Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2016, Az. X R 26/14

10. Senat | REWIS RS 2016, 10708

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Gegenstand

Masseschuld bei Beteiligung an Personengesellschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Leitsatz

1. Die Zuordnung der aus Gewinnanteilen an einer Mitunternehmerschaft resultierenden Einkommensteuerschuld zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien (Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit, insolvenzfreies Vermögen) betrifft die Einkommensteuerfestsetzung; hierüber ist deshalb nicht im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (Anschluss an BFH-Urteil vom 16. Juli 2015 III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251).

2. Das Feststellungsverfahren und nachfolgend das Einkommensteuerfestsetzungsverfahren werden nicht analog § 240 ZPO unterbrochen, sofern es sich bei der Einkommensteuer auf den Gewinnanteil nicht um eine Insolvenzforderung handelt.

3. Die Einkommensteuerschulden, die aus der Verwaltung eines zur Masse gehörenden Gesellschaftsanteils entstehen, der entweder nach der Insolvenzeröffnung fortgeführt oder durch den Insolvenzverwalter neu begründet und nicht vom Insolvenzverwalter freigegeben worden ist, stellen Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO) dar.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 28. November 2013  1 K 159/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30. März 2007 Insolvenzverwalter über das Vermögen des [X.]. Zusammen mit seiner Ehefrau ist [X.] in den [X.]treitjahren 2008 und 2009 zur Einkommensteuer veranlagt worden.

2

[X.] war als [X.]er an der [X.] beteiligt. Die [X.] bestand aus 70 [X.]ern, deren Gewinnanteile nach Maßgabe der vom jeweiligen [X.]er erwirtschafteten Umsätze nach Abzug eines hierdurch verursachten Kostenanteils ermittelt wurden.

3

Ab Mai 2007 überwies die [X.] dem Kläger auf dessen Veranlassung monatlich den als pfändbar berechneten Betrag in Höhe von 755,45 €.

4

Im Bericht zur ersten Gläubigerversammlung am 15. Juni 2007 teilte der Kläger mit, [X.] halte seine Tätigkeit bei der GbR aufrecht. Ob die Mitgesellschafter sein nach dem [X.]svertrag vorgesehenes Ausscheiden verlangt hätten, sei nicht bekannt.

5

[X.] informierte den Kläger im Juni 2008 darüber, dass er seit dem 1. des Monats als angestellter Geschäftsführer der [X.]. mit einem nichtpfändbaren Nettoeinkommen tätig sei. Daraufhin stellte die [X.] ab Juni 2008 ihre Zahlungen an den Kläger ein.

6

Es war geplant, dass die [X.]., deren alleinige [X.]erin die Ehefrau des [X.] war, Beteiligte der [X.] werden und den auf die bisherige Tätigkeit des [X.] entfallenden Gewinnanteil vereinnahmen sollte. Zu einer Beteiligung der [X.]. an der [X.] ist es in der Folgezeit jedoch nicht gekommen. [X.] setzte seine bisherige Tätigkeit für die bzw. in der [X.] fort.

7

Im Oktober 2008 teilte der Kläger der [X.] auf Nachfrage mit, diese habe aufgrund des Ausscheidens des "Arbeitnehmers" [X.] keine weiteren Beträge an ihn zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger der tatsächliche [X.]achverhalt nicht bekannt.

8

Das zuständige [X.] stellte für das [X.]treitjahr 2008 einen Gewinnanteil des [X.] aus seiner Beteiligung an der [X.] in Höhe von 77.443,28 € und für das [X.]treitjahr 2009 in Höhe von 57.772,63 € fest. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte durch Einkommensteuerbescheide für die [X.]treitjahre die sich hieraus ergebende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger fest, da es davon ausging und auch weiterhin ausgeht, es handele sich insoweit um Masseverbindlichkeiten.

9

Während des [X.] wandte sich der Kläger an die [X.] und bat um Auskunft über die Höhe der Einkünfte des [X.]. Diese zahlte in der Folge für die Monate Juni 2008 bis Januar 2009 jeweils den Betrag von 755,45 € und aufgrund von [X.] einen weiteren Betrag von 783,77 € nach.

Den Einspruch wies das [X.] zurück, da aus seiner [X.]icht Masseverbindlichkeiten vorlägen. [X.] sei in den [X.]treitjahren selbständig i.[X.]. des § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung ([X.]) tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe der Kläger nicht ausdrücklich freigegeben. Vielmehr habe er in seinem Bericht vom 15. Juni 2007 erklärt, die Beteiligung des [X.] an der GbR gehöre zur Masse. [X.]omit sei auch die auf den Gewinnanteil aus dieser Beteiligung entfallende Einkommensteuer Masseverbindlichkeit.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1407).

Der Kläger macht mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Die [X.] sei mit der Insolvenzeröffnung nach § 728 Abs. 2 [X.]atz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) aufgelöst worden und [X.] als [X.]er zu diesem Zeitpunkt aus der [X.] ausgeschieden. Das [X.]teuerrecht habe insoweit das [X.]srecht zu beachten. Die [X.] hätte deshalb das Kapital und die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners abrechnen und einen Abfindungsbetrag an den Kläger auskehren müssen. Dies sei nicht geschehen. [X.] sei faktisch in der [X.] verblieben und habe die von ihm der GbR geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht. Der [X.]teuerberater des [X.] habe dessen Einkommen abgerechnet und aufgeteilt, ohne jedoch dem Kläger mitzuteilen, dass [X.] keine [X.]teuern zahle.

Aufgrund der beschriebenen [X.]ituation habe [X.] allein seine Arbeitskraft der [X.] zur Verfügung gestellt. [X.]oweit pfändbarer Arbeitslohn als Neuerwerb zur Masse gelangt sei, handele es sich bei den darauf entfallenden Einkommensteuern nicht um eine Masseverbindlichkeit, da in dessen Vereinnahmung keine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu sehen sei und andere Tatbestände des § 55 [X.] nicht erfüllt seien.

Das Instrument der Freigabe nach § 35 Abs. 2 [X.] habe es mangels Geltung dieser Vorschrift (noch) nicht gegeben. Es stehe fest, dass [X.] die [X.]teuern, die aus seiner Tätigkeit neu entstanden seien, zu bezahlen habe. Die höchstpersönliche Arbeitskraft eines Insolvenzschuldners falle nicht in die von dem Insolvenzverwalter zu verwaltende Insolvenzmasse. Dies habe der [X.] ([X.]) in seinen Urteilen vom 24. Februar 2011 VI R 21/10 ([X.]E 232, 318, B[X.]tBl II 2011, 520) und vom 18. [X.]eptember 2012 VIII R 47/09 ([X.]/NV 2013, 411) zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit bereits entschieden.

Unabhängig hiervon sei zu beachten, dass [X.] am 1. Juni 2008 aus der [X.] ausgetreten und für die [X.]. tätig geworden sei.

Der Kläger beantragt,
das [X.] und die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2012 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Insolvenzschuldner habe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus nicht freigegebenem Vermögen bezogen. Unerheblich sei seine Tätigkeit für die [X.]., da diese nur auf dem Papier existiert habe.

Der Kläger habe von der Tätigkeit des Insolvenzschuldners gewusst und diese gebilligt. Auf seine Anforderung hin seien Erträge zur Masse gelangt. Eine ausdrückliche Freigabe der Vermögenswerte aus der Masse habe der Kläger nicht erklärt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.] musste das Verfahren weder nach § 74 [X.]O aussetzen (unter a) noch hat die Insolvenzeröffnung zu einer partiellen Unterbrechung des Feststellungsverfahrens geführt, die Einfluss auf das Klageverfahren haben könnte (unter b).

a) Zwar muss ein Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig ausgesetzt werden, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem gesonderten Grundlagenbescheid --unabhängig davon, ob er bereits ergangen [X.] zu entscheiden ist. Voraussetzung ist jedoch eine Vorgreiflichkeit, die fehlt, wenn die Vorfrage im anhängigen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Dies ist der Fall, wenn die Einwendungen nicht das [X.], sondern die insolvenzrechtliche Zuordnung der Einkommensteuern betreffen (weiterführend: [X.]-Urteil vom 16. Juli 2015 III R 32/13, [X.], 102, [X.], 251, unter [X.], m.w.[X.]).

Über die Frage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Einkommensteuerforderungen aus Gewinnanteilen an der [X.] als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren oder dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, ist nicht im einheitlichen und gesonderten [X.], sondern im [X.] zu entscheiden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 102, [X.], 251, unter [X.]b, m.w.[X.]).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass das Feststellungsverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sein sollte. [X.]olche Fehler wären im Feststellungsverfahren geltend zu machen und dort zu prüfen.

b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte nicht zu einer (partiellen) Unterbrechung des Feststellungsverfahrens. Dies wäre nur insoweit der Fall, als Insolvenzforderungen (§ 38 [X.]) betroffen sind (ebenso [X.]-Urteil vom 24. August 2004 VIII R 14/02, [X.], 10, [X.], 246; auch [X.], [X.], 2. Aufl., Rz 3207). Vorliegend sind jedoch keine Insolvenzforderungen im [X.]treit, da der [X.] nicht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2007 verwirklicht wurde (vgl. zur Abgrenzung insoweit und zur Verwirklichung des [X.] z.B. [X.]enatsurteil vom 9. Dezember 2014 [X.], [X.], 988, unter [X.]), so dass das Feststellungsverfahren fortgesetzt werden kann (vgl. [X.], Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., [X.]. 303). Folglich kann (und muss) ein Feststellungsbescheid erlassen werden, eine Unterbrechung analog § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) tritt nicht ein. [X.]chließlich ist es notwendig, auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter für Masseverbindlichkeiten bzw. gegenüber dem [X.]chuldner für insolvenzfreies Vermögen [X.]teuerbescheide erlassen und die insolvenzrechtliche Qualifikation vornehmen zu können (so wohl auch [X.]/Uhländer/[X.]chmittmann, Insolvenzen und [X.]teuern, 11. Aufl., Rz 536).

2. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass die auf den festgestellten Gewinnen beruhenden Einkommensteuerschulden der [X.]treitjahre als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 [X.] zu qualifizieren sind (unter a und b). Unerheblich ist, dass der Kläger die dem Insolvenzschuldner zugerechneten Gewinnanteile nicht vollständig zur Masse ziehen konnte (unter c). Die aus der Beteiligung resultierenden Einkommensteuern sind auch zutreffend durch [X.]teuerbescheid gegenüber dem Kläger und der Ehefrau des Insolvenzschuldners festgesetzt worden (unter d). Ohne Relevanz im Rahmen der vorliegenden Einkommensteuerfestsetzung ist die gegebene Masseunzulänglichkeit (unter e).

a) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete [X.], die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 [X.] zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch [X.]teuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. [X.]onstige nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete [X.] sind insolvenzfrei und gegen den [X.]chuldner festzusetzen (vgl. nur [X.]-Urteil in [X.], 102, [X.], 251, unter II.2., m.w.[X.]).

Entscheidend für die [X.] als Masseverbindlichkeiten ist hier mangels Vorliegen der anderen Alternativen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

b) Im [X.]treitfall erfüllen die Einkommensteuerschulden des [X.] für die [X.]treitjahre die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 [X.]. [X.]ie resultieren aus der Verwaltung eines zur Masse gehörenden Anteils an einer [X.], die entweder nach der Insolvenz von [X.] fortgeführt oder neu begründet worden ist. [X.]omit liegen Masseverbindlichkeiten vor, die gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter geltend zu machen sind.

aa) Vorliegend steht aufgrund der wirksamen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das hier zu beurteilende Folgeverfahren der Einkommensteuerfestsetzung nach § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) bindend fest, dass diese Einkommensteuern aus Einkünften des [X.] als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) herrühren und nicht etwa aus anderen selbständigen (gewerblichen) oder nichtselbständigen Tätigkeiten.

bb) Die Einkommensteuerschuld, die aus einer fortgeführten oder neu begründeten Beteiligung an einer [X.] resultiert, ist eine Masseverbindlichkeit.

Im [X.]treitfall gehört der [X.]santeil an der [X.] zur Insolvenzmasse gemäß § 35 [X.]. Dies gilt sowohl für den Fall, dass dieser mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zur Masse gehörte, als auch dann, wenn er erst danach neu begründet worden sein sollte.

[X.]ollten die Einkommensteuern aus einem von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an zur Masse gehörenden [X.]santeil an einer GbR resultieren, aus welcher der Insolvenzschuldner nicht ausgeschieden ist, liegen nach dem [X.]enatsurteil vom 18. Mai 2010 [X.] ([X.], 62, B[X.]tBl II 2011, 429, unter II.3.) Masseverbindlichkeiten vor. Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzschuldner zivilrechtlich aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingend von Gesetzes wegen aus der [X.] ausscheidet, sie jedoch von ihm und den bisherigen [X.]ern fortgesetzt wird. In diesem Falle wäre steuerrechtlich dennoch von einer [X.]sbeteiligung des Insolvenzschuldners an der (ggf. neuen) GbR auszugehen.

(1) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines [X.]ers wird eine GbR gemäß § 728 Abs. 2 [X.]atz 1 BGB aufgelöst. Eine Fortsetzung unter den übrigen [X.]ern ist möglich, wenn eine entsprechende Vereinbarung im [X.]svertrag getroffen worden ist (§ 736 Abs. 1 BGB). Der insolvente [X.]er scheidet gemäß § 736 Abs. 1 BGB aus der GbR aus. Er erhält nach § 738 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB einen Abfindungsanspruch, der der Masse zusteht (vgl. [X.] in [X.], § 728 Rz 31, 44, m.w.[X.]). Es kann dahinstehen, ob die Fortführung der (bisherigen) GbR mit dem Insolvenzschuldner zivilrechtlich möglich ist (ablehnend [X.]/[X.]prau, [X.], 75. Aufl., § 728 BGB Rz 2; [X.] in [X.], 7. Aufl., § 728 BGB Rz 6; [X.]/[X.] in: [X.]oergel, § 728 Rz 17; a.A. wohl [X.] in [X.], § 728 Rz 44). Allerdings sollen die Mitgesellschafter nicht gehindert sein, den insolventen [X.]er unbeschadet des der Insolvenzmasse zustehenden Abfindungsanspruchs als neues Mitglied aufzunehmen – ohne Verfügungsbeschränkung nach § 80 [X.] (so jedenfalls [X.] in [X.], § 728 Rz 44, m.w.[X.]). Da bereits die Gründung einer GbR konkludent und formfrei möglich ist (vgl. statt aller [X.]/[X.]prau, a.a.[X.], § 705 Rz 11 f.), dürfte dasselbe für die Aufnahme eines [X.]ers in eine bestehende GbR gelten.

(2) Im [X.]treitfall ist jedoch nicht die zivilrechtliche, sondern die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend. Denn selbst wenn eine Fortführung der Tätigkeit mit dem insolventen [X.]er in einer (neuen) GbR zivilrechtlich nicht möglich sein sollte, müssen die sich aus §§ 40, 41 Abs. 1 [X.] ergebenden Wertungen in den Blick genommen werden. Diese Vorschriften sind Ausdruck der vom Gesetzgeber bewusst getroffenen und in der [X.] vor [X.] gezogenen Grundsatzentscheidung, die Besteuerung insgesamt wertneutral bzw. vordergründig an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet durchzuführen (vgl. auch [X.]enatsurteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, [X.], 486, [X.], 391, unter [X.]b, m.w.[X.]).

Vorliegend bedeutet dies, dass unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtslage bei einem Ausscheiden des [X.] aus der [X.] steuerrechtlich von einer --wirtschaftlich-- neu begründeten Beteiligung des [X.] an einer GbR mit den bisherigen [X.]ern ausgegangen werden kann. Dies ist Folge der faktischen Fortführung der GbR durch ihre bisherigen [X.]er, einschließlich des [X.], und zeigt sich vor allem auch im Vorliegen entsprechender Gewinnfeststellungsbescheide.

(3) Der (neue) [X.]santeil an der (neuen) GbR ist steuerrechtlich Teil der Insolvenzmasse (unter (a)) und führt aufgrund einer Verwaltungsmaßnahme des [X.] zu Masseverbindlichkeiten (unter (b)).

(a) Nach § 35 Abs. 1 [X.] erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Dies führt vorliegend dazu, dass sowohl der bisherige [X.]santeil an der GbR zur Insolvenzmasse gehören würde, wie auch ein [X.]santeil an einer neuen GbR nicht insolvenzfrei erworben werden könnte. Auch im letzteren Fall wäre dieser Neuerwerb massezugehörig und grundsätzlich von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters erfasst (§ 80 Abs. 1 [X.]; ebenso bereits [X.]-Urteil in [X.], 102, [X.], 251, unter II.4.b).

(b) Zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten gehören nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wurden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Danach kann eine Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit durch eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters ([X.]-Urteil in [X.], 318, B[X.]tBl II 2011, 520) oder kraft Gesetzes entstehen ([X.]-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, [X.], 435, B[X.]tBl II 2010, 145).

Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt nur, wenn er dadurch eine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt ([X.]enatsurteil vom 18. Mai 2010 [X.], [X.], 2114). Lediglich die Duldung einer (freiberuflichen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis macht die Einkommensteuer, die aufgrund dieser Einkünfte entsteht, nicht zu einer Masseverbindlichkeit i.[X.]. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ([X.]-Urteil in [X.], 411).

In der Geltendmachung eines Anspruchs auf Auszahlung der Einkünfte aus der GbR, der diese durch die Überweisungen ab Mai 2007 folgte, liegt eine Verwaltungshandlung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 [X.]. Diese Tätigkeit des [X.] stellt erkennbar mehr als ein bloßes Dulden dar. Bereits sein Bericht zur ersten Gläubigerversammlung unterstreicht dies.

(4) Eine Freigabe durch den Kläger als Insolvenzverwalter ist nicht erfolgt, so dass der Anteil an der (neuen) GbR in den [X.]treitjahren Teil der Insolvenzmasse geblieben ist. Die hieraus resultierenden Einkommensteuern stellen deshalb Masseverbindlichkeiten dar. Letzteres gilt auch für die [X.] ab Juni 2008, als der Kläger irrigerweise annahm, der Insolvenzschuldner sei nicht mehr [X.]er der GbR.

(a) Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass eine Freigabe vom Kläger nicht erklärt worden ist, wenn es feststellt, dass eine solche Erklärung bezogen auf die Beteiligung des Insolvenzschuldners an der GbR für den [X.]raum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vorliegt. Für die [X.] ab Juni 2008, in dem die GbR die Zahlungen an den Kläger einstellte und [X.] dem Kläger mitteilte, er sei nun als angestellter Geschäftsführer der [X.]. tätig, ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Für den [X.]enat bindend versteht das [X.] dieses Verhalten des [X.] nicht als Freigabe der Beteiligung des [X.] an der GbR. Grundsätzlich gehört die Auslegung von Erklärungen zu den tatsächlichen Feststellungen i.[X.]. des § 118 Abs. 2 [X.]O [X.] in [X.]/[X.]/[X.]pitaler, § 118 [X.]O Rz 195) und bindet den [X.]enat. Die Bindungswirkung entfällt, wenn die Auslegung des [X.] anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt ([X.]-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 75/00, [X.], 278, B[X.]tBl II 2003, 467, m.w.[X.]). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr zeigt das [X.] vertretbar auf, dass aufgrund des weiteren Handelns des [X.] und insbesondere der Geltendmachung des Gewinnanteils im Verfahren vor dem [X.] eine Freigabe des [X.] nicht angenommen werden kann.

(b) Mangels einer Freigabeerklärung kann dahinstehen, ob eine Freigabe vor Geltung des § 35 Abs. 2 [X.] n.F. insolvenzrechtlich überhaupt möglich war (vgl. dazu [X.], [X.]schrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2013, 1145).

c) Unerheblich ist, ob der Kläger die dem Insolvenzschuldner zugerechneten Gewinnanteile zur Masse ziehen konnte. Im Einklang mit der Rechtsprechung des IV. [X.]enats des [X.] (Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, [X.]E 241, 233, B[X.]tBl II 2013, 759) kommt es aus [X.]icht des [X.]enats hierauf (nicht mehr) an (so schon [X.]enatsurteil in [X.], 988).

d) Die als Masseverbindlichkeit zu qualifizierenden Einkommensteuern der [X.]treitjahre sind zu Recht im Rahmen von --dem Kläger und der Ehefrau des [X.] einzeln bekanntgegebenen-- Zusammenveranlagungsbescheiden für die [X.]treitjahre (mit-)festgesetzt worden, da eine getrennte Veranlagung nicht beantragt worden ist.

e) Unerheblich ist in diesem Verfahren, dass der Kläger Masseunzulänglichkeit nach § 210 [X.] angezeigt hat. Hierin liegt allein ein Vollstreckungsverbot, welches nach § 251 Abs. 2 [X.] die Befugnisse des [X.] einschränkt, den Verwaltungsakt --hier einen [X.]teuerbescheid-- zu vollstrecken. Dennoch ist dieser Einkommensteuerbescheid zu erlassen, die Einkommensteuer vorliegend also festzusetzen (vgl. hinsichtlich der Funktionen der Masseunzulänglichkeit nach § 210 [X.], wenn auch zur Kraftfahrzeugsteuer: [X.]-Urteil vom 29. August 2007 IX R 58/06, [X.], 432, B[X.]tBl II 2008, 322).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 26/14

01.06.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 28. November 2013, Az: 1 K 159/12, Urteil

§ 35 InsO, § 55 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 InsO, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 74 FGO, § 240 ZPO, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009, § 210 InsO, § 251 Abs 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2016, Az. X R 26/14 (REWIS RS 2016, 10708)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10708

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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