern, wobei benachbarte Kettenglieder jeweils gelenkig miteinander verbunden sind, wobei die Kettenglieder gegenüberliegende [X.] mit inneren und äußeren Seitenflächen und dazu senkrechten und zur Längsrichtung der Kette im Wesentlichen parallelen Schmalflächen aufweisen, mindestens einige der Kettenglieder mindestens einen die [X.] verbindenden [X.] aufweisen, die [X.]elenkverbindung benachbarter Kettenglieder zwischen den Schmalflächen der [X.] angeordnet ist und die [X.] unter Bildung eines Untertrums, eines Umlenkbereichs und eines [X.] verfahrbar ist,

4

5

dass die [X.]elenkverbindung durch in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder (1) deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken.“

6

Wegen des Wortlauts der übrigen, auf Anspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche wird auf die [X.] 1 381 792 [X.] Bezug genommen.

7

Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] [X.]. 138 Abs. 1 lit. a und b EPÜ) geltend.

8

Sie bezieht sich auf folgende Druckschriften aus dem Stand der Technik:

9

[X.] EP 0 789 167 [X.]

[X.] US 5,980,409

D3 DD 249 742 [X.]

[X.] [X.] 35 22 885 C2

D5 EP 1 093 963 [X.]

D6 [X.] 44 24 624 C1

D7 [X.] 39 24 468 [X.]

D8 [X.] 101 16 403 [X.]

D9 [X.] 41 05 650 C1

[X.] [X.] 94 09 082 U1

[X.]1 Auszug aus dem Internetarchiv zur Seite www.igus.de vom 19. Oktober 2000

[X.]2 Produktdatenblatt zur Serie E-Band

[X.] [X.] 201 07 003 U1 (beanspruchtes [X.])

[X.]4 EP 1 503 107 [X.] (Trennanmeldung zum Klagepatent)

[X.]5 [X.] 09-324836 A

[X.] [X.] 15 74 367 A

[X.] [X.] 44 28 680 C1

[X.]8 [X.] 92 03 633 U1

[X.]0 [X.] 23 10 144 A

[X.]1 [X.] 296 07 492 U1

[X.]2 [X.] 297 11 441 U1

[X.]3 EP 0 041 164 [X.]

[X.] [X.] A2

[X.]7 [X.] 26 09 451 [X.]

[X.] EP 0 708 270 [X.]

[X.]9 [X.]B 762,546

Zudem beruft sich die Klägerin auf die angebliche offenkundige Vorbenutzung einer [X.] „[X.]“ mit den Merkmalen entsprechend der [X.] auf der [X.] am 23. April 2001. Diese Vorbenutzung sei in einem gegen ein anderes Patent gerichteten [X.]n Einspruchsverfahren von der hiesigen [X.] geltend gemacht (gemäß Anlage [X.]) und von verschiedenen Zeugen bestätigt worden.

Desweiteren habe der Zeuge N… in einem Verfahren vor der Beschwerdekammer des [X.] am 26. Juni 2014 ausgesagt (vgl. Vernehmungsprotokoll Anlage [X.]), dass es seit vielen Jahren üblich sei, am Tag vor Beginn der [X.] eine Schulung für die Verkäufer am Messestand der [X.] abzuhalten. Daraus gehe hervor, dass am 22. April 2001 eine entsprechende Schulung stattgefunden habe, auf der alle Einzelheiten der Erfindung mit dem Ziel offenbart worden seien, diese an Dritte, namentlich die [X.], weiterzugeben und zu erläutern. Nach der Lebenserfahrung könne hier nicht von einer impliziten [X.]eheimhaltungsvereinbarung ausgegangen werden. Durch die damalige Zeugenaussage sei auch nahe gelegt, dass bei der Schulung auch die vorgestellten Produktproben und Prospekte verfügbar gemacht worden seien.

[X.]ür die vollständige [X.] am 22. April 2001 bietet die Klägerin Beweis durch Vernehmung der [X.], [X.], [X.] (alle Prokuristen der [X.]) und [X.] (Entwicklungsleiter bei der [X.]) an.

Die Klägerin meint, dass das Streitpatent die Priorität des [X.]ebrauchsmusters 201 07 003 ([X.]) zu Unrecht in Anspruch nehme, weil dort lediglich eine [X.] mit einem elastisch deformierbaren [X.]elenkelement offenbart werde, wohingegen im Hauptanspruch des Streitpatents das Wort „elastisch“ gestrichen sei. Damit umfasse der Schutzanspruch des Streitpatents auch [X.]n, in denen das [X.]elenkelement zwar deformierbar sei, allerdings nicht auf elastische Weise (z. B. [X.]ewebebänder). Dieser erweiterte [X.]egenstand gehe aus der [X.] nicht unmittelbar und eindeutig hervor, weshalb die Priorität unwirksam sei. Bei unwirksamer Priorität gehöre [X.] zum Stand der Technik und nehme die [X.]egenstände der Ansprüche 1, 26, 28, 29 und 30 des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg. Dasselbe gelte für die zur Patentfamilie des Streitpatents gehörende [X.] Patentschrift [X.]4.

Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, dass der [X.]egenstand des Anspruchs 1 gegenüber den druckschriftlichen Entgegenhaltungen D8, [X.], [X.] und [X.] und gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung der [X.] „[X.]“ nicht neu sei. Auch beruhe er - ausgehend von [X.], [X.], [X.], [X.] oder [X.]7 - nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Auch die [X.] enthielten nichts [X.]. Die Merkmale der [X.] und 11 seien für den [X.]achmann zudem nicht ausführbar.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 381 792 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen,

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprüche in der [X.]assung der [X.] 2´, 2bis, 2ter, 2quater, 3, 3bis, 3ter, 4´, 4bis, 4ter, [X.], 5, 5bis, 5ter, 6´, 7 und 8 richtet, wobei diese [X.] mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 ([X.]. 226 ff. d. A., [X.] 3 und 5), vom 12. März 2015 ([X.]. 280 ff. d. A., [X.] 2´, 2bis, 2ter, 3bis, 3ter, 4´, 4bis, 4ter, 5bis, 5ter, 6´) und vom 17. April 2015 ([X.]. 346 ff. d. A., [X.] 2quater, [X.], 7 und 8) eingereicht worden sind und in der genannten Reihenfolge gestellt werden.

Anspruch 1 soll in der [X.]assung der [X.] folgende [X.]assung erhalten:

Hilfsantrag 2‘

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Ergänzungen unterstrichen):

elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken, ausgenommen jede drehelastische [X.]elenkverbindung, in welcher die [X.]elenkelemente als dauerelastische, auf Torsion beanspruchte Zapfen ausgebildet sind, die an den miteinander zu verbindenden [X.] drehfest angeordnet sind“.

Hilfsantrag 2bis

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Ergänzungen unterstrichen):

elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken, ausgenommen jede [X.]elenkverbindung, in welcher drehelastische [X.]elenkelemente durch bestimmungsgemäße Abwinkelung der benachbarten Kettenglieder auf Torsion beansprucht werden“.

Hilfsantrag 2ter

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Ergänzungen unterstrichen):

elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken, ausgenommen jede [X.]elenkverbindung, in welcher drehelastische [X.]elenkelemente durch Abwinkelung der benachbarten Kettenglieder auf Torsion beansprucht werden“.

Hilfsantrag 2quater

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Ergänzungen unterstrichen):

elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken, ausgenommen [X.]elenkelemente, die auf Torsion beansprucht werden“.

Hilfsantrag 3

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Einfügung unterstrichen):

und bei jeder bestimmungsgemäßen Biegebeanspruchung elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.]….“

Hilfsantrag 3bis

Der Text des erteilten Anspruchs 1 wird wie folgt ergänzt (Einfügungen unterstrichen):

elastisch deformierbare [X.]elenkelemente (8) gebildet [X.] die durch Abwinkelung der benachbarten Kettenglieder (1) bestimmungsgemäß auf Biegung beansprucht werden und als separate Bauteile ausgeführt sind, und dass die [X.]elenkelemente (8) sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] (3) erstrecken.“

Bezüglich der [X.], die sich an den geänderten Anspruch 1 jeweils anschließen sollen, sowie bezüglich der weiteren [X.] wird auf die [X.]erichtsakte verwiesen. Die in Hilfsantrag 3bis enthaltenen Ansprüche sind auch dem [X.] zu entnehmen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass das Streitpatent die Priorität des [X.]ebrauchsmusters 201 07 003 ([X.]) wirksam in Anspruch nehme. Der [X.]achmann könne dieser Schrift mehrere Ausführungsvarianten der [X.]elenkelemente entnehmen, nicht nur solche, die elastisch deformierbar seien. In der [X.]igurenbeschreibung der [X.], Seite 14, Zeilen 34 bis 37, werde auch ein [X.]elenkelement beschrieben, das „im Wesentlichen keine Rückstellkräfte“ ausübe und hierzu z. B. einen „filmscharnierartigen [X.]elenkbereich“ umfasse. Zu verweisen sei zudem auf Seite 3, Zeilen 3 bis 11 der Prioritätsschrift, wonach die [X.]elenkelemente aus einem Material mit hoher Dauerbiegefestigkeit, Kerbzähigkeit und/oder geeigneter Elastizität bestehen könnten. Demnach sei es für den [X.]achmann erkennbar unwesentlich, ob die [X.]elenkelemente elastisch deformierbar seien oder nicht. Auch der internationale vorläufige Prüfungsbericht zur Anmeldung des Streitpatents (Anlage [X.]) sei davon ausgegangen, dass die elastische Deformierbarkeit lediglich eine bevorzugte Ausführungsform des [X.]egenstands des Anspruchs 1 sei.

Abgesehen davon sei das [X.] als nachveröffentlichtes [X.]ebrauchsmuster kein älteres Recht und könne dem Streitpatent - selbst im [X.]all der Unwirksamkeit der Priorität - nicht entgegenstehen.

Außerdem hält die Beklagte die [X.]egenstände sämtlicher Patentansprüche für neu, erfinderisch und ausführbar.

Sie bestreitet nicht, dass eine [X.] der Baureihe „System [X.]“ auf der [X.] vom 23. bis 28. April 2001 offenkundig vorbenutzt worden sei, jedoch habe vor dem 23. April 2001 keine Schulung des [X.] stattgefunden. Die Aussage des [X.] vor der Beschwerdekammer des [X.], wonach es seit vielen Jahren üblich gewesen sei, am Tag vor Beginn der [X.] die Verkäufer im Hotel zu einer Schulung zu versammeln, sei eher beiläufig gewesen und habe sich nicht auf das Jahr 2001 bezogen. Vor 2004 habe die Beklagte keine Seminarräume für solche Schulungen im Hotel gebucht. Zudem habe es sich bei solchen Schulungen stets um interne Veranstaltungen gehandelt, bei denen ausschließlich Mitarbeiter der [X.] beteiligt gewesen seien. Die Schulungen seien für außenstehende [X.]äste, insbesondere Kunden, nie zugänglich gewesen, da sie u. a. marketingtechnische [X.]esichtspunkte zum Umgang mit Messebesuchern zum [X.]egenstand gehabt hätten.

Davon abgesehen hätte nach Meinung der [X.] ein [X.]achkundiger ohne Demonstration eines Produktmusters, allein durch mündliche oder bildliche Wiedergabe (etwa in [X.]estalt eines auf der Messe verteilten Prospekts gemäß Anlage [X.] der [X.]), keine zuverlässige und ausreichende Kenntnis vom Erfindungsgegenstand erlangen können. Entscheidend sei es auch in dem Verfahren T 697/10 vor der Beschwerdekammer des [X.] darauf angekommen, ob Messebesucher Produktmuster zum System [X.] näher untersuchen konnten. Solche Produktmuster von Neuentwicklungen seien aber nur in geringer Stückzahl vorhanden gewesen und Vertriebsmitarbeitern nicht im Rahmen von vorbereitenden Messe-Schulungen überlassen worden.

Zum Beweis dafür, dass es sich bei den genannten Schulungen um interne Veranstaltungen gehandelt hatte, wird von der [X.] die Vernehmung der Zeugen [X.] und [X.] (Vertriebsmitarbeiter der [X.]) ange- boten.

Der Senat hat den Parteien mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015 einen frühen gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 Pat[X.] zukommen lassen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien mit sämtlichen Anlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der geltend gemachte [X.] mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.], Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ) führt zur Nichtigerklärung des [X.] mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.], soweit dieses über die Fassung gemäß dem Hilfsantrag 3bis der [X.] hinausgeht.

[X.]

1. Die vorliegende Erfindung geht nach der Beschreibung in der [X.]chrift von bekannten [X.]n aus, bei denen zur Herstellung der Gelenkverbindung die benachbarten [X.] seitliche [X.] aufweisen, die mit Gelenkbolzen und korrespondierenden Ausnehmungen versehen sind. Die Gelenkverbindung sei auf halber Höhe der [X.] angeordnet. Eine derartige [X.] sei beispielsweise aus der [X.] Patentschrift EP 0 803 032 [X.] bekannt. Obwohl sich derartige [X.]n prinzipiell sehr bewährt hätten, wiesen sie den Nachteil auf, dass die [X.] aus Gelenkzapfen und korrespondierender Aufnahme auf Grund von [X.] einem Verschleiß unterlägen. Dieser Verschleiß führe zu einem gewissen Reparatur- bzw. Wartungsbedarf an der [X.] und sei des Weiteren bei bestimmten Anwendungsgebieten wie beispielsweise im Bereich der Lebensmittelherstellung oder der Produktion von Einrichtungen unter Reinraumbedingungen wie beispielsweise von [X.] unerwünscht (Absatz 2 der [X.]chrift).

Des Weiteren seien beispielsweise aus der [X.] Offenlegungsschrift EP 0 789 167 [X.] (= Anlage [X.]) Leitungsführungseinrichtungen bekannt, bei welchen die einzelnen, gegeneinander verschwenkbaren Kettenglieder durch ein langgestrecktes flexibles Band miteinander gelenkig verbunden seien, so dass die Verfahrung der Leitungsführungseinrichtung praktisch abrieblos erfolge. Da das langgestreckte Band an den die [X.] eines Kettengliedes verbindenden [X.]en befestigt sei, seien die [X.] der Kettenglieder im Bereich der unteren Enden der [X.] angeordnet. Damit sei die neutrale Faser der Leitungsführungseinrichtung, die bei der Umlenkung der Leitungsführungseinrichtung im Gegensatz zu den in der Höhe von den [X.] beabstandeten Bereichen keine Längenänderung erfahre, ebenfalls am unteren Ende der [X.] angeordnet. Dies sei jedoch für verschiedene Anwendungsfälle nachteilig (Absätze 3 und 4 der [X.]chrift).

Das US-Patent 5,980,409 (= Anlage [X.]) beschreibe eine [X.], bei welcher die Kettenglieder durch korrespondierende, sich senkrecht zur Kettenlängsrichtung erstreckende Zapfen und Gelenkausnehmungen verbunden seien (Absatz 5 der [X.]chrift).

Der Erfindung liege somit die Aufgabe zugrunde, eine [X.] mit zwischen den [X.] der [X.] angeordneten [X.] zu schaffen, die verschleißarm und abrieblos verfahrbar sowie einfach und kostengünstig herstellbar sei (Absatz 6 der [X.]chrift).

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 ein Erzeugnis vor, dessen Merkmale gemäß einem Vorschlag der Klägerin wie folgt gegliedert werden können:

1. [X.] zur Führung von Schläuchen, Kabeln oder dergleichen

1.1 Die [X.] umfasst eine Anzahl von Kettengliedern.

1.2 Benachbarte Kettenglieder sind jeweils gelenkig miteinander verbunden.

1.3 Die Kettenglieder weisen gegenüberliegende [X.] auf.

1.3.1 Die [X.] haben innere und äußere Seitenflächen und dazu senkrechte und zur Längsrichtung der Kette im Wesentlichen parallele [X.].

1.4 Mindestens einige der Kettenglieder weisen mindestens einen [X.] auf.

1.4.1 [X.] verbindet die [X.].

1.5 Die Gelenkverbindung benachbarter Kettenglieder ist zwischen den [X.] der [X.] angeordnet.

1.6 Die [X.] ist unter Bildung eines [X.]s, eines Umlenkbereichs und eines [X.]s verfahrbar.

1.7 Die Gelenkverbindung wird durch [X.] gebildet.

1.7.1 Die [X.] sind in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder deformierbar.

1.7.2 Die [X.] sind als separate Bauteile ausgeführt.

1.7.3 Die [X.] erstrecken sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.].

3. Zuständiger [X.], auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des [X.] und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von [X.]n für verschiedene Anwendungsgebiete.

4. Dieser Fachmann geht bei der Auslegung der Merkmale des Anspruchs 1 von folgendem Verständnis aus:

a) Merkmal 1.2 verlangt, dass jedes Kettenglied mit den beiden ihm benachbarten Gliedern (bzw. – wenn es sich um ein Endglied handelt – mit dem einen benachbarten Glied) verbunden ist. Da die einzelnen Kettenglieder gegenüberliegende [X.] aufweisen (Merkmal 1.3), müssen daher vier [X.] pro Kettenglied (bzw. zwei Verbindungen bei Endgliedern) vorhanden sein. Die Verbindung muss gelenkig sein, d. h. sie muss eine eindeutig definierte Beweglichkeit mit vorgegebenen Freiheitsgraden aufweisen. Dagegen ist es – entgegen der von der Klägerin vertretenen Meinung – nicht erforderlich, dass das Gelenk eine bestimmte Schwenkachse aufweist. Z. B. kann es als Blattfeder ausgestaltet sein ([X.]chrift Spalte 12, Zeile 33) und somit eine Verbindung mit einem Bewegungsablauf herstellen, der nicht durch eine Schwenkachse definiert ist, sondern sich aus der Biegelinie der Blattfeder ergibt.

b) Merkmal 1.3.1 definiert die „[X.]“ der [X.] einschränkend als diejenigen Flächen, die sich senkrecht zu den inneren und äußeren Seitenflächen und im Wesentlichen parallel zur Längsrichtung der Kette befinden. Damit sind nur die sich in Längsrichtung erstreckenden Stirnflächen an der Ober- und Unterseite der [X.] gemeint.

c) [X.] benachbarter Kettenglieder sind gemäß Merkmal 1.5 „zwischen den Schmalseiten“ angeordnet, d. h. weder an oder oberhalb der Oberseite noch an oder unterhalb der Unterseite der [X.], wobei es nicht darauf ankommt, dass die [X.] vollständig innerhalb des von den [X.] überdeckten Bereichs zu liegen kommen.

d) Wenn in Merkmal 1.7 davon die Rede ist, dass die Gelenkverbindung durch [X.] gebildet werde, so ist dem Fachmann klar, dass zur Herstellung einer Verbindung zwischen benachbarten [X.] außer den [X.]n noch weitere Elemente vorhanden sein müssen; z. B. müssen die [X.] so gestaltet sein, dass die [X.] an den [X.] befestigt werden können. Nach Merkmal 1.7 sind für die Gelenkverbindung aber die [X.] entscheidend. Die [X.] müssen für sich genommen geeignet sein, eine Verbindungs- und Gelenkfunktion zwischen den [X.] zu bilden, und alle weiteren Elemente dienen lediglich dazu, dass die [X.] ihre Funktion ausüben können.

e) Das Merkmal 1.7.1, wonach die [X.] in Abwinkelungsrichtung deformierbar sind, bringt zum Ausdruck, dass die [X.] eine Abwinkelung zweier benachbarter [X.] - und damit der ganzen Kette - ermöglichen, wobei die [X.] in Richtung der Abwinkelung verformt, insbesondere gebogen oder verdreht, werden. Ausschlaggebend für dieses Verständnis ist, dass eine Deformation gleichermaßen durch Biegung oder Torsion (d. h. durch Verdrehen) erfolgen kann. Dementsprechend kann die Formulierung „in Abwinkelungsrichtung“ gleichermaßen als Dreh-, Biege- oder Schwenkrichtung verstanden werden.

f) Unter den inneren und äußeren Seitenfläche der [X.], zwischen denen sich die [X.] gemäß Merkmal 1.7.3 zumindest teilweise erstrecken, sind die Seitenflächen des Grundkörpers einer Lasche zu verstehen, in dem die Verbindungselemente befestigt sind. In dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 e des [X.] handelt es sich dabei um den mittleren [X.]bereich, von dem die [X.] stirnseitig abgehen, vgl. [X.]chrift Absatz 50).

I[X.]

Patentanspruch 1 ist in seiner erteilten Fassung nicht bestandsfähig, weil sein Gegenstand gegenüber der [X.] Patentanmeldung 101 16 403 [X.] ([X.]) nicht neu ist. Diese Anmeldung, die am 2. April 2001, d. h. vor dem Prioritätsdatum des [X.], getätigt und am 7. November 2002, d. h. nach dem Anmeldetag des [X.], veröffentlicht worden ist, ist gemäß Art. 139 Abs. 2 EPÜ i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als Stand der Technik zu berücksichtigen, wobei es auf die von den Parteien diskutierte Frage, ob die vom Streitpatent in Anspruch genommene Priorität wirksam ist, nicht ankommt.

[X.] offenbart eine gattungsgemäße, unstrittig die Merkmale 1.1 bis 1.6 aufweisende, [X.], die sich durch die Vermeidung von Abrieb in den [X.] auszeichnet und deshalb insbesondere für die Verwendung in Reinräumen geeignet ist (vgl. z. B. Figur 3 i. V. m. Absatz 7). Die Gelenkverbindung wird hierbei durch die Verbindungselemente 5 gebildet, die als separate Bauteile ausgeführt sind und sich zumindest teilweise zwischen der inneren und äußeren Seitenfläche der [X.] erstrecken (Merkmale 1.7, 1.7.2 und 1.7.3, siehe hierzu die Figuren 3 bis 5). Die [X.] sind laut [X.] als in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder, d. h. in Schwenkrichtung der Kettenglieder, dauerelastische und durch Torsion verformbare Zapfen ausgebildet, die beim [X.] der Kettenglieder verdreht werden, so dass auch das Merkmal 1.7.1 erfüllt wird (vgl. [X.]4.e).

II[X.]

In der Fassung der Hilfsanträge 2´ bis [X.] wird Patentanspruch 1 mit Hilfe unterschiedlicher negativer Merkmale weiter eingeschränkt, um dadurch der Neuheitsschädlichkeit durch [X.] zu entgehen. Es handelt sich dabei jedoch um unzulässige Änderungen, weil die betreffenden Merkmale aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen [X.] 02/086349 [X.]) nicht hervorgehen.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass es einer Praxis des [X.] (vgl. Entscheidungen der [X.] vom 8. April 2004 - Metallartige Beschichtungen, [X.], und synthetische Antigene, [X.]/03, [X.]. 2004, 261) folgend möglich sein müsse, den Gegenstand des [X.] gegenüber einer älteren, nachveröffentlichten Schrift durch Aufnahme eines sog. Disclaimers abzugrenzen. Zwar mag es Fälle geben, in denen eine Abgrenzung zu dem nachveröffentlichten Stand der Technik nur auf diese Weise herbeigeführt werden kann (vgl. Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., 2009, Seiten 673 ff.). Die Einfügung nicht ursprünglich offenbarter Disclaimer steht aber in Widerspruch zum Verbot der Herbeiführung unzulässiger Erweiterungen und ist daher jedenfalls in den Fällen ausgeschlossen, in denen der gleiche Erfolg zweifelsfrei durch eine positive Definition des Erfindungsgegenstandes mit ursprünglich offenbarten Merkmalen erreicht werden kann (vgl. Große Beschwerdekammer, a. a. O., [X.]. 2004, 264, rechte Spalte, zweiter Absatz; [X.]/

Aus diesem Grund müssen die Hilfsanträge 2´ bis [X.] hinter einen nachrangig gestellten Hilfsantrag zurücktreten, sofern dieser den Hauptanspruch 1 durch Aufnahme positiver, ursprünglich offenbarter Merkmale aus der Neuheitsschädlichkeit gegenüber [X.] herausführt. Wie nachfolgend unter Abschnitt V. gezeigt, ist dies bei Hilfsantrag 3bis der Fall, weshalb eine Aufrechterhaltung des [X.] nach Maßgabe der Hilfsanträge 2´ bis [X.] nicht in Betracht kommt.

IV.

Auch in der Fassung des [X.] hat der Patentanspruch 1 des [X.] keinen Bestand. Mit der Formulierung „in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder und bei jeder bestimmungsgemäßen Biegebeanspruchung elastisch deformierbar“ wird nicht zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass die [X.] so ausgestaltet sind, dass sie beim [X.] nur auf Biegung beansprucht werden können. Vielmehr erfüllen auch die dauerelastischen, durch Torsion in Schwenkrichtung der Kettenglieder elastisch verformbaren Zapfen von [X.] den [X.], da sie bei einer Zugbeanspruchung der Kettenglieder in Längsrichtung auch einer gewissen Biegebeanspruchung unterliegen. Deshalb steht diese Entgegenhaltung dem Patentanspruch 1 in dieser Fassung ebenfalls neuheitsschädlich entgegen.

V.

In der Fassung des [X.] hat Patentanspruch 1 dagegen Bestand:

elastisch deformierbar sein sollen, bereits durch den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 gedeckt und ist im Übrigen auch im erteilten Patentanspruch 28 enthalten. Das weitere neu aufgenommene Merkmal, demgemäß „die [X.] bei einer Abwinkelung benachbarter Kettenglieder bestimmungsgemäß auf Biegung beansprucht werden“, lässt sich beispielsweise aus der Textpassage auf Spalte 17, Zeilen 17 bis 22 der [X.] herleiten. Dort wird nämlich gelehrt, dass die [X.] bei einer Abwinkelung benachbarter [X.] eine „Abbiegung“ erfahren (ebenso [X.]chrift Spalte 12, Zeilen 34 bis 39). Dieses Merkmal ergibt sich aber insbesondere auch aus dem Zusammenhang, dass die [X.] anspruchsgemäß in Abwinkelungsrichtung elastisch deformiert werden, wobei gemäß Seite 3, Zeilen 13 bis 18 der [X.] (entsprechend Spalte 2, Zeilen 32 bis 37, der [X.]chrift) die elastischen Eigenschaften des [X.]s so eingestellt werden, dass das Gelenkelement bei jeder bestimmungsgemäßen Biegebeanspruchung, die folglich aus der vorgenannten Abwinkelung resultiert, im elastischen Bereich bleibt. Diese Merkmalskombination ist somit auch im gemeinsamen Kontext zu sehen, demnach die bestimmungsgemäße Biegung nicht in irgendeine Richtung, sondern in Richtung der Abwinkelung der Kettenglieder erfolgt (s. o. [X.]4.e).

2. Mit der Beschränkung des Merkmals 1.7.1 auf [X.], die in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder elastisch deformierbar sind, entspricht Patentanspruch 1 insoweit der Offenbarung des Gebrauchmusters [X.]3 (vgl. dortigen Anspruch 1), wobei auch die weiteren neu aufgenommenen Merkmale der Prioritätsschrift als zur Erfindung gehörend entnehmbar sind (s. o. V.1.). Deshalb kann der Anspruch 1 in der vorliegenden Fassung die Priorität der [X.]3 wirksam in Anspruch nehmen. Dies gilt - entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung - unabhängig davon, ob die vom Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung in Anspruch genommene Priorität wirksam war. Das [X.] wird nämlich nicht dadurch berührt, dass der Gegenstand der Nachanmeldung erst nach Patenterteilung in Folge nachträglicher Beschränkung deckungsgleich mit der prioritätsbegründenden Anmeldung gebracht wird (vgl. [X.] 2008, 597, 598 [17] - Betonstraßenfertiger).

3. Der Gegenstand dieser Anspruchsfassung ist neu.

a) Die Entgegenhaltung [X.] ist diesbezüglich nicht neuheitsschädlich, da deren [X.] 5 bei einer Abwinkelung benachbarten Kettenglieder bestimmungsgemäß auf Torsion und nicht wie nunmehr gefordert auf Biegung beansprucht werden (s. o. II).

b) Die Neuheit des [X.]s ist auch gegenüber dem [X.] Gebrauchsmuster 94 09 082 ([X.]0) gegeben. Dort soll das Spiel in den gelenkartigen Verbindungen zwischen den einzelnen Kettengliedern 21 durch [X.] 61, 63 verhindert werden (vgl. Figur 2 sowie Seite 3, zweiter und dritter Absatz), wobei die Seile die Verbindung zwischen den einzelnen Kettengliedern herstellen. Die Gelenkfunktion wird bei [X.]0 jedoch durch [X.]n 51 umgesetzt (vgl. Figuren 3 bis 7 i. V. m. Beschreibung Seite 13, Zeilen 17 bis 24), die in Aussparungen 49 der [X.] eingeschoben werden und ein Verschwenken ermöglichen. Dabei dienen diese (starren) Scheiben 51 beschreibungsgemäß der Festlegung einer definierten Verschwenkungsachse und sind nicht wie beim Streitgegenstand in Abwinkelungsrichtung elastisch deformierbar ausgebildet, so dass Merkmal 1.7.1 nicht gegeben ist, d. h. die [X.] entspricht nicht dem streitpatentgemäßen Gelenkelement. Dies gilt ebenso für die [X.] 61 und 63, da diese auf Grund der fehlenden Gelenkfunktion ebenfalls keine streitpatentgemäße Gelenkverbindung bilden, sondern nur dem Verbinden bzw. Verspannen der Kettenglieder zueinander dienen (siehe auch Anspruch 1, Zeilen 19 bis 25 und 34 ff.). Somit erfüllt keines der beiden vorgenannten Elemente für sich genommen die geforderten Funktionen eines patentgemäßen Gelenkelements (siehe [X.]4.d).

c) Die [X.] Patentanmeldung 1 351 362 [X.] ([X.]), die von der Klägerin ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Neuheitsschädlichkeit angeführt wurde, nimmt eine Priorität vom 2. April 2002 in Anspruch und gehört mit diesem Zeitrang nicht zum berücksichtigungsfähigen Stand der Technik.

d) Auch die [X.] Patentschrift 0 708 270 [X.] ([X.]) ist nicht neuheitsschädlich. Diese Schrift betrifft eine Schlauchkette, die insbesondere im Hinblick auf ein mehrlagiges Aufwickeln auf eine Trommel 32 ausgestaltet (vgl. Figuren 1 und 10 i. V. m. Spalte 2, Zeilen 10 bis 15) und dabei auch in zwei Richtungen verschwenkbar ist (siehe Figur 2 i. V. m. Spalte 2, Zeile 54, bis Spalte 3, Zeile 6). Auf Grund dieser Ausrichtung in Verbindung mit der zuletzt genannten Ausgestaltung kommt eine derartige Schlauchkette nicht für eine Anordnung unter Bildung eines [X.]s, Umlenkbereiches und [X.]s (Merkmal 1.6) in Betracht, da auf Grund der fehlenden Abstützung bzw. der beidseitigen Verschwenkbarkeit das [X.] durchhängen bzw. bei einem Verfahrvorgang auf dem [X.] schleifen würde. Die Eignung zur Bildung eines [X.]s ist von der [X.] zudem unter Hinweis auf die hierfür erforderliche Spannfunktion der Seile zu Recht in Frage gestellt worden; diese Eigenschaft, die für die Anwendungsfälle von [X.] nicht erforderlich ist, geht weder unmittelbar noch implizit aus dieser hervor und kann daher nicht als offenbart angesehen werden.

e) Auch durch die von der Klägerin angeführten offenkundigen Vorbenutzungen wird der [X.] nicht neuheitsschädlich vorweg genommen.

Die zwischen den Parteien unstreitige Vorbenutzung durch Präsentation der [X.] „[X.]“ am 23. April 2001 auf der [X.] hat unberücksichtigt zu bleiben, weil sie sich nicht vor dem [X.] des [X.] ereignet hat.

Die von der Klägerin weiterhin behauptete und von der [X.] bestrittene [X.] am 22. April 001, dem Tag vor Beginn der Messe, führte - selbst wenn man die von der Klägerin hierzu vorgetragenen Tatsachenbehauptungen als wahr unterstellt - nicht zur Veröffentlichung der Lehre des [X.], weshalb auch diesbezüglich nicht von einer offenkundigen Vorbenutzung ausgegangen werden kann. Auf die Vernehmung der von der Klägerin hierzu angebotenen Zeugen konnte daher verzichtet werden.

Eine offenkundige Vorbenutzung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass nach der Lebenserfahrung die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet wird, dass beliebige Dritte und damit auch Sachverständige eine zuverlässige, ausreichende Kenntnis von der neuheitsschädlichen Tatsache erhalten (vgl. [X.] 1996, 747, 752 - [X.]; [X.]/

Auch wenn der Zweck solcher Schulungen darin besteht, die empfangenen Informationen an interessierte Dritte weiter zu geben, so kann daraus nicht gefolgert werden, dass vorliegend eine solche Weitergabe bereits vor Beginn der Messe stattgefunden hat. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass ein bestimmter fachkundiger Dritter schon vor Messebeginn über Einzelheiten der [X.] „[X.]“ unterrichtet worden und dadurch in den Besitz der Lehre des [X.] gelangt sei. Sie hat lediglich darauf abgestellt, dass das Verkaufspersonal nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch vor Messebeginn nicht zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen sei, weshalb die nicht fernliegende Möglichkeit bestanden habe, dass interessierte Dritte bereits am Tag der [X.] Kenntnis von der Erfindung erhielten.

Mit dieser Schlussfolgerung kann das Vorliegen einer offenkundigen Vorbenutzung jedoch nicht begründet werden. Zum einen kann nicht von einer Lebenserfahrung ausgegangen werden, wonach es Messeverkäufern gestattet ist, technische Einzelheiten eines neuen Produkts schon vor Messebeginn beliebigen [X.] zu offenbaren. Dies gilt umso mehr, wenn es sich - wie vorliegend - um eine Neuentwicklung handelt, die Gegenstand eines am Tag der Messeeröffnung beim Patentamt angemeldeten Schutzrechtes ist. Zudem ist es für die Annahme einer offenkundigen Vorbenutzung nicht ausreichend, dass ein Erfindungsbesitzer bereit gewesen ist, den Gegenstand der Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es bedarf vielmehr der Feststellung, dass eine solche Kundgabe an die Öffentlichkeit tatsächlich erfolgt ist (vgl. [X.] 2015, 463, 466 - [X.]). Eine solche Feststellung kann hier, bezogen auf den [X.], nicht getroffen werden, weshalb die behauptete offenkundige Vorbenutzung der hier zu treffenden Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden kann.

4. Der [X.] gemäß Hilfsantrag 3bis beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Unter dem Aspekt, eine [X.] zu schaffen, bei der kein Abrieb in den [X.] zwischen den Kettengliedern entsteht und die deshalb für die Verwendung in der Lebensmittelindustrie und in Reinräumen geeignet ist, stellt die [X.] Patentanmeldung EP 0 789 167 [X.] ([X.]) den nächstliegenden Stand der Technik dar (vgl. Spalte 1, Zeilen 36 bis 42, 55 ff.). Die Gelenkverbindung der gattungsgemäßen Kette wird hierbei als separates Bauteil 5, 65 bzw. 105 ausgeführt, das in Abwinkelungsrichtung der Kettenglieder deformierbar ist (vgl. Figuren 1, 6, 10 ff., Spalte 2, Zeilen 12 bis 35, sowie Spalte 6, Zeilen 18 bis 20) Dieses Gelenkelement unterscheidet sich vom patentgemäßen durch die Anordnung an den unteren [X.]en 7, 71, 115, d. h. nicht entsprechend Merkmal 1.7.3 im Querschnitt der [X.], z. [X.] bzw. 113. Durch die großflächige Auflage auf den [X.]en ergeben sich für den Fachmann bei [X.] gute Befestigungsmöglichkeiten des Gelenkelements am Kettenglied, und durch die große Breite ist auch ein ausreichender Querschnitt für die Zugkraftübertragung vorhanden (vgl. Spalte 6, Zeilen 18 bis 25).

Für eine Verlagerung der aus [X.] bekannten Anbringung in den schmalen [X.]querschnitt besteht weder aus fachmännischer Sicht Veranlassung noch ergeben sich hierfür aus dem Stand der Technik Anregungen. Vielmehr zeigen die Schriften [X.] 44 24 624 C1 ([X.]), [X.] 39 24 468 [X.] ([X.]) oder EP 0 041 164 [X.] ([X.]) [X.], die sich ebenfalls über die komplette zur Verfügung stehende Breite bzw. über den Leistenbereich in der Art eines Bandscharniers erstrecken. Und auch [X.] 093 963 [X.] ([X.]) beschreibt lediglich ein elastisches, auf Biegung beanspruchtes Scharnierelement, das insbesondere bei verschwenkbaren Rampenteilen Verwendung finden kann (siehe Absatz 1). Hinweise auf die vorteilhafte Eignung eines solchen Scharniers für den Einsatz in [X.]n, etwa im Hinblick auf eine Reinraumeignung infolge abriebfreier Verschwenkbarkeit oder auf eine geräuscharme Verfahrbarkeit infolge elastischer Rückstellkräfte fehlen bei dieser oder den zuvor genannten Schriften.

Die Patentanmeldung [X.] 249 742 [X.] ([X.]) kann auf Grund des dünnen Blechquerschnitts (vgl. Figur 1) ebenfalls keine Anregung liefern, ein Gelenkelement im dünnen Bereich zwischen den beiden Seitenwänden gemäß Merkmal 1.7.3 vorzusehen.

Das Gebrauchsmuster 94 09 082 ([X.]0) zeigt zwar eine Anordnung mit einer gelenkbildenden, abriebbehafteten [X.] 51 innerhalb der Lasche (s. o. [X.]), aber auch sie gibt keine Anregung, das flexible Gelenkelement von [X.] vom [X.] in den [X.]bereich zu verlagern.

Auch der weitere Stand der Technik liefert ausgehend von [X.] keine Hinweise dahingehend, deformierbare [X.] im [X.]querschnitt vorzusehen.

b) Ebenso führen Überlegungen ausgehend von den [X.] oder [X.] nicht zum [X.].

So zeigt das US-Patent 5,980,409 ([X.]) in den Figuren 1A und 1B eine [X.] mit einer konventionellen Gelenkverbindung mittels Gelenkzapfen 3, die in entsprechende Aussparungen 5 der benachbarten Lasche eingesteckt werden. Bei der Suche nach einer Gelenkverbindung mit Reinraumeignung mag der Fachmann zwar auf die in seinem Gebiet liegende Schrift [X.] stoßen und dieser die Lehre entnehmen, eine reibungsfreie Gelenkverbindung im Bereich der unteren [X.]e vorzusehen; dies führt jedoch nicht zu der anspruchsgemäßen Lösung. Eine anderweitige Veranlassung dahingehend, den Gelenkzapfen durch ein ebenfalls in der Lasche angeordnetes, deformierbares Gelenkelement zu ersetzen, um ein [X.] Gelenk mit Reinraumeignung zu schaffen, ergibt sich auch aus dem Stand der Technik nach [X.], [X.], [X.] oder [X.] nicht; in diesen Schriften fehlt jeglicher Hinweis auf eine derartige Problemstellung, wobei auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Punkt a) verwiesen werden kann.

Gleiches gilt auch ausgehend von der Kette nach [X.] 35 22 885 [X.] ([X.]), bei der hinsichtlich der Ausführung der die [X.]paare verbindenden [X.] lediglich von einer „schwenkgelenkigen“ Verbindung gesprochen wird (siehe Spalte 3, Zeilen 18 bis 20). Bei den in den Figuren 3 bis 7 gezeigten [X.]n 11 handelt es sich um [X.] zur Arretierung der [X.]e 5 in den [X.] 2,2‘ bzw. 3,3‘, die im Hinblick auf die patentgemäßen [X.] keine Relevanz haben.

c) Schließlich gelangt der Fachmann auch nicht ausgehend von den [X.]7, [X.] oder [X.]9 in naheliegender Weise zum [X.].

Bei der [X.] nach [X.] 26 09 451 [X.] ([X.]7) sind zur Verhinderung der Durchbiegung an der Unterseite der Kettenglieder 4 Kabel 3 vorgesehen, die auch der Zugentlastung und damit der Entlastung der [X.] 9 dienen (siehe Figur 1 i. V. m. Seite 4, zweiter Absatz). Alternativ zum Kabel 3 werden auf Seite 6, Zeilen 4 bis 8, [X.] 11 beschrieben, die im Bereich der [X.] 9 an der Unterseite der [X.] 1 angeordnet sind. Auf Grund von deren Funktion, eine Durchbiegung zu verhindern, wird der Fachmann von einer Verlagerung dieser [X.] 11 in Richtung der [X.] bzw. Schwenkachse abgehalten, da mit abnehmendem Abstand zum Gelenkpunkt 9 die Belastung der [X.] 11 immer größer wird; hier wird der Fachmann eher anstreben, einen größtmöglichen Abstand vorzusehen. Somit kann auch hieraus keine Anregung entnommen werden, die [X.] 11 möglichst nahe an oder gar anstelle von den Anlenkelementen 9 vorzusehen.

Die bereits im Neuheitsvergleich behandelte [X.] wird der Fachmann auf Grund ihrer gänzlich anderen Ausrichtung, nämlich eine robuste Schlauchkette zu entwickeln, die hohen Belastungen in rauher Umgebung standhält und ein mehrlagiges Aufwickeln auf eine vertikale Trommel ermöglicht (siehe Spalte 2, zweiter Absatz), im Zusammenhang mit der streitpatentgemäßen Aufgabenstellung (Reinraumeignung und/oder geräuscharmer Betrieb der [X.]) nicht in Betracht ziehen.

on the sides of the plates“).

V[X.]

Die mit Hilfsantrag 3bis verteidigten [X.] 2 bis 29 werden von der Bestandskraft des verteidigten Patentanspruchs 1, auf den sie rückbezogen sind, mitgetragen und sind daher ebenfalls rechtsbeständig.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die von der Klägerin gegen die Ansprüche 10 und 11 unter dem Gesichtspunkt mangelnder Ausführbarkeit gerichteten Angriffe. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht ist der Fachmann in der Lage, die dort enthaltenen Lehren nachzuarbeiten.

So beschreibt Anspruch 10 den Aufbau der Lasche entsprechend Figur 2a, bei dem durch den Steg 24a die beiden (d. h. die obere und die untere) [X.]hälften verbunden sind. Nach Anspruch 11 soll eine Drehbewegung der [X.] quer zu den [X.] durch zusammenwirkende [X.]el verhindert werden. Laut [X.], Zeilen 55 ff. der Patentschrift kann dies durch Formschlussmittel erfolgen, wozu sich die [X.] 15 über die gesamte Breite der [X.] und der Lasche erstreckt, so dass ein Verdrehen quer zu den [X.] behindert wird (siehe Figur 2d).

Somit ist das Streitpatent in dem Umfang, wie es mit dem Hilfsantrag 3bis der Klägerin verteidigt wird, rechtsbeständig. Auf die weiteren Hilfsanträge braucht daher nicht eingegangen zu werden.

VI[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

(Der Berichtigungsbeschluß vom 20. August 2015 wurde von juris in den oben stehenden Text eingearbeitet)

Meta

7 Ni 41/14 (EP)

07.05.2015

Bundespatentgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 07.05.2015, Az. 7 Ni 41/14 (EP) (REWIS RS 2015, 11433)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11433

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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